Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Dorothea Tieck an Friedrich von Uechtritz (Dresden, 21. November 1834)

 

 

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    12.

    Mit großer Ungeduld habe ich auf Ihren
    Brief gewartet, mein theuerster Freund;
    denn eine so weite Reise1 in dieser Jahres=
    zeit, bei einer zarten Gesundheit wie die
    Ihrige hat doch immer etwas ängstliches,
    und wie leicht hätten Sie auch mit dem
    tollen Postillon ein Unglück haben kön̄en
    Ich kann Ihnen nicht sagen wie schmerzlich mir
    der Abschied von Ihnen war. Gott weiß ob
    und wie wir uns einmal wieder sehen und
    welchen Leiden ich entgegen gehe, so lange
    Sie hier waren schien mir Alles leichter zu
    tragen, und ich hatte mich in der kurzen
    Zeit so daran gewöhnt als wäre es im̄er
    so gewesen, und müsse immer so bleiben
    Es freut mich sehr daß es Ihnen in Düssel=
    dorf
    wieder so wohl gefählt gefällt, und
    Sie sich dort heimisch fühlen, Sie haben doch
    sehr wohl gethan Ihren Wohnort nicht zu ver=
    ändern. Ich wurde bald nach Ihrer Abreise
    recht krank, zwar nur an Zahnschmerzen
    sie dauerten aber Tag und Nacht so unun=
    terbrochen fort und in einem solchen
    Grade daß ich glaubte ich würde ein Nerven=
    fieber bekommen. Ich entschloß mich endlich
    mit Carus zu sprechen, und er gab mir
    mehrere Mittel, die mir auch bald Linde=
    rung verschafften. Mein Vater schilt immer
    wenn ich unwohl bin, er meint ich ängstige

    Kommentare

    1 Uechtritz hatte Mitte Oktober die Familie Tieck in Dresden besucht. Über seinen Besuch schreibt er am 30. März 1835 an seinen Vater: „Seit sehr langer Zeit bin ich nicht in dieser beseligenden Stimmung des Schaffens gewesen. Alle die bösen Stockungen, die Aengstlichkeit, über die ich mich einige male gegen Dich beklagte, sind verschwunden und gehoben, und sollen hoffentlich nicht wiederkehren. Mein letzter Aufenthalt in Dresden hat ein wahres Wunder an mir gethan.“ (Sybel: Erinnerungen, S. 138 f.)

    mich zu viel, und sollte mehr Fassung und
    Ruhe haben; er hat nicht unrecht doch auch ich
    kann mir deswegen keine Vorwürfe machen;
    ich glaube in so schweren Zeiten hat Gott viel
    Erbarmen und Geduld mit unsrer Schwäche,
    meine Seele unterwirft sich auch täglich und
    stündlich seinem Willen; wer kann aber für
    Blut und Nerven. Daß die Gesundheit bei so
    fortdauernder Sorge leidet ist wohl natür=
    lich, und das geringste Uebel. Mit der armen
    Mutter ging es auch immer schlimmer, die Krank=
    heit2 stieg so daß sie gar nicht mehr schlafen
    und kaum im Bett ausdauern konnte, bei
    ihrer großen Entkräftung glaubte ich nicht daß
    sie noch eine Operation3 würde ertragen
    können, es war wieder eine höchst betrübte
    Zeit. Wenn ich mir diesen Verlust als nahe
    und unvermeidlich denken muß verläßt
    mich alle Kraft und ich fühle mich wie einen
    zertretenen4 Wurm. | Auch Sie werden meine
    Schwäche tadeln; aber seyn Sie nicht zu hart
    gegen mich, mein liebster Freund; denn auch
    Sie können nicht ganz fühlen was ich verliere,
    ich bliebe wirklich ganz allein in der Welt, und
    würde mich als Fremdling fühlen im väter=
    lichen Hause, es zu verlassen verböte mir so=
    wohl meine Pflicht wie mein Gefühl, denn
    mein Vater würde mich doch5 vermissen, und
    es kann doch noch einmal eine Zeit kom̄en
    wo ich ihm nothwendig seyn werde. 6(Die Eifer=
    sucht der Gräfin hat immer jedes nähere
    Verhältniß zwischen uns zu verhindern gewußt
    und er hat uns nur in dem Lichte gesehen in
    dem sie uns ihm zeigte; aber es kann doch

    Kommentare

    2 Amalia Tieck litt seit einigen Monaten an Unterleibsbeschwerden und einer hinzugekommenen Schwellung der Beine; vgl. Brief vom 30. September 1834, S. 1 (Bl. 1 recto).

    3 Amalia Tieck hatte bereits zwei Operationen hinter sich gebracht.

    4 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 188) steht „ein zertretener“.

    5 Bei Sybel: Erinnerungen fehlt „doch“.

    6 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 189) folgt eine unmarkierte Auslassung des nächsten Satzes bis einschließlich „über manches aufgehen“.

    1834
    einmal anders werden, und ihm die Augen
    über manches aufgehen.
    ) (Ich kann Ihnen nicht
    sagen wie viele Empfindungen und Gedanken
    mein Herz von neuem zerrissen haben; so|
    4kam 1der 210 3Nov. 5heran, der wieder zu der
    Operation angesetzt war, und dem ich mit
    großer Seelenangst entgegen sah. Es ging
    aber über Erwarten gut|,7 die Sache selbst ist
    unangenehm aber nicht schmerzhaft, und es
    entlud sich wieder eine unglaubliche Masse
    Wasser. Die Mutter war kräftiger als vor=
    her und fühlte sich leicht und wohl. Wegen
    der geschwollenen Füße mußte sie eine gan=
    ze Woche im Bett zubringen, jetzt steht sie
    nun schon um 9 den Morgen auf, und kom̄t
    auch seit einigen Tagen zu Mittag und Abend
    in die Wohnstube, sie kann sich fast den ganzen
    Tag beschäftigen, und nim̄t auch Besuche an,
    was sie am meisten quält ist daß ihr die
    Füße immer wieder schwellen, sie würde
    schwerlich die Treppen steigen können, auch
    wenn ihr das Ausgehen erlaubt würde,
    daran ist aber bei der Kälte die wir
    seit einigen Tagen haben nicht zu denken
    Carus hat sich sehr gut und sorgfältig ge=
    zeigt, er kam oft täglich 2 Mal, und giebt
    ihr jetzt Mittel die ihr wohl thun ohne sie
    anzugreifen.
    | Ich glaube nicht daß das Uebel
    gehoben ist, oder gehoben werden kann; den̄
    alle Aerzte und Nichtärzte sagen daß das
    in I ihren Jahren8 sehr schwer ist, doch da sie
    wieder Kräfte sammelt und ihr Zustand
    leidlich ist schöpfe ich wieder etwas Muth, viel=
    leicht mildert es sich doch und kehrt nicht so
    schnell wieder.) Ich kann es nicht lassen Gott

    Kommentare

    7 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 189) folgt eine unmarkierte Auslassung bis zum Ende der Seite, bis einschließlich „schnell wieder“.

    8 Amalia Tieck war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt.

    unaufhörlich um ihre Heilung anzuflehen,
    ich bin überzeugt daß wir ihn auch um das
    Irdische bitten sollen, und daß es ihm wohl=
    gefällig ist wenn wir seiner Hülfe vertrau=
    en, auch wenn sie sich verzögert. Mit der größ=
    ten Rührung lese ich jetzt die Erzählungen alle
    der wunderbaren Heilungen im Evange=
    lium
    , besonders die von dem chananäischen
    Weibe, deren Vertrauen erst durch eine schein=
    bare Härte geprüft ward, und die durch
    die Demuth und Beharrlichkeit ihres Gebetes
    Erhörung fand.9 Jeder Kummer führt uns im=
    mer tiefer ein in die Geheimnisse der gött=
    lichen Liebe, und so ist das Leiden wieder eine
    unendliche Wohlthat. Jeder Schmerz den wir lei=
    den ist, mit dem Kreuzestode Christi vereint,
    eine fortgehende Erlösung für uns und unsre
    Brüder. Könnten wir nur ganz in diesen
    Empfindungen aufgehen, doch das Irdische will
    auch sein Recht haben, und wir können und
    sollen es vielleicht nie ganz abstreifen. Ich
    habe in den letzten 8 Monathen10 unendlich viel
    gelernt, und es ist mir als hätte ich ein gan=
    zes Leben an Gedanken und Empfindungen
    durchgemacht. Die beständige Beschäftigung mit
    der Pflege meiner Mutter hat mich von alle
    dem entfernt was mich sonst so sehr erfreute.
    Wenn ich jetzt daran denke mit welchem Eifer
    ich die Sprachen trieb und am Shakspeare ar=
    beitete11 und wie die Poesie so ganz mein Ge=
    müth erfüllen konnte, so liegt dies jetzt12 hin=
    ter mir als wären 20 Jahre dazwischen,
    alles scheint nur wie durch einen grauen
    Nebel und ich weiß nicht ob dies Interesse
    je wieder so lebendig in mir werden kan̄
    So groß von Kindheit auf meine Sehnsucht

    Kommentare

    9 Die Begebenheit der kanaanäischen Frau wird erzählt bei Matthäus 15,22–28.

    10 Beginn der Krankheit ihrer Mutter.

    11 Zu Dorotheas Shakespeare-Übersetzung vgl. Brief vom 8. März 1833, S. 1 f. (Bl. 1 f.)

    12 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 189) steht „jetzt das“.

    nach dem Klosterleben13 auch gewesen ist, so dachte
    ich doch immer es würde mir sehr schwer
    werden dies alles zu entbehren, das scheint
    mir jetzt nicht mehr so, und für eine völlige
    Einsamkeit und Abgeschiedenheit von der Welt
    dünkt mir kein Opfer zu groß. Vielleicht wird
    es mir noch einmal wieder anders. Ich denke
    nicht einmal an die nächste Zukunft und
    suche nur in der Gegenwart zu leben.
    Eine irdische Zukunft giebt es ja auch eigent=
    lich nicht für uns, da weder Jugend noch Ge=
    sundheit und Glück die mindeste Sicherheit
    gewährt, und wir jeden Tag abgerufen wer=
    den können. Ich gehe gar nicht aus, und
    war auch nicht im Theater seit wir die
    Vestalin14 zusammen hörten, die Lüttichau ist
    die einzige die ich zuweilen besuche. Es ist
    sonderbar wie schnell die Zeit in dieser
    Einförmigkeit vergeht, ich kann es mir
    oft gar nicht denken, daß wir schon so
    tief im Winter sind. Wenn ich es irgend bei
    der Pflege der Mutter möglich machen kan̄
    gehe ich täglich in die Kirche,15 es fehlt mir
    sehr wenn ich einen Tag nicht Messe hören
    kann. Ich schreibe Ihnen dies nur um
    Ihre schlechte Meinung von mir, die Sie
    aber wohl für eine gute halten, zu be=
    richtigen. Die erste Messe wird hier schon
    früh um 6 gelesen und dieser frühe Gottes=
    dienst in der Dunkelheit ist besonders schön
    die ganze Kirche finster, nur der Altar
    erleuchtet, und die einzelnen kleinen
    Lichter der Betenden, in der Adventszeit

    Kommentare

    13 Zu Dorotheas Interesse am Klosterleben vgl. den Brief vom 20. Mai 1833, S. 2 (Bl. 1 verso).

    14 Die Vestalin von Spontini wurde am 15. März 1829 erstmalig am Dresdner Hoftheater aufgeführt.

    15 Gemeint ist die Katholische Hofkirche in Dresden.

    sind auch dann16 die sogenannten Rorate-=
    Messen, die mit dem Gebet anfangen:
    Thauet ihr Himmel, ihr Wolken thuet
    euch auf und lasset den Gerechten herab
    kommen. 17

    18Vater bekam neulich einen sehr hübschen
    Brief19 von Löbell, für mich war ein Blatt20
    eingelegt, was nichts enthielt als die
    bittersten Vorwürfe und Klagen. Er
    mag nicht ganz unrecht haben, und doch
    ist es lächerlich jemanden vorschreiben
    zu wollen welchen Grad der Zuneigung
    man für einen andern fühlen soll. Was
    kann ich dafür daß mir seine Gegen=
    wart in meinem Kummer fremd und
    störend war, besonders als er anfing
    mich mit seinen beständigen Erklärun=
    gen und Scenen zu verfolgen. Ein hoher
    Grad von Egoismus liegt doch darin,
    daß er nur an sich denkt, und das was
    ihn betrifft ihm jetzt das wichtigste in
    meinem Leben scheint. Ich habe Vater
    mit großer Mühe dahin gebracht ihm
    selbst zu antworten und ihm nur ganz
    kurz geschrieben,21 ohne mich auf wiederholte
    Erörterungen einzulassen.

    Die Sitzungen bei David22 hatten schon an=
    gefangen als Sie noch hier waren. Die
    Arbeit ist wunderschön geworden, und ich
    hätte nie geglaubt daß in einer colossa=
    len Büste23 ein solches Leben und solche
    Aehnlichkeit seyn könnte, er hat nachher
    noch ein kleines Portrait24 vom Vater ge=
    macht, die ganze Gestalt in einem Sessel

    Kommentare

    16 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 190) steht „dann auch“.

    17 Die ersten Verse der Rorate-Messe sind an den Beginn des alttestamentlichen Buchs Jesaja 45,8 angelehnt, wo es heißt: „Rorate caeli desuper, et nubes pluant justum.“

    18 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 190) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Absatzes.

    19 Vermutlich ist der Brief vom 23. Oktober 1834 gemeint, in dem Loebell sich für die Gastfreundschaft Tiecks bedankt; vgl. Holtei: Briefe von Ludwig Tieck, S. 250–253.

    20 Das Blatt ist verschollen.

    21 Der Brief ist verschollen. Bevor Dorothea den Brief vom 23. Oktober 1834 beantwortet hatte, schrieb Loebell am 11. November 1834 erneut einen Brief, in dem er sich beklagt, keine Antwort erhalten zu haben; vgl. Zeydel, et al: Letters to and from Ludwig Tieck and his circle, S. 171.

    22 Der französische Bildhauer Pierre Jean David D'Angers war im Herbst 1834 nach Dresden gekommen, um von Tieck ein Medaillon für seine Sammlung berühmter Personen zu fertigen. Außerdem schuf er eine Kolossalbüste Tiecks und Carl Gustav Carus'.

    23 Tieck übereignete später sein Exemplar der Büste der Königlichen Öffentlichen Bibliothek im Japanischen Palais in Dresden; vgl. Rudolf Köpke: Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters, Bd. 1, S. 89. Nach der Zerstörung des Palais im Februar 1945 und der Übersiedlung der Sächsischen Landesbibliothek in die Albertstadt, wurde die Büste in die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verlegt. Seit 2004 befindet sie sich zusammen mit der Büste Carus' im Neubau der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. (Vgl. online-Bilddatenbank der Deutschen Fotothek, Datensatz 82713992, letzter Zugriff: 25. November 2014.) Ein weiteres Exemplar wird in der Galerie David D'Angers in Angers aufbewahrt, Inventarnummer MBA 839.31. Das ebenfalls 1834 entstandene Gemälde Carl Christian Vogel von Vogelsteins zeigt David D'Angers beim Modellieren der Büste Ludwig Tiecks in Vogelsteins Atelier. Ebenfalls zu sehen sind neben einem Selbstportait des Malers auch Dorothea Tieck, Wolf Graf von Baudissin, Otto Magnus Baron von Stackelberg und Carl Gustav Carus. Es befindet sich ebenfalls in der Galerie David D'Angers in Angers (Inventarnummer 2004.0.153).

    24 Von der etwa 30cm hohen Bronzestatuette wurden vermutlich nur drei oder vier Exemplare gefertigt. Eines befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York (vgl. Online-Katalog, Inventarnummer 1997.393, letzter Zugriff: 25. November 2014) und ein weiteres in der Galerie David D'Angers in Angers (Inventarnummer MBA 839.38). Die Gipsvorlage wird in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in der Skulpturensammlung unter der Inventarnummer ASN 1215 aufbewahrt (vgl. Online-Katalog, letzter Zugriff: 25. November 2014).

    sitzend, in der Dimension wie der kleine
    Göthe,25 es ist auch sehr ähnlich, weniger das
    Medaillon26 was er die letzten Tage noch ar=
    beitete und was in Bronze gegossen werden
    soll. 27David und seine Frau waren öfter
    bei uns, es sind sehr gute, einfache Men=
    schen. Auch Ihr Herr von Hoffmann28 hat uns
    recht gefallen, er beklagte es sehr Sie nicht
    noch zu finden. Ich hoffe er hat Ihnen von
    uns erzählt und Ihnen Ihre Schlüssel mit
    gebracht, die wir oben in Ihrem Zimmer29 fanden.

    Daß Sie wieder arbeiten ist mir eine
    sehr erfreuliche Nachricht, fahren Sie nur
    ja fort und lassen Sie sich von keiner
    Unlust abhalten, Arbeit bleibt immer
    Arbeit, auch in der Poesie, und kann nicht
    immer mit Vergnügen getrieben werden
    Sie sind es sich und der Welt, fast möchte
    ich hinzusetzen, auch uns schuldig, da Sie
    uns dies Gedicht30 schon so lange versprochen
    haben.

    Vater hat einen Brief31 von Immermann
    bekommen, der ihm Wunder von seinem
    Theater32 erzählt, es ist schwer zu glauben da
    er einen Komiker den wir in Baden oft
    spielen sahen, und der in Carikatur=
    rollen nicht übel war, den Macbeth spie=
    len läßt, dies muß schrecklich seyn, den̄
    der Mensch hatte weder Gestalt noch
    Stimme, und konnte durchaus nichts Edles
    darstellen, was wir sahen, da er ein=
    mal eine ernste Rolle in einem bürger=
    lichen Stück spielen mußte.

    Kommentare

    25 Vermutlich ist die 1824 entstandene, 36cm hohe Bronzestatuette von Christian Daniel Rauch gemeint, die Goethe, in einer ähnlichen Haltung wie Tieck, sitzend darstellt. (Vgl. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Online-Katalog, Inventarnummer ZV 3031, letzter Zugriff: 25. November 2014).

    26 Das Medaillon wird ebenfalls in der Galerie David D'Angers in Angers aufbewahrt (Inventarnummer MBA 838.6.15).

    27 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 190) folgt eine unmarkierte Auslassung bis zum Ende des Absatzes.

    28 Uechtritz' Bekannter aus Düsseldorf konnte nicht näher identifiziert werden. (Vgl. auch Sybel: Erinnerungen, S. 123.)

    29 Die Dachkammer im 4. Stock des Tieckschen Hauses am Altmarkt, die Uechtritz stets bei seinen Besuchen bewohnte.

    30 Uechtritz hatte seit 1831 an dem Abschluss des dramatischen Gedichts Die Babylonier in Jerusalem gearbeitet. 1835 wurde es fertiggestellt und erschien 1836 bei Schreiner in Düsseldorf.

    31 Der Brief von Immermann datiert vom 7. November 1834; vgl. Holtei: Briefe an Ludwig Tieck, S. 72–76.

    32 Immermann übernahm 1834 die Intendanz des Düsseldorfer Stadttheaters, welche er bis 1837 innhatte, und versuchte tiefgehende Theaterreformen durchzusetzen, die das künstlerische Regietheater stärken sollten. Vgl. Brief vom 15. Dezember 1832, S. 5 (Bl. 3 recto).

    Ich muß nun schließen, denn meine Zeit
    ist beschränkt, ich kann nur in abgerißnen
    Augenblicken schreiben. 33Schreiben Sie mir
    recht bald wieder, alles was Sie wollen, ich
    gebe Ihre Briefe nie aus den Händen, und
    lese sie den Meinigen vor, wo ich dann
    auslassen kann was nicht für Alle ist.

    Sie sagten mir beim Abschiede noch ich
    solle Ihnen vertrauen, und ich vertraue
    Ihnen auch ganz, mein herzlich geliebter
    Freund. Der feste Glaube an Ihre Theil=
    nahme und Freundschaft ist mir ein Trost
    auch in der Ferne. Nächst meiner Mutter
    und der Lüttichau sind Sie der einzige mit
    dem ich ganz offen und aus freiem Her=
    zen reden kann, denn ich glaube wenn
    Sie auch vieles an mir tadeln werden Sie
    es doch verstehen. In diesem Vertrauen
    zu Ihnen handle ich eigentlich gegen meine
    Ueberzeugung, denn ich halte es für un=
    möglich daß eine Freundschaft zwischen
    einem Mann und einem Frauenzim̄er
    Bestand haben kann, die Verschieden=
    heit in den Richtungen und Bedürfnissen
    ist zu groß. Ein kluger Mann ist uns im
    Verstande zu sehr überlegen, in dieser Ge=
    gend ist bald nichts mehr zu ergründen,
    und dann erscheinen wir langweilig und
    unbedeutend, und unser Gefühl verstehen die
    Männer nicht, und halten für Schwäche und
    Weichlichkeit was wohl oft einen besseren
    Namen verdient, so gehen die Wege aus=
    einander, und das macht das Unglück so

    Kommentare

    33 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 191) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Satzes.

    vieler Menschen. 34Man sollte denken gerade
    die Verschiedenheit müsse anziehend seyn,
    die Erfahrung zeigt aber daß das nicht
    der Fall ist. Darum fürchten Sie nicht daß
    ich es machen werde wie Löbell und Sie quä=
    len, dem ich übrigens nie ein Recht zu der=
    gleichen Ansprüchen gegeben habe. Fühle
    ich dereinst daß ich Ihnen überflüssig bin
    so werde ich mich stillschweigend zurück zie=
    hen und dies Schicksal als eine Natur=
    nothwendigkeit ansehen, ohne Ihnen auch
    nur in Gedanken einen Vorwurf deshalb
    zu machen. Ist doch auch die Erinnerung
    schön, und gewöhnlich das einzig Wirkliche
    und Dauernde im Leben. Dann ist noch
    eines der letzten Bänder zerrissen die
    mich noch an die Welt binden, und so muß
    das Sterben am Ende sehr leicht wer=
    den.

    Ich will immer aufhören und komme
    immer wieder hinein. 35Schreiben Sie
    mir doch auch ob Sie gute Nachrichten von
    den Ihrigen haben und besonders wie
    es Ihrem Vater geht.

    Die Eltern und Agnes tragen mir
    tausend herzliche Grüße auf, auch die
    Gräfin empfiehlt sich Ihnen. Leben Sie
    wohl und erfreuen Sie bald mit einem
    Brief

    Ihre Dorothea

    Kommentare

    34 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 191) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Absatzes.

    35 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 192) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Briefs.

    Mit großer Ungeduld habe ich auf Ihren Brief gewartet, mein theuerster Freund; denn eine so weite Reise1 in dieser Jahreszeit, bei einer zarten Gesundheit wie die Ihrige hat doch immer etwas ängstliches, und wie leicht hätten Sie auch mit dem tollen Postillon ein Unglück haben können Ich kann Ihnen nicht sagen wie schmerzlich mir der Abschied von Ihnen war. Gott weiß ob und wie wir uns einmal wieder sehen und welchen Leiden ich entgegen gehe, so lange Sie hier waren schien mir Alles leichter zu tragen, und ich hatte mich in der kurzen Zeit so daran gewöhnt als wäre es immer so gewesen, und müsse immer so bleiben Es freut mich sehr daß es Ihnen in Düsseldorf wieder so wohl gefällt, und Sie sich dort heimisch fühlen, Sie haben doch sehr wohl gethan Ihren Wohnort nicht zu verändern. Ich wurde bald nach Ihrer Abreise recht krank, zwar nur an Zahnschmerzen sie dauerten aber Tag und Nacht so ununterbrochen fort und in einem solchen Grade daß ich glaubte ich würde ein Nervenfieber bekommen. Ich entschloß mich endlich mit Carus zu sprechen, und er gab mir mehrere Mittel, die mir auch bald Linderung verschafften. Mein Vater schilt immer wenn ich unwohl bin, er meint ich ängstige

    Kommentare

    1 Uechtritz hatte Mitte Oktober die Familie Tieck in Dresden besucht. Über seinen Besuch schreibt er am 30. März 1835 an seinen Vater: „Seit sehr langer Zeit bin ich nicht in dieser beseligenden Stimmung des Schaffens gewesen. Alle die bösen Stockungen, die Aengstlichkeit, über die ich mich einige male gegen Dich beklagte, sind verschwunden und gehoben, und sollen hoffentlich nicht wiederkehren. Mein letzter Aufenthalt in Dresden hat ein wahres Wunder an mir gethan.“ (Sybel: Erinnerungen, S. 138 f.)

    mich zu viel, und sollte mehr Fassung und Ruhe haben; er hat nicht unrecht doch auch ich kann mir deswegen keine Vorwürfe machen; ich glaube in so schweren Zeiten hat Gott viel Erbarmen und Geduld mit unsrer Schwäche, meine Seele unterwirft sich auch täglich und stündlich seinem Willen; wer kann aber für Blut und Nerven. Daß die Gesundheit bei so fortdauernder Sorge leidet ist wohl natürlich, und das geringste Uebel. Mit der armen Mutter ging es auch immer schlimmer, die Krankheit2 stieg so daß sie gar nicht mehr schlafen und kaum im Bett ausdauern konnte, bei ihrer großen Entkräftung glaubte ich nicht daß sie noch eine Operation3 würde ertragen können, es war wieder eine höchst betrübte Zeit. Wenn ich mir diesen Verlust als nahe und unvermeidlich denken muß verläßt mich alle Kraft und ich fühle mich wie einen zertretenen4 Wurm. Auch Sie werden meine Schwäche tadeln; aber seyn Sie nicht zu hart gegen mich, mein liebster Freund; denn auch Sie können nicht ganz fühlen was ich verliere, ich bliebe wirklich ganz allein in der Welt, und würde mich als Fremdling fühlen im väterlichen Hause, es zu verlassen verböte mir sowohl meine Pflicht wie mein Gefühl, denn mein Vater würde mich doch5 vermissen, und es kann doch noch einmal eine Zeit kommen wo ich ihm nothwendig seyn werde. 6Die Eifersucht der Gräfin hat immer jedes nähere Verhältniß zwischen uns zu verhindern gewußt und er hat uns nur in dem Lichte gesehen in dem sie uns ihm zeigte; aber es kann doch

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    2 Amalia Tieck litt seit einigen Monaten an Unterleibsbeschwerden und einer hinzugekommenen Schwellung der Beine; vgl. Brief vom 30. September 1834, S. 1 (Bl. 1 recto).

    3 Amalia Tieck hatte bereits zwei Operationen hinter sich gebracht.

    4 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 188) steht „ein zertretener“.

    5 Bei Sybel: Erinnerungen fehlt „doch“.

    6 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 189) folgt eine unmarkierte Auslassung des nächsten Satzes bis einschließlich „über manches aufgehen“.

    einmal anders werden, und ihm die Augen über manches aufgehen. Ich kann Ihnen nicht sagen wie viele Empfindungen und Gedanken mein Herz von neuem zerrissen haben; so kam der 10 November heran, der wieder zu der Operation angesetzt war, und dem ich mit großer Seelenangst entgegen sah. Es ging aber über Erwarten gut,7 die Sache selbst ist unangenehm aber nicht schmerzhaft, und es entlud sich wieder eine unglaubliche Masse Wasser. Die Mutter war kräftiger als vorher und fühlte sich leicht und wohl. Wegen der geschwollenen Füße mußte sie eine ganze Woche im Bett zubringen, jetzt steht sie nun schon um 9 den Morgen auf, und kommt auch seit einigen Tagen zu Mittag und Abend in die Wohnstube, sie kann sich fast den ganzen Tag beschäftigen, und nimmt auch Besuche an, was sie am meisten quält ist daß ihr die Füße immer wieder schwellen, sie würde schwerlich die Treppen steigen können, auch wenn ihr das Ausgehen erlaubt würde, daran ist aber bei der Kälte die wir seit einigen Tagen haben nicht zu denken Carus hat sich sehr gut und sorgfältig gezeigt, er kam oft täglich 2 Mal, und giebt ihr jetzt Mittel die ihr wohl thun ohne sie anzugreifen. Ich glaube nicht daß das Uebel gehoben ist, oder gehoben werden kann; denn alle Aerzte und Nichtärzte sagen daß das in ihren Jahren8 sehr schwer ist, doch da sie wieder Kräfte sammelt und ihr Zustand leidlich ist schöpfe ich wieder etwas Muth, vielleicht mildert es sich doch und kehrt nicht so schnell wieder. Ich kann es nicht lassen Gott

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    7 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 189) folgt eine unmarkierte Auslassung bis zum Ende der Seite, bis einschließlich „schnell wieder“.

    8 Amalia Tieck war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt.

    unaufhörlich um ihre Heilung anzuflehen, ich bin überzeugt daß wir ihn auch um das Irdische bitten sollen, und daß es ihm wohlgefällig ist wenn wir seiner Hülfe vertrauen, auch wenn sie sich verzögert. Mit der größten Rührung lese ich jetzt die Erzählungen alle der wunderbaren Heilungen im Evangelium, besonders die von dem chananäischen Weibe, deren Vertrauen erst durch eine scheinbare Härte geprüft ward, und die durch die Demuth und Beharrlichkeit ihres Gebetes Erhörung fand.9 Jeder Kummer führt uns immer tiefer ein in die Geheimnisse der göttlichen Liebe, und so ist das Leiden wieder eine unendliche Wohlthat. Jeder Schmerz den wir leiden ist, mit dem Kreuzestode Christi vereint, eine fortgehende Erlösung für uns und unsre Brüder. Könnten wir nur ganz in diesen Empfindungen aufgehen, doch das Irdische will auch sein Recht haben, und wir können und sollen es vielleicht nie ganz abstreifen. Ich habe in den letzten 8 Monathen10 unendlich viel gelernt, und es ist mir als hätte ich ein ganzes Leben an Gedanken und Empfindungen durchgemacht. Die beständige Beschäftigung mit der Pflege meiner Mutter hat mich von alle dem entfernt was mich sonst so sehr erfreute. Wenn ich jetzt daran denke mit welchem Eifer ich die Sprachen trieb und am Shakspeare arbeitete11 und wie die Poesie so ganz mein Gemüth erfüllen konnte, so liegt dies jetzt12 hinter mir als wären 20 Jahre dazwischen, alles scheint nur wie durch einen grauen Nebel und ich weiß nicht ob dies Interesse je wieder so lebendig in mir werden kann So groß von Kindheit auf meine Sehnsucht

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    9 Die Begebenheit der kanaanäischen Frau wird erzählt bei Matthäus 15,22–28.

    10 Beginn der Krankheit ihrer Mutter.

    11 Zu Dorotheas Shakespeare-Übersetzung vgl. Brief vom 8. März 1833, S. 1 f. (Bl. 1 f.)

    12 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 189) steht „jetzt das“.

    nach dem Klosterleben13 auch gewesen ist, so dachte ich doch immer es würde mir sehr schwer werden dies alles zu entbehren, das scheint mir jetzt nicht mehr so, und für eine völlige Einsamkeit und Abgeschiedenheit von der Welt dünkt mir kein Opfer zu groß. Vielleicht wird es mir noch einmal wieder anders. Ich denke nicht einmal an die nächste Zukunft und suche nur in der Gegenwart zu leben. Eine irdische Zukunft giebt es ja auch eigentlich nicht für uns, da weder Jugend noch Gesundheit und Glück die mindeste Sicherheit gewährt, und wir jeden Tag abgerufen werden können. Ich gehe gar nicht aus, und war auch nicht im Theater seit wir die Vestalin14 zusammen hörten, die Lüttichau ist die einzige die ich zuweilen besuche. Es ist sonderbar wie schnell die Zeit in dieser Einförmigkeit vergeht, ich kann es mir oft gar nicht denken, daß wir schon so tief im Winter sind. Wenn ich es irgend bei der Pflege der Mutter möglich machen kann gehe ich täglich in die Kirche,15 es fehlt mir sehr wenn ich einen Tag nicht Messe hören kann. Ich schreibe Ihnen dies nur um Ihre schlechte Meinung von mir, die Sie aber wohl für eine gute halten, zu berichtigen. Die erste Messe wird hier schon früh um 6 gelesen und dieser frühe Gottesdienst in der Dunkelheit ist besonders schön die ganze Kirche finster, nur der Altar erleuchtet, und die einzelnen kleinen Lichter der Betenden, in der Adventszeit

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    13 Zu Dorotheas Interesse am Klosterleben vgl. den Brief vom 20. Mai 1833, S. 2 (Bl. 1 verso).

    14 Die Vestalin von Spontini wurde am 15. März 1829 erstmalig am Dresdner Hoftheater aufgeführt.

    15 Gemeint ist die Katholische Hofkirche in Dresden.

    sind auch dann16 die sogenannten Rorate-Messen, die mit dem Gebet anfangen: Thauet ihr Himmel, ihr Wolken thuet euch auf und lasset den Gerechten herab kommen. 17

    18Vater bekam neulich einen sehr hübschen Brief19 von Löbell, für mich war ein Blatt20 eingelegt, was nichts enthielt als die bittersten Vorwürfe und Klagen. Er mag nicht ganz unrecht haben, und doch ist es lächerlich jemanden vorschreiben zu wollen welchen Grad der Zuneigung man für einen andern fühlen soll. Was kann ich dafür daß mir seine Gegenwart in meinem Kummer fremd und störend war, besonders als er anfing mich mit seinen beständigen Erklärungen und Scenen zu verfolgen. Ein hoher Grad von Egoismus liegt doch darin, daß er nur an sich denkt, und das was ihn betrifft ihm jetzt das wichtigste in meinem Leben scheint. Ich habe Vater mit großer Mühe dahin gebracht ihm selbst zu antworten und ihm nur ganz kurz geschrieben,21 ohne mich auf wiederholte Erörterungen einzulassen.

    Die Sitzungen bei David22 hatten schon angefangen als Sie noch hier waren. Die Arbeit ist wunderschön geworden, und ich hätte nie geglaubt daß in einer colossalen Büste23 ein solches Leben und solche Aehnlichkeit seyn könnte, er hat nachher noch ein kleines Portrait24 vom Vater gemacht, die ganze Gestalt in einem Sessel

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    16 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 190) steht „dann auch“.

    17 Die ersten Verse der Rorate-Messe sind an den Beginn des alttestamentlichen Buchs Jesaja 45,8 angelehnt, wo es heißt: „Rorate caeli desuper, et nubes pluant justum.“

    18 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 190) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Absatzes.

    19 Vermutlich ist der Brief vom 23. Oktober 1834 gemeint, in dem Loebell sich für die Gastfreundschaft Tiecks bedankt; vgl. Holtei: Briefe von Ludwig Tieck, S. 250–253.

    20 Das Blatt ist verschollen.

    21 Der Brief ist verschollen. Bevor Dorothea den Brief vom 23. Oktober 1834 beantwortet hatte, schrieb Loebell am 11. November 1834 erneut einen Brief, in dem er sich beklagt, keine Antwort erhalten zu haben; vgl. Zeydel, et al: Letters to and from Ludwig Tieck and his circle, S. 171.

    22 Der französische Bildhauer Pierre Jean David D'Angers war im Herbst 1834 nach Dresden gekommen, um von Tieck ein Medaillon für seine Sammlung berühmter Personen zu fertigen. Außerdem schuf er eine Kolossalbüste Tiecks und Carl Gustav Carus'.

    23 Tieck übereignete später sein Exemplar der Büste der Königlichen Öffentlichen Bibliothek im Japanischen Palais in Dresden; vgl. Rudolf Köpke: Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters, Bd. 1, S. 89. Nach der Zerstörung des Palais im Februar 1945 und der Übersiedlung der Sächsischen Landesbibliothek in die Albertstadt, wurde die Büste in die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verlegt. Seit 2004 befindet sie sich zusammen mit der Büste Carus' im Neubau der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. (Vgl. online-Bilddatenbank der Deutschen Fotothek, Datensatz 82713992, letzter Zugriff: 25. November 2014.) Ein weiteres Exemplar wird in der Galerie David D'Angers in Angers aufbewahrt, Inventarnummer MBA 839.31. Das ebenfalls 1834 entstandene Gemälde Carl Christian Vogel von Vogelsteins zeigt David D'Angers beim Modellieren der Büste Ludwig Tiecks in Vogelsteins Atelier. Ebenfalls zu sehen sind neben einem Selbstportait des Malers auch Dorothea Tieck, Wolf Graf von Baudissin, Otto Magnus Baron von Stackelberg und Carl Gustav Carus. Es befindet sich ebenfalls in der Galerie David D'Angers in Angers (Inventarnummer 2004.0.153).

    24 Von der etwa 30cm hohen Bronzestatuette wurden vermutlich nur drei oder vier Exemplare gefertigt. Eines befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York (vgl. Online-Katalog, Inventarnummer 1997.393, letzter Zugriff: 25. November 2014) und ein weiteres in der Galerie David D'Angers in Angers (Inventarnummer MBA 839.38). Die Gipsvorlage wird in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in der Skulpturensammlung unter der Inventarnummer ASN 1215 aufbewahrt (vgl. Online-Katalog, letzter Zugriff: 25. November 2014).

    sitzend, in der Dimension wie der kleine Göthe,25 es ist auch sehr ähnlich, weniger das Medaillon26 was er die letzten Tage noch arbeitete und was in Bronze gegossen werden soll. 27David und seine Frau waren öfter bei uns, es sind sehr gute, einfache Menschen. Auch Ihr Herr von Hoffmann28 hat uns recht gefallen, er beklagte es sehr Sie nicht noch zu finden. Ich hoffe er hat Ihnen von uns erzählt und Ihnen Ihre Schlüssel mit gebracht, die wir oben in Ihrem Zimmer29 fanden.

    Daß Sie wieder arbeiten ist mir eine sehr erfreuliche Nachricht, fahren Sie nur ja fort und lassen Sie sich von keiner Unlust abhalten, Arbeit bleibt immer Arbeit, auch in der Poesie, und kann nicht immer mit Vergnügen getrieben werden Sie sind es sich und der Welt, fast möchte ich hinzusetzen, auch uns schuldig, da Sie uns dies Gedicht30 schon so lange versprochen haben.

    Vater hat einen Brief31 von Immermann bekommen, der ihm Wunder von seinem Theater32 erzählt, es ist schwer zu glauben da er einen Komiker den wir in Baden oft spielen sahen, und der in Carikaturrollen nicht übel war, den Macbeth spielen läßt, dies muß schrecklich seyn, denn der Mensch hatte weder Gestalt noch Stimme, und konnte durchaus nichts Edles darstellen, was wir sahen, da er einmal eine ernste Rolle in einem bürgerlichen Stück spielen mußte.

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    25 Vermutlich ist die 1824 entstandene, 36cm hohe Bronzestatuette von Christian Daniel Rauch gemeint, die Goethe, in einer ähnlichen Haltung wie Tieck, sitzend darstellt. (Vgl. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Online-Katalog, Inventarnummer ZV 3031, letzter Zugriff: 25. November 2014).

    26 Das Medaillon wird ebenfalls in der Galerie David D'Angers in Angers aufbewahrt (Inventarnummer MBA 838.6.15).

    27 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 190) folgt eine unmarkierte Auslassung bis zum Ende des Absatzes.

    28 Uechtritz' Bekannter aus Düsseldorf konnte nicht näher identifiziert werden. (Vgl. auch Sybel: Erinnerungen, S. 123.)

    29 Die Dachkammer im 4. Stock des Tieckschen Hauses am Altmarkt, die Uechtritz stets bei seinen Besuchen bewohnte.

    30 Uechtritz hatte seit 1831 an dem Abschluss des dramatischen Gedichts Die Babylonier in Jerusalem gearbeitet. 1835 wurde es fertiggestellt und erschien 1836 bei Schreiner in Düsseldorf.

    31 Der Brief von Immermann datiert vom 7. November 1834; vgl. Holtei: Briefe an Ludwig Tieck, S. 72–76.

    32 Immermann übernahm 1834 die Intendanz des Düsseldorfer Stadttheaters, welche er bis 1837 innhatte, und versuchte tiefgehende Theaterreformen durchzusetzen, die das künstlerische Regietheater stärken sollten. Vgl. Brief vom 15. Dezember 1832, S. 5 (Bl. 3 recto).

    Ich muß nun schließen, denn meine Zeit ist beschränkt, ich kann nur in abgerißnen Augenblicken schreiben. 33Schreiben Sie mir recht bald wieder, alles was Sie wollen, ich gebe Ihre Briefe nie aus den Händen, und lese sie den Meinigen vor, wo ich dann auslassen kann was nicht für Alle ist. Sie sagten mir beim Abschiede noch ich solle Ihnen vertrauen, und ich vertraue Ihnen auch ganz, mein herzlich geliebter Freund. Der feste Glaube an Ihre Theilnahme und Freundschaft ist mir ein Trost auch in der Ferne. Nächst meiner Mutter und der Lüttichau sind Sie der einzige mit dem ich ganz offen und aus freiem Herzen reden kann, denn ich glaube wenn Sie auch vieles an mir tadeln werden Sie es doch verstehen. In diesem Vertrauen zu Ihnen handle ich eigentlich gegen meine Ueberzeugung, denn ich halte es für unmöglich daß eine Freundschaft zwischen einem Mann und einem Frauenzimmer Bestand haben kann, die Verschiedenheit in den Richtungen und Bedürfnissen ist zu groß. Ein kluger Mann ist uns im Verstande zu sehr überlegen, in dieser Gegend ist bald nichts mehr zu ergründen, und dann erscheinen wir langweilig und unbedeutend, und unser Gefühl verstehen die Männer nicht, und halten für Schwäche und Weichlichkeit was wohl oft einen besseren Namen verdient, so gehen die Wege auseinander, und das macht das Unglück so

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    33 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 191) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Satzes.

    vieler Menschen. 34Man sollte denken gerade die Verschiedenheit müsse anziehend seyn, die Erfahrung zeigt aber daß das nicht der Fall ist. Darum fürchten Sie nicht daß ich es machen werde wie Löbell und Sie quälen, dem ich übrigens nie ein Recht zu dergleichen Ansprüchen gegeben habe. Fühle ich dereinst daß ich Ihnen überflüssig bin so werde ich mich stillschweigend zurück ziehen und dies Schicksal als eine Naturnothwendigkeit ansehen, ohne Ihnen auch nur in Gedanken einen Vorwurf deshalb zu machen. Ist doch auch die Erinnerung schön, und gewöhnlich das einzig Wirkliche und Dauernde im Leben. Dann ist noch eines der letzten Bänder zerrissen die mich noch an die Welt binden, und so muß das Sterben am Ende sehr leicht werden.

    Ich will immer aufhören und komme immer wieder hinein. 35Schreiben Sie mir doch auch ob Sie gute Nachrichten von den Ihrigen haben und besonders wie es Ihrem Vater geht.

    Die Eltern und Agnes tragen mir tausend herzliche Grüße auf, auch die Gräfin empfiehlt sich Ihnen. Leben Sie wohl und erfreuen Sie bald mit einem Brief Ihre Dorothea

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    34 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 191) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Absatzes.

    35 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 192) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Briefs.