Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Helmina von Chézy an Adelbert von Chamisso (Abschrift) (wahrscheinlich Montmorency, zwischen Ende Juli und dem 14. September 1810)

 

 

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    Andre Blühten andre Au[ge]n3 -
    Mit mir geht mein traurig Herz.
    Will ich in die Ferne schauen
    seh ich doch nur meinen Schmerz.
    Thränen send ich zu den Sternen,
    Thränen sinken in die Fluth
    Gram will4 sich nur dann entfernen,
    Wenn dein5 Herz an deinem ruht.6

     

    Da glänzt der halbe Mond, da steht die Kirche,
    Die Vögel zwitschern in den Baumen, es ist alles
    wie es war, aber die Seele der Natur fehlt, der Geliebte
    Die Hoffnung fehlt, die ich nicht laßen und nicht
    faßen kann. Heute an denselben Tisch, wo wir
    so oft mit unsern Kindern7 gegessen, überfiel mich
    eine durchbohrende Sehnsucht und Wehmuth. Im
    Garten der guten alten Marie8, wo ich an deinem
    Herzen geweint, weine ich noch oft. Ebenjetzt
    wollte ich in eine tödliche Abspannung versinken
    fühlte wieder einen Aügenblik wie so unzählbare schon
    die unnennbarste grausammste Stimmung, wo alles
    Nieder wärts strebt - da rettet mich dein Bild und
    giebt mir Thränen.

    Was zittre ich nur? Dein Herz ist ja dein Herz,
    und kann sich nicht verlaügnen, nichts in der Welt
    wird dir mich und meine Liebe ersetzen, und du

    Kommentare

    1 Es handelt sich um eine von Chamisso angefertigte Abschrift eines an ihn gerichteten Briefes von Helmina von Chézy, die frühestens Ende Juli 1810 entstanden sein kann. Sie liegt gedruckt vor in Riegels Edition der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits als Teil des Briefes 74 von Chamisso an seinen Freund Louis de La Foye, der auf Anfang August 1810 datiert wird.

    2 Diese Verse bilden die vierte Strophe des Gedichtes Abschiedsgruß in Helmina von Chézys Gedichte der Enkelin der Karschin von 1812 (Band 2, S.12). Der Druck unterscheidet sich in der Zeichensetzung, Rechtschreibung, der Groß- und Kleinschreibung und auch inhaltlich von der Abschrift Chamissos.

    3 Im Druck der Gedichte der Enkelin der Karschin und der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „Augen“ statt „Auen“.

    4 Im Druck der Gedichte der Enkelin der Karschin steht „wird“ statt „will“.

    5 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „mein“ statt „dein“.

    6 Im Druck der Gedichte der Enkelin der Karschin lautet dieser Vers: „Wann mein Herz gebrochen ruht!“.

    7 Wilhelm Theodor von Chézy und Max von Chézy.

    8 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „Maria“ statt „Marie“.

    wirst mich wieder finden.

    Ich hoffe mit Trauer, mit Beben, aber
    ich hoffe, weil ich leben muß. Adelbert,
    hilf mir hoffen, denn du liebst mich, du hast
    es ausgesprochen, und in dem Augenblick
    ware der todt mir süß gewesen.,9

    Kommentare

    9 Helmina von Chézy lebte seit 1801 in Paris und heiratete 1806 den französischen Orientalisten Antoine Léonard de Chézy, mit dem sie zwei Söhne, Wilhelm Theodor und Max, bekam. Im Frühsommer 1810 übersetzte sie mit Chamisso die Vorlesungen August Wilhelm von Schlegels, währenddessen sich eine Liebschaft entwickelte. Im Juli verließ Chamisso Paris, um in Chaumont bei Madame de Staël mit August Wilhelm von Schlegel zu arbeiten. Helmina kehrte im September 1810 nach Deutschland zurück. Beide korrespondierten noch einige Zeit miteinander.

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    Andre Blühten andre Au[ge]n3 -
    Mit mir geht mein traurig Herz.
    Will ich in die Ferne schauen
    seh ich doch nur meinen Schmerz.
    Thränen send ich zu den Sternen,
    Thränen sinken in die Fluth
    Gram will4 sich nur dann entfernen,
    Wenn dein5 Herz an deinem ruht.6

     

    Da glänzt der halbe Mond, da steht die Kirche, Die Vögel zwitschern in den Baumen, es ist alles wie es war, aber die Seele der Natur fehlt, der Geliebte Die Hoffnung fehlt, die ich nicht laßen und nicht faßen kann. Heute an denselben Tisch, wo wir so oft mit unsern Kindern7 gegessen, überfiel mich eine durchbohrende Sehnsucht und Wehmuth. Im Garten der guten alten Marie8, wo ich an deinem Herzen geweint, weine ich noch oft. Ebenjetzt wollte ich in eine tödliche Abspannung versinken fühlte wieder einen Aügenblik wie so unzählbare schon die unnennbarste grausammste Stimmung, wo alles Nieder wärts strebt - da rettet mich dein Bild und giebt mir Thränen.

    Was zittre ich nur? Dein Herz ist ja dein Herz, und kann sich nicht verlaügnen, nichts in der Welt wird dir mich und meine Liebe ersetzen, und du

    Kommentare

    1 Es handelt sich um eine von Chamisso angefertigte Abschrift eines an ihn gerichteten Briefes von Helmina von Chézy, die frühestens Ende Juli 1810 entstanden sein kann. Sie liegt gedruckt vor in Riegels Edition der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits als Teil des Briefes 74 von Chamisso an seinen Freund Louis de La Foye, der auf Anfang August 1810 datiert wird.

    2 Diese Verse bilden die vierte Strophe des Gedichtes Abschiedsgruß in Helmina von Chézys Gedichte der Enkelin der Karschin von 1812 (Band 2, S.12). Der Druck unterscheidet sich in der Zeichensetzung, Rechtschreibung, der Groß- und Kleinschreibung und auch inhaltlich von der Abschrift Chamissos.

    3 Im Druck der Gedichte der Enkelin der Karschin und der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „Augen“ statt „Auen“.

    4 Im Druck der Gedichte der Enkelin der Karschin steht „wird“ statt „will“.

    5 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „mein“ statt „dein“.

    6 Im Druck der Gedichte der Enkelin der Karschin lautet dieser Vers: „Wann mein Herz gebrochen ruht!“.

    7 Wilhelm Theodor von Chézy und Max von Chézy.

    8 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „Maria“ statt „Marie“.

    wirst mich wieder finden.

    Ich hoffe mit Trauer, mit Beben, aber ich hoffe, weil ich leben muß. Adelbert, hilf mir hoffen, denn du liebst mich, du hast es ausgesprochen, und in dem Augenblick wäre der todt mir süß gewesen.,9

    Kommentare

    9 Helmina von Chézy lebte seit 1801 in Paris und heiratete 1806 den französischen Orientalisten Antoine Léonard de Chézy, mit dem sie zwei Söhne, Wilhelm Theodor und Max, bekam. Im Frühsommer 1810 übersetzte sie mit Chamisso die Vorlesungen August Wilhelm von Schlegels, währenddessen sich eine Liebschaft entwickelte. Im Juli verließ Chamisso Paris, um in Chaumont bei Madame de Staël mit August Wilhelm von Schlegel zu arbeiten. Helmina kehrte im September 1810 nach Deutschland zurück. Beide korrespondierten noch einige Zeit miteinander.