
Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Bibliothek
Dresden den 12 Sept
1833
1Theuerster Freund,
(Ich hatte mir vorgenommen so zu schreiben daß an Ihrem Geburts=
tage2 mein Brief und die besten Wünsche von uns Allen schon
bei Ihnen wären; doch die Unruhe in der wir jetzt leben
machte es mir unmöglich. Ich rufe Ihnen heut in Gedanken
meinen schönsten Glückwunsch zu: Möchten Sie doch so wohl und
glücklich seyn wie wir alle es Ihnen wünschen, und wären Sie
doch heut wieder bei uns, so wie voriges Jahr!
(Ich hatte einen Schreck als man mir nach Schlesien schrieb
es sey ein Brief von Ihnen an mich gekommen, weil ich
dachte der, Brief den ich Ihnen vor der Abreise schrieb, wäre
verloren gegangen, wie ich aber aus Ihrem Datum sehe
müssen die Briefe sich gekreuzt haben, und ich hoffe Sie
haben den welchen ich den 24ten Juli hier abschickte richtig
erhalten, es ist mir wichtig dies zu erfahren weil ich die
Abschrift aus der Rosamunde, welche Sie haben wollten, ein=
gelegt hatte; sollte dieser Brief dennoch nicht zu Ihnen
gelangt seyn, so schreiben Sie es mir doch, damit ich Ihnen
die Abschrift noch einmal machen kann.)
Ihre Frage wegen des Lustspiels3 was Sie meinem Vater
geschickt haben, will ich ganz einfach und ohne Vorrede oder
Umschweif beantworten: Es hat ihm nicht gefallen und er
räth Ihnen, oder vielmehr, er bittet Sie dringend es nicht
drucken zu lassen, da er meint es würde Ihrem Rufe
1 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 181) folgt eine angezeigte Auslassung der Anrede und der folgenden zwei Absätze bis einschließlich „noch einmal machen kann“.
2 Am 12. September 1833 war Uechtritz' 33. Geburtstag.
3 Die Tragikomödie Der Geheimerath.
schaden, denn weder Plan noch Ausführung sey Ihres Talen=
tes und dessen was man von Ihnen erwartet würdig.
Da ich selbst das Stück4 noch nicht habe lesen können hat er
mir sein Urtheil auch nicht ausführlicher sagen können,
und ich hätte nicht einmal Gelegenheit gehabt mehr mit
ihm zu sprechen, da wir Besuch bei uns haben. Vielleicht
hätte ich diese Mittheilung, die Ihnen natürlich nicht ange=
nehm seyn kann, mit schönen Worten umgeben sollen,
aber unter Freunden halte ich die ungeschminkte Wahr=
heit für die erste Pflicht, und die Sache bleibt ja doch
dieselbe. Ich kann mir wohl denken daß Ihre tragische
Muse sich ungern zu leichten Spielen herab läßt, und
warum wollten Sie sie zwingen? Ihr Beruf als Dichter
ist groß und schön, und vielleicht verbindet sich mit einemr
so ausgezeichneten Gabe für das Tragische das Gegen=
theil nicht. Schon Ihre ganze Sinnesart und Ihre Ansicht
der Welt verschließt Ihnen vielleicht jene Gegend im
Garten der Poesie. Sie haben keinen Leichtsinn, und,
aufrichtig gesagt, traue ich Ihnen auch die Menschen=
kenntniß und Beobachtung der Menschen nicht zu die
ein Lustspieldichter wohl haben muß. Mit einem Wort,:
Sie leben mehr in sich als in der Außenwelt. Nehmen Sie
mir meine Offenherzigkeit nicht übel, mein theuerster
Freund, und glauben Sie ja nicht, daß dies was ich sage
als Tadel gemeint sey, mir sind Sie deßhalb nur um
so lieber, und keiner Ihrer Freunde, der Sie kennt und
4 Der Geheimerath blieb ungedruckt.
verehrt wie ich, würde Sie anders haben wollen. X EsX
kommt mir eigentlich sonderbar vor, daß ich Ihnen dies
alles sage, und ich habe mich auch wohl ser5 ungeschickt
ausgedrückt, doch ich habe das Vertrauen zu Ihnen, daß
Sie meine herzliche Freundschaft nicht verkennen.
Doch nun muß ich Ihnen von unsrer Reise erzählen: Wir6
gingen von hier durch Böhmen nach Schlesien. 7((In Teplitz
blieben wir einen Tag und waren mit Lüttichaus die
dort das Bad brauchten.)) In Pag Prag hielten wir uns
zwei Tage auf, und diese herrliche Stadt mit ihrer schö=
nen Lage und den prächtigen Kirchen und Pallästen
hat wieder einen großen Eindruck auf mich gemacht.
So eine alte, katholische Stadt ist doch etwas wunder=
volles, und es kann mich ein wahres Heimweh ergrei=
fen wenn ich daran zurück denke. Das Wetter war
sehr schön, wir bestiegen den Ratschin einige mal und
machten Spatzirgänge, besuchten viele Kirchen und auch
zwei Frauenklöster, die Elisabethinerinnen und Car=
melitinnen.8 In einer solchen Stille und Zurückgezogen=
heit zu leben, ist doch gewiß das größte Glück, wem9
es Gott vergönnt hat, wie viel schneller muß man doch
zur Ruhe gelangen und wie wird dort jeder Kampf er=
leichtert. Verbindet sich ein solcher Beruf noch mit einer
so thätigen und aufopfernden Nächstenliebe wie bei den Elisabethinerinnen, so ist es etwas ganz herrliches.10
Von Prag reisten wir über Alt- und Jung-Bunzlau,
5 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 182) steht „sehr“ statt „ser“.
6 Amalia, Agnes und Dorothea Tieck.
7 Bei Sybel: Erinnerungen fehlt der folgende Satz.
8 Bei Sybel: Erinnerungen steht „Carmeliterinnen“ statt „Carmelitinnen“.
9 Bei Sybel: Erinnerungen steht „dem“ statt „wem“.
10 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 182) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Briefs.
Gitschin und Trautenau nach Schlesien, es ist ein recht schö=
ner Weg, in Waldenburg blieben wir 18 Tage und wohn=
ten bei dem ältesten Bruder meiner Mutter, der dort
eine große Handlung und Garnfabrik11 hat, mit seinen
drei Söhnen zusammen, ((der älteste ist noch bei ihm
im Hause, und eine Tochter die älter ist als ich, die bei=
den andern sind verheirathet und der eine hat schon
mehrere Kinder.)) So lebten wir immer in einem großen
Familienkreise, denn durch die Tante ist fast das
ganze Städtchen mit uns verwandt. Es war recht
hübsch, und eine so große Handlung, durch die eine so be=
deutende Familie im Wohlstand lebt und auch viel Gutes
thun kann, hat etwas erfreuliches. Die Gegend ist sehr
schön, doch da es fast immer regnete haben wir wenig
davon gesehn, ((die nahen Bäder, Altwasser und Salz=
brunn besuchten wir, und waren noch den letzten Tag
in Fürstenstein was ich wunderschön finde)) )). Von Walden=
burg gingen wir nach Schmiedeberg wo wir noch 8 Tage
bei dem jüngsten Bruder12 meiner Mutter waren, das Leben
war dort einsamer und stiller. ((Der Onkel und
sein Sohn waren den ganzen Tag auf dem Comtoir,
und wir mit der Tante und zwei noch unerwachsnen
Töchtern allein.)) Die Gegend ist weniger schön, es liegt
dicht unter der Koppe,13 und die schroffe Bergwand
mit den schwarzen Wäldern, macht bei dem trüben
Wetter das wir auch hier hatten, einen traurigen
11 Mit seinem Bruder Friedrich besaß Johann Gustav Wilhelm Alberti die Maschinenspinnerei Gebr. Alberti. Es handelte sich hierbei um die erste mechanische Flachsspinnerei auf dem europäischen Festland. Die Fabrik beschäftigte zeitweilig fast 500 Mitarbeiter. (Vgl. Toni Pierenkemper: Die Industrialisierung europäischer Montanregionen im 19. Jahrhundert, S. 181.)
13 Gemeint ist die Schneekoppe.
Eindruck. ((Wir machten eine große Partie nach dem) Wir hatten immer
Kochelfall, Warmbrunn und Kynast, die für einen
Tag etwas zu ermüdend war.
gute Nachrichten vom Hause, denn die Gräfinn schrieb
uns fleißig, und Vater war die ganze Zeit recht wohl
so waren wir denn auch recht heiter, und es macht
uns noch Freude die Verwandten einmal wieder gesehn
zu haben. Wir wollten bei der Rückkehr noch einen
Umweg machen und über Friedland und Zittau gehn,
doch hatten wir einen sehr unwilligen Kutscher, der
nicht vom geraden Wege und der Chausse abfahren
wollte, sich aber dann gleich hinter Hirschberg so ver=
irrte daß wir erst den Nachmittag um 4 nach Greifen=
berg kamen. Ich hatte mir schon vorgenommen über
Heidersdorf zu fahren und Ihre Eltern dort wenig=
stens eine halbe Stunde zu besuchen, doch daßs mußten
wir nun alles aufgeben, und kamen, nachdem wir
noch viel Verdruß mit unserm Kutscher gehabt hatten
erst den Abend um 10 nach Görlitz; so konnte ich auch
Ihre Schwester14 nicht aufsuchen was ich mir doch fest vor=
genommen hatte, es that mir recht leid. Den andern
Morgen ganz früh ließen wir uns den Dom15 aufschlie=
ßen und besuchten dann das heilige Grab.16 Die Lage
von Görlitz hat mir sehr gefallen, die Stadt ist recht
ansehnlich und der herrliche Dom gehört gewiß zu den
schönsten Gebäuden. (Um 8 reisten wir ab und k[...]en
so früh nach Bautzen daß wir auch die Stadt und Umge=) Den 30 August an meiner
bung noch besehen konnten.
Mutter Geburtstag kamen wir hier wieder an, und fei=
erten den Abend noch zusammen. Es war übrigens
die höchste Zeit daß wir zurück kehrten, denn wir fan=
den Gäste im Hause. ((Eine Nichte unsrer Gräfin, eine) So haben wir täglich einen Tisch von 12 Per=
Gräfinn Haßlingen mit ihrem kleinen Kinde17 und noch
einer unverheiratheten Cousine wohnten oben in Ihrer
Stube,18 den Tag darauf kam auch der Graf Haßlingen
und den 1 Sept die Tante Alberti aus Berlin, die auch
bei uns zu wohnen dachte. Wir mußten nun schnell An=
stalten machen um alle diese Menschen unter zu brin=
gen, die Solger borgte uns noch eine Stube. Mit der
Tante kamen Steffens mit seiner Frau und Tochter,
die zwar nicht bei uns wohnen, aber doch fast immer
hier sind.
sonen, das macht in der Wirthschaft viel zu thun, dan̄
soll man noch alle unterhalten und herum führen,
das ist mitunter sehr angreifend. Vater hat seit
14 Tagen einen so heftigen Cathar daß er weder
liest noch zum sprechen aufgelegt ist, und unsre Grä=
finn liegt mit Gliederschmerzen im Bett. Da kön̄en
sie denken wie viel wir zu thun haben und welche Un=
ruhe bei uns ist. (Ich habe gar keine viertel Stunde
für mich und habe mir die Augenblicke diesen Brief
[...] schreiben nur so abgestohlen. Doch ich woll[...]
17 Caroline Johanna Barnime von Haßlingen und deren Tochter Clara Barnime.
18 Die Dachstube, die Uechtritz bei seinen Besuchen in Dresden stets bewohnte.
Sie nicht länger ohne Nachricht lassen, da mir auch dar=)
an liegt zu wissen ob mein letzter Brief angekom=
men ist. Schreiben Sie mir darum bald, liebster Freund
und recht ausführlich. Ich fürchte nur ich bin es zu
sehr und schwatze Ihnen dummes Zeug vor.
Gestern habe ich die Gley,19 jetzt Rettich, zuerst
spielen sehen, nebst ihrem Manne, im Balboa
von Collin was hier zuerst gegeben ward und
gar nicht gefiel.20 Das Spiel der Gley, besonders die
Sprache finde ich noch schöner als sonst, ihr Mann
hat mir aber gar nicht gefallen.
Leben Sie nun wohl, mein bester Freund, Alle
grüßen Sie herzlich. Vergessen Sie mich nicht, denken
Sie aber nicht im Zorn, sondern in Güte an mich.
Ihre Dorothea.
19 Julie Rettich (geb. Gley) hatte 1825 am Dresdner Hoftheater debütiert. 1830 ging sie an das Wiener Burgtheater, kehrte jedoch 1833 wieder nach Dresden zurück. 1835 siedelte sie schließlich endgültig nach Wien über.
20 Nach der Premiere am 11. September 1833 wurde das Stück nur noch ein Mal gegeben.
Sr. Hochwohlgeboren
Dem Landgerichts-Rath
Freiherrn von Ueichtritz
in
Düsseldorf.
am Rhein
frei.
7hDresden den 12 September 1833 1Theuerster Freund, Ich hatte mir vorgenommen so zu schreiben daß an Ihrem Geburtstage2 mein Brief und die besten Wünsche von uns Allen schon bei Ihnen wären; doch die Unruhe in der wir jetzt leben machte es mir unmöglich. Ich rufe Ihnen heut in Gedanken meinen schönsten Glückwunsch zu: Möchten Sie doch so wohl und glücklich seyn wie wir alle es Ihnen wünschen, und wären Sie doch heut wieder bei uns, so wie voriges Jahr!
Ich hatte einen Schreck als man mir nach Schlesien schrieb es sey ein Brief von Ihnen an mich gekommen, weil ich dachte der, den ich Ihnen vor der Abreise schrieb, wäre verloren gegangen, wie ich aber aus Ihrem Datum sehe müssen die Briefe sich gekreuzt haben, und ich hoffe Sie haben den welchen ich den 24ten Juli hier abschickte richtig erhalten, es ist mir wichtig dies zu erfahren weil ich die Abschrift aus der Rosamunde, welche Sie haben wollten, eingelegt hatte; sollte dieser Brief dennoch nicht zu Ihnen gelangt seyn, so schreiben Sie es mir doch, damit ich Ihnen die Abschrift noch einmal machen kann.
Ihre Frage wegen des Lustspiels3 was Sie meinem Vater geschickt haben, will ich ganz einfach und ohne Vorrede oder Umschweif beantworten: Es hat ihm nicht gefallen und er räth Ihnen, oder vielmehr, er bittet Sie dringend es nicht drucken zu lassen, da er meint es würde Ihrem Rufe
1 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 181) folgt eine angezeigte Auslassung der Anrede und der folgenden zwei Absätze bis einschließlich „noch einmal machen kann“.
2 Am 12. September 1833 war Uechtritz' 33. Geburtstag.
3 Die Tragikomödie Der Geheimerath.
schaden, denn weder Plan noch Ausführung sey Ihres Talentes und dessen was man von Ihnen erwartet würdig. Da ich selbst das Stück4 noch nicht habe lesen können hat er mir sein Urtheil auch nicht ausführlicher sagen können, und ich hätte nicht einmal Gelegenheit gehabt mehr mit ihm zu sprechen, da wir Besuch bei uns haben. Vielleicht hätte ich diese Mittheilung, die Ihnen natürlich nicht angenehm seyn kann, mit schönen Worten umgeben sollen, aber unter Freunden halte ich die ungeschminkte Wahrheit für die erste Pflicht, und die Sache bleibt ja doch dieselbe. Ich kann mir wohl denken daß Ihre tragische Muse sich ungern zu leichten Spielen herab läßt, und warum wollten Sie sie zwingen? Ihr Beruf als Dichter ist groß und schön, und vielleicht verbindet sich mit einer so ausgezeichneten Gabe für das Tragische das Gegentheil nicht. Schon Ihre ganze Sinnesart und Ihre Ansicht der Welt verschließt Ihnen vielleicht jene Gegend im Garten der Poesie. Sie haben keinen Leichtsinn, und, aufrichtig gesagt, traue ich Ihnen auch die Menschenkenntniß und Beobachtung der Menschen nicht zu die ein Lustspieldichter wohl haben muß. Mit einem Wort: Sie leben mehr in sich als in der Außenwelt. Nehmen Sie mir meine Offenherzigkeit nicht übel, mein theuerster Freund, und glauben Sie ja nicht, daß dies was ich sage als Tadel gemeint sey, mir sind Sie deßhalb nur um so lieber, und keiner Ihrer Freunde, der Sie kennt und
4 Der Geheimerath blieb ungedruckt.
verehrt wie ich, würde Sie anders haben wollen. Es kommt mir eigentlich sonderbar vor, daß ich Ihnen dies alles sage, und ich habe mich auch wohl ser5 ungeschickt ausgedrückt, doch ich habe das Vertrauen zu Ihnen, daß Sie meine herzliche Freundschaft nicht verkennen.
Doch nun muß ich Ihnen von unsrer Reise erzählen: Wir6 gingen von hier durch Böhmen nach Schlesien. 7In Teplitz blieben wir einen Tag und waren mit Lüttichaus die dort das Bad brauchten. In Prag hielten wir uns zwei Tage auf, und diese herrliche Stadt mit ihrer schönen Lage und den prächtigen Kirchen und Pallästen hat wieder einen großen Eindruck auf mich gemacht. So eine alte, katholische Stadt ist doch etwas wundervolles, und es kann mich ein wahres Heimweh ergreifen wenn ich daran zurück denke. Das Wetter war sehr schön, wir bestiegen den Ratschin einige mal und machten Spatzirgänge, besuchten viele Kirchen und auch zwei Frauenklöster, die Elisabethinerinnen und Carmelitinnen.8 In einer solchen Stille und Zurückgezogenheit zu leben, ist doch gewiß das größte Glück, wem9 es Gott vergönnt hat, wie viel schneller muß man doch zur Ruhe gelangen und wie wird dort jeder Kampf erleichtert. Verbindet sich ein solcher Beruf noch mit einer so thätigen und aufopfernden Nächstenliebe wie bei den Elisabethinerinnen, so ist es etwas ganz herrliches.10 Von Prag reisten wir über Alt- und Jung-Bunzlau,
5 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 182) steht „sehr“ statt „ser“.
6 Amalia, Agnes und Dorothea Tieck.
7 Bei Sybel: Erinnerungen fehlt der folgende Satz.
8 Bei Sybel: Erinnerungen steht „Carmeliterinnen“ statt „Carmelitinnen“.
9 Bei Sybel: Erinnerungen steht „dem“ statt „wem“.
10 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 182) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Briefs.
Gitschin und Trautenau nach Schlesien, es ist ein recht schöner Weg, in Waldenburg blieben wir 18 Tage und wohnten bei dem ältesten Bruder meiner Mutter, der dort eine große Handlung und Garnfabrik11 hat, mit seinen drei Söhnen zusammen, der älteste ist noch bei ihm im Hause, und eine Tochter die älter ist als ich, die beiden andern sind verheirathet und der eine hat schon mehrere Kinder. So lebten wir immer in einem großen Familienkreise, denn durch die Tante ist fast das ganze Städtchen mit uns verwandt. Es war recht hübsch, und eine so große Handlung, durch die eine so bedeutende Familie im Wohlstand lebt und auch viel Gutes thun kann, hat etwas erfreuliches. Die Gegend ist sehr schön, doch da es fast immer regnete haben wir wenig davon gesehn, die nahen Bäder, Altwasser und Salzbrunn besuchten wir, und waren noch den letzten Tag in Fürstenstein was ich wunderschön finde . Von Waldenburg gingen wir nach Schmiedeberg wo wir noch 8 Tage bei dem jüngsten Bruder12 meiner Mutter waren, das Leben war dort einsamer und stiller. Der Onkel und sein Sohn waren den ganzen Tag auf dem Comtoir, und wir mit der Tante und zwei noch unerwachsnen Töchtern allein. Die Gegend ist weniger schön, es liegt dicht unter der Koppe,13 und die schroffe Bergwand mit den schwarzen Wäldern, macht bei dem trüben Wetter das wir auch hier hatten, einen traurigen
11 Mit seinem Bruder Friedrich besaß Johann Gustav Wilhelm Alberti die Maschinenspinnerei Gebr. Alberti. Es handelte sich hierbei um die erste mechanische Flachsspinnerei auf dem europäischen Festland. Die Fabrik beschäftigte zeitweilig fast 500 Mitarbeiter. (Vgl. Toni Pierenkemper: Die Industrialisierung europäischer Montanregionen im 19. Jahrhundert, S. 181.)
13 Gemeint ist die Schneekoppe.
Eindruck. Wir machten eine große Partie nach dem Kochelfall, Warmbrunn und Kynast, die für einen Tag etwas zu ermüdend war. Wir hatten immer gute Nachrichten vom Hause, denn die Gräfinn schrieb uns fleißig, und Vater war die ganze Zeit recht wohl so waren wir denn auch recht heiter, und es macht uns noch Freude die Verwandten einmal wieder gesehn zu haben. Wir wollten bei der Rückkehr noch einen Umweg machen und über Friedland und Zittau gehn, doch hatten wir einen sehr unwilligen Kutscher, der nicht vom geraden Wege und der Chausse abfahren wollte, sich aber dann gleich hinter Hirschberg so verirrte daß wir erst den Nachmittag um 4 nach Greifenberg kamen. Ich hatte mir schon vorgenommen über Heidersdorf zu fahren und Ihre Eltern dort wenigstens eine halbe Stunde zu besuchen, doch das mußten wir nun alles aufgeben, und kamen, nachdem wir noch viel Verdruß mit unserm Kutscher gehabt hatten erst den Abend um 10 nach Görlitz; so konnte ich auch Ihre Schwester14 nicht aufsuchen was ich mir doch fest vorgenommen hatte, es that mir recht leid. Den andern Morgen ganz früh ließen wir uns den Dom15 aufschließen und besuchten dann das heilige Grab.16 Die Lage von Görlitz hat mir sehr gefallen, die Stadt ist recht ansehnlich und der herrliche Dom gehört gewiß zu den schönsten Gebäuden. Um 8 reisten wir ab und k[am]en
so früh nach Bautzen daß wir auch die Stadt und Umgebung noch besehen konnten. Den 30 August an meiner Mutter Geburtstag kamen wir hier wieder an, und feierten den Abend noch zusammen. Es war übrigens die höchste Zeit daß wir zurück kehrten, denn wir fanden Gäste im Hause. Eine Nichte unsrer Gräfin, eine Gräfinn Haßlingen mit ihrem kleinen Kinde17 und noch einer unverheiratheten Cousine wohnten oben in Ihrer Stube,18 den Tag darauf kam auch der Graf Haßlingen und den 1 Septembre die Tante Alberti aus Berlin, die auch bei uns zu wohnen dachte. Wir mußten nun schnell Anstalten machen um alle diese Menschen unter zu bringen, die Solger borgte uns noch eine Stube. Mit der Tante kamen Steffens mit seiner Frau und Tochter, die zwar nicht bei uns wohnen, aber doch fast immer hier sind. So haben wir täglich einen Tisch von 12 Personen, das macht in der Wirthschaft viel zu thun, dann soll man noch alle unterhalten und herum führen, das ist mitunter sehr angreifend. Vater hat seit 14 Tagen einen so heftigen Cathar daß er weder liest noch zum sprechen aufgelegt ist, und unsre Gräfinn liegt mit Gliederschmerzen im Bett. Da können sie denken wie viel wir zu thun haben und welche Unruhe bei uns ist. Ich habe gar keine viertel Stunde für mich und habe mir die Augenblicke diesen Brief [zu] schreiben nur so abgestohlen. Doch ich woll[te]
17 Caroline Johanna Barnime von Haßlingen und deren Tochter Clara Barnime.
18 Die Dachstube, die Uechtritz bei seinen Besuchen in Dresden stets bewohnte.
Sie nicht länger ohne Nachricht lassen, da mir auch daran liegt zu wissen ob mein letzter Brief angekommen ist. Schreiben Sie mir darum bald, liebster Freund und recht ausführlich. Ich fürchte nur ich bin es zu sehr und schwatze Ihnen dummes Zeug vor.
Gestern habe ich die Gley,19 jetzt Rettich, zuerst spielen sehen, nebst ihrem Manne, im Balboa von Collin was hier zuerst gegeben ward und gar nicht gefiel.20 Das Spiel der Gley, besonders die Sprache finde ich noch schöner als sonst, ihr Mann hat mir aber gar nicht gefallen.
Leben Sie nun wohl, mein bester Freund, Alle grüßen Sie herzlich. Vergessen Sie mich nicht, denken Sie aber nicht im Zorn, sondern in Güte an mich. Ihre Dorothea.
19 Julie Rettich (geb. Gley) hatte 1825 am Dresdner Hoftheater debütiert. 1830 ging sie an das Wiener Burgtheater, kehrte jedoch 1833 wieder nach Dresden zurück. 1835 siedelte sie schließlich endgültig nach Wien über.
20 Nach der Premiere am 11. September 1833 wurde das Stück nur noch ein Mal gegeben.
Seiner Hochwohlgeboren
Dem Landgerichts-Rath
Freiherrn von Ueichtritz
in
Düsseldorf.
am Rhein
frei.