Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Adelbert von Chamisso an Louis de La Foye (Berlin, 15. August 1804)

 

 

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[...]
1804 I
Berlin d. 15t August 1804.

Deine Brief, guter, gottlicher Jung, hat mich geschmerzt, du
lässt dich niederschlagen, daßs ist nicht recht. auf mein freund
auf. in dessen, ich will dir nur wenige Zeilen schreiben und habe
viel dir zu sagen. — So hab' ich deinen Briefen gedeutet
— du fürchtest dich alszumSoldaten gemacht zu werden, und
wilst dem nicht gehofften entgegen sehen – was dir
das Sündervolk der Weltklugen sagen konnte, weist du:
ein Preussischer Degen ist doch noch leichter ain der Hand
als ein Franzoscher Musquet auf der Scholter, denk hägst du
aber andere, (hörere vielleicht) Gedanken im Herzen, so
handle anders, „Traue dir Selber genuch, im mißurtheilenden Pöbel
wird dich ein anderer Gut, nennen, ein anderer schlecht.“ Aber mein Freund wann du redest ein mMal mit dem Schicksale
recht wild zu kämpfen, teusche dich nicht, du hast auch schon
Landrekruten exerziert, kämpften die recht wild mit
dem Schiksale. Du scheinst deinen alten Dienst aufgeben
zu wollen. wollen1 es sei denn, eine Entschliesung,
eine Handlung ist immer gut und loblig, im̄er ein
Schritt, und nur das ekle weilen ist Todt. aber, guter,
ich, dein Freund, ermahne, beschwöre dich durch die ehrliche
Pforte hinaus zu wandeln, dauf daß nicht die Gemeinheit
ein Laut des Tadels über dich erheben dürfe. fodere bei Zeiten
deinen ehrlichen Abschied, und bleibe nicht, wie schon einmal,
über Uhrlaub.2 keine Reue – das sind wir einfverstanden
aber bedenke, und erwäge alles wohl eher du handelst,
auch keine falsche scham auf das einmal gedachte zurück
zu gehen. nur du und dein andres du, wissen auch von deinen
bißherrigen Gedanken. solltest du, nicht Offizier mehr,
wiederum nach unserm nNorden deine Schritte leiten, so
hast du auf dieses zu rechnen: 1.t. die Hälfte meines Bettes
(so lang ich unverheiratet bin) meines Zim̄ers, meines Lichtes,
meiner Heizung. — 2 auch wenn es sein soll die kleinere
Hälfte meines täglichen Brotes da ich den grosseren Apetit
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Kommentare

1 Im Druck der Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso fehlt das zweite unterstrichene „wollen“.

2 Auf Empfehlung eines polnischen Adeligen aus Czarnikau in Pomerellen, bei dem sich die Familie de La Foye gegen Ende 1799/Beginn 1800 einfand, konnte Louis de La Foye der Preußischen Armee als Junker beitreten. De La Foye wurde in das Infanterieregiment 23 des Generals von Winning eingegliedert, das in Berlin stationiert war. Chamissos Anspielung auf de La Foyes unrechtmäßiges Fernbleiben über den Urlaub hinaus rekurriert darauf, dass die Familie de La Foyes 1801 die Erlaubnis erhielt, nach Frankreich zurückkehren zu dürfen. De La Foye beantragte hierfür eine Beurlaubung, die er auf vier Monate ausdehnte. Im Frühjahr 1804 erhielt er die Nachricht vom Tode seines Vaters und entschied sich, nach Frankreich zurückzukehren, um fortan seine Mutter zu unterstützen.

habe, die Pfeife rechnet sich natürlich dazum Brote. 3 tens
auf einige französche Stunden, allen Vermuten nach
schon im 1.ten oder doch im 2ten Monate, und Bald
mehrere in der folge,. eEndlich auf einiege ziemliche
Leichtigkeit ein Engagement als Hofmeister zu finden
und vielleicht die Wahl unter mehreren. willst du
hier deine Sachen in Ordnung Bringen, so glaube ich daß
du mir mit demr Selben Post wirdst einen Gesetzm[assigen]
Ackten schiken müssen, daß damit ich für dich handeln und
empfangen kan̄st. was ich von dir habe, ist, wie wir schon
erfahren haben, nur ein Wisch. —

Dein und mein Koreff, Lieber hat dich nicht verlassen.
Der gute Jung schrieb mir noch von dir bei dseiner abreisse.
und schrieb, „wenn ich den Lafoye umarmen werde, werd
ich die Mahnen [...]nserer freundschaft zitiren.“ schreib ihm
wo du nichts von ihm [...]hören solltest, bei meinem Bruder
mit empfelung des Briefes an diesen, Rue des Mauvais
Garçons du Marais N.o 24
. auch will ich ihm dort deine
Adresse schicken, er gab vor dir schon einige
mal geschrieben zu haben. daß der gute jung mir
meine Picalions 3 mich wieder zu senden könnte hat mich
zu den deinen gewannt.4

Ich will nicht vergessen dir zu sagen daß Tin Tin und
Witztum sich dir wirklich freundschaftlich empfehlen
lassen, auch Gibon es sind doch gute leute und es finden sich
deren noch. — nur in allen Stücken bestim̄t preußische
Hexameter zu werden, 6.füßige Bestien von Majors.
meine [...]augen thun mir weh' und es ist auch spä
in der Nacht

leb' wohl, sollt ich dir dies mal nicht
langer schreiben so erhälst du nächstens einen
sehr langen B[...]efen von mir.
Schirstedt hat ein Regiment.5
τ τ π α.6
AdelbertBerlin

Kommentare

3 Der Schreibung nach zu urteilen, ist hier der französische Begriff „picaillons“ gemeint, der eine umgangssprachliche Wendung für „Geld“ ist.

4 Im Druck der Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso fehlt dieser Satz.

5 Seit 1804 befehligte Schirstedt das Infanterieregiment Nr. 33.

6 Das Kürzel steht für τò τоυ πόλου αστρον („Polarstern“) und war das Erkennungszeichen des Nordsternbunds, dem Chamisso und de La Foye seit 1804 zusammen mit anderen jungen Dichtern und Gelehrten angehörten.

[...]

Dein Brief, guter, gottlicher Jung, hat mich geschmerzt, du lässt dich niederschlagen, das ist nicht recht. auf mein freund auf. in dessen, ich will dir nur wenige Zeilen schreiben und habe viel dir zu sagen. — So hab' ich deinen Briefen gedeutet — du fürchtest dich zumSoldaten gemacht zu werden, und wilst dem nicht gehofften entgegen sehen – was dir das Sündervolk der Weltklugen sagen konnte, weist du: ein Preussischer Degen ist doch noch leichter in der Hand als ein Franzoscher Musquet auf der Scholter, hägst du aber andere, (hörere vielleicht) Gedanken im Herzen, so handle anders, „Traue dir Selber genuch, im mißurtheilenden Pöbel wird dich ein anderer Gut nennen, ein anderer schlecht.“ Aber mein Freund wann du redest ein Mal mit dem Schicksale recht wild zu kämpfen, teusche dich nicht, du hast auch schon Landrekruten exerziert, kämpften die recht wild mit dem Schiksale. Du scheinst deinen alten Dienst aufgeben zu wollen. wollen1 es sei denn, eine Entschliesung, eine Handlung ist immer gut und loblig, immer ein Schritt, und nur das ekle weilen ist Todt. aber, guter, ich, dein Freund, ermahne, beschwöre dich durch die ehrliche Pforte hinaus zu wandeln, auf daß nicht die Gemeinheit ein Laut des Tadels über dich erheben dürfe. fodere bei Zeiten deinen ehrlichen Abschied, und bleibe nicht, wie schon einmal, über Uhrlaub.2 keine Reue – das sind wir einverstanden aber bedenke, und erwäge alles wohl eher du handelst, auch keine falsche scham auf das einmal gedachte zurück zu gehen. nur du und dein andres du, wissen auch von deinen bißherrigen Gedanken. solltest du, nicht Offizier mehr, wiederum nach unserm Norden deine Schritte leiten, so hast du auf dieses zu rechnen: 1.tens die Hälfte meines Bettes (so lang ich unverheiratet bin) meines Zimmers, meines Lichtes, meiner Heizung. — 2 auch wenn es sein soll die kleinere Hälfte meines täglichen Brotes da ich den grosseren Apetit

Kommentare

1 Im Druck der Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso fehlt das zweite unterstrichene „wollen“.

2 Auf Empfehlung eines polnischen Adeligen aus Czarnikau in Pomerellen, bei dem sich die Familie de La Foye gegen Ende 1799/Beginn 1800 einfand, konnte Louis de La Foye der Preußischen Armee als Junker beitreten. De La Foye wurde in das Infanterieregiment 23 des Generals von Winning eingegliedert, das in Berlin stationiert war. Chamissos Anspielung auf de La Foyes unrechtmäßiges Fernbleiben über den Urlaub hinaus rekurriert darauf, dass die Familie de La Foyes 1801 die Erlaubnis erhielt, nach Frankreich zurückkehren zu dürfen. De La Foye beantragte hierfür eine Beurlaubung, die er auf vier Monate ausdehnte. Im Frühjahr 1804 erhielt er die Nachricht vom Tode seines Vaters und entschied sich, nach Frankreich zurückzukehren, um fortan seine Mutter zu unterstützen.

habe, die Pfeife rechnet sich natürlich zum Brote. 3 tens auf einige französche Stunden, allen Vermuten nach schon im 1.ten oder doch im 2ten Monate, und mehrere in der folge. Endlich auf eine ziemliche Leichtigkeit ein Engagement als Hofmeister zu finden und vielleicht die Wahl unter mehreren. willst du hier deine Sachen in Ordnung Bringen, so glaube ich daß du mir mit der Selben Post wirdst einen Gesetzm[assigen] Ackten schiken müssen, damit ich für dich handeln und empfangen kann. was ich von dir habe, ist, wie wir schon erfahren haben, nur ein Wisch. —

Dein und mein Koreff, Lieber hat dich nicht verlassen. Der gute Jung schrieb mir noch von dir bei seiner abreisse. und schrieb, „wenn ich den Lafoye umarmen werde, werd ich die Mahnen [u]nserer freundschaft zitiren.“ schreib ihm wo du nichts von ihm hören solltest, bei meinem Bruder mit empfelung des Briefes an diesen, Rue des Mauvais Garçons du Marais Numéro 24. auch will ich ihm dort deine Adresse schicken, er gab vor dir schon einige mal geschrieben zu haben. daß der gute jung mir meine Picalions 3 mich wieder zu senden könnte hat mich zu den deinen gewannt.4

Ich will nicht vergessen dir zu sagen daß Tin Tin und Witztum sich dir wirklich freundschaftlich empfehlen lassen, auch Gibon es sind doch gute leute und es finden sich deren noch. — nur in allen Stücken bestimmt preußische Hexameter zu werden, 6.füßige Bestien von Majors. meine augen thun mir weh' und es ist auch spä in der Nacht

leb' wohl, sollt ich dir dies mal nicht langer schreiben so erhälst du nächstens einen sehr langen B[ri]efen von mir. Schirstedt hat ein Regiment.5 τὸ του πόλοῦ ἄστρον6 AdelbertBerlin

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3 Der Schreibung nach zu urteilen, ist hier der französische Begriff „picaillons“ gemeint, der eine umgangssprachliche Wendung für „Geld“ ist.

4 Im Druck der Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso fehlt dieser Satz.

5 Seit 1804 befehligte Schirstedt das Infanterieregiment Nr. 33.

6 Das Kürzel steht für τò τоυ πόλου αστρον („Polarstern“) und war das Erkennungszeichen des Nordsternbunds, dem Chamisso und de La Foye seit 1804 zusammen mit anderen jungen Dichtern und Gelehrten angehörten.