
Humboldt-Universität zu Berlin / Universitätsarchiv
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Das philologische Seminar ist ein öffentliches, mit der Universität
verbundenes Institut, dessen Zweck die leichtere zuverlässigere
und vollständigere Bildung derjenigen ist welche das classische Alte[...]=
thum nicht als bloße Liebhaber oder zur Nachholung der versäum=
ten Schul Studien, sondern in gelehrter Rücksicht studiren wollen:
entweder um durch ihre eigne Bemühungen zur Erhaltung, Begrün=
dung und Verbreitung dieses Zweiges der Gelehrsamkeit [...]=
zutragen, und insbesondere um sich zu Lehrämtern auf Schulen
oder Universitäten vorzubereiten; oder um durch die gele[...]=
te Kenntniß der philologischen Wissenschaften andere [...]
der Gelehrsamkeit z. B. die Theologie oder Jurispr[...]
gründlicher zu bearbeiten.
Da die akademischen öffentlichen und Privat Vorträge die ph[...]=
logischen Wissenschaften nebst der Erklärung der Klassiker [...]=
reits hinlänglich behandeln und sowohl den Stoff der Alterthums=
kunde überliefern, als auch die Art und Weise, denselben zu
verarbeiten, den Zuhörern darlegen, so schließt das philolo=
gische Seminar eigentliche, von dem Lehrer allein zu haltende
Vorlesungen, wobei die Studirenden bloße Zuhörer wären, gänz=
lich aus, und beschränkt sich auf dasjenige, was außer dem
Kreise der gewöhnlichen Vorträge liegt, nehmlich auf die un=
mittelbare Anleitung der Studirenden zu practischen Übungen
und Versuchen in der Bearbeitung philologischer Gegenstände,
auf die Beförderung einer freiern Mittheilung derselben
sowohl unter sich als mit dem Lehrer, und auf die Belehrung der
einzelnen Mitglieder über dasjenige, was ihnen in ihrem gesam̄ten
philologischen Studium schwierig oder unklar geblieben. Auf
diese Weise bildet es einen Übergang von den gewöhnlichen
akademischen Vorträgen für die Studirenden zu dem Geschäfte
des Unterrichtens selbst; welches letztere keinesweges in den
Übungskreis dieses Instituts gehört, sondern an den Schulan=
stalten selbst practisch gelernt und geübt werden muß.
Das philologische Seminar steht unter der Direction
eines Lehrers der Philologie welcher ordentlicher Professor
der philosophischen Facultät ist,1 und besteht aus zwölf or=dent
1 Von der Eröffnung des Seminars 1812 an hatte August Boeckh die Direktion bis zu seinem Todesjahr 1867 inne.
dentlichen Mitgliedern welche einen unbeschränkten Antheil an
allen Übungen haben und zu denselben verpflichtet sind, auch
zur Aufmunterung ihres Fleißes und Eifers eine vom Staa=
te aus geworfene Unterstützung genießen; außerdem aus einer
unbestimmten Zahl außerordentlicher Mitglieder, welche nicht
nur bei allen Übungen gegenwärtig seyn dürfen, sondern auch
auf besonderes Ansuchen für jeden einzelnen Fall, selbst Übun=
gen anstellen können, wenn der Director ihnen dieses ge=
statten zu können glaubt, dabei aber keine Unterstützung des
Staats erhalten, auch keine unmittelbaren Ansprüche auf eine
künftig zu erlangende haben. Die Zahl der außerordentlichen Mit=
glieder darf nicht über zwölf seyn. Wer die Rechte eines ordent=
lichen Mitgliedes mit Verzichtleistung auf das damit verbundene Be[...]=
ficium haben will, und sich den daraus folgenden Verpflichtungen unterwirft,
soll zwar von den ordentlichen Mitgliedern nicht ausgeschlossen, aber als [...]=
numerar2 angesehen werden.
Als ordentliche Mitglieder können nur immatriculirte Studirende
aufgenom̄en werden. Bei welcher Facultät sie eingeschrieben, des=
gleichen ob sie Inländer oder Ausländer seyen, wird nicht in Betracht
gezogen, außer daß bei gleicher Würdigkeit und Bedürftigkeit dem bei
2 Supernumerar(ius), hier: ein über die gewöhnliche Zahl Aufgenommener, der den Titel tragen darf, aber auf die Prämien Verzicht leistet.
der philosophischen Facultät eingeschriebenen Studirenden vor dem bei
einer andern Facultät eingetragenen und eben so dem Inländer
vor dem Ausländer3 der Vorzug gegeben wird. Bloße Bedürftig=
keit darf kein Beweggrund zu Aufnahme seyn; jedoch ist dahin
zu sehen, daß bei gleichen Fähigkeiten und Kenntnissen der Ärmere
vor dem Bemitteltern bedacht werde; so wie diejenigen, welche
im Stande sind, jede Unterstützung zu verschmähen, von selbst da=
rauf Verzicht zu leisten haben. Ob jemand, welcher sich um die
Stelle eines ordentlichen Mitgliedes bewirbt, schon vorher einige
Zeit auf Universitäten studirt habe oder nicht, macht bei der
Aufnahme keinen Unterschied, so bald derjenige welcher das Uni=
versitäts Studium erst anfängt, bewährt, daß er die zum Eintre=
ten in das Seminar nothwendigen Erfordernisse besitze; jedoch
soll ein solcher besonders streng geprüft, und nur dann, wen̄ er
allen Forderungen genügt, aufgenom̄en, im entgegensetz=
ten Fall aber auf eine spätere Zeit verwiesen werden.–
Folgendes sind die allgemeinen Erfordernisse zur Aufnahme:
1., Fleiß und Unbescholtenheit der Sitten und des Charac=
ters, welche, wenn der Director den Aspiranten nicht
genügsam kennt, durch Zeugnisse zu erweisen sind.
Wer bereits in eine vierzehntägige oder noch längere
Gefängnißstrafe verfallen ist, oder das Consilium abeundi4
unterschrieben hat, kann nicht aufgenom̄en werden.
3 Dies bezieht sich auf die Grenzen Preußens.
4 Consilium abeundi: Verweis von der Universität und zeitweise Entziehung der akademischen Bürgerrechte. Die Immatrikulation an einer anderen Universität ist, im Gegensatz zur Relegation, möglich sowie die Neuimmatrikulation nach einer Straffrist an der Universität, die das Consilium abeundi ausgesprochen hat (Paschke (1999): Studentenhistorisches Lexikon, S. 70 f.).
2, Anlagen und wissenschaftlicher Geist und der Vorsatz des Aspiran
ten, die Philologie zu gelehrten Zwecken zu studiren (§ 1.)
3, Solche Kenntnisse welche beweisen, welche beweisen daß
der Aspirant bereits so viel Vorkenntnisse besitzt, um
mit Erfolg zu practischen Übungen angeleitet zu werden.
Wer diese nicht bewähren kann, sondern erst noch erwerben
will, muß einstweilen an die gewöhnlichen akademischen
Vorlesungen verwiesen werden. (§ 2.)
4, Daß der Aspirant nicht in dem theologischen Seminar
als ordentliches Mitglied stehe, indem derjenige, welcher
ordentliches Mitglied beider Institute wäre, seine Kräf=
te keinem ganz widmen könnte, und außerdem dadurch,
daß er zwei Beneficien genöße, andere eben so wür=
dige verkürzt werden möchten. Dagegen stehet es jedem
frey, nach einander in beiden Seminarien ordentliches
Mitglied zu seyn.
Ob derjenige, welcher sich um die Stelle eines ordentlichen Mit=
gliedes bewirbt, die § 4. N 2und 3. benannten Erfordernisse
besitze, wird auf folgende Art ausgemittelt.
Der Aspirant übergiebt dem Director zuerst eine Probe=
schrift in Lateinischer Sprache, welche wenigstens zwei Bogen
stark seyn muß. Diese wird von dem Director streng ge=
prüft und daraus ermessen, ob sich der Verfasser zur Zulassung
zu der weitern Prüfung qualificire oder nicht. Im letztern
Falle wird der Verfasser ohne weiteres für jetzt ganz ab=
gewiesen; im erstern wird er von dem Director so wohl
über die eingereichte Abhandlung selbst als auch nöthigen
Falls durch besondere Fragen und Aufgaben geprüft. Genügt
er bei dieser Prüfung vollkommen, so wird er sofort auf=
genom̄en, und hält binnen vier Wochen in einer ordentlichen
Abendsitzung des Seminars (§ 9. N 2.3) eine kurze latei=
nische Antrittsrede. Genügt er aber den Forderungen nicht
vollständig, ohne jedoch den Hoffnungen, zu welchen die Probe=
schrift zu berechtigen schien, gänzlich zu vernichten, so wird
er einstweilen unter die außerordentlichen Mitglieder ver=
wiesen, und ihm eine Zeit bestim̄t, in welcher er sich wieder
von neuem um die Stelle eines ordentlichen Mitgliedes bewer=
ben darf. Findet sich durch die Prüfung, daß die Abhandlung,
auf welche der Aspirant zum Examen zugelassen worden,
mit seinen Kenntnißen und Fähigkeiten in einem solchen
Mißverhältniß und Widerspruch stehe, daß sie nicht als
sein Werk und wissenschaftliches Eigenthum angesehen werden
könne, so kann er vor Ablauf von drey Semestern nicht
wieder zur Bewerbung, und nur nach der strengsten Prüfung
und Bewährung seiner Fähigkeiten zu einer ordentlichen Stelle
im Seminar zugelassen werden.
Die Probeschrift selbst kann entweder zu diesem oder auch zu einem
andern Zwecke von dem Verfasser ausgearbeitet seyn; die
Wahl des Thema's steht demselben frey, außer daß es in einer
genauen Beziehung zu den philologischen Disciplinen stehen muß:
Auf Verlangen des Aspiranten kann jedoch das Thema von dem
Director gegeben werden.
Die Aufnahme geschieht regelmäßig an dem letzten Son̄abend
vor dem Anfange jedes Semesters nach vorhergegangener
Prüfung an demselben Tage: die dazu einzureichende Probe=
schrift muß vierzehn Tage vorher eingeliefert werden
In der Mitte des Semesters kann niemand aufgenom̄en
werden, außer im Fall einer Vacanz ein außerordentliches
Mitglied, welches nach vorhergegangener Prüfung in einer von
dem Director bestim̄ten Zeit in die erledigte Stelle des ordent=
lichen einrücken kann.
Außerordentliche Mitglieder, welche schon vorher (§ 6) eine Ab=
handlung eingeliefert haben, können sich, wenn dieselbe von dem
Director als hinlänglich zur Aufnahme unter die ordentlichen be=
funden wird, durch eine bloße Prüfung das Recht der ordentlichen
erwerben, und erhalten auch bei gleicher Würdigkeit und Bedürf=
tigkeit den Vorzug vor jedem andern Mitbewerber
Als außerordentliche Mitglieder werden in der Regel
gleichfalls nu[...]r im̄atriculirte Studirende aufgenom̄en
damit die ordentlichen Mitglieder, welche in Gegenwart nNicht=Sstudirender ihre Übungen nicht mit der nothwendigen
Unbefangenheit und Fassung anstellen möchten, durch
Aufnahme der Nichtstudirenden nicht gestört werden. Jedoch
steht es dem Director frei, Einen der seine Studien
schon vollendet hat, zum außerordentlichen Mitgliede auf
sein Verlangen vorzuschlagen, ob er aber zugelassen
werden soll, entscheiden die ordentlichen Mitglieder
ohne eine Stimme des Directors durch Ballotiren,5 wo=
bei der Aspirant wenigstens sechs Stimmen haben muß,
um aufgenom̄en werden zu können.
Derjenige, welcher außerordentliches Mitglied werden will
muß dieselben Erfordernisse bewähren, welche § 4. von den
ordentlichen verlangt werden, mit Ausnahme von N; 4.
auch sollen diejenigen, welche den § 1. bezeichneten Zweck
des Studiums der Philologie nicht haben, sondern nur eine
ausgezeichnete Liebe zu dieser Wissenschaft und die § 4.
5 Ballotieren: mit Kugeln abstimmen.
No 3. bezeichneten Kenntnisse besitzen von den außerordentlichen
Stellen nicht ausgeschloßen werden. Zur Prüfung derselben reicht
eine einzugebende Probeschrift hin, ohne daß die Aspiranten sich
einem Examen zu unterwerfen hätten, da nicht anzunehmen ist,
daß jemand, um sich die mit keinem Emolument6 verbundene Stelle
eines außerordentlichen Mitgliedes zu erwerben, mit einer
Abhandlung welche nicht sein wissenschaftliches Eigenthum ist,
werde täuschen wollen.
In der Regel kann niemand länger als 2. Jahre ordent=
liches Mitglied des Seminars seyn; wünscht jedoch der Director
wegen des ausgezeichneten Fleißes, der Fähigkeiten und der
Bedürftigkeit eines Mitgliedes eine Ausnahme hievon machen
zu können, so hat er deshalb an das Departement des Cultus
und öffentlichen Unterrichts zu berichten von welchem die
Genehmigung abhängt. Jedes ordentliche Mitglied kann
ohne Weiteres zu den außerordentlichen Mitgliedern über=
treten, ausgenom̄en daß, wenn derselbe aufhört Student zu
seyn, die § 5. verordnete Zustim̄ung der ordentlichen Mit=
glieder nöthig wird. Mit der Erlöschung der Matrikel, falls die=
selbe nicht erneuert wird, erlischt auch das Recht ordentliches
Mitglied zu seyn; von den außerordentlichen gilt dies nur in
6 Emolument: Nebeneinkommen.
so fern, als sie sich die § 5. festgesetzte Zustim̄ung der or=
dentlichen erwerben müßen.
Außerdem werden die ordentlichen Mitglieder ihrer Stellen
verlustig:
1, durch die Nichterfüllung der § 8-10 bestim̄ten Verbindlich=
keiten, und den § 11. erwähnten Misbrauch des ihnen zu=
gestandenen Rechtes.
2, durch Erhaltung einer ordentlichen Stelle im theologischen Seminar, (§ 4. N); 4.
3, durch Excesse, welche die Unterschrift des Consilii7 oder
eine vierzehntägige oder noch größere Karzerstrafe
nach sich ziehen. (§ 4. No 1.)
die außerordentlichen aber:
1, durch die Exmatriculation, nach welcher sie von dem
Director nicht können zur Aufnahme als solche vor=
geschlagen werden, über welche die ordentlichen Mit=
glieder zu ballotiren haben.
2, dadurch, daß sie keinen regelmäßigen Gebrauch von
dem ihnen verstatteten Zutritt zu den Übungen machen
Wer, nachdem er zwei Jahre hindurch ordentliches Mit=
glied gewesen, nach genauer Erfüllung aller Verbindlich=
keiten und mit der vollkom̄enen Zufriedenheit des
Directors austritt erhält ein gedrucktes Diplom, auf wel=
7 Consilium abeundi: Verweis von der Universität und zeitweise Entziehung der akademischen Bürgerrechte. Die Immatrikulation an einer anderen Universität ist, im Gegensatz zur Relegation, möglich sowie die Neuimmatrikulation nach einer Straffrist an der Universität, die das Consilium abeundi ausgesprochen hat (Paschke (1999): Studentenhistorisches Lexikon, S. 70 f.).
chem die Zeit seines Eintrittes und Austrittes und das Zeugniß
seines Fleißes und seiner Kenntnisse bemerkt ist; jedoch wird
dasselbe nicht öffentlich angeschlagen. Ein solcher hat von seinem
Abgange in der letzten Abendversammlung des Seminars (§ 9)
eine kurze lateinische Abschiedsrede zu halten; welches auch die=
jenigen zu thun verpflichtet sind, welche vor der zweijährigen
Zeit deswegen aus dem Seminario austreten, weil sie die
Universität verlassen.
Jedes ordentliche Mitglied ist verpflichtet, das philologische Studium
nicht blos in Beziehung auf die Übungen des Seminars oder
gar allein durch dieselben, sondern durch die akademischen Vor=
lesungen aus Privatfleiß seinem ganzen Umfange nach ken̄en
zu lernen, so weit als dieses auf Universitäten geschehen kann.
Daher müßen dieselben in jedem Semester einige Hauptvorlesungen
über philologische Gegenstände hören, es seiy denn, daß jemand von
ihnen schon so weit vorgerückt seÿ, um derselben nicht mehr zu bedür=
fen: worüber dem Director das Urtheil zustehet. Die Wahl der Vor=
lesungen bleibt den Mitgliedern gänzlich überlassen und sie
sind darin durch keinen Zwang zu beschränken, wohl aber zu
berathen.
Die Übungen und Verhandlungen des philologischen Seminars sind
dem § 1 und 2 angegebenen Zwecke nach folgende, sämmtlich in la=
teinischer Sprache anzustellen.
1, In wöchentlich Zwei Stunden üben sich die ordentlichen Mitglieder
in der Behandlung der griechischen und lateinischen Schrift=
steller, so daß jeder Seminarist eine ganze Stunde hindurch
vorträgt, und der Director theils selbst verbessert und nachhilft
theils die übrigen ordentlichen Mitglieder dazu veranlaßt.
Die aAuslegung darf nicht auf eine bestim̄te Art beschränkt
seyn, sondern Sprach und Sacherklärung müssen sowohl un=
ter sich als mit der Darstellung des Geistes, Characters
und Sinnes des Ganzen, zu einem gewissen Ebenmaaß
harmonisch verbunden werden. Neben der Interpretation
geht die Kritik her, und es ist darauf zu sehen, daß dieselbe
weder zu sehr gegen die Auslegung vernachläßigt werde,
noch auch ein störendes Übergewicht über dieselbe erlange.
Zu diesen Übungen werden theils solche Schriftsteller gewählt,
welche auf Schulen vorzüglich erklärt werden, theils solche,
welche für diese Zweckwidrig, aber zur Bildung der Mitglieder
und zur Erreichung der Fertigkeiten, welche dem Philologen
nothwendig sind, besonders geeignet scheinen.
2, Alle vierzehn Tage wird in einer Abendversammlung, in
welcher man die Zeit nicht genau abzumessen nöthig hat, eine
lateinische Abhandlung über einen philologischen Gegenstand
vorgelesen, und die Mitglieder theilen sich alsdann unter der
Leitung des Directors ihre Urtheile und Gedanken darüber
mit, wobei sie sich zugleich im Disputiren und Lateinisch=
reden üben. Der Verfasser wählt das Thema der Ab=
handlung in Übereinkunft mit dem Director, welcher
darauf zu sehen hat, daß dasselbe den Kräften des Semina=
risten angemessen sey, und sich zu der Vorlesung im
Institut qualificire. Sechs Wochen vor der Zeit, in
welcher die Abhandlung gelesen werden soll, muß sie
von dem Verfaßer dem Fiscal eingereicht werden,
alsdann circulirt sie bei den säm̄tlichen Mitgliedern
von unten auf, wobei sie jeder drei Tage behält und
seine Erinnerungen dazu schreibt: hiernächst erhält sie
der Verfasser wieder auf drei Tage zurück, und händigt
sie sechs Tage vor der Versammlung, für welche sie be=
stimmt ist, dem Director ein. Nach der Verlesung derselben
wird sie von dem Director zu den Actis Seminarii8 gelegt,
so jedoch, daß der Verfasser sie zur nochmaligen Umarbeitung
oder Verbeßerung einiger Puncte zurückfordern darf:auch
8 Die Seminararbeiten müssen an die Verfasser zurückgegeben worden sein, denn weder befinden sie sich in den Unterlagen des philologischen Seminars im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin noch in denen des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz.
auch kann der Director dieses dem Verfasser bei einer
übrigens nicht unwürdig befundenen Abhandlung zur
Pflicht machen. Wird eine Abhandlung des Instituts
ganz unwürdig befunden, so giebt sie der Director
dem Verfasser mit Mißbilligung zurück und er muß
dieselbe von neuem ausarbeiten, oder nach Befinden
eine ganz neue anstatt der erstern einliefern, welche
jedoch nicht vorgelesen werden darf.
3, Alle vierzehn Tage, in den Wochen in welchen keine
Abhandlung gelesen wird, versammelt sich das Seminar,
gleichfalls Abends, zu dem Zwecke, daß die Mitglieder
über dasjenige, was ihnen in ihrem Studium dunckel ge=
blieben, Fragen aufwerfen. Jedes ordentliche
Mitglied ist dazu berechtigt; vier derselben aber
verpflichtet, in einer Sitzung Eine Frage vorzule=
gen. Der Director veranlaßt die Mitglieder zur
Auflösung derselben und leistet dieselbe nöthigen
Falls selbst: auch kann er die Auflösung auf die näch=
ste Sitzung verschieben und einzelne Mitglieder
mit der Lösung in derselben beauftragen. Ferner
kann der Director selbst in den Sitzungen den Mit=
gliedern einige Fragen und Aufgaben zur Lösung
entweder gleich für die Sitzung, in welcher sieauf=
aufgestellt werden oder für die nächste geben. Über
diese Übungen hält der Fiscal ein Protocoll.
Außer den ordentlichen und außerordentlichen
Mitgliedern steht niemanden der Zutritt zu diesen
Verhandlungen offen, es sey denn mit specieller
Erlaubniß des Directors für jeden einzelnen
Fall, welche durch eine Einlaßkarte ertheilt wird.
Damit alle diese aArten von Übungen einen regel=
mäßigen Gang ohne unnöthige Unterbrechungen
nehmen, wird zu Anfang eines jeden Semesters,
nach der Aufnahme der neuen Mitglieder, vom Fis=
cal nach der Angabe des Directors eine Liste ver=
fertigt, in welcher die Mitglieder nach der Ordnung,
wie sie die Übungen vorzunehmen haben, verzeichnet
sind. Die Anordnung wird nicht nach der Zeit des Ein=
tritts der Mitglieder sondern nach dem Grade der
Auszeichnung gemacht, so daß die reifern und fähigern
zuerst an die Reihe kom̄en, um den Übrigen zum
Muster u Beispiel zu dienen; ohne daß jedoch den
Mitgliedern das Princip dieser Anordnung mitge=
theilt werde, woraus ein zu schülermäßiges Verhältnis der=
selben entstehen würde. Die beiden ersten Mitglieder sind
die Senioren des Instituts, und unter diesen der erste der
Ficscal desselben. Der Fiscal bewahrt die Liste und macht
jedem Mitgliede bekannt, was er im Laufe des Semesters
zu leisten habe, und zu welcher Zeit; auch hat er dafür zu
sorgen, daß für die ersten sechs Wochen des folgenden
halben Jahres, nehmlich für die drei ersten Versam̄lungen
zum Lesen der Abhandlungen, die Schriften der Mitglieder
noch in dem vorhergehenden Semester in Circulation gesetzt
werden. Außerdem hat der Fiscal die Mitglieder mit
allen sie betreffenden Statuten9 des Seminars nach ei=
nem vom Director ihm mitzutheilenden Auszug aus
demselben bekan̄t zu machen, u sowohl auf die genaue
Befolgung der Ordnung in den verschiedenen Übungen,
als auch auf den Fleiß der Mitglieder in Besuchung des
Seminars zu achten und dem Director darüber Nachricht
zu geben.
Will ein außerordentliches Mitglied thätigen An=
theil an den Übungen nehmen (§ 3.) so setzt der Fiscal
nach vorher gegangener Einwilligung des Directors
seinen Namen an der von letzterem bestimmten Stelle
in die Liste. Wer durch Unpäßlichkeit oder andere dringen=
9 Die Statuten des philologischen Seminars wurden am 28. Mai 1812 vom Innenministerium verabschiedet und beruhen auf dem vorliegenden, von Boeckh ausgearbeiteten Plan. Sie liegen gedruckt vor u.a. im Berliner Universitätskalender 1813, S.24-28, und bei Koch (1839/40): Die Preussischen Universitäten, Bd. 2,2 S.560-562.
de Verhinderung abgehalten wird, zur bestim̄ten
Zeit das Seinige zu leisten, muß dieses mit nament=
licher Angebung der hindernden Umstände dem Fis=
cal zeitig anzeigen, welcher alsdann einen andern
zu substituiren und zugleich dafür zu sorgen hat,
daß ersterer zu einer andern Zeit eintrete.
Im Falle, daß der Fiscal keinen andern substituiren
kann, muß er selbst oder der zweite Senior die Ar=
beit übernehmen. Wer aus nNachlässigkeit diese Ord=
nung verletzt, wird, wenn nicht besondere Gründe
der Schonung vorhanden sind, ausgestoßen.
Zur Unterstützung der ordentlichen Mitglieder ist
jährlich eine Summe von 600 r ausgesetzt. Die hier=
aus fließenden Benefizien sind nicht sowohl als gGe=
halte, sondern vielmehr als Prämien anzusehen, in=
dem nur solche Mitglieder aufgenom̄en werden, welche
Prämien zu verdienen scheinen, und indem sie die
Unterstützung erst zu Ende des Semesters erhalten,
nachdem sie gezeigt, daß sie des Seminars und folglich
auch der Unterstützung würdig sind. Zeigen sich alle
Zwölf Mitglieder würdig, so wird die Sum̄e so ver=
theilt, daß jeder der beiden Senioren 60 rl jeder der 8 fol=
genden 50 rl. und jeder der beiden letzten Mitglieder 40 r.
empfängt. Hat sich eins der Mitglieder der Prämie un=
würdig gemacht, und folglich die Ausstoßung aus den
ordentlichen Mitgliedern zugezogen, ohne daß seine
Stelle auf eine würdige Weise sogleich wieder
könnte besetzt werden, so wird die ihm bestimmt ge=
wesene Summe unter die 6 würdigsten Mitglieder
zu[...]gleichen Theilen ausgetheilt, welches jedoch nicht
ohne eingeholte Bewilligung des Departements für
den Cultus u öffentl. Unterricht geschehen darf.
Die Zahlung geschieht durch den Director gegen
Quittung in zwei Parthien auf den 15ten Maerz
und 15 August als das Ende beider Semester
Außer dieser Unterstützung sollen die
Mitglieder auf ein schriftliches Zeugniß des Direc=
tors und dessen Caution einen zu ihren Arbeiten
nöthigen freien Gebrauch der Königl: Bibliothek
haben, so daß sie besonders eine größere Anzahl
Bücher als andere Studenten, aus derselben erhalten
kön̄en. Ein strafbarer Misbrauch dieser Vergünsti=
gung hat dagegen Ausstoßung aus dem Institut zur
Folge
Der Director ist nicht nur für die nach diesem
Plane von ihm übernom̄enen Verbindlichkeiten
sondern auch für die Aufrechthaltung aller An=
ordnungen, welche derselbe enthält, von Seiten der
Mitglieder, verantwortlich. Er hat deshalb halbjährig,
jedesmal acht Tage nach dem Schluß der Vorlesungen,
über den Zustand des Instituts und die Arbeiten des=
selben, insbesondere über die säm̄tlichen sowohl or=
dentlichen als außerordentlichen Mitglieder in
Rücksicht ihres Fleißes, ihrer Fortschritte u Fähigkei=
ten an das vorgesetzte Departement ausführlich
zu berichten, und jedesmal die zwei vorzüglichsten
der eingelieferten Abhandlungen dem Berichte bei=
zulegen.
Abschrifta
Das philologische Seminar ist ein öffentliches, mit der Universität verbundenes Institut, dessen Zweck die leichtere zuverlässigere und vollständigere Bildung derjenigen ist welche das classische Alte[r]thum nicht als bloße Liebhaber oder zur Nachholung der versäum ten Schul Studien, sondern in gelehrter Rücksicht studiren wollen: entweder um durch ihre eigne Bemühungen zur Erhaltung, Begründung und Verbreitung dieses Zweiges der Gelehrsamkeit [bei]zutragen, und insbesondere um sich zu Lehrämtern auf Schulen oder Universitäten vorzubereiten; oder um durch die gele[hr]te Kenntniß der philologischen Wissenschaften andere [Gebiete] der Gelehrsamkeit zum Beispiel die Theologie oder Jurispr[udenz] gründlicher zu bearbeiten.
Da die akademischen öffentlichen und Privat Vorträge die ph[ilo]logischen Wissenschaften nebst der Erklärung der Klassiker [be]=
reits hinlänglich behandeln und sowohl den Stoff der Alterthumskunde überliefern, als auch die Art und Weise, denselben zu verarbeiten, den Zuhörern darlegen, so schließt das philologische Seminar eigentliche, von dem Lehrer allein zu haltende Vorlesungen, wobei die Studirenden bloße Zuhörer wären, gänzlich aus, und beschränkt sich auf dasjenige, was außer dem Kreise der gewöhnlichen Vorträge liegt, nehmlich auf die unmittelbare Anleitung der Studirenden zu practischen Übungen und Versuchen in der Bearbeitung philologischer Gegenstände, auf die Beförderung einer freiern Mittheilung derselben sowohl unter sich als mit dem Lehrer, und auf die Belehrung der einzelnen Mitglieder über dasjenige, was ihnen in ihrem gesammten philologischen Studium schwierig oder unklar geblieben. Auf diese Weise bildet es einen Übergang von den gewöhnlichen akademischen Vorträgen für die Studirenden zu dem Geschäfte des Unterrichtens selbst; welches letztere keinesweges in den Übungskreis dieses Instituts gehört, sondern an den Schulanstalten selbst practisch gelernt und geübt werden muß.
Das philologische Seminar steht unter der Direction eines Lehrers der Philologie welcher ordentlicher Professor der philosophischen Facultät ist,1 und besteht aus zwölf or=
1 Von der Eröffnung des Seminars 1812 an hatte August Boeckh die Direktion bis zu seinem Todesjahr 1867 inne.
adentlichen Mitgliedern welche einen unbeschränkten Antheil an allen Übungen haben und zu denselben verpflichtet sind, auch zur Aufmunterung ihres Fleißes und Eifers eine vom Staate aus geworfene Unterstützung genießen; außerdem aus einer unbestimmten Zahl außerordentlicher Mitglieder, welche nicht nur bei allen Übungen gegenwärtig seyn dürfen, sondern auch auf besonderes Ansuchen für jeden einzelnen Fall, selbst Übungen anstellen können, wenn der Director ihnen dieses gestatten zu können glaubt, dabei aber keine Unterstützung des Staats erhalten, auch keine unmittelbaren Ansprüche auf eine künftig zu erlangende haben. Die Zahl der außerordentlichen Mitglieder darf nicht über zwölf seyn. Wer die Rechte eines ordentlichen Mitgliedes mit Verzichtleistung auf das damit verbundene Be[ne]ficium haben will, und sich den daraus folgenden Verpflichtungen unterwirft, soll zwar von den ordentlichen Mitgliedern nicht ausgeschlossen, aber als [super]numerar2 angesehen werden.
Als ordentliche Mitglieder können nur immatriculirte Studirende aufgenommen werden. Bei welcher Facultät sie eingeschrieben, desgleichen ob sie Inländer oder Ausländer seyen, wird nicht in Betracht gezogen, außer daß bei gleicher Würdigkeit und Bedürftigkeit dem bei
2 Supernumerar(ius), hier: ein über die gewöhnliche Zahl Aufgenommener, der den Titel tragen darf, aber auf die Prämien Verzicht leistet.
der philosophischen Facultät eingeschriebenen Studirenden vor dem bei einer andern Facultät eingetragenen und eben so dem Inländer vor dem Ausländer3 der Vorzug gegeben wird. Bloße Bedürftigkeit darf kein Beweggrund zu Aufnahme seyn; jedoch ist dahin zu sehen, daß bei gleichen Fähigkeiten und Kenntnissen der Ärmere vor dem Bemitteltern bedacht werde; so wie diejenigen, welche im Stande sind, jede Unterstützung zu verschmähen, von selbst darauf Verzicht zu leisten haben. Ob jemand, welcher sich um die Stelle eines ordentlichen Mitgliedes bewirbt, schon vorher einige Zeit auf Universitäten studirt habe oder nicht, macht bei der Aufnahme keinen Unterschied, so bald derjenige welcher das Universitäts Studium erst anfängt, bewährt, daß er die zum Eintreten in das Seminar nothwendigen Erfordernisse besitze; jedoch soll ein solcher besonders streng geprüft, und nur dann, wenn er allen Forderungen genügt, aufgenommen, im entgegensetzten Fall aber auf eine spätere Zeit verwiesen werden.–
Folgendes sind die allgemeinen Erfordernisse zur Aufnahme:
1., Fleiß und Unbescholtenheit der Sitten und des Characters, welche, wenn der Director den Aspiranten nicht genügsam kennt, durch Zeugnisse zu erweisen sind. Wer bereits in eine vierzehntägige oder noch längere Gefängnißstrafe verfallen ist, oder das Consilium abeundi4 unterschrieben hat, kann nicht aufgenommen werden.
3 Dies bezieht sich auf die Grenzen Preußens.
4 Consilium abeundi: Verweis von der Universität und zeitweise Entziehung der akademischen Bürgerrechte. Die Immatrikulation an einer anderen Universität ist, im Gegensatz zur Relegation, möglich sowie die Neuimmatrikulation nach einer Straffrist an der Universität, die das Consilium abeundi ausgesprochen hat (Paschke (1999): Studentenhistorisches Lexikon, S. 70 f.).
a 2, Anlagen und wissenschaftlicher Geist und der Vorsatz des Aspiranten, die Philologie zu gelehrten Zwecken zu studiren (§ 1.)
3, Solche Kenntnisse welche beweisen, daß der Aspirant bereits so viel Vorkenntnisse besitzt, um mit Erfolg zu practischen Übungen angeleitet zu werden. Wer diese nicht bewähren kann, sondern erst noch erwerben will, muß einstweilen an die gewöhnlichen akademischen Vorlesungen verwiesen werden. (§ 2.)
4, Daß der Aspirant nicht in dem theologischen Seminar als ordentliches Mitglied stehe, indem derjenige, welcher ordentliches Mitglied beider Institute wäre, seine Kräfte keinem ganz widmen könnte, und außerdem dadurch, daß er zwei Beneficien genöße, andere eben so würdige verkürzt werden möchten. Dagegen stehet es jedem frey, nach einander in beiden Seminarien ordentliches Mitglied zu seyn.
Ob derjenige, welcher sich um die Stelle eines ordentlichen Mitgliedes bewirbt, die § 4. Nummer 2 und 3. benannten Erfordernisse besitze, wird auf folgende Art ausgemittelt. Der Aspirant übergiebt dem Director zuerst eine Probe=
schrift in Lateinischer Sprache, welche wenigstens zwei Bogen stark seyn muß. Diese wird von dem Director streng geprüft und daraus ermessen, ob sich der Verfasser zur Zulassung zu der weitern Prüfung qualificire oder nicht. Im letztern Falle wird der Verfasser ohne weiteres für jetzt ganz abgewiesen; im erstern wird er von dem Director so wohl über die eingereichte Abhandlung selbst als auch nöthigen Falls durch besondere Fragen und Aufgaben geprüft. Genügt er bei dieser Prüfung vollkommen, so wird er sofort aufgenommen, und hält binnen vier Wochen in einer ordentlichen Abendsitzung des Seminars (§ 9. Nummer 2.3) eine kurze lateinische Antrittsrede. Genügt er aber den Forderungen nicht vollständig, ohne jedoch den Hoffnungen, zu welchen die Probeschrift zu berechtigen schien, gänzlich zu vernichten, so wird er einstweilen unter die außerordentlichen Mitglieder verwiesen, und ihm eine Zeit bestimmt, in welcher er sich wieder von neuem um die Stelle eines ordentlichen Mitgliedes bewerben darf. Findet sich durch die Prüfung, daß die Abhandlung, auf welche der Aspirant zum Examen zugelassen worden, mit seinen Kenntnißen und Fähigkeiten in einem solchen Mißverhältniß und Widerspruch stehe, daß sie nicht als sein Werk und wissenschaftliches Eigenthum angesehen werden könne, so kann er vor Ablauf von drey Semestern nicht
awieder zur Bewerbung, und nur nach der strengsten Prüfung und Bewährung seiner Fähigkeiten zu einer ordentlichen Stelle im Seminar zugelassen werden.
Die Probeschrift selbst kann entweder zu diesem oder auch zu einem andern Zwecke von dem Verfasser ausgearbeitet seyn; die Wahl des Thema's steht demselben frey, außer daß es in einer genauen Beziehung zu den philologischen Disciplinen stehen muß: Auf Verlangen des Aspiranten kann jedoch das Thema von dem Director gegeben werden.
Die Aufnahme geschieht regelmäßig an dem letzten Sonnabend vor dem Anfange jedes Semesters nach vorhergegangener Prüfung an demselben Tage: die dazu einzureichende Probeschrift muß vierzehn Tage vorher eingeliefert werden In der Mitte des Semesters kann niemand aufgenommen werden, außer im Fall einer Vacanz ein außerordentliches Mitglied, welches nach vorhergegangener Prüfung in einer von dem Director bestimmten Zeit in die erledigte Stelle des ordentlichen einrücken kann.
Außerordentliche Mitglieder, welche schon vorher (§ 6) eine Abhandlung eingeliefert haben, können sich, wenn dieselbe von dem Director als hinlänglich zur Aufnahme unter die ordentlichen befunden wird, durch eine bloße Prüfung das Recht der ordentlichen erwerben, und erhalten auch bei gleicher Würdigkeit und Bedürf=
tigkeit den Vorzug vor jedem andern Mitbewerber
Als außerordentliche Mitglieder werden in der Regel gleichfalls nur immatriculirte Studirende aufgenommen damit die ordentlichen Mitglieder, welche in Gegenwart Nichtstudirender ihre Übungen nicht mit der nothwendigen Unbefangenheit und Fassung anstellen möchten, durch Aufnahme der Nichtstudirenden nicht gestört werden. Jedoch steht es dem Director frei, Einen der seine Studien schon vollendet hat, zum außerordentlichen Mitgliede auf sein Verlangen vorzuschlagen, ob er aber zugelassen werden soll, entscheiden die ordentlichen Mitglieder ohne eine Stimme des Directors durch Ballotiren,5 wobei der Aspirant wenigstens sechs Stimmen haben muß, um aufgenommen werden zu können.
Derjenige, welcher außerordentliches Mitglied werden will muß dieselben Erfordernisse bewähren, welche § 4. von den ordentlichen verlangt werden, mit Ausnahme von Nummer 4.; auch sollen diejenigen, welche den § 1. bezeichneten Zweck des Studiums der Philologie nicht haben, sondern nur eine ausgezeichnete Liebe zu dieser Wissenschaft und die § 4.
5 Ballotieren: mit Kugeln abstimmen.
aNummer 3. bezeichneten Kenntnisse besitzen von den außerordentlichen Stellen nicht ausgeschloßen werden. Zur Prüfung derselben reicht eine einzugebende Probeschrift hin, ohne daß die Aspiranten sich einem Examen zu unterwerfen hätten, da nicht anzunehmen ist, daß jemand, um sich die mit keinem Emolument6 verbundene Stelle eines außerordentlichen Mitgliedes zu erwerben, mit einer Abhandlung welche nicht sein wissenschaftliches Eigenthum ist, werde täuschen wollen.
In der Regel kann niemand länger als 2. Jahre ordentliches Mitglied des Seminars seyn; wünscht jedoch der Director wegen des ausgezeichneten Fleißes, der Fähigkeiten und der Bedürftigkeit eines Mitgliedes eine Ausnahme hievon machen zu können, so hat er deshalb an das Departement des Cultus und öffentlichen Unterrichts zu berichten von welchem die Genehmigung abhängt. Jedes ordentliche Mitglied kann ohne Weiteres zu den außerordentlichen Mitgliedern übertreten, ausgenommen daß, wenn derselbe aufhört Student zu seyn, die § 5. verordnete Zustimmung der ordentlichen Mitglieder nöthig wird. Mit der Erlöschung der Matrikel, falls dieselbe nicht erneuert wird, erlischt auch das Recht ordentliches Mitglied zu seyn; von den außerordentlichen gilt dies nur in
6 Emolument: Nebeneinkommen.
so fern, als sie sich die § 5. festgesetzte Zustimmung der ordentlichen erwerben müßen.
Außerdem werden die ordentlichen Mitglieder ihrer Stellen verlustig: 1, durch die Nichterfüllung der § 8-10 bestimmten Verbindlichkeiten, und den § 11. erwähnten Misbrauch des ihnen zugestandenen Rechtes.
2, durch Erhaltung einer ordentlichen Stelle im theologischen Seminar, (§ 4. Nummer 4.);
3, durch Excesse, welche die Unterschrift des Consilii7 oder eine vierzehntägige oder noch größere Karzerstrafe nach sich ziehen. (§ 4. Nummer 1.)
die außerordentlichen aber: 1, durch die Exmatriculation, nach welcher sie von dem Director nicht können zur Aufnahme als solche vorgeschlagen werden, über welche die ordentlichen Mitglieder zu ballotiren haben.
2, dadurch, daß sie keinen regelmäßigen Gebrauch von dem ihnen verstatteten Zutritt zu den Übungen machen
Wer, nachdem er zwei Jahre hindurch ordentliches Mitglied gewesen, nach genauer Erfüllung aller Verbindlichkeiten und mit der vollkommenen Zufriedenheit des Directors austritt erhält ein gedrucktes Diplom, auf wel=
7 Consilium abeundi: Verweis von der Universität und zeitweise Entziehung der akademischen Bürgerrechte. Die Immatrikulation an einer anderen Universität ist, im Gegensatz zur Relegation, möglich sowie die Neuimmatrikulation nach einer Straffrist an der Universität, die das Consilium abeundi ausgesprochen hat (Paschke (1999): Studentenhistorisches Lexikon, S. 70 f.).
achem die Zeit seines Eintrittes und Austrittes und das Zeugniß seines Fleißes und seiner Kenntnisse bemerkt ist; jedoch wird dasselbe nicht öffentlich angeschlagen. Ein solcher hat von seinem Abgange in der letzten Abendversammlung des Seminars (§ 9) eine kurze lateinische Abschiedsrede zu halten; welches auch diejenigen zu thun verpflichtet sind, welche vor der zweijährigen Zeit deswegen aus dem Seminario austreten, weil sie die Universität verlassen.
Jedes ordentliche Mitglied ist verpflichtet, das philologische Studium nicht blos in Beziehung auf die Übungen des Seminars oder gar allein durch dieselben, sondern durch die akademischen Vorlesungen aus Privatfleiß seinem ganzen Umfange nach kennen zu lernen, so weit als dieses auf Universitäten geschehen kann. Daher müßen dieselben in jedem Semester einige Hauptvorlesungen über philologische Gegenstände hören, es sey denn, daß jemand von ihnen schon so weit vorgerückt sey, um derselben nicht mehr zu bedürfen: worüber dem Director das Urtheil zustehet. Die Wahl der Vorlesungen bleibt den Mitgliedern gänzlich überlassen und sie sind darin durch keinen Zwang zu beschränken, wohl aber zu berathen.
Die Übungen und Verhandlungen des philologischen Seminars sind dem § 1 und 2 angegebenen Zwecke nach folgende, sämmtlich in lateinischer Sprache anzustellen.
1, In wöchentlich Zwei Stunden üben sich die ordentlichen Mitglieder in der Behandlung der griechischen und lateinischen Schriftsteller, so daß jeder Seminarist eine ganze Stunde hindurch vorträgt, und der Director theils selbst verbessert und nachhilft theils die übrigen ordentlichen Mitglieder dazu veranlaßt. Die Auslegung darf nicht auf eine bestimmte Art beschränkt seyn, sondern Sprach und Sacherklärung müssen sowohl unter sich als mit der Darstellung des Geistes, Characters und Sinnes des Ganzen, zu einem gewissen Ebenmaaß harmonisch verbunden werden. Neben der Interpretation geht die Kritik her, und es ist darauf zu sehen, daß dieselbe weder zu sehr gegen die Auslegung vernachläßigt werde, noch auch ein störendes Übergewicht über dieselbe erlange. Zu diesen Übungen werden theils solche Schriftsteller gewählt, welche auf Schulen vorzüglich erklärt werden, theils solche, welche für diese Zweckwidrig, aber zur Bildung der Mitglieder und zur Erreichung der Fertigkeiten, welche dem Philologen nothwendig sind, besonders geeignet scheinen.
a 2, Alle vierzehn Tage wird in einer Abendversammlung, in welcher man die Zeit nicht genau abzumessen nöthig hat, eine lateinische Abhandlung über einen philologischen Gegenstand vorgelesen, und die Mitglieder theilen sich alsdann unter der Leitung des Directors ihre Urtheile und Gedanken darüber mit, wobei sie sich zugleich im Disputiren und Lateinischreden üben. Der Verfasser wählt das Thema der Abhandlung in Übereinkunft mit dem Director, welcher darauf zu sehen hat, daß dasselbe den Kräften des Seminaristen angemessen sey, und sich zu der Vorlesung im Institut qualificire. Sechs Wochen vor der Zeit, in welcher die Abhandlung gelesen werden soll, muß sie von dem Verfaßer dem Fiscal eingereicht werden, alsdann circulirt sie bei den sämmtlichen Mitgliedern von unten auf, wobei sie jeder drei Tage behält und seine Erinnerungen dazu schreibt: hiernächst erhält sie der Verfasser wieder auf drei Tage zurück, und händigt sie sechs Tage vor der Versammlung, für welche sie bestimmt ist, dem Director ein. Nach der Verlesung derselben wird sie von dem Director zu den Actis Seminarii8 gelegt, so jedoch, daß der Verfasser sie zur nochmaligen Umarbeitung oder Verbeßerung einiger Puncte zurückfordern darf:
8 Die Seminararbeiten müssen an die Verfasser zurückgegeben worden sein, denn weder befinden sie sich in den Unterlagen des philologischen Seminars im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin noch in denen des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz.
auch kann der Director dieses dem Verfasser bei einer übrigens nicht unwürdig befundenen Abhandlung zur Pflicht machen. Wird eine Abhandlung des Instituts ganz unwürdig befunden, so giebt sie der Director dem Verfasser mit Mißbilligung zurück und er muß dieselbe von neuem ausarbeiten, oder nach Befinden eine ganz neue anstatt der erstern einliefern, welche jedoch nicht vorgelesen werden darf.
3, Alle vierzehn Tage, in den Wochen in welchen keine Abhandlung gelesen wird, versammelt sich das Seminar, gleichfalls Abends, zu dem Zwecke, daß die Mitglieder über dasjenige, was ihnen in ihrem Studium dunckel geblieben, Fragen aufwerfen. Jedes ordentliche Mitglied ist dazu berechtigt; vier derselben aber verpflichtet, in einer Sitzung Eine Frage vorzulegen. Der Director veranlaßt die Mitglieder zur Auflösung derselben und leistet dieselbe nöthigen Falls selbst: auch kann er die Auflösung auf die nächste Sitzung verschieben und einzelne Mitglieder mit der Lösung in derselben beauftragen. Ferner kann der Director selbst in den Sitzungen den Mitgliedern einige Fragen und Aufgaben zur Lösung entweder gleich für die Sitzung, in welcher sie
aaufgestellt werden oder für die nächste geben. Über diese Übungen hält der Fiscal ein Protocoll.
Außer den ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern steht niemanden der Zutritt zu diesen Verhandlungen offen, es sey denn mit specieller Erlaubniß des Directors für jeden einzelnen Fall, welche durch eine Einlaßkarte ertheilt wird.
Damit alle diese Arten von Übungen einen regelmäßigen Gang ohne unnöthige Unterbrechungen nehmen, wird zu Anfang eines jeden Semesters, nach der Aufnahme der neuen Mitglieder, vom Fiscal nach der Angabe des Directors eine Liste verfertigt, in welcher die Mitglieder nach der Ordnung, wie sie die Übungen vorzunehmen haben, verzeichnet sind. Die Anordnung wird nicht nach der Zeit des Eintritts der Mitglieder sondern nach dem Grade der Auszeichnung gemacht, so daß die reifern und fähigern zuerst an die Reihe kommen, um den Übrigen zum Muster und Beispiel zu dienen; ohne daß jedoch den Mitgliedern das Princip dieser Anordnung mitge=
theilt werde, woraus ein zu schülermäßiges Verhältnis derselben entstehen würde. Die beiden ersten Mitglieder sind die Senioren des Instituts, und unter diesen der erste der Fiscal desselben. Der Fiscal bewahrt die Liste und macht jedem Mitgliede bekannt, was er im Laufe des Semesters zu leisten habe, und zu welcher Zeit; auch hat er dafür zu sorgen, daß für die ersten sechs Wochen des folgenden halben Jahres, nehmlich für die drei ersten Versammlungen zum Lesen der Abhandlungen, die Schriften der Mitglieder noch in dem vorhergehenden Semester in Circulation gesetzt werden. Außerdem hat der Fiscal die Mitglieder mit allen sie betreffenden Statuten9 des Seminars nach einem vom Director ihm mitzutheilenden Auszug aus demselben bekannt zu machen, und sowohl auf die genaue Befolgung der Ordnung in den verschiedenen Übungen, als auch auf den Fleiß der Mitglieder in Besuchung des Seminars zu achten und dem Director darüber Nachricht zu geben.
Will ein außerordentliches Mitglied thätigen Antheil an den Übungen nehmen (§ 3.) so setzt der Fiscal nach vorher gegangener Einwilligung des Directors seinen Namen an der von letzterem bestimmten Stelle in die Liste. Wer durch Unpäßlichkeit oder andere dringen=
9 Die Statuten des philologischen Seminars wurden am 28. Mai 1812 vom Innenministerium verabschiedet und beruhen auf dem vorliegenden, von Boeckh ausgearbeiteten Plan. Sie liegen gedruckt vor u.a. im Berliner Universitätskalender 1813, S.24-28, und bei Koch (1839/40): Die Preussischen Universitäten, Bd. 2,2 S.560-562.
ade Verhinderung abgehalten wird, zur bestimmten Zeit das Seinige zu leisten, muß dieses mit namentlicher Angebung der hindernden Umstände dem Fiscal zeitig anzeigen, welcher alsdann einen andern zu substituiren und zugleich dafür zu sorgen hat, daß ersterer zu einer andern Zeit eintrete. Im Falle, daß der Fiscal keinen andern substituiren kann, muß er selbst oder der zweite Senior die Arbeit übernehmen. Wer aus Nachlässigkeit diese Ordnung verletzt, wird, wenn nicht besondere Gründe der Schonung vorhanden sind, ausgestoßen.
Zur Unterstützung der ordentlichen Mitglieder ist jährlich eine Summe von 600 Reichsthalern ausgesetzt. Die hieraus fließenden Benefizien sind nicht sowohl als Gehalte, sondern vielmehr als Prämien anzusehen, indem nur solche Mitglieder aufgenommen werden, welche Prämien zu verdienen scheinen, und indem sie die Unterstützung erst zu Ende des Semesters erhalten, nachdem sie gezeigt, daß sie des Seminars und folglich auch der Unterstützung würdig sind. Zeigen sich alle
Zwölf Mitglieder würdig, so wird die Summe so vertheilt, daß jeder der beiden Senioren 60 Reichsthaler jeder der 8 folgenden 50 Reichsthaler und jeder der beiden letzten Mitglieder 40 Reichsthaler empfängt. Hat sich eins der Mitglieder der Prämie unwürdig gemacht, und folglich die Ausstoßung aus den ordentlichen Mitgliedern zugezogen, ohne daß seine Stelle auf eine würdige Weise sogleich wieder könnte besetzt werden, so wird die ihm bestimmt gewesene Summe unter die 6 würdigsten Mitglieder zugleichen Theilen ausgetheilt, welches jedoch nicht ohne eingeholte Bewilligung des Departements für den Cultus und öffentlichen Unterricht geschehen darf. Die Zahlung geschieht durch den Director gegen Quittung in zwei Parthien auf den 15ten Maerz und 15 August als das Ende beider Semester
Außer dieser Unterstützung sollen die Mitglieder auf ein schriftliches Zeugniß des Directors und dessen Caution einen zu ihren Arbeiten nöthigen freien Gebrauch der Königlichen Bibliothek haben, so daß sie besonders eine größere Anzahl Bücher als andere Studenten, aus derselben erhalten können. Ein strafbarer Misbrauch dieser Vergünstigung hat dagegen Ausstoßung aus dem Institut zur
aFolge
Der Director ist nicht nur für die nach diesem Plane von ihm übernommenen Verbindlichkeiten sondern auch für die Aufrechthaltung aller Anordnungen, welche derselbe enthält, von Seiten der Mitglieder, verantwortlich. Er hat deshalb halbjährig, jedesmal acht Tage nach dem Schluß der Vorlesungen, über den Zustand des Instituts und die Arbeiten desselben, insbesondere über die sämmtlichen sowohl ordentlichen als außerordentlichen Mitglieder in Rücksicht ihres Fleißes, ihrer Fortschritte und Fähigkeiten an das vorgesetzte Departement ausführlich zu berichten, und jedesmal die zwei vorzüglichsten der eingelieferten Abhandlungen dem Berichte beizulegen.