Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Dorothea Tieck an Friedrich von Uechtritz (Dresden, 21. Januar 1835)

 

 

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    Haben Sie den herzlichsten Dank für Ihren
    schönen Brief, mein theuerster Freund.
    Ich
    fürchtete immer es möchten unangenehme
    Geschäfte schuld an Ihrem langen Schweigen
    seyn, und kann Ihnen nicht sagen wie sehr
    ich mich gefreut habe zu hören daß Ihr
    Fleiß die einzige Ursach davon war. Ich
    verspreche mir unendlich viel von Ihrem Ge=
    dicht
    ,1 und wünschte nur wir wären beisam=
    men, um den Genuß daran zu theilen,
    der für uns nun wohl noch auf lange hin=
    aus geschoben seyn wird.

    Gewiß wird es Sie erfreuen daß ich
    Ihnen heut mit leichterem Herzen schreibe
    als das letzte mal. Der Zustand meiner
    Mutter hat sich doch etwas gebessert, ist
    es auch nicht bedeutend so ist es doch ein
    großer Trost, weil es bis dahin immer
    schlimmer und schlimmer ging, und man
    kann doch wieder Hoffnung und Muth fassen

    Kommentare

    1 Das dramatische Gedicht Die Babylonier in Jerusalem.

    2Die Operationen3 waren immer schneller
    aufeinander gefolgt, und die letzte nur
    4 Wochen nach der vorigen. Seitdem sind
    nun doch schon 6 Wochen vergangen, und
    obgleich sie wohl schon wieder stark gewor=
    den ist, fühlt sie sich doch noch nicht sehr
    beschwert und es ist noch von keiner Ope=
    ration die Rede, sie ist kürzlich zweimal
    an den Beinen geschröpft worden, die
    Wunden sind lange offen geblieben und
    es hat sich viel Wasser dadurch entledigt,
    dies findet Carus ein sehr gutes Zeichen
    und hofft die Krankheit immer mehr da=
    hin zu || lei||ten.
    Ich kann Ihnen nicht beschrei=
    ben welche Rührung und Dankbarkeit mich
    erfüllt für diese unverhoffte Gnade, ist
    auch in ihrem Alter4 nicht die Aussicht für
    eine vollkommne Heilung da, so kann
    man doch jetzt hoffen daß das Uebel sich
    mildert und sie lange dabei erhalten
    wird. Der Vater ist bis auf etwas Schnupfen
    und Husten5 immer wohl gewesen, er hat

    Kommentare

    2 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 192) folgt eine angezeigte Auslassung der nächsten zwei Sätze bis einschließlich „dahin zu leiten“.

    3 Amalia Tieck hatte bereits mindestens vier Operationen überstanden; vgl. Briefe vom 30. September 1834, S. 1 (Bl. 1 recto) und 21. November 1834, S. 3 (Bl. 2 recto).

    4 Amalia Tieck war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt.

    5 Bei Sybel: Erinnerungen steht „Husten und Schnupfen“.

    fleißig gearbeitet, und zwei kleinere
    Novellen geschrieben, die mit einigen der
    alten bei Max gedruckt werden,6 wir haben
    noch nichts davon gehört, da er die böse
    Gewohnheit hat alle seine Sachen gleich ab=
    zuschicken so wie sie fertig sind. Der Vater
    ist unbeschreiblich gut und sorgsam für die
    Mutter, und sucht alles für sie zu thun
    was ihr ihr Leiden erleichtern kann; bei
    ihr hat die Krankheit auch jedes Schroffe und
    Heftige in ihrem Charakter gemildert,
    7so ist plötzlich das Verhältnis wie verwan=
    delt, und von dieser beständigen Bitter=
    keit und uneinigkeit, die sich an jedem
    Tage und bei jeder Gelegenheit äußerte
    und mir so viele tausend Thränen ge=
    kostet hat, ist fast keine Spur mehr.

    So führt jedes Leiden seinen Seegen mit
    sich, und ich genieße, bei aller Sorge die ich
    doch fortwährend um die Mutter habe da=
    bei eines äußern und innern Friedens
    wie er mir nie zu Theil ward. Ich denke

    Kommentare

    6 Bei Josef Max erschien 1835 der erste Band der Gesammelten Novellen, die Novellen Der Wassermensch (als Erstdruck) und Der Mondsüchtige enthaltend. Der Erstdruck der ebenfalls neu entstandenen Novelle Weihnacht-Abend erfolgte in Band 2.

    7 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 192) folgt eine angezeigte Auslassung bis zum Ende des Satzes.

    oft dies Glück ist zu groß, und kann des=
    halb nicht dauern, es ist der letzte Glanz=
    punkt meines Lebens, und es muß ein
    großes Unglück oder ein schmerzlicher
    Verlust darauf folgen.

    Daß Sie keine Hoffnung auf Verbeßrung
    Ihrer Umstände8 haben thut mir leid, erst
    Ihretwegen, dann kann ich aber auch nicht
    lassen dabei an mich zu denken. Wenn
    es so steht werden Sie wohl das nächste Jahr
    nicht kommen können, oder vielmehr dies
    Jahr, und darauf hatte ich doch im stillen
    gehofft, und es mir, seit ich wieder wa=
    ge an die Zukunft zu denken, als eine
    schöne Aussicht für den Herbst gedacht.9
    So wie man den Kopf wieder etwas oben
    hat kann man es doch nicht lassen mit
    den Gedanken weit voraus zu gehen und
    an Glück und Freude zu denken. Das Herz
    hängt doch immer an dem Irdischen,
    vielleicht soll man sich aber auch nicht ganz
    davon los machen so lange man auf der
    Erde lebt.

    Kommentare

    8 Uechtritz hatte im April 1833 eine Versetzung nach Cleve, mit der eine Gehaltserhöhung von 100 Talern einhergegangen wäre, abgelehnt; vgl. Brief von Uechtritz an seine Eltern vom 14. April 1833, in: Sybel: Erinnerungen, S. 135 f.

    9 Uechtritz unternahm im Herbst 1835, vermutlich aus finanziellen Gründen, keine Reise nach Dresden.

    10(Ich habe nicht gewußt daß der Vetter Stel=
    zer
    jetzt in Düsseldorf ist, ich glaubte ihn
    noch in Köln, Sie werden ihn wohl nicht viel
    sehen, er schien mir immer ein gewöhnlicher
    unbedeutender Mensch wie der Vater.
    ) Sie
    haben auf jeden Fall wohl daran gethan
    nicht nach Elberfeld zu gehen,11 ich denke
    mir Ihr Leben in Düsseldorf sehr angenehm
    wie hübsch ist es daß man Ihnen zu Weih=
    nachten eine Freude gemacht hat.12 Wir
    haben dies Jahr gar keine Feier gehabt,
    das erste Mal in unserm Leben, sonst ist
    immer ein Baum ausgeschmückt worden
    Wir leben sehr ruhig und darum besser
    als sonst, den Abend kommen gewöhnlich
    einige her und es wird nicht immer ge=
    lesen. Eine unbeschreibliche Theilnahme
    und Freundlichkeit zeigt sich uns von
    allen Seiten, 13besonders auch von Petsch=
    kens
    , die mir immer besser gefallen
    je näher ich sie kennen lerne. Eine solche
    Theilnahme hat doch etwas wohlthuendes,

    Kommentare

    10 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 193) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Satzes.

    11 Vermutlich hatte Uechtritz auch einer Versetzung nach Elberfeld, wo er einen Herrn Brecht kannte (vgl. Sybel: Erinnerungen, S. 117.), nicht zugestimmt; s. o. Anmerkung zu S. 5.

    12 Uechtritz erhielt zu Weihnachten 1834 eine Mappe mit Zeichnungen von Malern der Düsseldorfer Kunstakademie, wie Lessing, Schirmer, Schadow und Bendemann. Vgl. Brief von Uechtritz an seine Eltern vom 25. Dezember 1834, in: Sybel: Erinnerungen, S. 138.

    13 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 193) folgt eine unmarkierte Auslassung bis zum Ende des Absatzes auf der folgenden Manuskriptseite.

    besonders wenn man die Menschen früher
    so wenig aufgesucht hat. Neulich bekam
    ich auch einen sehr schönen, herzlichen Brief
    von Raumer.14 Ich gehe fast gar nicht aus
    habe aber neulich die Buttlar und die Scholzens15
    besucht und Ihre Grüße bestellt. Ich fand
    sie alle wohl. (Ich habe diesen Winter fast
    immer gekränkelt, das ganze Weihnachts=
    fest
    hatte ich wieder so fürchterliche
    Zahnschmerzen, daß ich einen Tag wirk=
    lich glaubte ich würde davon sterben.
    Nach Neujahr bekam ich wieder ein Schnupfen=
    fieber was mich sehr angegriffen hat, erst
    seit einigen Tagen habe ich wieder ein Ge=
    fühl von Gesundheit.
    )

    Da ich jetzt mehr Gemüthsruhe und auch Zeit
    habe fange ich meine gewohnten Beschäftigun=
    gen wieder an. Ich habe die Promessi sposi
    von Manzoni wieder gelesen und mit im̄er
    neuem Vergnügen. In der Darstellung, Zeich=
    nung der Charaktere und Gesinnung über=
    trifft dies Buch fast jedes andre. Sie

    Kommentare

    14 Der Brief ist verschollen.

    15 Vermutlich sind hier Henriette Scholtz und ihre Tochter Emma gemeint, die möglicherweise, wie ein Jahr zuvor, den Winter in Dresden verbrachten.

    müssen es wirklich lesen, liebster Freund,
    es ist unbegreiflich daß dies Buch nicht mehr
    Aufsehen gemacht hat;16 aber es steht zu hoch für
    diese Zeit und wird erst künftig die volle
    Anerkennung finden. Immermanns Hofer
    las mein Vater neulich einmal wieder vor,
    er hat mir aber beim zweiten Lesen sehr
    wenig gefallen. Es ist immer als wenn der
    Hofer selbst seine Einfachheit mit einer
    gewissen Eitelkeit zur Schau trüge. Bei
    Im̄erman̄s Gedichten soll überhaupt immer
    das Bewußtseyn mit dem jedes Wort ge=
    schrieben ist und die Schärfe des Verstan=
    des Poesie und Begeistrung ersetzen., und
    bei dem Dichter muß doch alles mehr aus
    der Ahndung hervor gehen. 17(Auch unter I.s
    Gedichten, die wir jetzt bekommen haben,
    ist doch recht wenig Gutes.
    ) Neulich habe ich
    ein indisches Gedicht gelesen von Rückert
    übersetzt, Nal und Damajanti, es hat
    viel Schönes und gefällt mir besser als
    das18 was ich sonst wohl aus dem Indischen

    Kommentare

    16 Eine deutsche Übersetzung durch Tiecks Bekannten Eduard von Bülow war bereits 1828 erschienen.

    17 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 194) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Satzes.

    18 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 194) fehlt „das“.

    gelesen habe, es erinnert doch einigerma=
    ßen an unsre Heldengedichte aus dem
    Mittelalter, ich weiß freilich nicht wie viel
    durch die Bearbeitung hinein gekommen
    ist.

    19Schreiben Sie mir bald wieder, mein theuer=
    ster Freund, und möchten Sie doch so ge=
    sund, heiter und fleißig bleiben wie bis=
    her. Für mich ist es immer ein Festtag
    wenn ich einen Brief von Ihnen bekom̄e
    und höre daß es Ihnen wohl geht.

    Die Eltern und Agnes tragen mir die
    herzlichsten Grüße an Sie auf, und ich
    bleibe mit herzlicher Liebe
    Ihre Freundin̄
    Dorothea T.

    Kommentare

    19 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 194) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Briefs.

    Haben Sie den herzlichsten Dank für Ihren schönen Brief, mein theuerster Freund. Ich fürchtete immer es möchten unangenehme Geschäfte schuld an Ihrem langen Schweigen seyn, und kann Ihnen nicht sagen wie sehr ich mich gefreut habe zu hören daß Ihr Fleiß die einzige Ursach davon war. Ich verspreche mir unendlich viel von Ihrem Gedicht,1 und wünschte nur wir wären beisammen, um den Genuß daran zu theilen, der für uns nun wohl noch auf lange hinaus geschoben seyn wird.

    Gewiß wird es Sie erfreuen daß ich Ihnen heut mit leichterem Herzen schreibe als das letzte mal. Der Zustand meiner Mutter hat sich doch etwas gebessert, ist es auch nicht bedeutend so ist es doch ein großer Trost, weil es bis dahin immer schlimmer und schlimmer ging, und man kann doch wieder Hoffnung und Muth fassen

    Kommentare

    1 Das dramatische Gedicht Die Babylonier in Jerusalem.

    2Die Operationen3 waren immer schneller aufeinander gefolgt, und die letzte nur 4 Wochen nach der vorigen. Seitdem sind nun doch schon 6 Wochen vergangen, und obgleich sie wohl schon wieder stark geworden ist, fühlt sie sich doch noch nicht sehr beschwert und es ist noch von keiner Operation die Rede, sie ist kürzlich zweimal an den Beinen geschröpft worden, die Wunden sind lange offen geblieben und es hat sich viel Wasser dadurch entledigt, dies findet Carus ein sehr gutes Zeichen und hofft die Krankheit immer mehr dahin zu leiten. Ich kann Ihnen nicht beschreiben welche Rührung und Dankbarkeit mich erfüllt für diese unverhoffte Gnade, ist auch in ihrem Alter4 nicht die Aussicht für eine vollkommne Heilung da, so kann man doch jetzt hoffen daß das Uebel sich mildert und sie lange dabei erhalten wird. Der Vater ist bis auf etwas Schnupfen und Husten5 immer wohl gewesen, er hat

    Kommentare

    2 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 192) folgt eine angezeigte Auslassung der nächsten zwei Sätze bis einschließlich „dahin zu leiten“.

    3 Amalia Tieck hatte bereits mindestens vier Operationen überstanden; vgl. Briefe vom 30. September 1834, S. 1 (Bl. 1 recto) und 21. November 1834, S. 3 (Bl. 2 recto).

    4 Amalia Tieck war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt.

    5 Bei Sybel: Erinnerungen steht „Husten und Schnupfen“.

    fleißig gearbeitet, und zwei kleinere Novellen geschrieben, die mit einigen der alten bei Max gedruckt werden,6 wir haben noch nichts davon gehört, da er die böse Gewohnheit hat alle seine Sachen gleich abzuschicken so wie sie fertig sind. Der Vater ist unbeschreiblich gut und sorgsam für die Mutter, und sucht alles für sie zu thun was ihr ihr Leiden erleichtern kann; bei ihr hat die Krankheit auch jedes Schroffe und Heftige in ihrem Charakter gemildert, 7so ist plötzlich das Verhältnis wie verwandelt, und von dieser beständigen Bitterkeit und uneinigkeit, die sich an jedem Tage und bei jeder Gelegenheit äußerte und mir so viele tausend Thränen gekostet hat, ist fast keine Spur mehr. So führt jedes Leiden seinen Seegen mit sich, und ich genieße, bei aller Sorge die ich doch fortwährend um die Mutter habe dabei eines äußern und innern Friedens wie er mir nie zu Theil ward. Ich denke

    Kommentare

    6 Bei Josef Max erschien 1835 der erste Band der Gesammelten Novellen, die Novellen Der Wassermensch (als Erstdruck) und Der Mondsüchtige enthaltend. Der Erstdruck der ebenfalls neu entstandenen Novelle Weihnacht-Abend erfolgte in Band 2.

    7 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 192) folgt eine angezeigte Auslassung bis zum Ende des Satzes.

    oft dies Glück ist zu groß, und kann deshalb nicht dauern, es ist der letzte Glanzpunkt meines Lebens, und es muß ein großes Unglück oder ein schmerzlicher Verlust darauf folgen.

    Daß Sie keine Hoffnung auf Verbeßrung Ihrer Umstände8 haben thut mir leid, erst Ihretwegen, dann kann ich aber auch nicht lassen dabei an mich zu denken. Wenn es so steht werden Sie wohl das nächste Jahr nicht kommen können, oder vielmehr dies Jahr, und darauf hatte ich doch im stillen gehofft, und es mir, seit ich wieder wage an die Zukunft zu denken, als eine schöne Aussicht für den Herbst gedacht.9 So wie man den Kopf wieder etwas oben hat kann man es doch nicht lassen mit den Gedanken weit voraus zu gehen und an Glück und Freude zu denken. Das Herz hängt doch immer an dem Irdischen, vielleicht soll man sich aber auch nicht ganz davon los machen so lange man auf der Erde lebt.

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    8 Uechtritz hatte im April 1833 eine Versetzung nach Cleve, mit der eine Gehaltserhöhung von 100 Talern einhergegangen wäre, abgelehnt; vgl. Brief von Uechtritz an seine Eltern vom 14. April 1833, in: Sybel: Erinnerungen, S. 135 f.

    9 Uechtritz unternahm im Herbst 1835, vermutlich aus finanziellen Gründen, keine Reise nach Dresden.

    10Ich habe nicht gewußt daß der Vetter Stelzer jetzt in Düsseldorf ist, ich glaubte ihn noch in Köln, Sie werden ihn wohl nicht viel sehen, er schien mir immer ein gewöhnlicher unbedeutender Mensch wie der Vater. Sie haben auf jeden Fall wohl daran gethan nicht nach Elberfeld zu gehen,11 ich denke mir Ihr Leben in Düsseldorf sehr angenehm wie hübsch ist es daß man Ihnen zu Weihnachten eine Freude gemacht hat.12 Wir haben dies Jahr gar keine Feier gehabt, das erste Mal in unserm Leben, sonst ist immer ein Baum ausgeschmückt worden Wir leben sehr ruhig und darum besser als sonst, den Abend kommen gewöhnlich einige her und es wird nicht immer gelesen. Eine unbeschreibliche Theilnahme und Freundlichkeit zeigt sich uns von allen Seiten, 13besonders auch von Petschkens, die mir immer besser gefallen je näher ich sie kennen lerne. Eine solche Theilnahme hat doch etwas wohlthuendes,

    Kommentare

    10 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 193) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Satzes.

    11 Vermutlich hatte Uechtritz auch einer Versetzung nach Elberfeld, wo er einen Herrn Brecht kannte (vgl. Sybel: Erinnerungen, S. 117.), nicht zugestimmt; s. o. Anmerkung zu S. 5.

    12 Uechtritz erhielt zu Weihnachten 1834 eine Mappe mit Zeichnungen von Malern der Düsseldorfer Kunstakademie, wie Lessing, Schirmer, Schadow und Bendemann. Vgl. Brief von Uechtritz an seine Eltern vom 25. Dezember 1834, in: Sybel: Erinnerungen, S. 138.

    13 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 193) folgt eine unmarkierte Auslassung bis zum Ende des Absatzes auf der folgenden Manuskriptseite.

    besonders wenn man die Menschen früher so wenig aufgesucht hat. Neulich bekam ich auch einen sehr schönen, herzlichen Brief von Raumer.14 Ich gehe fast gar nicht aus habe aber neulich die Buttlar und die Scholzens15 besucht und Ihre Grüße bestellt. Ich fand sie alle wohl. Ich habe diesen Winter fast immer gekränkelt, das ganze Weihnachtsfest hatte ich wieder so fürchterliche Zahnschmerzen, daß ich einen Tag wirklich glaubte ich würde davon sterben. Nach Neujahr bekam ich wieder ein Schnupfenfieber was mich sehr angegriffen hat, erst seit einigen Tagen habe ich wieder ein Gefühl von Gesundheit.

    Da ich jetzt mehr Gemüthsruhe und auch Zeit habe fange ich meine gewohnten Beschäftigungen wieder an. Ich habe die Promessi sposi von Manzoni wieder gelesen und mit immer neuem Vergnügen. In der Darstellung, Zeichnung der Charaktere und Gesinnung übertrifft dies Buch fast jedes andre. Sie

    Kommentare

    14 Der Brief ist verschollen.

    15 Vermutlich sind hier Henriette Scholtz und ihre Tochter Emma gemeint, die möglicherweise, wie ein Jahr zuvor, den Winter in Dresden verbrachten.

    müssen es wirklich lesen, liebster Freund, es ist unbegreiflich daß dies Buch nicht mehr Aufsehen gemacht hat;16 aber es steht zu hoch für diese Zeit und wird erst künftig die volle Anerkennung finden. Immermanns Hofer las mein Vater neulich einmal wieder vor, er hat mir aber beim zweiten Lesen sehr wenig gefallen. Es ist immer als wenn der Hofer selbst seine Einfachheit mit einer gewissen Eitelkeit zur Schau trüge. Bei Immermanns Gedichten soll überhaupt immer das Bewußtseyn mit dem jedes Wort geschrieben ist und die Schärfe des Verstandes Poesie und Begeistrung ersetzen, und bei dem Dichter muß doch alles mehr aus der Ahndung hervor gehen. 17Auch unter Immermanns Gedichten, die wir jetzt bekommen haben, ist doch recht wenig Gutes. Neulich habe ich ein indisches Gedicht gelesen von Rückert übersetzt, Nal und Damajanti, es hat viel Schönes und gefällt mir besser als das18 was ich sonst wohl aus dem Indischen

    Kommentare

    16 Eine deutsche Übersetzung durch Tiecks Bekannten Eduard von Bülow war bereits 1828 erschienen.

    17 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 194) folgt eine unmarkierte Auslassung des folgenden Satzes.

    18 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 194) fehlt „das“.

    gelesen habe, es erinnert doch einigermaßen an unsre Heldengedichte aus dem Mittelalter, ich weiß freilich nicht wie viel durch die Bearbeitung hinein gekommen ist.

    19Schreiben Sie mir bald wieder, mein theuerster Freund, und möchten Sie doch so gesund, heiter und fleißig bleiben wie bisher. Für mich ist es immer ein Festtag wenn ich einen Brief von Ihnen bekomme und höre daß es Ihnen wohl geht.

    Die Eltern und Agnes tragen mir die herzlichsten Grüße an Sie auf, und ich bleibe mit herzlicher Liebe Ihre Freundinn Dorothea Tieck

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    19 Bei Sybel: Erinnerungen (S. 194) folgt eine markierte Auslassung bis zum Ende des Briefs.