Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Dorothea Tieck an Friedrich von Uechtritz (Dresden, 17. Oktober 1831)

 

 

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    2.

    Schon seit lange hat mein Vater die Absicht Ihnen
    zu schreiben, theurer Freund, da er es aber viel=
    leicht noch nicht so bald thun wird, muß ich es über=
    nehmen Ihnen Nachricht von uns zu geben. Ich
    weiß nur zu wohl welch ein schlechter Ersatz dies
    für Sie ist, und erscheine mir selbst sehr anma=
    ßend indem ich Ihnen schreibe, denke aber doch
    es ist Ihnen lieber als wenn Sie gar nichts von
    uns erfahren.

    Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief, und
    danke Ihnen in unser Aller und besonders in
    meines Vaters Namen für Ihre Rosamunde,1
    mehr als ich es Ihnen aussprechen kann. Mein
    Vater will Ihnen selbst seine Meinung darüber
    schreiben, aber weil dies sehr ausführlich geschehen
    soll, und er sich überhaupt schwer zu einem Brief
    entschließt, wird es wohl nicht so bald geschehen.
    Ich kann Ihnen vorläufig sagen daß er ganz
    und durchaus zufrieden ist, ja, daß er entzückt
    und begeistert2 ist sollte ich lieber sagen, denn
    jeder andre Ausdruck scheint mir zu kalt. Drei=
    mal hat er uns die Rosamunde vorgelesen, und
    ich wünsche dann nur immer Sie wären hier und
    könnten Ihrem ihn darüber sprechen hören, und
    sich an seiner Freude erfreuen, daß unsre arme
    betrübte Zeit so etwas Großes und Edles

    Kommentare

    1 Uechtritz hatte Tieck das Trauerspiel in Manuskriptform geschickt, er selbst verfügte über keine weitere Abschrift; vgl. Brief vom 12. September 1833, S. 1 (Bl. 1 recto).

    2 Im Brief vom 26. Oktober 1831 an seine Eltern berichtet Uechtritz von Dorotheas Brief: „Ihr seht, daß der Beifall Tieck's noch weit größer und entschiedener ist, als beim Alexander und welchen Werth dieser Beifall grade jetzt für mich hat, kann ich nicht aussprechen. Abgesehen von dem bedeutenden äußeren Vortheil, den er mir bringt, und die Verlegenheit, in die der Herr Graf Redern gerathen werden, wenn sie davon hören, ist er für mein inneres Leben von unzuberechnender Wichtigkeit.“ (Sybel: Erinnerungen, S. 130.) Vgl. dagegen Uechtritz' Äußerung im Brief an seine Eltern, zitiert im Kommentar zum Brief vom 15. Juli 1831, S. 3 (Bl. 2 recto).

    hervorgebracht hat. Ich wußte zum Voraus
    daß dies Gedicht ihm gefallen mußte und drang
    deswegen darauf daß Sie es uns schicken möch=
    ten.3 Alle meine Zweifel, die ich auch damals
    gegen Sie aussprach, ob es auf der Bühne von
    Wirkung seyn könne erscheinen mir jetzt recht
    vermessen, da mein Vater, gleich wie er es nur
    einmal gelesen hatte, entschlossen war, es hier
    zu geben. Jetzt da ich es öfter und nicht so un=
    terbrochen gelesen, bin ich auch überzeugt, daß
    die Darstellung keine Schwierigkeiten haben
    kann; dann war ich in der vorigen Woche einige
    Tage auf dem Lande4 bei Lüttichaus, wo wir
    wieder die Rosamunde miteinander lasen, und
    zu meiner großen Freude Lüttichau sogleich
    beschloß sie so bald als möglich zu geben; ja,
    mich sogar ganz im Ernste auszankte, daß
    ich sie nicht gleich den vorigen Sommer hier be=
    halten hatte. Mir schien damals für unsre Bühne
    die Schwierigkeit zu groß es würdig zu besetzen
    da wir jetzt, genau genommen weder eine
    Rosamunde noch einen Alboin haben; aber
    mein Vater sagt kein Theater dürfe es sich
    entgehen lassen durch ein solches Werk sich
    selbst zu ehren, auch sey es nicht nur so schön
    sondern auch so dramatisch, daß es immer noch,
    trotz aller Mängel der Darstellung, den größ=
    ten Eindruck machen müsse. Weshalb man es
    in Berlin nicht angenommen5 hat ist mir unbegreif=
    lich, da dies doch das eigentliche Rollenfach der

    Kommentare

    3 Im Brief vom 15. Juli 1831, S. 3 (Bl. 2 recto) bat Dorothea Tieck um die Übersendung des Trauerspiels.

    4 Vermutlich auf dem Rittergut Wolf Adolf von Lüttichaus in Ulbersdorf bei Sebnitz.

    5 Eine Kommission unter dem Vorsitz Ernst Raupachs hatte im April 1831 gegen die Annahme der Rosamunde gestimmt, woraufhin sie Uechtritz nach Wien gesandt hatte. Dort wurde eine Annahme im Sommer 1831 durch die Zensur untersagt, was Uechtritz aber erst im März 1832 erfuhr. Vgl. Brief vom 4. April 1832, S. 1 (Bl. 1 recto) und S. 3 (Bl. 2 recto).

    Krelinger6 ist, und sie gar nichts spielen
    kann, wenn ihr dies nicht zusagt. Ob man
    es in Wien einstudirt, weiß ich nicht, ich habe die
    Gley darum gefragt, aber noch keine Antwort
    erhalten; ich wünsche jetzt fast daß es dort
    noch nicht so schnell gegeben wird, damit es auf
    unsrer Bühne zuerst erscheint.7 Statt der Gley
    sind jetzt hier zwei junge Mädchen8 engagirt,
    beide recht hübsch und nicht ohne Talent, aber
    noch so wenig geübt und so unbedeutend
    daß man ihnen die Rosamunde nicht anver=
    trauen kann, deshalb hist sie der Mevius
    zugetheilt worden, die der auch eigentlich das Fach
    wozu man die Rosamunde doch rechnen muß
    gehört. Freilich ist sie etwas zu alt und zu
    scharf in ihrem Spiel, doch hat sie viel Kraft
    und Feuer, und giebt einige Rollen, wie z. B.
    die Orsina,9 daß man sie kaum besser sehen kan̄,
    auch hat sie Verstand und weiß sich meines Vaters
    Rath recht gut anzueignen. Den Alboin wird
    wohl der jüngere Devrient bekommen, der
    jetzt hier engagirt ist; er ist freilich et=
    was zu jung und zu zart für die Rolle, doch
    hat er viel Haltung und ein sehr schönes Organ
    ist dabei ein gescheuter, sinniger Mensch. Den
    Helmichis würde dann der andre Devrient
    bekommen. Der alte Longobarde und Gepide
    werden durch Werdy und Pauli sehr gut besetzt
    seyn, beide hörten das Stück neulich bei uns
    lesen, und interessirten sich gleich sehr dafür
    und da sie jetzt unsre Regisseure sind ist dies

    Kommentare

    6 Recte: Auguste Crelinger.

    7 Die Rosamunde wurde einzig in Dresden aufgeführt.

    8 Im August 1831 wurde die 18-jährige Clara Hirschmann und im September die ebenfalls 18-jährige Franziska Berg am Dresdner Hoftheater engagiert, letztere als Ersatz für Julie Gley, die am 1. Oktober 1830 das Hoftheater verlassen hatte. Vgl. Prölß: Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, S. 652.

    9 Orsina aus Lessings Emilia Galotti.

    nicht unwichtig. Wir sind recht viel mit Ihnen
    und Ihrem Gedicht beschäftigt, und ich kann Ihnen
    nicht sagen wie sehr mich dies alles Ihretwegen
    freut, da ich denke die Anerkennung meines
    Vaters wiegt bei Ihnen das verkehrte Urtheil
    viel verkehrter, wenn auch wohlmeinender Men=
    schen auf, und ist Ihnen ein Sporn die Welt und
    Ihre Freunde bald wieder durch ein schönes
    Werk zu erfreuen. Auch wegen meines Vaters
    freut es mich so sehr, daß er wieder einmal
    etwas auf die Bühne bringen kann, woran
    er so warmen Antheil nimmt.

    Mein Vater ist wohl und sehr fleißig: zwei
    Novellen sind fertig und eine, der Mondsüchti=
    ge
    in der Urania schon gedruckt, ich finde sie
    sehr schön, und man sollte glauben er habe sie
    in seiner Jugend geschrieben. Die zweite, der
    Jahrmarkt
    ist ganz heiter und gefällt mir
    auch sehr, aus der dritten, die noch nicht beendet
    ist kann ich noch nicht recht klug werden.10 Ich
    bekomme immer die Correcturbogen und
    bin also nach dem Setzer der erste Leser und
    Kritiker.

    Ihr Bruder11 ist vor einiger Zeit bei uns ge=
    wesen, es thut mir leid daß ich ihn nicht ge=
    sehn habe, er muß Ihnen sehr äbhnlich sehen,
    denn mein Vater hat ihn gleich umarmt, weil
    er geglaubt hat daß Sie es wären.

    Immermann ist viel bei uns gewesen und
    wird Ihnen manches von uns erzählen können.

    Kommentare

    10 Es handelt sich bei dieser Novelle vermutlich um den Hexensabbath.

    11 Rudolph von Uechtritz.

    ich habe mich sehr gefreut von ihm zu hören wie
    heiter und zufrieden Sie in Düsseldorf leben.
    Er hat uns seinen Merlin vorgelesen, der mir
    zu tiefsinnig ist und in dem ich Vieles nicht ver=
    standen habe, was ich verstand habe ich aber
    sehr schön und merkwürdig gefunden. Die
    beiden ersten Stücke12 von Peter dem Großen
    haben viel Schönes, doch scheint mir zu viel In=
    trigue darin zu seyn, und fast alle Characte=
    re haben etwas Verschrobenes, was einen
    unangenehmen Eindruck macht. Das Edle,
    Großartige, was in der Rosamunde so wohlthu=
    end wirkt, und was uns wie ein Spiegel der
    Seele scheint, woraus es geflossen, fehlt in
    jenem, und deshalb macht es nicht den ächt tra=
    gischen Eindruck. Immermann ist sehr geist=
    reich und interessant, doch kann ich nicht läugnen
    daß in seinem Wesen etwas Unheimliches
    liegt, wozu man kein Vertrauen fassen kan̄.
    Verzeihen Sie daß ich mein Gefühl so unverhoh=
    len ausspreche; es ist wohl nicht recht, denn ich
    glaube er ist Ihr beßter Freund, doch da es
    einmal geschrieben ist kann ich es nicht mehr
    ändern

    Wir erwarten jetzt die Cholera täglich; doch
    ist man hier nicht so ängstlich und spricht nicht
    so viel davon als in Berlin. Ich kann diese
    Furcht nicht begreifen, da wir doch überzeugt
    sind daß wir keinen Augenblick eher oder spä=
    ter sterben, als es Gottes Wille ist, und da,

    Kommentare

    12 Gemeint sind die beiden ersten Teile von Immermanns Trilogie Alexis.

    auch ohne Cholera, uns der Tod täglich so nahe
    steht. Doch viele Menschen thun wirklich als wären
    Ssie bis jetzt unsterblich gewesen, und das Ster=
    ben eine ganz neue Erfindung von 1831.

    Leben Sie wohl, und rechnen Sie es mir nicht zu
    daß ich Ihnen schreibe, und meinem Vater nicht
    daß er Ihnen nicht schreibt. Er ist in seiner
    Freundschaft unveränderlich wie im Aufschieben
    aller seiner Briefe und Arbeiten; die Novel=
    len13 sollten längst fertig seyn, denn alle anderen
    Taschenbücher liegen schon auf allen Ladenti=
    schen. Kommen Sie nur künftigen Sommer zu
    uns, und geben Sie uns zuweilen Nachricht
    wie es Ihnen geht; halten Sie es aber nicht
    für eine Pflicht der Höflichkeit gerade mir
    wieder zu antworten, es macht Ihnen na=
    türlich mehr Vergnügen meinem Vater zu
    schreiben als mir, und wir andern sind zu=
    frieden wenn wir erfahren daß Sie wohl
    und heiter und fleißig sind. 14Meine Eltern
    und Schwester grüßen Sie herzlich

    Dorothea Tieck

    Kommentare

    13 Es handelt sich um Der Mondsüchtige, Der Jahrmarkt und Der Hexensabbath.

    14 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 161) wird der folgende Satz (bis auf die Unterschrift) ausgelassen.

    Schon seit lange hat mein Vater die Absicht Ihnen zu schreiben, theurer Freund, da er es aber vielleicht noch nicht so bald thun wird, muß ich es übernehmen Ihnen Nachricht von uns zu geben. Ich weiß nur zu wohl welch ein schlechter Ersatz dies für Sie ist, und erscheine mir selbst sehr anmaßend indem ich Ihnen schreibe, denke aber doch es ist Ihnen lieber als wenn Sie gar nichts von uns erfahren.

    Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief, und danke Ihnen in unser Aller und besonders in meines Vaters Namen für Ihre Rosamunde,1 mehr als ich es Ihnen aussprechen kann. Mein Vater will Ihnen selbst seine Meinung darüber schreiben, aber weil dies sehr ausführlich geschehen soll, und er sich überhaupt schwer zu einem Brief entschließt, wird es wohl nicht so bald geschehen. Ich kann Ihnen vorläufig sagen daß er ganz und durchaus zufrieden ist, ja, daß er entzückt und begeistert2 ist sollte ich lieber sagen, denn jeder andre Ausdruck scheint mir zu kalt. Dreimal hat er uns die Rosamunde vorgelesen, und ich wünsche dann nur immer Sie wären hier und könnten ihn darüber sprechen hören, und sich an seiner Freude erfreuen, daß unsre arme betrübte Zeit so etwas Großes und Edles

    Kommentare

    1 Uechtritz hatte Tieck das Trauerspiel in Manuskriptform geschickt, er selbst verfügte über keine weitere Abschrift; vgl. Brief vom 12. September 1833, S. 1 (Bl. 1 recto).

    2 Im Brief vom 26. Oktober 1831 an seine Eltern berichtet Uechtritz von Dorotheas Brief: „Ihr seht, daß der Beifall Tieck's noch weit größer und entschiedener ist, als beim Alexander und welchen Werth dieser Beifall grade jetzt für mich hat, kann ich nicht aussprechen. Abgesehen von dem bedeutenden äußeren Vortheil, den er mir bringt, und die Verlegenheit, in die der Herr Graf Redern gerathen werden, wenn sie davon hören, ist er für mein inneres Leben von unzuberechnender Wichtigkeit.“ (Sybel: Erinnerungen, S. 130.) Vgl. dagegen Uechtritz' Äußerung im Brief an seine Eltern, zitiert im Kommentar zum Brief vom 15. Juli 1831, S. 3 (Bl. 2 recto).

    hervorgebracht hat. Ich wußte zum Voraus daß dies Gedicht ihm gefallen mußte und drang deswegen darauf daß Sie es uns schicken möchten.3 Alle meine Zweifel, die ich auch damals gegen Sie aussprach, ob es auf der Bühne von Wirkung seyn könne erscheinen mir jetzt recht vermessen, da mein Vater, gleich wie er es nur einmal gelesen hatte, entschlossen war, es hier zu geben. Jetzt da ich es öfter und nicht so unterbrochen gelesen, bin ich auch überzeugt, daß die Darstellung keine Schwierigkeiten haben kann; dann war ich in der vorigen Woche einige Tage auf dem Lande4 bei Lüttichaus, wo wir wieder die Rosamunde miteinander lasen, und zu meiner großen Freude Lüttichau sogleich beschloß sie so bald als möglich zu geben; ja, mich sogar ganz im Ernste auszankte, daß ich sie nicht gleich den vorigen Sommer hier behalten hatte. Mir schien damals für unsre Bühne die Schwierigkeit zu groß es würdig zu besetzen da wir jetzt, genau genommen weder eine Rosamunde noch einen Alboin haben; aber mein Vater sagt kein Theater dürfe es sich entgehen lassen durch ein solches Werk sich selbst zu ehren, auch sey es nicht nur so schön sondern auch so dramatisch, daß es immer noch, trotz aller Mängel der Darstellung, den größten Eindruck machen müsse. Weshalb man es in Berlin nicht angenommen5 hat ist mir unbegreiflich, da dies doch das eigentliche Rollenfach der

    Kommentare

    3 Im Brief vom 15. Juli 1831, S. 3 (Bl. 2 recto) bat Dorothea Tieck um die Übersendung des Trauerspiels.

    4 Vermutlich auf dem Rittergut Wolf Adolf von Lüttichaus in Ulbersdorf bei Sebnitz.

    5 Eine Kommission unter dem Vorsitz Ernst Raupachs hatte im April 1831 gegen die Annahme der Rosamunde gestimmt, woraufhin sie Uechtritz nach Wien gesandt hatte. Dort wurde eine Annahme im Sommer 1831 durch die Zensur untersagt, was Uechtritz aber erst im März 1832 erfuhr. Vgl. Brief vom 4. April 1832, S. 1 (Bl. 1 recto) und S. 3 (Bl. 2 recto).

    Krelinger6 ist, und sie gar nichts spielen kann, wenn ihr dies nicht zusagt. Ob man es in Wien einstudirt, weiß ich nicht, ich habe die Gley darum gefragt, aber noch keine Antwort erhalten; ich wünsche jetzt fast daß es dort noch nicht so schnell gegeben wird, damit es auf unsrer Bühne zuerst erscheint.7 Statt der Gley sind jetzt hier zwei junge Mädchen8 engagirt, beide recht hübsch und nicht ohne Talent, aber noch so wenig geübt und so unbedeutend daß man ihnen die Rosamunde nicht anvertrauen kann, deshalb ist sie der Mevius zugetheilt worden, der auch eigentlich das Fach wozu man die Rosamunde doch rechnen muß gehört. Freilich ist sie etwas zu alt und zu scharf in ihrem Spiel, doch hat sie viel Kraft und Feuer, und giebt einige Rollen, wie zum Beispiel die Orsina,9 daß man sie kaum besser sehen kann, auch hat sie Verstand und weiß sich meines Vaters Rath recht gut anzueignen. Den Alboin wird wohl der jüngere Devrient bekommen, der jetzt hier engagirt ist; er ist freilich etwas zu jung und zu zart für die Rolle, doch hat er viel Haltung und ein sehr schönes Organ ist dabei ein gescheuter, sinniger Mensch. Den Helmichis würde dann der andre Devrient bekommen. Der alte Longobarde und Gepide werden durch Werdy und Pauli sehr gut besetzt seyn, beide hörten das Stück neulich bei uns lesen, und interessirten sich gleich sehr dafür und da sie jetzt unsre Regisseure sind ist dies

    Kommentare

    6 Recte: Auguste Crelinger.

    7 Die Rosamunde wurde einzig in Dresden aufgeführt.

    8 Im August 1831 wurde die 18-jährige Clara Hirschmann und im September die ebenfalls 18-jährige Franziska Berg am Dresdner Hoftheater engagiert, letztere als Ersatz für Julie Gley, die am 1. Oktober 1830 das Hoftheater verlassen hatte. Vgl. Prölß: Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, S. 652.

    9 Orsina aus Lessings Emilia Galotti.

    nicht unwichtig. Wir sind recht viel mit Ihnen und Ihrem Gedicht beschäftigt, und ich kann Ihnen nicht sagen wie sehr mich dies alles Ihretwegen freut, da ich denke die Anerkennung meines Vaters wiegt bei Ihnen das verkehrte Urtheil viel verkehrter, wenn auch wohlmeinender Menschen auf, und ist Ihnen ein Sporn die Welt und Ihre Freunde bald wieder durch ein schönes Werk zu erfreuen. Auch wegen meines Vaters freut es mich so sehr, daß er wieder einmal etwas auf die Bühne bringen kann, woran er so warmen Antheil nimmt.

    Mein Vater ist wohl und sehr fleißig: zwei Novellen sind fertig und eine, der Mondsüchtige in der Urania schon gedruckt, ich finde sie sehr schön, und man sollte glauben er habe sie in seiner Jugend geschrieben. Die zweite, der Jahrmarkt ist ganz heiter und gefällt mir auch sehr, aus der dritten, die noch nicht beendet ist kann ich noch nicht recht klug werden.10 Ich bekomme immer die Correcturbogen und bin also nach dem Setzer der erste Leser und Kritiker.

    Ihr Bruder11 ist vor einiger Zeit bei uns gewesen, es thut mir leid daß ich ihn nicht gesehn habe, er muß Ihnen sehr ähnlich sehen, denn mein Vater hat ihn gleich umarmt, weil er geglaubt hat daß Sie es wären.

    Immermann ist viel bei uns gewesen und wird Ihnen manches von uns erzählen können.

    Kommentare

    10 Es handelt sich bei dieser Novelle vermutlich um den Hexensabbath.

    11 Rudolph von Uechtritz.

    ich habe mich sehr gefreut von ihm zu hören wie heiter und zufrieden Sie in Düsseldorf leben. Er hat uns seinen Merlin vorgelesen, der mir zu tiefsinnig ist und in dem ich Vieles nicht verstanden habe, was ich verstand habe ich aber sehr schön und merkwürdig gefunden. Die beiden ersten Stücke12 von Peter dem Großen haben viel Schönes, doch scheint mir zu viel Intrigue darin zu seyn, und fast alle Charactere haben etwas Verschrobenes, was einen unangenehmen Eindruck macht. Das Edle, Großartige, was in der Rosamunde so wohlthuend wirkt, und was uns wie ein Spiegel der Seele scheint, woraus es geflossen, fehlt in jenem, und deshalb macht es nicht den ächt tragischen Eindruck. Immermann ist sehr geistreich und interessant, doch kann ich nicht läugnen daß in seinem Wesen etwas Unheimliches liegt, wozu man kein Vertrauen fassen kann. Verzeihen Sie daß ich mein Gefühl so unverhohlen ausspreche; es ist wohl nicht recht, denn ich glaube er ist Ihr beßter Freund, doch da es einmal geschrieben ist kann ich es nicht mehr ändern

    Wir erwarten jetzt die Cholera täglich; doch ist man hier nicht so ängstlich und spricht nicht so viel davon als in Berlin. Ich kann diese Furcht nicht begreifen, da wir doch überzeugt sind daß wir keinen Augenblick eher oder später sterben, als es Gottes Wille ist, und da,

    Kommentare

    12 Gemeint sind die beiden ersten Teile von Immermanns Trilogie Alexis.

    auch ohne Cholera, uns der Tod täglich so nahe steht. Doch viele Menschen thun wirklich als wären sie bis jetzt unsterblich gewesen, und das Sterben eine ganz neue Erfindung von 1831.

    Leben Sie wohl, und rechnen Sie es mir nicht zu daß ich Ihnen schreibe, und meinem Vater nicht daß er Ihnen nicht schreibt. Er ist in seiner Freundschaft unveränderlich wie im Aufschieben aller seiner Briefe und Arbeiten; die Novellen13 sollten längst fertig seyn, denn alle anderen Taschenbücher liegen schon auf allen Ladentischen. Kommen Sie nur künftigen Sommer zu uns, und geben Sie uns zuweilen Nachricht wie es Ihnen geht; halten Sie es aber nicht für eine Pflicht der Höflichkeit gerade mir wieder zu antworten, es macht Ihnen natürlich mehr Vergnügen meinem Vater zu schreiben als mir, und wir andern sind zufrieden wenn wir erfahren daß Sie wohl und heiter und fleißig sind. 14Meine Eltern und Schwester grüßen Sie herzlich Dorothea Tieck

    Kommentare

    13 Es handelt sich um Der Mondsüchtige, Der Jahrmarkt und Der Hexensabbath.

    14 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 161) wird der folgende Satz (bis auf die Unterschrift) ausgelassen.