
Staatsbibliothek zu Berlin / Handschriftenabteilung
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Ich habe eine Lange Zeit
hingehen lassen, bevor ich deinen
Brief beandwortet, und dennoch
lieber Junge, ist er mir [...]
sehr in das Herz gefallen, – du hast
ganz recht, Louis, man muß entweder
thun was man will, oder wollen
was man thut – auch will ich itszt,1
al [...] s mein eigener Herr, [hier] den
bei meinem, auf deinem anstoße[n]
unter nommenen, botanischen Studium,2
[am Rande: hier] den hohen Sommer erwarten,
sodann ins [geburg], und nach
volbrachter Wahlfahrt,3 mißgönnen
es da nicht die Zeit umstände,
leise nach meinem Norden ab=
rutschen. – Heimweh treibt mich
dahin, das gGefühl daß ich mich
nur dort häuslich nieder lassen kann
und darf, nur dort gedeihen kann, und
daß es Zeit wird mich um zu nach dem
Steine umzusehen worauf ich oder auch
worunter ich mein Haupt ausruhen
a Coppet Sommer 1812.
1 Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm steht „jetzt“ statt „itzt“.
2 Im vorhergehenden Brief vom 12. März 1812 schrieb de La Foye an Chamisso: „Wie kann man in der Schweiz englisch lernen! Lerne doch lieber die Blumen kennen und lieben, dann bist du nie allein, dann haben die schönsten Gebirge Reiz für dich“ (abgedruckt in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, Brief 104).
3 Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm steht „Wallfahrt“ statt „Wahlfahrt“.
kann. – Darüber versaüm ich
selbst die Reise nach Italien
wozu mich meine Schwester
mahnt. – und die ich so traurig
einsam, gleichsam vom Hause
abgeschnitten, schlecht geniessen möchte,
– – kannst du dich in mich hinein
denken, – was [denkst] sagst du zu dem
allen – [auf meiner Reise will ich
Helmina wiedersehen. – sie schreibt
mir nur spärlich und unbefriedigend.]4
– ich kenne schon [...] nach delamarck
und [De Candolle]5 an ein Paar Hundert
Blumen,6 doch will es mir eben nicht
hell werden in der Blumenwelt die stillen unschu[ld]igen
Blumen, unterhalten mich wirklich
besser und [...] und vertraulicher als Menschen,
und dennoch ziehen sie mich noch
nicht recht an – ich fühle mich sehr
ausgestorben, eingeschrumpft, verscheucht,
alles Licht verblasst – frem[d] –
4 Da der vorstehende Satz in Hitzigs und Palms Edition fehlt, stammen die Klammern und die weiteren Anmerkungen mit rotem Buntstift im Brief höchstwahrscheinlich von Hitzig. (Ein weiteres Indiz hierfür ist die Datierung mit rotem Buntstift auf Seite 1 oben: „Coppet Sommer 1812“, die von Hitzig, nicht jedoch von Palm verwendet wurde.) Erst Riegel druckt den Satz schließlich in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits ab.
5 Die Korrekturen, die Hitzig an de Candolles Namen im Brieftext vornahm, machen es unmöglich, Chamissos ursprüngliche Schreibweise zu erkennen.
6 Von Jean-Baptiste de Lamarck und Augustin-Pyramus de Candolle stammt das mehrbändige botanische Nachschlagewerk Flore française (1805).
bei Eduard und Fouqué mag
es mir wieder besser werden,
oder nimmermehr – – [7 – Ich habe
wie ein Narr auf deines Auftrages
wegen, auf bescheid von den
Leuten gewartet.8 – Mr. Necker-
Saussure – kann dir alle aAlpen=
Blumen geben die du nur begehren
magst und wird sich auch gerne
manches von dir [...]usbitten,9 aber
[wie] [...] ist das zu auf welchem wege
ist das austauschen und zusenden zu
bewerkstelligen? – von hier aus10
lassen sich gelegenheiten nach Paris
wohl finden, und auch wohl von
Paris zurücke – Mein Freund
De traz Picot11 hat gleichfals wohl
einige hundert der allerseltensten
Alpenblumen, zu die er allein sammelt,
zu deinem Dienste – und, könnte wohl
ob er sich gleich wenig mehr [weiter] damit
abgiebt, möchte wohl gerne was du
ihm senden konntest12 an nehmen. Du
magst beiden selber darüber schreiben
7 Hitzig hat die folgende Textpassage bis „beide globularia u. v. m.“ auf der folgenden Seite eingeklammert, sie fehlt in seiner Ausgabe sowie Palms Ausgabe von Chamissos Briefen. Riegel druckt die fehlende Passage in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits nur bis „willkommen wäre“ und lässt die Aufzählung der Pflanzen Chamissos ebenfalls aus. Die Lücken sind nicht mit Auslassungspunkten gekennzeichnet.
8 Im oben erwähnten Brief vom 12. März 1812 bat de La Foye Chamisso auch darum, ihm „Alpenpflanzen“ zu schicken – er würde sie gegen seine „Seepflanzen“ tauschen (abgedruckt in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, Brief 104).
9 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „erbitten“ statt „ausbitten“.
10 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits fehlt dieses „aus“.
11 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht der Name „De Raz Picot“ statt „Detraz Picot“.
12 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „könntest“ statt „konntest“.
ich selber werde wohl manches haben
was dir willkommen wäre. –
atragene alpina,13 – plantaga cynop[s]14
erinus alpina,15 – beide globularia.16
u. v. m. . – ]
a ψ Shakespeare!
b Ich habe lange
13 Alpen-Waldrebe.
14 Halbstrauchiger Wegerich.
15 Alpenbalsam.
16 In der Flore française werden verschiedene globularia (Kugelblumen) aufgeführt (Bd. 3, 1805: 427–429). Laut Beschreibung kommen zwei davon insbesondere in der Umgebung von Genf vor, es ist möglich, dass Chamisso diese meinte: globularia cordifolia (Herzblättrige Kugelblume) und globularia nudicaulis (Schaft-Kugelblume).
17 Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm steht „ahne“ statt „ahnde“.
18 Übersetzung: „Sei gegrüßt.“ Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm fehlt die griechische Grußformel.
19 Hierbei handelt es sich möglicherweise um einen Briefanfang, es ist unklar, ob er von Chamissos Hand verfasst wurde.
Ich habe eine Lange Zeit hingehen lassen, bevor ich deinen Brief beandwortet, und dennoch lieber Junge, ist er mir sehr in das Herz gefallen, – du hast ganz recht, Louis, man muß entweder thun was man will, oder wollen was man thut – auch will ich itzt,1 als mein eigener Herr, bei meinem, auf deinem anstoße[n] unter nommenen, botanischen Studium,2 hier den hohen Sommer erwarten, sodann ins [geburg], und nach volbrachter Wahlfahrt,3 mißgönnen es da nicht die Zeit umstände, leise nach meinem Norden abrutschen. – Heimweh treibt mich dahin, das Gefühl daß ich mich nur dort häuslich nieder lassen kann und darf, nur dort gedeihen kann, und daß es Zeit wird mich nach dem Steine umzusehen worauf oder auch worunter ich mein Haupt ausruhen
1 Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm steht „jetzt“ statt „itzt“.
2 Im vorhergehenden Brief vom 12. März 1812 schrieb de La Foye an Chamisso: „Wie kann man in der Schweiz englisch lernen! Lerne doch lieber die Blumen kennen und lieben, dann bist du nie allein, dann haben die schönsten Gebirge Reiz für dich“ (abgedruckt in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, Brief 104).
3 Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm steht „Wallfahrt“ statt „Wahlfahrt“.
kann. – Darüber versaüm ich selbst die Reise nach Italien wozu mich meine Schwester mahnt. – und die ich so traurig einsam, gleichsam vom Hause abgeschnitten, schlecht geniessen möchte, – – kannst du dich in mich hinein denken, – was sagst du zu dem allen – auf meiner Reise will ich Helmina wiedersehen. – sie schreibt mir nur spärlich und unbefriedigend. 4 – ich kenne schon nach delamarck und [De Candolle]5 an ein Paar Hundert Blumen,6 doch will es mir eben nicht hell werden in der Blumenwelt die stillen unschu[ld]igen Blumen, unterhalten mich wirklich besser und vertraulicher als Menschen, und dennoch ziehen sie mich noch nicht recht an – ich fühle mich sehr ausgestorben, eingeschrumpft, verscheucht, alles Licht verblasst – frem[d] –
4 Der vorstehende Satz wurde mit rotem Buntstift eingeklammert. Da er in Hitzigs und Palms Edition fehlt, stammen die Klammern und die weiteren Anmerkungen mit rotem Buntstift im Brief höchstwahrscheinlich von Hitzig. (Ein weiteres Indiz hierfür ist die Datierung mit rotem Buntstift auf Seite 1 oben: „Coppet Sommer 1812“, die von Hitzig, nicht jedoch von Palm verwendet wurde.) Erst Riegel druckt den Satz schließlich in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits ab.
5 Die Korrekturen, die Hitzig an de Candolles Namen im Brieftext vornahm, machen es unmöglich, Chamissos ursprüngliche Schreibweise zu erkennen.
6 Von Jean-Baptiste de Lamarck und Augustin-Pyramus de Candolle stammt das mehrbändige botanische Nachschlagewerk Flore française (1805).
bei Eduard und Fouqué mag es mir wieder besser werden, oder nimmermehr – – 7 – Ich habe wie ein Narr deines Auftrages wegen, auf bescheid von den Leuten gewartet.8 – Monsieur Necker-Saussure – kann dir alle Alpen-Blumen geben die du nur begehren magst und wird sich auch gerne manches von dir [a]usbitten,9 aber auf welchem wege ist das austauschen und zusenden zu bewerkstelligen? – von hier aus10 lassen sich gelegenheiten nach Paris wohl finden, und auch wohl von Paris zurücke – Mein Freund Detraz Picot11 hat gleichfals einige hundert der allerseltensten Alpenblumen, die er allein sammelt, zu deinem Dienste – und, ob er sich gleich wenig mehr damit abgiebt, möchte wohl gerne was du ihm senden konntest12 an nehmen. Du magst beiden selber darüber schreiben
7 Hitzig hat die folgende Textpassage bis „beide globularia u. v. m.“ auf der folgenden Seite eingeklammert, sie fehlt in seiner Ausgabe sowie Palms Ausgabe von Chamissos Briefen. Riegel druckt die fehlende Passage in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits nur bis „willkommen wäre“ und lässt die Aufzählung der Pflanzen Chamissos ebenfalls aus. Die Lücken sind nicht mit Auslassungspunkten gekennzeichnet.
8 Im oben erwähnten Brief vom 12. März 1812 bat de La Foye Chamisso auch darum, ihm „Alpenpflanzen“ zu schicken – er würde sie gegen seine „Seepflanzen“ tauschen (abgedruckt in der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits, Brief 104).
9 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „erbitten“ statt „ausbitten“.
10 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits fehlt dieses „aus“.
11 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht der Name „De Raz Picot“ statt „Detraz Picot“.
12 Im Druck der Correspondance d'Adalbert de Chamisso, Fragments inédits steht „könntest“ statt „konntest“.
ich selber werde wohl manches haben was dir willkommen wäre. –
atragene alpina,13 – plantaga cynop[s]14 erinus alpina,15 – beide globularia.16 und viele mehr . –
lebewohl, mein vielguter, schreibe mir bald noch einmal hier und gut – ich umarme dich herzlich, – ich lese schon ziemlich fertig englisch – id [e]st mit den augen, ahnde17 aber gar nicht einmal daß man das Zeug nur aussprechen könne, geschweige denn wie – ich habe an 20 Stücke von Shakespeare gelesen, und ihn immer groß und größer gediegen und gediegener gefunden, – Χαιρε [...]18 Heute war hier im Hause ein trauriger Tag –13 Alpen-Waldrebe.
14 Halbstrauchiger Wegerich.
15 Alpenbalsam.
16 In der Flore française werden verschiedene globularia (Kugelblumen) aufgeführt (Bd. 3, 1805: 427–429). Laut Beschreibung kommen zwei davon insbesondere in der Umgebung von Genf vor, es ist möglich, dass Chamisso diese meinte: globularia cordifolia (Herzblättrige Kugelblume) und globularia nudicaulis (Schaft-Kugelblume).
17 Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm steht „ahne“ statt „ahnde“.
18 Übersetzung: „Sei gegrüßt.“ Im Druck der Ausgaben Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso von Hitzig und Palm fehlt die griechische Grußformel.