Briefe und Texte
aus dem intellektuellen
Berlin um 1800

Brief von Henriette von Finckenstein an Friedrich von Raumer (Dresden, 4. November 1836)

 

 

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Heute erhielt Tieck, Ihren letzten Brief, mein
theurer Freund, und obgleich, schon der Anblick
Ihrer Hand, uns immer eine wahre Freude
ist, so machte uns dieser einen trüben Eindruck schien da uns doch der Ton Ihres Briefes
nicht ganz so heiter schien, wie wir es an Ihnen, gewohnt
sind, und dies betrübt uns doppelt, da, noch ein
langer Winter, zwischen der Zeit unseres
Wiedersehens, mit Ihnen, mein therer Freund,
sich unfreundlich ausdehnt. Auch Tieck, ist sehr
traurig darüber! O! welche Erheiterung und
Kräftigung wäre es nicht für sie beide,
sich wiederjetzt wieder so recht, über Vieles mit
einander auszusprechen; – – Tieck hofft nun, Ihnen
recht bald zu sprecschreiben, er hätte es schon längst ge=
than, aber seine Schmerzen machen es ihm ja sehr beschwer=
lich, und das verstim̄t ihn, den̄, auch seine vielfachen
Arbeiten drängen ihn sehr, aber dies wechselnde Wetter,
(oder viel-mehr der Winter) hatte seine Gicht
doch etwas aufgeregt, indessen hoffe ich, soll
essie sich bald wieder beruhigen, aber, auf seine
Stim̄ung hat alles dies, doch gar vielen Einfluß, und leider muß
Tieck, sich wohl und heiter fühlen, wenn er Briefe schrei=
ben soll, das kennen Sie ja auch an ihm.

Aber, lassen Sie mich nun, um für Sie, diesen langwei=
ligen Brief, nicht zu-weit auszudehnen, zur nächsten
Veranlassung dieses Briefes desselben kom̄en.

Es betrifft nähmlich, das den Vorschlag des Grafen

Jorck, wegen Tiecks Biblioteck, der Graf schreibt
gestern wieder deshalb an Tieck, und wieder=
holt seinen Vorschlag, des Capitals von 6000 [rt]
sobald die Biblioteck in seinen Händen ist.1
Ferner sagt er in dem Briefe, könnten alsdann die
Töchter gleich eine jede, 1000 [rt], kündigen,
und die noch übrig bleibenden 4000 [rt] wolle
er wie die ersten 2000 [r] auch, mit 5 Pro. halbjährig verzinsen. Nun
ist die Sache aber uns etwas dunkel, es scheint
mir, als wolle der Graf dies Capital ihnen
zwar verzinsen, so lange sie lebten, aber
nie könnte es von ihnen, als ihr Eigenthum, gekündigt
werden, und einmal ihnen, Erben, verbleiben, folg=
lich bliebe es also nur eine Leibrente, und nicht
der Töchter [unverschränktes] Eigenthum
, wie die ersten 2000 [rt]. Die Sache aber
so einzugehen, wäre durchaus für Tieck
und die Seinen, nachtheilig, und ich würde nie da=
zu rathen, und gewiß auch Sie nicht, denn, ich
bin fest überzeugt, daß, die Töchter, nach
des Vaters Tode, im Besitz dieser herlichen
Büchersam̄lung, wenn sie sich nur Zeit u Ge=
legenheit benutzen, weit mehr, wie 6000 [rt]
bekommen können. Aber auch die Sicherstellung des Capitals, bis zur Auszahlung muß sehr klar
im Contrakt bestim̄t werden.

Mein AAnsicht der Sache ist daß[aber] die, daß sich Tieck,
nur auf diese Sache einlassen kann, wenn im
Gerichtlichen Contrakt klar ausgesprochen,

Kommentare

1 Auch in dem kurze Zeit später, am 11. November 1836, verfassten Brief von Tieck an Raumer (S.2ff.) geht es um den geplanten Verkauf von Tiecks Büchersammlung. Zur virtuellen Rekonstruktion von Tiecks Bibliothek und zum Verbleib der einzelnen Bände vgl. das FWF-Projekt Ludwig Tiecks Bibliothek. Anatomie einer romantisch-komparatistischen Büchersammlung. Universität Wien, Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft, Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Achim Hölter, M.A.

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ist, daß die Töchter einst, in völligen Besitz der
6000 [rt] für sich selbst, und für ihre Erben
verbleiben. Über die Zahlungs Termine
des Capitals können sich ja, der
Graf und Tieck, dann noch näher
besprechen, und die Zeiten bestim̄en.

Ich habe nun Tieck gerathen, dem
Grafen zu antworten, damit der
dunkle Punkt, wegen den 4000 [rt]
sich gehörig aufkläre, und diesen Brief
dann Ihnen, mein werther Freund,
offen zuzusenden, damit Sie dies Geschäft
für ihn führen können, denn, es ist
ein Geldgeschäft, und ein sehr wichtiges,
bei dem man nicht vorsichtig
genug [seyn] verfahren kann.

([Stempel:] Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz)

Daß ich wünsche, Sie möchten diesen Brief
ganz geheimhalten, werden Sie begreifen,
besser ist es wohl, ihn gleich zu ver=
nichten. Ich möchte nicht gern, als in diese
Sache mich einmischend erscheinen. Auch schrieb
ich Ihnen nur über diese Sachealles Obige, damit ihren
Lage Ihnen alles ganz vollkom̄en bekannt würde, sollte
ich irren, nun so braucht man ja dem Graf=
fen
gar nicht zu sagen, wie man ihn

, wegen der Rente, u der 4000 [rt] misverstanden habe;
und so das Geschäft ganz klar
fort führen und beschliessen.

Gestern sahen wir Frau von Lüttichau
wieder bei uns, u recht wohl. Aber
auch sie sagt uns leider, daß Sie,
mein theurer Freund, nicht ganz
heiter wären. O! mein Freund, wie=
derstehen Sie ja, mit aller Kraft
des Geistes, diesem ärgsten [Freunde Feinde],
der unser Leben untergräbt, u zer=
stört, Sehen Sie alles nur für eine
vorübergehende trübe Stim̄ung an, damit
Sie nur das Unangenehme, [u] was gewiß
von Aussen auf Sie einstürmt, nicht zu
wichtig neu schwer nehmen. Man schadet sich
dadurch zu sehr an Geist und Körper,
o! ich habe es zu oft an mir selbst
erfahren.

Nun wenn Sie vor diesem langen Briefe
nicht erschrecken, dann haben Sie viel Muth, ich
wünsche nur, daß Sie nicht, wie Löbel, Tiecks u
meine Hand so ähnlich [sind u]finden, u gar vor
dem Öffnen des Briefes glauben, er sey von Tieck,
nein, das wäre eine zu arge Täuschung.

Leben Sie wohl theurer Freund.
Ihre Henriette. von
Finkenstein

Heute erhielt Tieck, Ihren letzten Brief, mein theurer Freund, und obgleich, schon der Anblick Ihrer Hand, uns immer eine wahre Freude ist, so machte uns dieser einen trüben Eindruck da uns der Ton Ihres Briefes nicht ganz so heiter schien, wie wir es an Ihnen, gewohnt sind, und dies betrübt uns doppelt, da, noch ein langer Winter, zwischen der Zeit unseres Wiedersehens, mit Ihnen, mein therer Freund, sich unfreundlich ausdehnt. Auch Tieck, ist sehr traurig darüber! O! welche Erheiterung und Kräftigung wäre es nicht für sie beide, sich jetzt wieder so recht, über Vieles mit einander auszusprechen; – – Tieck hofft nun, Ihnen recht bald zu schreiben, er hätte es schon längst gethan, aber seine Schmerzen machen es ihm ja sehr beschwerlich, und das verstimmt ihn, denn, auch seine vielfachen Arbeiten drängen ihn sehr, aber dies wechselnde Wetter, (oder viel-mehr der Winter) hatte seine Gicht doch etwas aufgeregt, indessen hoffe ich, soll sie sich bald wieder beruhigen, aber, auf seine Stimmung hat alles dies, gar vielen Einfluß, und leider muß Tieck, sich wohl und heiter fühlen, wenn er Briefe schreiben soll, das kennen Sie ja auch an ihm.

Aber, lassen Sie mich nun, um für Sie, diesen langweiligen Brief, nicht zu-weit auszudehnen, zur nächsten Veranlassung desselben kommen.

Es betrifft nähmlich, den Vorschlag des Grafen

Jorck, wegen Tiecks Biblioteck, der Graf schreibt gestern wieder deshalb an Tieck, und wiederholt seinen Vorschlag, des Capitals von 6000 [Reichsthalern] sobald die Biblioteck in seinen Händen ist.1 Ferner sagt er in dem Briefe, könnten alsdann die Töchter gleich eine jede, 1000 [Reichsthaler], kündigen, und die noch übrig bleibenden 4000 [Reichsthaler] wolle er wie die ersten 2000 [Reichsthaler] auch, mit 5 Prozent halbjährig verzinsen. Nun ist die Sache aber uns etwas dunkel, es scheint mir, als wolle der Graf dies Capital ihnen zwar verzinsen, so lange sie lebten, aber nie könnte es von ihnen, als ihr Eigenthum, gekündigt werden, und einmal ihnen, Erben, verbleiben, folglich bliebe es also nur eine Leibrente, und nicht der Töchter [unverschränktes] Eigenthum , wie die ersten 2000 [Reichsthaler]. Die Sache aber so einzugehen, wäre durchaus für Tieck und die Seinen, nachtheilig, und ich würde nie dazu rathen, und gewiß auch Sie nicht, denn, ich bin fest überzeugt, daß, die Töchter, nach des Vaters Tode, im Besitz dieser herlichen Büchersammlung, wenn sie nur Zeit und Gelegenheit benutzen, weit mehr, wie 6000 [Reichsthaler] bekommen können. Aber auch die Sicherstellung des Capitals, bis zur Auszahlung muß sehr klar im Contrakt bestimmt werden.

Mein Ansicht der Sache ist [aber] die, daß sich Tieck, nur auf diese Sache einlassen kann, wenn im Gerichtlichen Contrakt klar ausgesprochen,

Kommentare

1 Auch in dem kurze Zeit später, am 11. November 1836, verfassten Brief von Tieck an Raumer (S.2ff.) geht es um den geplanten Verkauf von Tiecks Büchersammlung. Zur virtuellen Rekonstruktion von Tiecks Bibliothek und zum Verbleib der einzelnen Bände vgl. das FWF-Projekt Ludwig Tiecks Bibliothek. Anatomie einer romantisch-komparatistischen Büchersammlung. Universität Wien, Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft, Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Achim Hölter, M.A.

ist, daß die Töchter einst, in völligen Besitz der 6000 [Reichsthaler] für sich selbst, und für ihre Erben verbleiben. Über die Zahlungs Termine des Capitals können sich ja, der Graf und Tieck, dann noch näher besprechen, und die Zeiten bestimmen.

Ich habe nun Tieck gerathen, dem Grafen zu antworten, damit der dunkle Punkt, wegen den 4000 [Reichsthaler] sich gehörig aufkläre, und diesen Brief dann Ihnen, mein werther Freund, offen zuzusenden, damit Sie dies Geschäft für ihn führen können, denn, es ist ein Geldgeschäft, und ein sehr wichtiges, bei dem man nicht vorsichtig genug verfahren kann.

Daß ich wünsche, Sie möchten diesen Brief ganz geheimhalten, werden Sie begreifen, besser ist es wohl, ihn gleich zu vernichten. Ich möchte nicht gern, als in diese Sache mich einmischend erscheinen. Auch schrieb ich Ihnen nur alles Obige, damit ihren Ihnen alles ganz vollkommen bekannt würde, sollte ich irren, nun so braucht man ja dem Grafen gar nicht zu sagen, wie man ihn

, wegen der Rente, und der 4000 [Reichsthaler] misverstanden habe; und so das Geschäft ganz klar fort führen und beschliessen.

Gestern sahen wir Frau von Lüttichau wieder bei uns, und recht wohl. Aber auch sie sagt uns leider, daß Sie, mein theurer Freund, nicht ganz heiter wären. O! mein Freund, wiederstehen Sie ja, mit aller Kraft des Geistes, diesem ärgsten [ Feinde], der unser Leben untergräbt, und zerstört, Sehen Sie alles nur für eine vorübergehende trübe Stimmung an, damit Sie nur das Unangenehme, [und] was gewiß von Aussen auf Sie einstürmt, nicht zu wichtig und schwer nehmen. Man schadet sich dadurch zu sehr an Geist und Körper, o! ich habe es zu oft an mir selbst erfahren.

Nun wenn Sie vor diesem langen Briefe nicht erschrecken, dann haben Sie viel Muth, ich wünsche nur, daß Sie nicht, wie Löbel, Tiecks und meine Hand so ähnlich finden, und gar vor dem Öffnen des Briefes glauben, er sey von Tieck, nein, das wäre eine zu arge Täuschung.

Leben Sie wohl theurer Freund. Ihre Henriette. von Finkenstein