Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Jahresbericht von August Boeckh an das Preußische Kultusministerium, Unterrichtsabteilung (Berlin, 30. September 1820)

 

 

Faksimile Dipl. Umschrift Lesefassung Metadaten Entitäten XML Faksimile Dipl. Umschrift Lesefassung Metadaten Entitäten XML
 
 

Personen im Manuskript

Personengruppen im Manuskript

Werke im Manuskript

Orte im Manuskript

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Das Faksimile steht in Kürze zur Verfügung.

Humboldt-Universität zu Berlin / Universitätsarchiv
Weiterverwendung nur mit Genehmigung des Universitätsarchivs

ganze XML-Datei herunterladen powered by TEI

Aktuelle Seite

 
117 117

Einem hohen Ministerium der geistlichen- Unterrichts=
und Medicinalangelegenheiten
, Unterrichtsabtheilung, beehrt
sich der Unterzeichnete den Jahresbericht über den Zustand
des philologischen Seminars hiesiger Universität
im verflossenen akademischen Jahre pflichtschuldigst zu
erstatten.

I. Übersicht der Mitglieder.

Von den im vorigen Jahresbericht aufgeführten ordentlichen Mit=
gliedern, welche noch im Som̄erhalbenjahre an dem Seminar
Antheil nahmen, ging bloß Fr. Gottl. Starke aus dem
Herzogthum Sachsen ab, welcher eine Lehrerstelle in
Neuruppin erhalten hatte. Von den außerordentlichen
Mitgliedern traten aus:
Christ. Fr. Marquard1 aus dem Mecklenburgischen,
Ferd. von Freÿman̄ aus Livland,
Friedr. Paul aus Schwedt,
Carl Schmidt v. Hildesheim,
der erste und vierte, um ihren Facultätsstudien, der Ju=
risprudenz und Theologie, obzuliegen, der zweite und
dritte, weil sie die hiesige Universität verließen.
Die übrigen blieben theils als ordentliche theils als
außerordentliche Mitglieder, und es kam dazu eine
bedeutende Anzahl Neuhinzugetretener, so daß im
Winter 1819-1820. folgende neun ordentliche und
eilf außerordentliche Mitglieder Antheil nahmen.

Ordentliche Mitglieder:
1. Gottfr. Bernhardÿ von Landsberg a. d. Warthe,
2. Chr. Ernst Glasewald aus d. Herzogth. Sachsen,
3. Carl Heÿse aus dem Oldenburgischen,
4. J. A. H. Lindner v. Dessau,
5. Friedr. Kritz aus dem Erfurtischen,
6. Friedr. Zelle von Spandau,
7. Sal. Panofka2 v. Breslau,
8. Wilh. Heindorf v. Berlin,
9. Carl Haupt v. Luckau.

Außerordentliche Mitglieder:
1. Jos. Gassman̄ v. Heiligenstadt,
2. Alex. Schmidt v. Magdeburg,
3. Adolph Almus v. Stettin,
4. Bernhard Kersten v. Münster,
5. Clemens Wiedeman̄ v. Arensberg,
6. Eberhard Wiens aus Westphalen,3
7. Christ. Plaz v. Wertheim,
8. Gustav Fehmer aus Pom̄ern,
9. Adolph Matern aus Posen,
10. Friedr. Neue v. Spandau,
11. Johan̄ Kreuser v. Cöln.

Von diesen außerordentlichen Mitgliedern waren Fehmer,
Neue und Kreuser früher ordentliche gewesen; der erste
wurde iedoch, weil er in seinen Leistungen nicht regel=
mäßig war, auf die Liste der außerordentlichen gesetzt;
der zweite konnte, weil er sich zu einem Schulamte
prüfen lassen wollte, nicht mehr regelmäßig Antheil
nehmen, der dritte aber war schon abgegangen, und
kam zu spät zurück, um noch in die Reihe der ordent=
lichen Mitglieder aufgenom̄en werden zu kön̄en.

Kommentare

1 Die korrekten Vornamen von Marquard lauten Georg Friedrich.

2 Die korrekten Vornamen von Panofka lauten Theodor Sigismund.

3 Wiens stammte aus Burgsteinfurt.

Am Ende des Winterhalbeniahres 1819-1820. blieben
folgende aus:
1) Bernhardÿ, welcher in das königl. Seminar für
gelehrte Schulen
aufgenom̄en worden ist;

2) Heÿse, welcher eine Hauslehrerstelle angetreten hat;
3) Zelle, welcher in das königl. Seminar für gelehrte Schulen
aufgenom̄en worden ist;

4) Wiedeman̄,
5) Wiens,
6) Plaz,
7) Matern,
8) Neue, welcher in Schulpforte angestellt worden ist.

Dagegen kamen so viel Neue hinzu, daß im vergange=
nen Som̄er folgende zehn ordentliche und zehn außer=
ordentliche Mitglieder die Anstalt benutzten:

Ordentliche Mitglieder:
1) Heinr. Lindner von Dessau,
2) Friedr. Kritz von Erfurt,
3) Salom. Panofka4 von Breslau,
4) Wilh. Heindorf v. Berlin,
5) Carl Haupt v. Luckau,
6) Adolph Almus v. Stettin,
7) Gustav Fehmer aus Pom̄ern,
8) Jos. Gaßman̄ von Heiligenstadt,
9) Fr. Walter v. Berlin,
10) Jul. Wernike v. Breslau,

Außerordentliche Mitglieder:
1) Joh. Kreuser v. Köln,
2) Aug. Koberstein aus Pom̄ern,
3) Ernst Förster v. Altenburg,5
4) Ernst Glasewald a. d. Herzogth. Sachsen,
5) Alexander Schmidt v. Magdeburg,
6) Anton Poplinski v. Posen,
7) Joh. Poplinski v. Posen,
8) John Kenrick, Dr. aus England,
9) Lucian Plehn aus Westpreußen,
10) Carl Schultz aus Mittenwalde.

Von diesen ordentlichen Mitgliedern wird, soviel dem Unter=
zeichneten
bis ietzo bekan̄t ist, nur Fehmer austreten,
welcher, wen̄ seine Prüfung vortheilhaft ausfällt,
in das Seminar für gelehrte Schulen übergehen wird;
von den außerordentl. Mitgliedern sind abgegangen:
Kreuser, Koberstein (dieser schon im Laufe des Semesters),
Anton Poplinski, Kenrick. Beide erstere waren ehe=
mals ordentliche Mitglieder des Seminars, u haben sich
beide als Schulamts-Candidaten prüfen lassen; auch ist
Koberstein bereits von einem hohen Ministerium in
Schulpforte angestellt worden. Auch Poplinski hat sich
bereits zu einem Schulamte gemeldet; Kenrick hat
die hiesige Universität verlassen. Über die Qualification
der einzelnen Mitglieder werde ich mich unter IV.
erklären.

II. Übungen des Seminars.

Daß diese regelmäßig angestellt würden, dafür wurde in bei=
den halben Jahren Sorge getragen; iedoch mußte nicht selten
eine Erin̄erung gegeben werden, in der Ablieferung der Abhand=

Kommentare

4 Die korrekten Vornamen von Panofka lauten Theodor Sigismund.

5 Förster kommt aus Münchengosserstädt (an der Saale).

118 118
lungen und dem Stellen der Aufgaben Ordnung zu halten;
wovon iedoch zum Theil dies die Veranlassung war, daß
einige Mitglieder, welche zuerst als ordentliche Mitglieder
theilnehmen sollten, nachher unter die außerordentlichen ge=
setzt u von den gewöhnlichen Arbeiten dispensirt werden
mußten, weil sie sich zur Amtsprüfung vorbereiteten,
wie Neue und Koberstein. Die Übungen bestanden übri=
gens wie gewöhnlich im Interpretiren, Ausarbeitung und
Kritik der Abhandlungen, und Stellung und Lösung von
besondern Aufgaben.

1. Abhandlungen wurden folgende geliefert:
1) Von Bernhardÿ: Ad Sophoclis Antigonam Obser=
vata
. Eine im Ganzen gute Arbeit, obgleich nicht
ohne Verstöße.

2) Von Heÿse: Observationes in quosdam Livii
locos
. Ziemlich gut gerathen.

3) Von Kritz: Animadversiones in Sallustii Catili=
nam
, und

4) Von demselben: Animadversiones in quosdam
Anabaseos locos

Beide Arbeit sind mit Urtheil und Geschick ge=
schrieben.

5) Von Panofka, Animadversionum in Sophoclis
Oedip. Col. Fasc. I.
und

6) Von demselben, Animadversionum in Sophoclis
Oedip. Col. Fasc. II.

beide lobenswerth.

7) Von Zelle: Notae in Plauti Amphitruonem,
gleichfalls löblich.

8) Von Heindorf: De Curtii aetate,
fleissig gemacht, wen̄gleich etwas unbeholfen
dargestellt, und in Rücksicht des Resultates nicht
ganz genügend.

9) Von demselben: Quid sint Ἀλκίνου ἀπόλογοι,
auch noch unbeholfen in der Darstellung, in Rück=
sicht der Sache aber befriedigend.

10) Von Lindner: De Platonis Ione; leeres Hin=
und Herreden, ohne Eindringen.

11) Von demselben: Annotationes in Platonis
Lÿsidem
, fleissig, aber noch ohne sicheres
Urtheil.

12) Von Kreuser: De Taciti fontibus, quibus
in libello de Germania conscribendo ad=
intus sit
; ganz unlesbar wegen der völligen
Barbarei des Stils und der unvernünftigen
Nachahmung des Tacitus bei der gänzlichen
Unfähigkeit die Sprache dieses Schriftstellers
aufzufassen u anzuwenden; in Rücksicht des
Inhalts theils erträglich, theils mit unbe
gründeten und falschen Behauptungen auf=
gestützt.

13) Von Haupt: De Horatii Epistola ad Piso=
nes
; leeres Gerede in einer unausgebildeten
Sprache.

14) Von demselben: Com̄entatio de oratione De=
mosthenis Olÿnthiaca vulgo prima
; zwar
mager, aber in Rücksicht des Gram̄atischen
nicht übel gerathen.

15) Von Fehmer: De origine et situ Agrigenti.
Diese unvollendete Abhandlung, welche nur zu
unleserlich geschrieben ist, enthält gut gesam̄elte
und mit Urtheil benutzte Materialien.

16) Von Almus: De Xenophane, enthält manches
Gute.

17) Von Wernike: De significatione et differentia
nonnullorum vocabulorum, quae apud Ciceronem
inveniuntur, et de ingenio Ciceronis
. Bis zum
Possirlichen urtheilslos sind diese zwei ganz ver=
schiedenen Dinge verbunden; der Inhalt ist unbedeu=
tend; doch läßt sich mit der Zeit Besseres erwarten.

18) Von Gaßman̄: De Homeri navium catalogo.
Dieser Abhandlung liegt zwar eine Wahrheit zum
Grunde, die aber nicht gehörig beschränkt ist: übrigens
ist die Ausführung ungeschickt, und die Entstehung des
Kataloges u die Geschichte der Homerischen Poesie gar
nicht berücksichtigt, so daß das Ganze ohne allen Werth
ist.

Diese Arbeiten habe ich die Ehre einem hohen Ministerium mit der Bitte um
hochgefällige Zurücksendung einzuschicken.

2. Die Interpretationsübungen wurden wie gewöhnlich
angestellt, und zwar leistete Hr Prof. Buttmann
die Interpretation eines lateinischen Schriftstellers,
im ersten Semester des Juvenal, im zweiten der
Horazischen Oden; der Unterzeichnete aber die Aus=
legung eines Griechischen Schriftstellers, zuerst des
Herodot6 u nachher des Pindar (Pÿth. I. und XII.).

3. Außerdem wurden herköm̄licher Weise folgende Stellen
mündlich
von den Mitgliedern behandelt:
1) Quisnam est ille Silenus ap. Pausan. VI, 24.
[...]

2) Restituatur locus Juvenalis Sat. VII,30.
Cum plenus fluctu — arboris iniectae &c.

3) Disputetur de Brunckii lectione ap. Apollon.
Rhod.
I,82. [...]

4) Explicetur locus Pausaniae I,I,9. [...]
5) Proponitur locus Sallust. Catil. 57. Neque tamen
Antonius procul aberat — in fugam sequeretur.

6) Quaeritur de Sophocl. Oed. Col. 380. 381.
[...]

7) Proponitur locus Sallust. Iugurth. 43.
ratus id quod — munimento fore.

8) Explanetur Aeschÿl. Agam. 375. ed. Pors.
[...]
item 413 sqq. [...] &c.

9) Corrigatur Catullus Carm. VIII,6. et XIII,6.
10) Quomodo restituendus locus Demosth. Olÿnth.
III. (vulgo l.), cap.5. §.2. [...]?

11) Disputetur de loco Platonis Sÿmpos. p.
184. [...]

12) Quid faciendum versibus Solonis ap.
Plutarch. Solon. c.2. [...]

13) Dicatur de verbis Platonis Phaedr. c.11.
[...]

14) Explicanda proponitur Pausaniae sen=
tentia VIII,37,1. [...] &c.

Kommentare

6 Es handelt sich wahrscheinlich um Herodots Historien.

119 119
15) Explicentur verba Sophoclis Electr. 219.220.
[...]

16) Explicentur verba Livii lib.I.c.21.init.
ut fides ac ius iurandum — civitatem regerent.

17) Disputetur de Plat. Gorg. 2. [...] &c.
18) Dicatur de Thuc. I,136. [...] &c.
19) Explicetur Thuc. II,44. [...]
20) Proponitur locus Xenoph. Sÿmpos. I,8. [...]
21) Dicatur de verbis Juvenalis Sat. IX,57.
Gaurus inanis.

22) Dicatur de Horat. Carm. 1,1,29. usque
ad finem.

23) Explicentur verba Eurip. Hecub. 1185.1186.
[...]

24) Dicatur de Plat. Rep. 1,10. [...]
25) Explicetur locus Herodoti III,130. [...]
26) Explicatio desideratus verborum Xenoph.
Mem. III,8,1. [...]
&c. et mox 2. [...] &c.

27) Dicatur de verba Aristoph. Nub. 24. [...] &c.
28) Constituatur locus Livii XXI, 56. init.
trepidantesque &c.

29) Explicandus proponitur locus Livii
XXII,10. aeris CCCXXXIII millibus &c.

30) Explicetur locus Livii XXI,28. ele=
phantorum traiiciendorum &c.

31) Exponatur Livius V,21. ut eam invi=
diam — populo Romano liceret.

32) Proponitur Juvenal. I,160. 161. Quem
veniet contra &c.

33) Emendetur Cicero de N.D. 1,10. init.
Qui vero mundum — cadere posset.

III. Zuerkannte Prämien.

In dem Winterhalbenjahre ertheilte ein hohes Mini=
sterium
auf des Unterzeichneten Antrag durch das
Rescript vom [...] 30. März d. J. dem Bern=
hardÿ
, Glasewald, Heÿse, [...], Kritz, Zelle,
[am Rande: Lindner,] Heindorf, Panofka, Haupt Prämien, und zwar
iedem der vier ersten 25 rl, iedem der andern
20 rl. Für das Som̄erhalbejahr schlug der Director
zehn Mitglieder zum Empfang von Prämien vor,
u durch das Rescript vom 21. August d. J. wurden
hierauf dem Heindorf, Panofka, Kritz und Haupt
iedem 25 rl, dem Almus, Lindner, Fehmer,
Gaßman̄, Walter u Wernike iedem 20 rl zu=
getheilt. Die Vorschläge des Directors beruhen übri=

gens nicht bloß auf dem Werthe der von den Mitgliedern
gelieferten Abhandlungen, sondern es wurde dabei zu=
gleich auf den Grad des Fleißes u Eifers bei den
übrigen Übungen und die dabei bewiesene Ordnungs=
liebe, endlich billiger Weise auch auf den Grad der
Bedürftigkeit, letzteres iedoch nur unter gewissen
Beschränkungen, Rücksicht genom̄en: worauf ich unter
Num. IV. zurückzukom̄en die Ehre haben werde.
Die Sum̄e der in diesem Jahre vertheilten Prämien
beträgt 420 rl, übersteigt also den Etat um 20 rl.
Aber nach der allgemeinen Rechnung, welche ich zum
Behuf der Übersicht für mich führe, war nach Ablauf
des Som̄ers 1819. noch ein Überschuß von 50 rl vor=
handen, und es verbleiben also auch ietzo noch 30
rl für die Zukunft disponibel. Zwar hat Hr Kriegs-
rath Schröder gegen mich geäußert, daß er die Rich=
tigkeit meiner Rechnung bezweifle und glaube, es sei
bereits zu viel ausgegeben; da ich aber alle Ausgaben
seit dem Som̄er 1812. aufgezeichnet und halbiährlich
notirt habe, wie viel noch disponibel sei, so kan̄ ich
mich davon nicht überzeugen, wünsche aber daß ein
hohes Ministerium meine Rechnung durch Vergleichung
mit der der Kasse verificiren lassen möge; wobei iedoch
bis auf den Som̄er 1813. zurückzugehen sein wird,
in welchem wegen des Krieges und der daraus er=
folgten Abgewesenheit der Studirenden der Hauptüber=
schuß sich ergeben hat.

IV. In̄erer Zustand des Seminars und Charakteristik der
Mitglieder.

Schon aus der obigen Beurtheilung der gelieferten Abhand=
lungen geht hervor, daß eine Anzahl der Mitglieder noch
schwach ist; indessen sind doch auch bei diesen Fortschritte
zu bemerken, und es kom̄t nur darauf an Gedult mit
ihnen zu haben: welches den̄ freilich dem Director oft
schwer wird. Alle oben aufgeführten Mitglieder zu charakte=
risiren, würde zweckwidrig sein; ich hebe daher nur dieie=
nigen heraus, über welche ich etwas Besonderes zu be=
merken finde: wodurch sich zugleich von selbst rechtfertigen
wird, warum ich gerade diese [...] und iene zu
den bestim̄ten Prämien vorgeschlagen und andere über=
gangen habe. Unter allen genan̄ten waren die nun ab=
gegangenen Neue und Bernhardÿ in Rücksicht ihrer Ken̄tnisse
die ausgezeichnetsten: über Neue halte ich es für über=
flüssig etwas zu bemerken, da seine [am Rande: vorzügliche] Qualification
schon [...] anerkan̄t ist. Bernhardÿ
hat zwar viele Ken̄tnisse in der Philologie erworben;
aber er ist noch äußerst unbeholfen, und sein Charakter
ganz unausgebildet. Heÿse, welcher, wie oben bemerkt
worden, ietzt Hauslehrer ist, würde sich sehr gut zu einer
Lehrerstelle qualificiren; er hat zugleich Ken̄tnisse u
Gewandtheit des Geistes. Zelle, der nun auch schon
abgegangen ist, berechtigt zu guten Erwartungen, so wie
der in Schulpforte angestellte Koberstein. Fehmer, über
welchen ich früher klagen mußte, ist im letzten Som̄er
der in dem hohen Rescript vom 27. Sept. 1819.
mir aufgetragenen und auch ausgeführten Ermahnung
nachgekom̄en, und ich erwarte, daß er recht brauchbar
werden wird. Auf Kreuser, welcher theils von einem
hohen Ministerium theils von dem Consistorium zu
Köln mehrmals mir zur besondern Leitung empfohlen
worden, ist es mir nicht gelungen, so einzuwirken wie
ich wünschte; nach seiner Zurückkunft von Köln ist er
im̄er wieder auf die alte Bahn gekom̄en; es fehlt ihm
an Klarheit u Festigkeit der Ken̄tnisse und an Ausbildung
des gram̄atischen Sin̄es und des lateinischen Stils: ich

120 120
zweifle, daß er sich ändern wird, und kan̄ über ihn nur
so urtheilen, wie ich es schon öfter in den Berichten an ein
hohes Ministerium gethan habe. Doch könnte er sich zum
Schulman̄ ausbilden, wen̄ er sich beschränkte, nicht schon
ein Gelehrter sein wollte und ernstlich in sich ginge.
Hierzu wird er vielleicht am erstern Gelegenheit haben,
wen̄ er an einer guten Schule unter der Aufsicht eines
tüchtigen Directors arbeitete. Im philologischen Seminar
hat er zwar allerdings im̄er großen Eifer und mancherlei
Wissen gezeigt, aber auch durch sein unsicheres und
verwirrtes Reden viele Störung in dem raschen Gange
der Übungen verursacht. Glasewald, der früher von
einem hohen Ministerium besonders empfohlen worden,
scheint sich ietzo mehr der Theologie zu widmen;
gegen Ende des Som̄ers wurde er so nachlässig, daß ich
ihn, obgleich er der Unterstützung ganz besonders bedarf,
zu einer Prämie nicht in Vorschlag bringen konnte.
Zwar war er mit einer Arbeit beschäftigt, welche ich
ihm zu meinem Privatgebrauche gegen eine zu erwartende
Vergütung aufgetragen habe; doch kan̄ ich es nicht billigen,
daß er deshalb das Seminar vernachlässigte. Die
beiden Poplinski,7 welche ein hohes Ministerium durch das
Rescript v. 24. April d. J. meiner Aufsicht besonders
empfohlen hat, sind zwar etwas unbeholfen, aber sonst
recht wackere Leute, denen eine längere Zeit für ihre
Ausbildung zuträglich und wünschenswerth sein würde.
Unter allen noch ietzt in dem Seminar befindlichen
haben Kritz u Panofka die meisten Fortschritte
gemacht, sind iedoch nicht ganz regelmäßig in den
Übungen; nächst diesen zeichnet sich Heindorf aus.
Schwächer ist Haupt, wie die Abhandlungen zeigen; doch
hat er sich schon etwas gebessert; seine mündlichen
Vorträge zeichnen sich sogar aus, u er verdient
besonderes Lob wegen seiner außerordentlichen
Regelmäßigkeit u seines Eifers die Ordnung der
Übungen auch durch Anhalten der Übrigen aufrecht
zu erhalten. Lindner ist noch schwach; Gaßman̄
u Wernike sind noch schwächer: beide letztern zeigen
aber großen Eifer, u sind in Rücksicht auf ihre Dürftig=
keit bei den Prämien berücksichtigt worden, der erstere
besonders auch deshalb, weil er schon mehrere Jahre
an dem Seminar theilgenom̄en hat u durch ein
langwieriges Fieber [...]
[...]
in eine bedrängte Lage gekom̄en ist.
Walter hat bloß deswegen keine Abhandlungen gelie=
fert, weil die Zeit nicht mehr zum [...] Durchgehen
derselben zureichte; übrigens zeigt er einen schönen
Eifer, u ist daher zu einer Prämie vorgeschlagen
worden.

Ein hohes Ministerium wird [...] aus diesem
Berichte ersehen, [...] daß zwar ietzo wenige ganz
ausgezeichnete Mitglieder in dem Seminar sind; die
Erfahrung hat mich aber belehrt, daß die Aufmunterung
derjenigen, welche einige Hoffnung erregen, nicht selten
gute Früchte trägt, und daß bei iungen Leuten, welche
noch in der ersten Ausbildung begriffen sind, weniger
auf das was sie schon leisten, als auf das, was
sie unter begünstigenden Umständen in Zukunft leisten
können, zu sehen ist. Die Befriedigung bei der Leitung
einer solchen Anstalt beruht also mehr in der Hoff=
nung eines Erfolges als in dem schon erscheinenden
Erfolge.

a  Der Director des philologischen
Seminars
der hiesigen Uni=
versität
.

Böckh.

a mund. d. 4t 8br. 20
erhalt. d. 2t[...] W.

Kommentare

7 Hiermit sind Anton Poplinski und Johann Poplinski gemeint.

a

Einem hohen Ministerium der geistlichen- Unterrichts= und Medicinalangelegenheiten, Unterrichtsabtheilung, beehrt sich der Unterzeichnete den Jahresbericht über den Zustand des philologischen Seminars hiesiger Universität im verflossenen akademischen Jahre pflichtschuldigst zu erstatten.

I. Übersicht der Mitglieder.

Von den im vorigen Jahresbericht aufgeführten ordentlichen Mitgliedern, welche noch im Sommerhalbenjahre an dem Seminar Antheil nahmen, ging bloß Friedrich Gottlob Starke aus dem Herzogthum Sachsen ab, welcher eine Lehrerstelle in Neuruppin erhalten hatte. Von den außerordentlichen Mitgliedern traten aus:
Marquard1 aus dem Mecklenburgischen,
Ferdinand von Freymann aus Livland,
Friedrich Paul aus Schwedt,
Carl Schmidt von Hildesheim,
der erste und vierte, um ihren Facultätsstudien, der Jurisprudenz und Theologie, obzuliegen, der zweite und dritte, weil sie die hiesige Universität verließen. Die übrigen blieben theils als ordentliche theils als außerordentliche Mitglieder, und es kam dazu eine bedeutende Anzahl Neuhinzugetretener, so daß im Winter 1819-1820. folgende neun ordentliche und eilf außerordentliche Mitglieder Antheil nahmen.

Ordentliche Mitglieder:
1. Gottfried Bernhardy von Landsberg an der Warthe,
2. Christian Ernst Glasewald aus dem Herzogthum Sachsen,
3. Carl Heyse aus dem Oldenburgischen,
4. Johann August Heinrich Lindner von Dessau,
5. Friedrich Kritz aus dem Erfurtischen,
6. Friedrich Zelle von Spandau,
7. Salomon Panofka2 von Breslau,
8. Wilhelm Heindorf von Berlin,
9. Carl Haupt von Luckau.

Außerordentliche Mitglieder:
1. Josef Gassmann von Heiligenstadt,
2. Alexander Schmidt von Magdeburg,
3. Adolph Almus von Stettin,
4. Bernhard Kersten von Münster,
5. Clemens Wiedemann von Arensberg,
6. Eberhard Wiens aus Westphalen,3
7. Christian Plaz von Wertheim,
8. Gustav Fehmer aus Pommern,
9. Adolph Matern aus Posen,
10. Neue von Spandau,
11. Johann Kreuser von Cöln.

Von diesen außerordentlichen Mitgliedern waren Fehmer, Neue und Kreuser früher ordentliche gewesen; der erste wurde iedoch, weil er in seinen Leistungen nicht regelmäßig war, auf die Liste der außerordentlichen gesetzt; der zweite konnte, weil er sich zu einem Schulamte prüfen lassen wollte, nicht mehr regelmäßig Antheil nehmen, der dritte aber war schon abgegangen, und kam zu spät zurück, um noch in die Reihe der ordentlichen Mitglieder aufgenommen werden zu können.

a 117

Kommentare

1 Die korrekten Vornamen von Marquard lauten Georg Friedrich.

2 Die korrekten Vornamen von Panofka lauten Theodor Sigismund.

3 Wiens stammte aus Burgsteinfurt.

Am Ende des Winterhalbeniahres 1819-1820. blieben folgende aus: 1) Bernhardy, welcher in das königliche Seminar für gelehrte Schulen aufgenommen worden ist;
2) Heyse, welcher eine Hauslehrerstelle angetreten hat;
3) Zelle, welcher in das königliche Seminar für gelehrte Schulen aufgenommen worden ist;
4) Wiedemann,
5) Wiens,
6) Plaz,
7) Matern,
8) Neue, welcher in Schulpforte angestellt worden ist.

Dagegen kamen so viel Neue hinzu, daß im vergangenen Sommer folgende zehn ordentliche und zehn außerordentliche Mitglieder die Anstalt benutzten:

Ordentliche Mitglieder:
1) Lindner von Dessau,
2) Friedrich Kritz von Erfurt,
3) Salomon Panofka4 von Breslau,
4) Wilhelm Heindorf von Berlin,
5) Carl Haupt von Luckau,
6) Adolph Almus von Stettin,
7) Gustav Fehmer aus Pommern,
8) Josef Gaßmann von Heiligenstadt,
9) Friedrich Walter von Berlin,
10) Julius Wernike von Breslau,

Außerordentliche Mitglieder:
1) Johann Kreuser von Köln,
2) August Koberstein aus Pommern,
3) Ernst Förster von Altenburg,5
4) Ernst Glasewald aus dem Herzogthum Sachsen,
5) Alexander Schmidt von Magdeburg,
6) Anton Poplinski von Posen,
7) Johann Poplinski von Posen,
8) John Kenrick, Dr. aus England,
9) Lucian Plehn aus Westpreußen,
10) Carl Schultz aus Mittenwalde.

Von diesen ordentlichen Mitgliedern wird, soviel dem Unterzeichneten bis ietzo bekannt ist, nur Fehmer austreten, welcher, wenn seine Prüfung vortheilhaft ausfällt, in das Seminar für gelehrte Schulen übergehen wird; von den außerordentlichen Mitgliedern sind abgegangen: Kreuser, Koberstein (dieser schon im Laufe des Semesters), Anton Poplinski, Kenrick. Beide erstere waren ehemals ordentliche Mitglieder des Seminars, und haben sich beide als Schulamts-Candidaten prüfen lassen; auch ist Koberstein bereits von einem hohen Ministerium in Schulpforte angestellt worden. Auch Poplinski hat sich bereits zu einem Schulamte gemeldet; Kenrick hat die hiesige Universität verlassen. Über die Qualification der einzelnen Mitglieder werde ich mich unter IV. erklären.

II. Übungen des Seminars.

Daß diese regelmäßig angestellt würden, dafür wurde in beiden halben Jahren Sorge getragen; iedoch mußte nicht selten eine Erinnerung gegeben werden, in der Ablieferung der Abhand=

Kommentare

4 Die korrekten Vornamen von Panofka lauten Theodor Sigismund.

5 Förster kommt aus Münchengosserstädt (an der Saale).

alungen und dem Stellen der Aufgaben Ordnung zu halten; wovon iedoch zum Theil dies die Veranlassung war, daß einige Mitglieder, welche zuerst als ordentliche Mitglieder theilnehmen sollten, nachher unter die außerordentlichen gesetzt und von den gewöhnlichen Arbeiten dispensirt werden mußten, weil sie sich zur Amtsprüfung vorbereiteten, wie Neue und Koberstein. Die Übungen bestanden übrigens wie gewöhnlich im Interpretiren, Ausarbeitung und Kritik der Abhandlungen, und Stellung und Lösung von besondern Aufgaben.

1. Abhandlungen wurden folgende geliefert:
1) Von Bernhardy: Ad Sophoclis Antigonam Observata. Eine im Ganzen gute Arbeit, obgleich nicht ohne Verstöße.
2) Von Heyse: Observationes in quosdam Livii locos. Ziemlich gut gerathen.
3) Von Kritz: Animadversiones in Sallustii Catilinam, und
4) Von demselben: Animadversiones in quosdam Anabaseos locos Beide Arbeit sind mit Urtheil und Geschick geschrieben.
5) Von Panofka, Animadversionum in Sophoclis Oedip. Col. Fasc. I. und
6) Von demselben, Animadversionum in Sophoclis Oedip. Col. Fasc. II. beide lobenswerth.
7) Von Zelle: Notae in Plauti Amphitruonem, gleichfalls löblich.
8) Von Heindorf: De Curtii aetate, fleissig gemacht, wenngleich etwas unbeholfen dargestellt, und in Rücksicht des Resultates nicht ganz genügend.
9) Von demselben: Quid sint Ἀλκίνου ἀπόλογοι, auch noch unbeholfen in der Darstellung, in Rücksicht der Sache aber befriedigend.
10) Von Lindner: De Platonis Ione; leeres Hin= und Herreden, ohne Eindringen.
11) Von demselben: Annotationes in Platonis Lysidem, fleissig, aber noch ohne sicheres Urtheil.
12) Von Kreuser: De Taciti fontibus, quibus in libello de Germania conscribendo adintus sit; ganz unlesbar wegen der völligen Barbarei des Stils und der unvernünftigen Nachahmung des Tacitus bei der gänzlichen Unfähigkeit die Sprache dieses Schriftstellers aufzufassen und anzuwenden; in Rücksicht des Inhalts theils erträglich, theils mit unbe gründeten und falschen Behauptungen aufgestützt.
13) Von Haupt: De Horatii Epistola ad Pisones; leeres Gerede in einer unausgebildeten Sprache.
14) Von demselben: Commentatio de oratione Demosthenis Olynthiaca vulgo prima; zwar mager, aber in Rücksicht des Grammatischen nicht übel gerathen.
15) Von Fehmer: De origine et situ Agrigenti. Diese unvollendete Abhandlung, welche nur zu unleserlich geschrieben ist, enthält gut gesammelte und mit Urtheil benutzte Materialien.

a 118

16) Von Almus: De Xenophane, enthält manches Gute.
17) Von Wernike: De significatione et differentia nonnullorum vocabulorum, quae apud Ciceronem inveniuntur, et de ingenio Ciceronis. Bis zum Possirlichen urtheilslos sind diese zwei ganz verschiedenen Dinge verbunden; der Inhalt ist unbedeutend; doch läßt sich mit der Zeit Besseres erwarten.
18) Von Gaßmann: De Homeri navium catalogo. Dieser Abhandlung liegt zwar eine Wahrheit zum Grunde, die aber nicht gehörig beschränkt ist: übrigens ist die Ausführung ungeschickt, und die Entstehung des Kataloges und die Geschichte der Homerischen Poesie gar nicht berücksichtigt, so daß das Ganze ohne allen Werth ist.

Diese Arbeiten habe ich die Ehre einem hohen Ministerium mit der Bitte um hochgefällige Zurücksendung einzuschicken.

2. Die Interpretationsübungen wurden wie gewöhnlich angestellt, und zwar leistete Herr Professor Buttmann die Interpretation eines lateinischen Schriftstellers, im ersten Semester des Juvenal, im zweiten der Horazischen Oden; der Unterzeichnete aber die Auslegung eines Griechischen Schriftstellers, zuerst des Herodot6 und nachher des Pindar (Pyth. I. und XII.).

3. Außerdem wurden herkömmlicher Weise folgende Stellen mündlich von den Mitgliedern behandelt:
1) Quisnam est ille Silenus ap. Pausan. VI, 24. [...]
2) Restituatur locus Juvenalis Sat. VII,30. Cum plenus fluctu — arboris iniectae &c.
3) Disputetur de Brunckii lectione ap. Apollon. Rhod. I,82. [...]
4) Explicetur locus Pausaniae I,I,9. [...]
5) Proponitur locus Sallust. Catil. 57. Neque tamen Antonius procul aberat — in fugam sequeretur.
6) Quaeritur de Sophocl. Oed. Col. 380. 381. [...]
7) Proponitur locus Sallust. Iugurth. 43. ratus id quod — munimento fore.
8) Explanetur Aeschyl. Agam. 375. ed. Pors. [...] item 413 sqq. [...] &c.
9) Corrigatur Catullus Carm. VIII,6. et XIII,6.
10) Quomodo restituendus locus Demosth. Olynth. III. (vulgo l.), cap.5. §.2. [...]?
11) Disputetur de loco Platonis Sympos. p. 184. [...]
12) Quid faciendum versibus Solonis ap. Plutarch. Solon. c.2. [...]
13) Dicatur de verbis Platonis Phaedr. c.11. [...]
14) Explicanda proponitur Pausaniae sententia VIII,37,1. [...] &c.

Kommentare

6 Es handelt sich wahrscheinlich um Herodots Historien.

a 15) Explicentur verba Sophoclis Electr. 219.220. [...]
16) Explicentur verba Livii lib.I.c.21.init. ut fides ac ius iurandum — civitatem regerent.
17) Disputetur de Plat. Gorg. 2. [...] &c.
18) Dicatur de Thuc. I,136. [...] &c.
19) Explicetur Thuc. II,44. [...]
20) Proponitur locus Xenoph. Sympos. I,8. [...]
21) Dicatur de verbis Juvenalis Sat. IX,57. Gaurus inanis.
22) Dicatur de Horat. Carm. 1,1,29. usque ad finem.
23) Explicentur verba Eurip. Hecub. 1185.1186. [...]
24) Dicatur de Plat. Rep. 1,10. [...]
25) Explicetur locus Herodoti III,130. [...]
26) Explicatio desideratus verborum Xenoph. Mem. III,8,1. [...] &c. et mox 2. [...] &c.
27) Dicatur de verba Aristoph. Nub. 24. [...] &c.
28) Constituatur locus Livii XXI, 56. init. trepidantesque &c.
29) Explicandus proponitur locus Livii XXII,10. aeris CCCXXXIII millibus &c.
30) Explicetur locus Livii XXI,28. elephantorum traiiciendorum &c.
31) Exponatur Livius V,21. ut eam invidiam — populo Romano liceret.
32) Proponitur Juvenal. I,160. 161. Quem veniet contra &c.
33) Emendetur Cicero de Natura Deorum 1,10. init. Qui vero mundum — cadere posset.

III. Zuerkannte Prämien.

In dem Winterhalbenjahre ertheilte ein hohes Ministerium auf des Unterzeichneten Antrag durch das Rescript vom 30. März des Jahres dem Bernhardy, Glasewald, Heyse, Kritz, Zelle, Lindner, Heindorf, Panofka, Haupt Prämien, und zwar iedem der vier ersten 25 Reichsthaler, iedem der andern 20 Reichsthaler. Für das Sommerhalbejahr schlug der Director zehn Mitglieder zum Empfang von Prämien vor, und durch das Rescript vom 21. August des Jahres wurden hierauf dem Heindorf, Panofka, Kritz und Haupt iedem 25 Reichsthaler, dem Almus, Lindner, Fehmer, Gaßmann, Walter und Wernike iedem 20 Reichsthaler zugetheilt. Die Vorschläge des Directors beruhen übri=

a 119

gens nicht bloß auf dem Werthe der von den Mitgliedern gelieferten Abhandlungen, sondern es wurde dabei zugleich auf den Grad des Fleißes und Eifers bei den übrigen Übungen und die dabei bewiesene Ordnungsliebe, endlich billiger Weise auch auf den Grad der Bedürftigkeit, letzteres iedoch nur unter gewissen Beschränkungen, Rücksicht genommen: worauf ich unter Numero IV. zurückzukommen die Ehre haben werde. Die Summe der in diesem Jahre vertheilten Prämien beträgt 420 Reichsthaler, übersteigt also den Etat um 20 Reichsthaler. Aber nach der allgemeinen Rechnung, welche ich zum Behuf der Übersicht für mich führe, war nach Ablauf des Sommers 1819. noch ein Überschuß von 50 Reichsthaler vorhanden, und es verbleiben also auch ietzo noch 30 Reichsthaler für die Zukunft disponibel. Zwar hat Herr Kriegsrath Schröder gegen mich geäußert, daß er die Richtigkeit meiner Rechnung bezweifle und glaube, es sei bereits zu viel ausgegeben; da ich aber alle Ausgaben seit dem Sommer 1812. aufgezeichnet und halbiährlich notirt habe, wie viel noch disponibel sei, so kann ich mich davon nicht überzeugen, wünsche aber daß ein hohes Ministerium meine Rechnung durch Vergleichung mit der der Kasse verificiren lassen möge; wobei iedoch bis auf den Sommer 1813. zurückzugehen sein wird, in welchem wegen des Krieges und der daraus erfolgten Abwesenheit der Studirenden der Hauptüberschuß sich ergeben hat.

IV. Innerer Zustand des Seminars und Charakteristik der Mitglieder.

Schon aus der obigen Beurtheilung der gelieferten Abhandlungen geht hervor, daß eine Anzahl der Mitglieder noch schwach ist; indessen sind doch auch bei diesen Fortschritte zu bemerken, und es kommt nur darauf an Gedult mit ihnen zu haben: welches denn freilich dem Director oft schwer wird. Alle oben aufgeführten Mitglieder zu charakterisiren, würde zweckwidrig sein; ich hebe daher nur dieienigen heraus, über welche ich etwas Besonderes zu bemerken finde: wodurch sich zugleich von selbst rechtfertigen wird, warum ich gerade diese und iene zu den bestimmten Prämien vorgeschlagen und andere übergangen habe. Unter allen genannten waren die nun abgegangenen Neue und Bernhardy in Rücksicht ihrer Kenntnisse die ausgezeichnetsten: über Neue halte ich es für überflüssig etwas zu bemerken, da seine vorzügliche Qualification schon anerkannt ist. Bernhardy hat zwar viele Kenntnisse in der Philologie erworben; aber er ist noch äußerst unbeholfen, und sein Charakter ganz unausgebildet. Heyse, welcher, wie oben bemerkt worden, ietzt Hauslehrer ist, würde sich sehr gut zu einer Lehrerstelle qualificiren; er hat zugleich Kenntnisse und Gewandtheit des Geistes. Zelle, der nun auch schon abgegangen ist, berechtigt zu guten Erwartungen, so wie der in Schulpforte angestellte Koberstein. Fehmer, über welchen ich früher klagen mußte, ist im letzten Sommer der in dem hohen Rescript vom 27. Sept. 1819. mir aufgetragenen und auch ausgeführten Ermahnung nachgekommen, und ich erwarte, daß er recht brauchbar werden wird. Auf Kreuser, welcher theils von einem hohen Ministerium theils von dem Consistorium zu Köln mehrmals mir zur besondern Leitung empfohlen worden, ist es mir nicht gelungen, so einzuwirken wie ich wünschte; nach seiner Zurückkunft von Köln ist er immer wieder auf die alte Bahn gekommen; es fehlt ihm an Klarheit und Festigkeit der Kenntnisse und an Ausbildung des grammatischen Sinnes und des lateinischen Stils: ich

azweifle, daß er sich ändern wird, und kann über ihn nur so urtheilen, wie ich es schon öfter in den Berichten an ein hohes Ministerium gethan habe. Doch könnte er sich zum Schulmann ausbilden, wenn er sich beschränkte, nicht schon ein Gelehrter sein wollte und ernstlich in sich ginge. Hierzu wird er vielleicht am erstern Gelegenheit haben, wenn er an einer guten Schule unter der Aufsicht eines tüchtigen Directors arbeitete. Im philologischen Seminar hat er zwar allerdings immer großen Eifer und mancherlei Wissen gezeigt, aber auch durch sein unsicheres und verwirrtes Reden viele Störung in dem raschen Gange der Übungen verursacht. Glasewald, der früher von einem hohen Ministerium besonders empfohlen worden, scheint sich ietzo mehr der Theologie zu widmen; gegen Ende des Sommers wurde er so nachlässig, daß ich ihn, obgleich er der Unterstützung ganz besonders bedarf, zu einer Prämie nicht in Vorschlag bringen konnte. Zwar war er mit einer Arbeit beschäftigt, welche ich ihm zu meinem Privatgebrauche gegen eine zu erwartende Vergütung aufgetragen habe; doch kann ich es nicht billigen, daß er deshalb das Seminar vernachlässigte. Die beiden Poplinski,7 welche ein hohes Ministerium durch das Rescript vom 24. April des Jahres meiner Aufsicht besonders empfohlen hat, sind zwar etwas unbeholfen, aber sonst recht wackere Leute, denen eine längere Zeit für ihre Ausbildung zuträglich und wünschenswerth sein würde. Unter allen noch ietzt in dem Seminar befindlichen haben Kritz und Panofka die meisten Fortschritte gemacht, sind iedoch nicht ganz regelmäßig in den Übungen; nächst diesen zeichnet sich Heindorf aus. Schwächer ist Haupt, wie die Abhandlungen zeigen; doch hat er sich schon etwas gebessert; seine mündlichen Vorträge zeichnen sich sogar aus, und er verdient besonderes Lob wegen seiner außerordentlichen Regelmäßigkeit und seines Eifers die Ordnung der Übungen auch durch Anhalten der Übrigen aufrecht zu erhalten. Lindner ist noch schwach; Gaßmann und Wernike sind noch schwächer: beide letztern zeigen aber großen Eifer, und sind in Rücksicht auf ihre Dürftigkeit bei den Prämien berücksichtigt worden, der erstere besonders auch deshalb, weil er schon mehrere Jahre an dem Seminar theilgenommen hat und durch ein langwieriges Fieber in eine bedrängte Lage gekommen ist. Walter hat bloß deswegen keine Abhandlungen geliefert, weil die Zeit nicht mehr zum Durchgehen derselben zureichte; übrigens zeigt er einen schönen Eifer, und ist daher zu einer Prämie vorgeschlagen worden.

Ein hohes Ministerium wird aus diesem Berichte ersehen, daß zwar ietzo wenige ganz ausgezeichnete Mitglieder in dem Seminar sind; die Erfahrung hat mich aber belehrt, daß die Aufmunterung derjenigen, welche einige Hoffnung erregen, nicht selten gute Früchte trägt, und daß bei iungen Leuten, welche noch in der ersten Ausbildung begriffen sind, weniger auf das was sie schon leisten, als auf das, was sie unter begünstigenden Umständen in Zukunft leisten können, zu sehen ist. Die Befriedigung bei der Leitung einer solchen Anstalt beruht also mehr in der Hoffnung eines Erfolges als in dem schon erscheinenden Erfolge.

 Der Director des philologischen Seminars der hiesigen Universität. Böckh.

a 120

Kommentare

7 Hiermit sind Anton Poplinski und Johann Poplinski gemeint.