
Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz
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Dresden den 10 Juli.
1836.
Was müssen Sie von mir gedacht haben, mein theurer Freund
da ich Sie so lange ohne Nachricht gelassen? diese Frage habe
ich selbst wohl hundert mal an mich gethan. Sie müssen mir das
Zeugniß geben daß ich Ihre Briefe immer pünktlich beantwor=
tet habe, gegen Sie ist dies kein Verdienst, denn mein
eignes Gemüth treibt mich dazu an, so wie der Wunsch bald
wieder etwas von Ihnen zu erfahren. Dies mal konnte ich
fast nicht schreiben weil ich von Woche zu Woche hoffte es
würde sich etwas über des Vaters Reise entscheiden,
worüber ich Ihnen gern gleich Nachricht geben wollte. Noch
immer ist nicht alles fest gesetzt: Es heißt sie wollen mor=
gen über acht Tage reisen, das kann sich aber auch noch
ofte ändern, Vater ist wie immer in seinen Arbeiten1
zurück und muß nun fast Tag und Nacht schreiben, ein
Besuch seines Bruders2 aus Berlin, der einen ganzen Mo=
nath bei uns war, hat ihn auch noch aufgehalten. Wie die
Reise seyn wird, wie lange dauern, darüber ist noch
nichts bestimmt, für's erste geht es nach Baden, | ob
sie aber das Bad brauchen wollen wissen sie noch nicht,
oder vielmehr sie sagen es nicht, ich glaube es, denn die
Gräfinn bildet sich ein es ist für ihre Gesundheit noth=
wendig, und da doch alles geschieht was sie will, so bin
ich überzeugt sie werden eine ganze Badezeit3 dort zu
bringen, obgleich die Gräfinn das ganze Jahr vollkom=
men gesund gewesen ist. | Von dort wollen sie denn nach
Bonn gehen, wo sie sich schon bei Schlegel gemeldet
haben, und dann nach Düsseldorf, wenn sie an alle diese
Orte hin kommen, wie lange dort bleiben, das kann
ich Ihnen alles nicht sagen. Daß die Reise lange dauern
1 Es handelt sich um die Novellen Wunderlichkeiten, erschienen 1837 in der Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1837, und Die Klausenburg, abgedruckt 1837 in der Helena. Taschenbuch für das Jahr 1837.
2 Der Bildhauer Friedrich Tieck.
3 Die Badezeit umfasste in der Regel die Monate Mai bis September.
wird können Sie sich selbst berechnen, und daß er wahrschein=
lich erst nach Düsseldorf kommt wenn Sie schon fort sind.
Wie leid Ihnen dies thun wird kann ich mir denken, und
doch werden Sie in Ihrer Reise4 nichts ändern können, da
Ihr Urlaub nicht lang ist, und Eltern und Geschwister
Sie schon erwarten. Ich werde Ihnen auf jeden Fall, und
darauf können Sie sich verlassen, im August noch einmal
schreiben, ich denke wenn ich meinen Brief Mitte August
abschicke, trifft er Sie noch? Vielleicht kann ich Ihnen
dann schon etwas genauer sagen, ob Vater Ende Sep=
tember zurück seyn wird, dann wäre es freilich besser
Sie richteten Ihre Reise so ein daß Sie erst nach Berlin
gehen, wenn Sie ihn aber doch, auch Ende September noch
nicht finden, so richten Sie Ihre Reise ganz ein wie es Ihnen
am liebsten ist, daß Sie uns immer und zu jeder Zeit
willkommen sind versteht sich von selbst, und ich hoffe, auch
wenn Vater nicht hier ist bleiben Sie einige Zeit bei uns.
Ich reise auf keinen Fall mit, erst war Agnes dazu be=
stimmt, da es aber mit der Gesundheit der Mutter seit
dem Februar immer nicht gut geht, so ist sie auch schwan=
kend geworden und bleibt wahrscheinlich bei uns. Es ist
gar zu schwer eine Kranke zu verlassen auf so lange,
unbestimmte Zeit und in so weiter Entfernung, daß
man ihr nicht einmal regelmäßig Nachricht geben kann.
Ich habe mich den ganzen Sommer unbeschreiblich über
die Mutter gegrämt, und es ist noch so manches über michkgekommen daß ich oft dachte es wäre zu viel. Ich fühle
mich dann so schwach und hülflos und mache mir wieder
Vorwürfe über mein Schwäche, und fühle wie es meine
Gesundheit untergräbt. Man fühlt in diesen Zuständen
recht das doppelte in der menschlichen Natur. Wie der höhe=
re Wille sich freudig dem Willen Gottes unterwirft und
sich selbst der Leiden die uns Gotte näher bringen, erfreut;
und wie dann wieder dem irdischen Menschen das Kreuz so
schwer wird. Doch Gottes Barmherzigkeit wird auch diesen
Zwiespalt ausgleichen und denen endlich den Frieden geben
die eines guten Willens sind, bleibt auch die Ausführung
hinter dem Vorsatz zurück, und erliegt auch oft die Kraft
unter der Schwäche.
Was Ihre jungen Maler5 betrifft so suchen Sie sie nur zu=
frieden zu stellen, die hübsche Aufmerksamkeit mit dem
Komödienzettel6 hat Vater Freude gemacht, auch sind die
Verzierungen allerliebst, daß er keine Briefe schreibt ist
bekannt und diese Abneigung nim̄t immer noch zu, wenn
er nach Düsseldorf kommt wird seine Liebenswürdigkeit
alles wieder ausgleichen.
Ueber die Epigonen ließe sich viel sagen, ein ausgezeich=
netes Werk ist es auf jeden Fall, doch glaube ich nicht
daß ich es so bald wieder lese, denn der unangenehme
Eindruck den es zurück läßt ist zu überwiegend ge=
gen alles Schöne was darin ist, wenigstens bei mir.
Daß Sie nicht auf Löbellsche Grillen7 gerathen, dafür
glaube ich bei Ihnen sicher zu seyn, viel eher könnte ich
mir so etwas von Ihnen einbilden, darum seyn Sie mir
nun auch nicht böse, Sie sehen es war keine Nachlässig=
keit daß ich nicht schrieb. Ich freue mich unbeschreiblich dar=
auf Sie wieder zu sehen, und das thun wir alle. Gott
gebe daß wir eine wenigstens sorgenfreie Zeit mit=
einander verleben. Ich spaare mir alles worüber ich
Ihnen noch schreiben möchte bis dahin auf. Tausend Grü=
ße von den Meinigen. Sollte mein Brief, wenn ich ihn
Mitte August von hier abschicke Sie nicht mehr treffen, so
müssen Sie es mir noch schreiben. Bis dahin leben Sie
wohl und [...] vergessen Sie nicht Ihre treue Freundin
Dorothea.
5 Wer genau gemeint sein könnte, ist unklar. Es handelt sich im weitesten Sinne um Künstler der „Düsseldorfer Malerschule“ unter der Leitung von Wilhelm von Schadow und Peter von Cornelius.
6 Immermann hatte zur von ihm inszenierten Uraufführung von Tiecks Ritter Blaubart am Düsseldorfer Theater einen Komödienzettel bei dem Maler Adolph Schrödter in Auftrag gegeben.
7 Loebell war durch Dorotheas zunehmend distanzierte Haltung ihm gegenüber wohl verstimmt; vgl. Brief vom 27. Juli 1835, S. 4 (Bl. 2 verso).
Sr Hochwohlgeb dem Landgerichts
Rath, Freiherrn von Uichtritz.
in
Düsseldorf.
am Rhein.
frei.
&Dresden den 10 Juli. 1836. Was müssen Sie von mir gedacht haben, mein theurer Freund da ich Sie so lange ohne Nachricht gelassen? diese Frage habe ich selbst wohl hundert mal an mich gethan. Sie müssen mir das Zeugniß geben daß ich Ihre Briefe immer pünktlich beantwortet habe, gegen Sie ist dies kein Verdienst, denn mein eignes Gemüth treibt mich dazu an, so wie der Wunsch bald wieder etwas von Ihnen zu erfahren. Dies mal konnte ich fast nicht schreiben weil ich von Woche zu Woche hoffte es würde sich etwas über des Vaters Reise entscheiden, worüber ich Ihnen gern gleich Nachricht geben wollte. Noch immer ist nicht alles fest gesetzt: Es heißt sie wollen morgen über acht Tage reisen, das kann sich aber auch noch ofte ändern, Vater ist wie immer in seinen Arbeiten1 zurück und muß nun fast Tag und Nacht schreiben, ein Besuch seines Bruders2 aus Berlin, der einen ganzen Monath bei uns war, hat ihn auch noch aufgehalten. Wie die Reise seyn wird, wie lange dauern, darüber ist noch nichts bestimmt, für's erste geht es nach Baden, ob sie aber das Bad brauchen wollen wissen sie noch nicht, oder vielmehr sie sagen es nicht, ich glaube es, denn die Gräfinn bildet sich ein es ist für ihre Gesundheit nothwendig, und da doch alles geschieht was sie will, so bin ich überzeugt sie werden eine ganze Badezeit3 dort zu bringen, obgleich die Gräfinn das ganze Jahr vollkommen gesund gewesen ist. Von dort wollen sie denn nach Bonn gehen, wo sie sich schon bei Schlegel gemeldet haben, und dann nach Düsseldorf, wenn sie an alle diese Orte hin kommen, wie lange dort bleiben, das kann ich Ihnen alles nicht sagen. Daß die Reise lange dauern
1 Es handelt sich um die Novellen Wunderlichkeiten, erschienen 1837 in der Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1837, und Die Klausenburg, abgedruckt 1837 in der Helena. Taschenbuch für das Jahr 1837.
2 Der Bildhauer Friedrich Tieck.
3 Die Badezeit umfasste in der Regel die Monate Mai bis September.
wird können Sie sich selbst berechnen, und daß er wahrscheinlich erst nach Düsseldorf kommt wenn Sie schon fort sind. Wie leid Ihnen dies thun wird kann ich mir denken, und doch werden Sie in Ihrer Reise4 nichts ändern können, da Ihr Urlaub nicht lang ist, und Eltern und Geschwister Sie schon erwarten. Ich werde Ihnen auf jeden Fall, und darauf können Sie sich verlassen, im August noch einmal schreiben, ich denke wenn ich meinen Brief Mitte August abschicke, trifft er Sie noch? Vielleicht kann ich Ihnen dann schon etwas genauer sagen, ob Vater Ende September zurück seyn wird, dann wäre es freilich besser Sie richteten Ihre Reise so ein daß Sie erst nach Berlin gehen, wenn Sie ihn aber doch, auch Ende September noch nicht finden, so richten Sie Ihre Reise ganz ein wie es Ihnen am liebsten ist, daß Sie uns immer und zu jeder Zeit willkommen sind versteht sich von selbst, und ich hoffe, auch wenn Vater nicht hier ist bleiben Sie einige Zeit bei uns. Ich reise auf keinen Fall mit, erst war Agnes dazu bestimmt, da es aber mit der Gesundheit der Mutter seit dem Februar immer nicht gut geht, so ist sie auch schwankend geworden und bleibt wahrscheinlich bei uns. Es ist gar zu schwer eine Kranke zu verlassen auf so lange, unbestimmte Zeit und in so weiter Entfernung, daß man ihr nicht einmal regelmäßig Nachricht geben kann.
Ich habe mich den ganzen Sommer unbeschreiblich über die Mutter gegrämt, und es ist noch so manches über mich gekommen daß ich oft dachte es wäre zu viel. Ich fühle mich dann so schwach und hülflos und mache mir wieder Vorwürfe über mein Schwäche, und fühle wie es meine Gesundheit untergräbt. Man fühlt in diesen Zuständen recht das doppelte in der menschlichen Natur. Wie der höhere Wille sich freudig dem Willen Gottes unterwirft und sich selbst der Leiden die uns Gotte näher bringen, erfreut; und wie dann wieder dem irdischen Menschen das Kreuz so
schwer wird. Doch Gottes Barmherzigkeit wird auch diesen Zwiespalt ausgleichen und denen endlich den Frieden geben die eines guten Willens sind, bleibt auch die Ausführung hinter dem Vorsatz zurück, und erliegt auch oft die Kraft unter der Schwäche.
Was Ihre jungen Maler5 betrifft so suchen Sie sie nur zufrieden zu stellen, die hübsche Aufmerksamkeit mit dem Komödienzettel6 hat Vater Freude gemacht, auch sind die Verzierungen allerliebst, daß er keine Briefe schreibt ist bekannt und diese Abneigung nimmt immer noch zu, wenn er nach Düsseldorf kommt wird seine Liebenswürdigkeit alles wieder ausgleichen.
Ueber die Epigonen ließe sich viel sagen, ein ausgezeichnetes Werk ist es auf jeden Fall, doch glaube ich nicht daß ich es so bald wieder lese, denn der unangenehme Eindruck den es zurück läßt ist zu überwiegend gegen alles Schöne was darin ist, wenigstens bei mir.
Daß Sie nicht auf Löbellsche Grillen7 gerathen, dafür glaube ich bei Ihnen sicher zu seyn, viel eher könnte ich mir so etwas von Ihnen einbilden, darum seyn Sie mir nun auch nicht böse, Sie sehen es war keine Nachlässigkeit daß ich nicht schrieb. Ich freue mich unbeschreiblich darauf Sie wieder zu sehen, und das thun wir alle. Gott gebe daß wir eine wenigstens sorgenfreie Zeit miteinander verleben. Ich spaare mir alles worüber ich Ihnen noch schreiben möchte bis dahin auf. Tausend Grüße von den Meinigen. Sollte mein Brief, wenn ich ihn Mitte August von hier abschicke Sie nicht mehr treffen, so müssen Sie es mir noch schreiben. Bis dahin leben Sie wohl und vergessen Sie nicht Ihre treue Freundin Dorothea.
5 Wer genau gemeint sein könnte, ist unklar. Es handelt sich im weitesten Sinne um Künstler der „Düsseldorfer Malerschule“ unter der Leitung von Wilhelm von Schadow und Peter von Cornelius.
6 Immermann hatte zur von ihm inszenierten Uraufführung von Tiecks Ritter Blaubart am Düsseldorfer Theater einen Komödienzettel bei dem Maler Adolph Schrödter in Auftrag gegeben.
7 Loebell war durch Dorotheas zunehmend distanzierte Haltung ihm gegenüber wohl verstimmt; vgl. Brief vom 27. Juli 1835, S. 4 (Bl. 2 verso).
Seiner Hochwohlgeboren dem Landgerichts
Rath, Freiherrn von Uichtritz.
in
Düsseldorf.
am Rhein.
frei.