
Staatsbibliothek zu Berlin / Handschriftenabteilung
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Staatsbibliothek zu Berlin
Unsre Briefe haben sich gekreuzt, Sie werden jezt den mei=
nigen erhalten haben. Was Sie mit Solgers Papieren u Briefen 1
anordnen, wird im̄er das Richtige sein, was Sie weglassen wollen,
ist gewiß zu billigen, denn Sie erinnern sich, daß ich gleich erklärte,
ich hätte lieber zu viel, als zu wenig abschreiben lassen wollen,
weil mein2 leichter wegstreichen, als das Vergessene wieder aufsuchen
könne. Auch mit J. Paul haben Sie wohl Recht, und auch diese Stellen,
die durch das Mangelhafte anstössig werden könnten, mögen wegbleiben,
denn J. P. ist doch auf keinen Fall mit Fouqué nur von fern zu vergleichen.
Streichen Sie nur nicht zu viel von dem Ihrigen, woran ich, ohne Ihnen
im Geringsten schmeicheln zu wollen, immer grosse Freude gehabt habe,
dieser frische kecke Ton einer muthigen Jugend kontrastirt gut mit
meinen oft melankolischen u Solgers gesezten Beiträgen. Der Brief
über Fichte schien misr auch unerläßlich 3, man sieht S. Unpartheilichkeit
so am schönsten, und daß er sich niemals hat blenden, auch durch diese
Vorfälle nachher nicht gegen Fichte erbittern lassen. – Die Liste der
Subskribenten werden Sie bald zurück erhalten, ich fürchte aber, sie
wird weniger ergiebig, als ich erst hoffte. (Stempel: "Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz")
Kön̄en Sie mir vom Kalender 10 Frdr. p. 6. zu 16. Seiten schaf=fen, um so besser: ich schicke, u wohl bald eine Novelle, die doch wieder etwas berlinisch oder preussisch sein wird, im Schertz und Ernst, und also für diesen Calender um so mehr passen. Ich bin jezt gottlob wieder ziemlich bei Kräften, und denke es auch zu bleiben. Ich will die Novelle, die mir leicht wird, darum um so früher fertig machen, um dann Platz für die wichtigeren Arbeiten zu gewinnen.
1 Tieck hatte Raumer eine Auswahl an Schriften und Briefen aus dem Solger-Nachlass zugeschickt (vgl. den Brief vom 6. Oktober 1823, S.1 und vom 10. Oktober 1823, S.1). 1826 erschienen die aus der gemeinsamen Arbeit entstandenen Nachgelassenen Schriften und Briefwechsel Solgers, herausgegeben von Tieck und Raumer.
2 [sic]
3 Es handelt sich um den Brief Solgers an Raumer vom 22. März 1812; vgl. Solgers Nachgelassene Schriften und Briefwechsel, Bd. 1, S. 223-229.
Die verschiedenen Urtheile, die Sie mir über die Hohenstauf. schreiben,
haben mich sehr ergözt, Sie werden aber gewiß noch auffallendere
vernehmen, denn wissen die Leute schon mit trivialen poetischen Com=
positionen nicht aus noch ein, so können sie ja die historischen noch we=
niger fassen. Die Aufklärer werden Ihnen zürnen, daß Sie nicht alle Päpste
ohne Verhör in die Hölle werfen; sie werden lächeln, daß Sie nur über
Klöster u dgl. Institute sprechen, geschweige die gute Seite, das Bedürfniß
der Zeit anerkennen. Die wüthigen Liebhaber des Mittelalters werden
Ihnen Nüchternheit vorwerfen, diese werden Ihnen zürnen, daß Sie
Iihnen nicht eine Faustvoll tüchtiger Meinungen ein für alllemal ge=
liefert haben, wodurch Sie4 hätten entübrigt sein können, das lange
Buch zu lesen. Die jungen Mädchen werden Sie hoffentlich mehr an=
treffen, Dorothea u die Gräfinn wenigstens werden es mit Enthu=
siasmus lesen, für Agnes will ich nicht einstehn. – In diesen Ta=
gen las ich eine Pariser Anzeige von Glucks Aclceste aus jenen
Tagen ihrer Schöpfung, wo ganz ehrlich geklagt wurde, es sei schreckl.
daß Gl. einen so edeln Gegenstand in lauter Gassenhauern,
in Melodieen gesezt hätte, die er auf dem Pont neuf aufgegriffen.
Gluck, seine Freunde hielten es dazumal nicht unter ihrer Würde,
auf dergleichen zu antworten. Nicht wahr, das ist wehmüthig rüh=
rend u lächerlich kläglich? Und doch wiederholt sich dergleichen im̄er
und ewig wieder. Es ist niemals wahr, daß die Welt weiter kom̄t,
u die jezt Gl. aus Erziehung schon bewundern, würden fast alle einem
neuen Original Genie wieder übel mitspielen, wenn seine Töne nicht
schon im Geist und Strom der Zeit vorgeklungen hätten, was fast
nie der Fall ist, oder selbst dann nicht im̄er erkannt wird. Die Leute
wollen im̄erdar nur die eigne Dum̄heit bestätigt, sich in ihrer Bosheit
bestärkt sehn, in [Culör], Poesie, Geschichte, Philosophie u Religion.
4 [sic]
Sie erwähnen des Hagenschen Briefes nicht.5 Wollen Sie
manchmal über Theater u Musik mit Ihrem Namen schreiben,
so schicken Sie es mir es6 nur, u es soll gewiß in der Abendzeitung
gedruckt werden. Auch darauf war ich Ihnen die Antwort schuldig.
Leben Sie wohl, behalten Sie mich lieb, grüssen Sie die Ihrig.
herzlich, wie von hier alles herzlich grüssen läßt, spediren Sie
gefälligst diesen Brief an Robert. Der wHim̄el erhalte Sie
wohl u gesund.
Gestern w hier Romeo u Julie, – viel Gutes,
vieles so so, manches schlecht, wie im̄er. Ist doch
halt einmal gespielt worden. 7
5 Der polemische Briefaustausch zwischen Solger und dem Solger, Tieck und Raumer gemeinsamen Freund Friedrich Heinrich von der Hagen befasste sich mit der Auffassung von Philologie und Mythologie. Er fand kurz vor Solgers Tod statt; vgl. Nachgelassene Schriften und Briefwechsel Solgers, Bd. 1, S. 741-772.
6 [sic]
7 Tieck schrieb zu dieser Inszenierung einen Brief an Fr. von Raumer in Berlin, der zunächst in der Dresdener Abend-Zeitung und später in den Dramaturgischen Blättern erschien. Vgl. auch den Brief vom 14. März 1824, Kommentar zu S.1.
Sr. Hochwohlgebohren des
Herrn Regierungsrathes und Professors
Fried. von Raumer
in
Berlin
Unsre Briefe haben sich gekreuzt, Sie werden jezt den meinigen erhalten haben. Was Sie mit Solgers Papieren und Briefen 1 anordnen, wird immer das Richtige sein, was Sie weglassen wollen, ist gewiß zu billigen, denn Sie erinnern sich, daß ich gleich erklärte, ich hätte lieber zu viel, als zu wenig abschreiben lassen wollen, weil mein2 leichter wegstreichen, als das Vergessene wieder aufsuchen könne. Auch mit Jean Paul haben Sie wohl Recht, und auch diese Stellen, die durch das Mangelhafte anstössig werden könnten, mögen wegbleiben, denn Jean Paul ist doch auf keinen Fall mit Fouqué nur von fern zu vergleichen. Streichen Sie nur nicht zu viel von dem Ihrigen, woran ich, ohne Ihnen im Geringsten schmeicheln zu wollen, immer grosse Freude gehabt habe, dieser frische kecke Ton einer muthigen Jugend kontrastirt gut mit meinen oft melankolischen und Solgers gesezten Beiträgen. Der Brief über Fichte schien mir auch unerläßlich 3, man sieht Solgers Unpartheilichkeit so am schönsten, und daß er sich niemals hat blenden, auch durch diese Vorfälle nachher nicht gegen Fichte erbittern lassen. – Die Liste der Subskribenten werden Sie bald zurück erhalten, ich fürchte aber, sie wird weniger ergiebig, als ich erst hoffte.
Können Sie mir vom Kalender 10 Frdr. p. 6. zu 16. Seiten schaffen, um so besser: ich schicke, und wohl bald eine Novelle, die doch wieder etwas berlinisch oder preussisch sein wird, im Schertz und Ernst, und also für diesen Calender um so mehr passen. Ich bin jezt gottlob wieder ziemlich bei Kräften, und denke es auch zu bleiben. Ich will die Novelle, die mir leicht wird, darum um so früher fertig machen, um dann Platz für die wichtigeren Arbeiten zu gewinnen.
1 Tieck hatte Raumer eine Auswahl an Schriften und Briefen aus dem Solger-Nachlass zugeschickt (vgl. den Brief vom 6. Oktober 1823, S.1 und vom 10. Oktober 1823, S.1). 1826 erschienen die aus der gemeinsamen Arbeit entstandenen Nachgelassenen Schriften und Briefwechsel Solgers, herausgegeben von Tieck und Raumer.
2 [sic]
3 Es handelt sich um den Brief Solgers an Raumer vom 22. März 1812; vgl. Solgers Nachgelassene Schriften und Briefwechsel, Bd. 1, S. 223-229.
Die verschiedenen Urtheile, die Sie mir über die Hohenstaufen schreiben, haben mich sehr ergözt, Sie werden aber gewiß noch auffallendere vernehmen, denn wissen die Leute schon mit trivialen poetischen Compositionen nicht aus noch ein, so können sie ja die historischen noch weniger fassen. Die Aufklärer werden Ihnen zürnen, daß Sie nicht alle Päpste ohne Verhör in die Hölle werfen; sie werden lächeln, daß Sie nur über Klöster und dergleichen Institute sprechen, geschweige die gute Seite, das Bedürfniß der Zeit anerkennen. Die wüthigen Liebhaber des Mittelalters werden Ihnen Nüchternheit vorwerfen, diese werden Ihnen zürnen, daß Sie ihnen nicht eine Faustvoll tüchtiger Meinungen ein für allemal geliefert haben, wodurch Sie4 hätten entübrigt sein können, das lange Buch zu lesen. Die jungen Mädchen werden Sie hoffentlich mehr antreffen, Dorothea und die Gräfinn wenigstens werden es mit Enthusiasmus lesen, für Agnes will ich nicht einstehn. – In diesen Tagen las ich eine Pariser Anzeige von Glucks Alceste aus jenen Tagen ihrer Schöpfung, wo ganz ehrlich geklagt wurde, es sei schrecklich daß Gluck einen so edeln Gegenstand in lauter Gassenhauern, in Melodieen gesezt hätte, die er auf dem Pont neuf aufgegriffen. Gluck, seine Freunde hielten es dazumal nicht unter ihrer Würde, auf dergleichen zu antworten. Nicht wahr, das ist wehmüthig rührend und lächerlich kläglich? Und doch wiederholt sich dergleichen immer und ewig wieder. Es ist niemals wahr, daß die Welt weiter kommt, und die jezt Gluck aus Erziehung schon bewundern, würden fast alle einem neuen Original Genie wieder übel mitspielen, wenn seine Töne nicht schon im Geist und Strom der Zeit vorgeklungen hätten, was fast nie der Fall ist, oder selbst dann nicht immer erkannt wird. Die Leute wollen immerdar nur die eigne Dummheit bestätigt, sich in ihrer Bosheit bestärkt sehn, in [Culör], Poesie, Geschichte, Philosophie und Religion.
4 [sic]
Sie erwähnen des Hagenschen Briefes nicht.5 Wollen Sie manchmal über Theater und Musik mit Ihrem Namen schreiben, so schicken Sie es mir es6 nur, und es soll gewiß in der Abendzeitung gedruckt werden. Auch darauf war ich Ihnen die Antwort schuldig.
Leben Sie wohl, behalten Sie mich lieb, grüssen Sie die Ihrigen herzlich, wie von hier alles herzlich grüssen läßt, spediren Sie gefälligst diesen Brief an Robert. Der Himmel erhalte Sie wohl und gesund.
Ihr wahrer Freund, L. Tieck. Dresden den 27t November 1823.Gestern war hier Romeo und Julie, – viel Gutes, vieles so so, manches schlecht, wie immer. Ist doch halt einmal gespielt worden. 7
5 Der polemische Briefaustausch zwischen Solger und dem Solger, Tieck und Raumer gemeinsamen Freund Friedrich Heinrich von der Hagen befasste sich mit der Auffassung von Philologie und Mythologie. Er fand kurz vor Solgers Tod statt; vgl. Nachgelassene Schriften und Briefwechsel Solgers, Bd. 1, S. 741-772.
6 [sic]
7 Tieck schrieb zu dieser Inszenierung einen Brief an Fr. von Raumer in Berlin, der zunächst in der Dresdener Abend-Zeitung und später in den Dramaturgischen Blättern erschien. Vgl. auch den Brief vom 14. März 1824, Kommentar zu S.1.
Seiner Hochwohlgebohren des
Herrn Regierungsrathes und Professors
Friedrich von Raumer
in
Berlin