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Andre Blühten andre Au[ge]n3 -
Mit mir geht mein traurig Herz.
Will ich in die Ferne schauen
seh ich doch nur meinen Schmerz.
Thränen send ich zu den Sternen,
Thränen sinken in die Fluth
Gram will4 sich nur dann entfernen,
Wenn dein5 Herz an deinem ruht.6
Da glänzt der halbe Mond, da steht die Kirche,
Die Vögel zwitschern in den Baumen, es ist alles
wie es war, aber die Seele der Natur fehlt, der Geliebte
Die Hoffnung fehlt, die ich nicht laßen und nicht
faßen kann. Heute an denselben Tisch, wo wir
so oft mit unsern Kindern7 gegessen, überfiel mich
eine durchbohrende Sehnsucht und Wehmuth. Im
Garten der guten alten Marie8, wo ich an deinem
Herzen geweint, weine ich noch oft. Ebenjetzt
wollte ich in eine tödliche Abspannung versinken
fühlte wieder einen Aügenblik wie so unzählbare schon
die unnennbarste grausammste Stimmung, wo alles
Nieder wärts strebt - da rettet mich dein Bild und
giebt mir Thränen.
Was zittre ich nur? Dein Herz ist ja dein Herz,
und kann sich nicht verlaügnen, nichts in der Welt
wird dir mich und meine Liebe ersetzen, und du
1 This is a copy made by Chamisso of a letter sent to him by Helmina von Chézy. It is printed in Riegel's edition of the Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits as part of letter 74 from Chamisso to his friend Louis de La Foye which is dated to the beginning of August 1810.
2 These lines are the fourth stanza of the poem Abschiedsgruß in Helmina von Chézy's Gedichte der Enkelin der Karschin, published in 1812, with variations in punctuation, spelling, upper and lower case. There are also some changes with regards to content.
3 In the print version of the Gedichte der Enkelin der Karschin and of Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, the text reads „Augen“ instead of „Auen“.
4 In the print version of the Gedichte der Enkelin der Karschin, the text reads „wird“ instead of „will“.
5 In the print version of the Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, the text reads „mein“ instead of „dein“.
6 In the print version of the Gedichte der Enkelin der Karschin, the text reads „Wann mein Herz gebrochen ruht!“.
7 Wilhelm Theodor von Chézy and Max von Chézy.
8 In the print version of the Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, the text reads „Maria“ instead of „Marie“.
wirst mich wieder finden.
Ich hoffe mit Trauer, mit Beben, aber
ich hoffe, weil ich leben muß. Adelbert,
hilf mir hoffen, denn du liebst mich, du hast
es ausgesprochen, und in dem Augenblick
ware der todt mir süß gewesen.,9
9 Since 1801, Helmina von Chézy has lived in Paris where she married French Orientalist Antoine Léonard de Chézy in 1806 and with whom she had two sons, Wilhelm Theodor and Max. In the early Summer of 1810, she translated August Wilhelm von Schlegel's Vorlesungen in cooperation with Chamisso. During that time, they had an affair. In July, Chamisso left Paris to work with August Wilhelm von Schlegel at Madame de Staël's. Helmina returned to Germany in September 1810. They continued to correspond for some time.
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Andre Blühten andre Au[ge]n3 -
Mit mir geht mein traurig Herz.
Will ich in die Ferne schauen
seh ich doch nur meinen Schmerz.
Thränen send ich zu den Sternen,
Thränen sinken in die Fluth
Gram will4 sich nur dann entfernen,
Wenn dein5 Herz an deinem ruht.6
Da glänzt der halbe Mond, da steht die Kirche, Die Vögel zwitschern in den Baumen, es ist alles wie es war, aber die Seele der Natur fehlt, der Geliebte Die Hoffnung fehlt, die ich nicht laßen und nicht faßen kann. Heute an denselben Tisch, wo wir so oft mit unsern Kindern7 gegessen, überfiel mich eine durchbohrende Sehnsucht und Wehmuth. Im Garten der guten alten Marie8, wo ich an deinem Herzen geweint, weine ich noch oft. Ebenjetzt wollte ich in eine tödliche Abspannung versinken fühlte wieder einen Aügenblik wie so unzählbare schon die unnennbarste grausammste Stimmung, wo alles Nieder wärts strebt - da rettet mich dein Bild und giebt mir Thränen.
Was zittre ich nur? Dein Herz ist ja dein Herz, und kann sich nicht verlaügnen, nichts in der Welt wird dir mich und meine Liebe ersetzen, und du
1 This is a copy made by Chamisso of a letter sent to him by Helmina von Chézy. It is printed in Riegel's edition of the Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits as part of letter 74 from Chamisso to his friend Louis de La Foye which is dated to the beginning of August 1810.
2 These lines are the fourth stanza of the poem Abschiedsgruß in Helmina von Chézy's Gedichte der Enkelin der Karschin, published in 1812, with variations in punctuation, spelling, upper and lower case. There are also some changes with regards to content.
3 In the print version of the Gedichte der Enkelin der Karschin and of Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, the text reads „Augen“ instead of „Auen“.
4 In the print version of the Gedichte der Enkelin der Karschin, the text reads „wird“ instead of „will“.
5 In the print version of the Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, the text reads „mein“ instead of „dein“.
6 In the print version of the Gedichte der Enkelin der Karschin, the text reads „Wann mein Herz gebrochen ruht!“.
7 Wilhelm Theodor von Chézy and Max von Chézy.
8 In the print version of the Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, the text reads „Maria“ instead of „Marie“.
wirst mich wieder finden.
Ich hoffe mit Trauer, mit Beben, aber ich hoffe, weil ich leben muß. Adelbert, hilf mir hoffen, denn du liebst mich, du hast es ausgesprochen, und in dem Augenblick wäre der todt mir süß gewesen.,9
9 Since 1801, Helmina von Chézy has lived in Paris where she married French Orientalist Antoine Léonard de Chézy in 1806 and with whom she had two sons, Wilhelm Theodor and Max. In the early Summer of 1810, she translated August Wilhelm von Schlegel's Vorlesungen in cooperation with Chamisso. During that time, they had an affair. In July, Chamisso left Paris to work with August Wilhelm von Schlegel at Madame de Staël's. Helmina returned to Germany in September 1810. They continued to correspond for some time.