Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Adelbert von Chamisso an Louis de La Foye (wahrscheinlich Schöneberg (Berlin), 30. Januar 1821)

 

 

Faksimile Dipl. Umschrift Lesefassung Metadaten Entitäten XML Faksimile Dipl. Umschrift Lesefassung Metadaten Entitäten XML
 
 

Personen im Manuskript

Personengruppen im Manuskript

    Werke im Manuskript

    Orte im Manuskript

    Staatsbibliothek zu Berlin / Handschriftenabteilung
    Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Staatsbibliothek zu Berlin

    ganze XML-Datei herunterladen powered by TEI

    Aktuelle Seite

     
    Janvier 1821 123
    29

    1
    Ja überhand nimmt Ungerechtigkeit,
    Und No[...]th, Empörung, Haß, Verrath befähr[t]en,
    Die falschen Christei wollen sich geberden,
    Als mit dem Unrecht, nicht dem Recht, im Streit.

    Bald aber, nach der Trübsal dieser Zeit,
    Wird den Geschlechtern allen auf der Erden
    Des Menschen Zeichen offenbaret werrden
    Mit großer Kraft und hoher Herrligkeit.

    vVom Feigenbaume lernt: an seinen Zweigen
    Erkennet ihr des Sommers Anbeginn,
    Wann steigt der Saft, und Blätter schon sich zeigen.

    Wo habt ihr, blöde Thoren doch den Sinn?
    Ihr seht den Saft in alle Zweige steigen,
    Und leugnet euch sden Sommer immerhin.

    au[ch] dann erst das Briefliche

    II.) folgt hier -

    30[t] Januar 1821

    2Nur etliche Zeilen, mit der Ankündigung meines Werkes, ich habe
    dir gegen Ende 1820 ein Pack Pflanzen und einen langen Brief
    geschriebenickt — Noch keine Andwort, ich hoffe doch du wirst diesmal
    erhalten haben. — 3(Ich habe das Schiksal mit lauter Esel
    zu thun zu haben, von den Gebrüder Hoffmann4 kann ich kein
    sSterbens wort los eisen.5 Wie geht alles nicht langsam, und
    doch geht alles! Schreibe mir, hörst du, schreibe mir, und
    sage mir ob du noch daran denkst uns zu übersetzen6
    7Ich wünschte wohl es geschehe, aber es mochte nicht doch nicht fviel sSe[...]gen
    dabei sein — Dem Choris: voyage pittoresque, habe ich
    manche Bilder manche Aufsätze zugesch[ans]t.8 ich sehe seinen n
    [...]
    Antworten

    Kommentare

    1 Die drei Gedichte in diesem Brief gehen mit veränderter Numerierung und leichten Abwandlungen in den Sonettzyklus An die Apostolischen, veröffentlicht 1830 in Wendts Musenalmanach, ein. Alle drei Gedichte wurden auf der Handschrift mit Bleistift durchgestrichen.

    2 Folgende Passage ist sowohl bei Hitzig als auch bei Palm gedruckt: „Nur etliche Zeilen [...] noch keine Antwort.“ Die folgenden weitreichenden Auslassungen werden von beiden durch ein „u.s.w.“ gekennzeichnet.

    3 Folgende Passage ist bei Riegel gedruckt: „Ich habe das [...] es thut mir leid.“

    4 Hier sind die Brüder Karl Hoffmann und Johann Wilhelm Hoffmann gemeint, die in Weimar als Verleger und Buchhändler tätig waren. Sie verlegten Kotzebues Entdeckungs-Reise in die Süd-See.

    5 Riegel druckt „losreissen“ statt „los eisen“.

    6 Chamisso schlug den Brüdern Hoffmann vor, dass de La Foye Kotzebues Entdeckungs-Reise in die Süd-See, zu der Chamisso seine Bemerkungen und Ansichten als dritten Band beisteuerte, ins Französische übersetzt.

    7 Folgende Passage ist sowohl bei Hitzig als auch Palm gedruckt: „Ich wünschte die [...] auf das herzlichste.“

    8 Riegel druckt „zugeschafft“ statt „zugeschanst“.

    Nach Schiller.

    Ihr wollt zurück uns führen zu den Tagen
    Charackterloser Minderjährigkeit?
    Ihr hängt umsonst an der Vergangenheit,
    Ihr werdet nicht die Zukunft unterschlagen.

    Es ist ein eitel, ein vergeblich wagen,
    Zu g[...]reifen ins bewegte Rad der Zeit,
    Der Morgen graut, verscheuc[...]ht die Dunkelheit
    Und leuchtend stürzt hervor der Sonnenwagen.

    Die blind und taub, ihr Augen habt und Ohren,
    Nicht Stimmen hören wollt, nicht Zeichen sehen,
    Ich zittre nur für euch, ihr blöde Thoren.

    Denn Gottes Rathschluß wird dennoch bestehen,
    Die Frucht der Zeit zu ihrer Zeit geboren
    Und das, was an der Zeit ist, doch geschehen.

     

    Andworten, und seinem Werke, das er mir versprochen hat
    entgegen. 3 Drei lifrungen9 sind schon hier in einem Exemplar
    angelangt, aber nicht für mich — ich höre eben nicht vortheilhaft
    davon sprechen, es thut mir leid. — Ich wünschte
    die kleine Frist, die noch Europa gegönnt wird, benutzt zu
    wissen auf verschiedene Weise benutzt zu wissenmeinen Namen zu begründen, sei es
    auch nur darum, daß doch mein Name derselbe doch für mich
    Weib und Kind gelten könne, wennfals10 sandere Münzen
    flöten gehen.

    Ich umarme dich auf das herzlichste.
    Χαιρε ἀδελφε.11
    AdvCh.

    Kommentare

    9 Gemeint sind: Lieferungen.

    10 Hitzig und Palm drucken „als“.

    11 Übersetzung: „Sei gegrüßt, (mein) Bruder.“

    124

    III

    "Wer hat zum Schreier also dich bedungen?
    Es möchten Lieder besser dir gedeihen,
    Welchen auch viele gern das Ohr verleihen.
    Hast du nicht sonst von Lieb’ und Wein gesungen?

    Könnt ich aus ehrner Brust doch tausend Zungen
    Mit Hauch beleben, alle wollt ich weihen
    Gellend das eine alte Lied zu schreien,
    Bis in verschloß’nen Ohren es erklungen.

    Es ist hoch an der Zeit sie aufzuschrecken,
    Die [tr]äumelnd12 um den Rand des Abgrunds wallen,
    Ob schlafend nicht, dennoch nicht zu erwecken.

    O Muß die Sschwache Stimme so verhallen!
    Es drohet euch der Sturz, mir bloß das Schrecken.
    Ein Vogel schwingt sich auf, wo Eichen fallen.

    13Wir befinden uns alle wohl. Der Kleine ist stark und
    wird groß, wir wünschen dir, den [...]Deinen, de[...][m]
    Weibe, das dein G[...]lück zu machen übernommen alles Heil.

    AdvCh.

    Heute bin ich 40 Jahr alt. et du?14

    Kommentare

    12 Im Musenalmanach steht „taumelnd“.

    13 Folgende Passage ist sowohl bei Hitzig als auch Palm gedruckt: „Wir befinden uns [...] alt. et du?“

    14 Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Chamisso am 30. Januar 1781 geboren wurde. In der Forschungsliteratur findet sich bisher als Geburtsdatum lediglich der Zeitraum vom 27. bis 30. Januar, als Taufdatum der 31. Januar 1781 (vgl. Feudel [1988]: Adelbert von Chamisso, S. 256).

    [...]

    1
    Ja überhand nimmt Ungerechtigkeit,
    Und Noth, Empörung, Haß, Verrath befähr[t]en,
    Die falschen Christi wollen sich geberden,
    Als mit dem Unrecht, nicht dem Recht, im Streit.

    Bald aber, nach der Trübsal dieser Zeit,
    Wird den Geschlechtern allen auf der Erden
    Des Menschen Zeichen offenbaret werden
    Mit großer Kraft und hoher Herrligkeit.

    Vom Feigenbaume lernt: an seinen Zweigen
    Erkennet ihr des Sommers Anbeginn,
    Wann steigt der Saft, und Blätter schon sich zeigen.

    Wo habt ihr, blöde Thoren doch den Sinn?
    Ihr seht den Saft in alle Zweige steigen,
    Und leugnet euch den Sommer immerhin.

    2Nur etliche Zeilen, mit der Ankündigung meines Werkes, ich habe dir gegen Ende 1820 ein Pack Pflanzen und einen langen Brief geschickt — Noch keine Andwort, ich hoffe doch du wirst diesmal erhalten haben. — 3Ich habe das Schiksal mit lauter Esel zu thun zu haben, von den Gebrüder Hoffmann4 kann ich kein Sterbens wort los eisen.5 Wie geht alles nicht langsam, und doch geht alles! Schreibe mir, hörst du, schreibe mir, und sage mir ob du noch daran denkst uns zu übersetzen67Ich wünschte wohl es geschehe, aber es mochte doch nicht viel Segen dabei sein — Dem Choris: voyage pitoresque, habe ich manche Bilder manche Aufsätze zugesch[ans]t.8 ich sehe seinen

    Kommentare

    1 Die drei Gedichte in diesem Brief gehen mit veränderter Numerierung und leichten Abwandlungen in den Sonettzyklus An die Apostolischen, veröffentlicht 1830 in Wendts Musenalmanach, ein. Alle drei Gedichte wurden auf der Handschrift mit Bleistift durchgestrichen.

    2 Folgende Passage ist sowohl bei Hitzig als auch bei Palm gedruckt: „Nur etliche Zeilen [...] noch keine Antwort.“ Die folgenden weitreichenden Auslassungen werden von beiden durch ein „u.s.w.“ gekennzeichnet.

    3 Folgende Passage ist bei Riegel gedruckt: „Ich habe das [...] es thut mir leid.“

    4 Hier sind die Brüder Karl Hoffmann und Johann Wilhelm Hoffmann gemeint, die in Weimar als Verleger und Buchhändler tätig waren. Sie verlegten Kotzebues Entdeckungs-Reise in die Süd-See.

    5 Riegel druckt „losreissen“ statt „los eisen“.

    6 Chamisso schlug den Brüdern Hoffmann vor, dass de La Foye Kotzebues Entdeckungs-Reise in die Süd-See, zu der Chamisso seine Bemerkungen und Ansichten als dritten Band beisteuerte, ins Französische übersetzt.

    7 Folgende Passage ist sowohl bei Hitzig als auch Palm gedruckt: „Ich wünschte die [...] auf das herzlichste.“

    8 Riegel druckt „zugeschafft“ statt „zugeschanst“.

    Nach Schiller.

    Ihr wollt zurück uns führen zu den Tagen
    Charackterloser Minderjährigkeit?
    Ihr hängt umsonst an der Vergangenheit,
    Ihr werdet nicht die Zukunft unterschlagen.

    Es ist ein eitel, ein vergeblich wagen,
    Zu greifen ins bewegte Rad der Zeit,
    Der Morgen graut, verscheucht die Dunkelheit
    Und leuchtend stürzt hervor der Sonnenwagen.

    Die blind und taub, ihr Augen habt und Ohren,
    Nicht Stimmen hören wollt, nicht Zeichen sehen,
    Ich zittre nur für euch, ihr blöde Thoren.

    Denn Gottes Rathschluß wird dennoch bestehen,
    Die Frucht der Zeit zu ihrer Zeit geboren
    Und das, was an der Zeit ist, doch geschehen.

    Andworten, und seinem Werke, das er mir versprochen hat entgegen. 3 lifrungen9 sind schon hier in einem Exemplar angelangt, aber nicht für mich — ich höre eben nicht vortheilhaft davon sprechen, es thut mir leid. — Ich wünschte die kleine Frist, die noch Europa gegönnt wird, benutzt zu wissen auf verschiedene Weise meinen Namen zu begründen, sei es auch nur darum, daß derselbe doch für mich Weib und Kind gelten könne, fals10 andere Münzen flöten gehen.

    Ich umarme dich auf das herzlichste. Χαιρε ἀδελφε.11 Adelbert von Chamisso

    Kommentare

    9 Gemeint sind: Lieferungen.

    10 Hitzig und Palm drucken „als“.

    11 Übersetzung: „Sei gegrüßt, (mein) Bruder.“

    III

    "Wer hat zum Schreier also dich bedungen?
    Es möchten Lieder besser dir gedeihen,
    Welchen auch viele gern das Ohr verleihen.
    Hast du nicht sonst von Lieb’ und Wein gesungen?

    Könnt ich aus ehrner Brust doch tausend Zungen
    Mit Hauch beleben, alle wollt ich weihen
    Gellend das eine alte Lied zu schreien,
    Bis in verschloß’nen Ohren es erklungen.

    Es ist hoch an der Zeit sie aufzuschrecken,
    Die [tr]äumelnd12 um den Rand des Abgrunds wallen,
    Ob schlafend nicht, dennoch nicht zu erwecken.

    O Muß die schwache Stimme so verhallen!
    Es drohet euch der Sturz, mir bloß das Schrecken.
    Ein Vogel schwingt sich auf, wo Eichen fallen.

    13Wir befinden uns alle wohl. Der Kleine ist stark und wird groß, wir wünschen dir, den Deinen, de[m] Weibe, das dein Glück zu machen übernommen alles Heil.

    Adelbert von Chamisso

    Heute bin ich 40 Jahr alt. et du?14

    Kommentare

    12 Im Musenalmanach steht „taumelnd“.

    13 Folgende Passage ist sowohl bei Hitzig als auch Palm gedruckt: „Wir befinden uns [...] alt. et du?“

    14 Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Chamisso am 30. Januar 1781 geboren wurde. In der Forschungsliteratur findet sich bisher als Geburtsdatum lediglich der Zeitraum vom 27. bis 30. Januar, als Taufdatum der 31. Januar 1781 (vgl. Feudel [1988]: Adelbert von Chamisso, S. 256).

    [...]