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Personen

  • Roxane: Sultanin, Mutter Zeangirs
  • Achmet: Bediensteter Solimanns, Vertrauter Roxanes
  • Solimann: Sultan, Vater Mustaphas und Zeangirs
  • Mustapha: Sohn Solimanns
  • Sklaven Solimanns
  • 12 Tänzerinnen, Sklavinnen Solimanns
  • 12 Musikerinnen, Sklavinnen Solimanns
  • einige Tartaren
  • Schahriar
  • Raschid
  • Omar
  • Abubeker
  • Sadi/Zadi
  • Ali: Derwisch
  • Zeangir: Sohn Roxanes und Solimanns

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Aktuelle Seite

 
19
11*I
Tieck 7, 4

Roxane

Trauerspiel in 3 Akten

(Anfang fehlt)

Tiecks Hand.

Kommentare

1 Die Signatur „19“ verweist auf ein von Rudolf Köpke erstelltes Nachlassverzeichnis, vgl. Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, NL Tieck 8, Mappe 5

2 319
1
Sie scheuchte jeden Sklaven=
  wunsch aus meinem Herzen –
Der, Bis auf den Grund will
   ich der Ehre Becher leeren;
Die Schönheit wird von mei=
  nen Wangen fliehen,
Die Liebe Solimanns wird
   einst erlöschen, –
Bezahlen soll die Ehre jede
   Freude
Der ich entbehren muste. –
   Ha, der königliche
Gedanke, da zu stehn, zu allein
   zu stehen auf
Der höchsten Spitze, wo den
   schwachen Solimann
Der Schwindel faßte, –
   wo tief unter mir

Kommentare

2 Die ersten Blätter des Manuskripts sind nicht erhalten. Der überlieferte Dramentext setzt in der drittletzten Szene des ersten Akts ein.

3 Die Signatur „19“ verweist auf ein von Rudolf Köpke erstelltes Nachlassverzeichnis, vgl. Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, NL Tieck 8, Mappe 5

Am harten Felsen sich
   die Woge des
Gesetzes bricht, wo ich da=
  stehe angebetet
Von tausenden, und wie
   die Sonne angestaunt;
Hinauf! hinauf zu die=
  ser Höhe! – wer
Hält mich zurück am Sau=
  me meines Kleides? –
Der Knabe Mustapha? –
   Hinab mit dir vom Felsen!
Nun klimm ich froh und
   frei zur steilen Höh hinauf,
2
Berauschender Gedanke, wenn
   in meiner Hand
Das So Glück als Unglück, Tod
   und Leben liegt,
Wenn ich der Allmacht gleich
   mit einem Winck
Aus dürren Steppen Paradie=
  se rufe,
– oder: In dürre St. P. r.
Auf mein Geheiß sich Fel=
  sen nieder senken;
Wenn auf ein einzig Wort
   die Ketten schnell
Vom Arm des Sklaven
   fallen, und er, wie
Ein Stern sich aus demr
   Meere Tiefe hebt und bald
Hin an des Himmels Wölbung
   steigt; – wenn sich
Vor mir der Stolz im Stau=
  be krümmt; es ist
Beschlossen! – Ja, er
   sterbe!
Dieser Monolog ist sehr gut, ich vermiße
ungern [Winke] über die Declamation
[mancher] Stellen, die nur durch sie gehoben
und ins Licht gestellt werden.
[1. AKT, VORLETZTE SZENE]
Achmet. Roxane.

         Roxane.
Nun du Vollführer meiner
Plane, gedenke unsrer
Abrede.

         Achmet.
Ich gedenke ihrer, die
3
die Knospen sind aufgebro=
chen, der Baum blüht, ehe die
Sonne zwei mahl untergeht
ist die Frucht gereift. –

         Roxane.
Ich muß zum Sultan, leis da=
hin schmiege dich noch in das
Joch der Knechtschaft, dann
sollst du dein Haupt über
alle em stolz empor heben.
(sie geht ab.)
[1. AKT, LETZTE SZENE]

         Achmet.
Geh, thörigtes Weib! –
Noch bin ich dein Sklave,
weil an deinen Wün=
schen [Wünschen] sich die meinen
ketten, du glaubst ich bin
ein Verräther zu deinem
Vortheil, ha, wie wirst
du staunen, wenn die
Zukunft die neue Son=
ne heraufführt, wie
wirst du zurückstarren,
wenn du mich schon den Thron
schon von mir eingenom=
men siehst, den du be=
steigen willst. – O
der Thoorheit! Ein Bö=
sewicht vertraut dem
andern!
So von sich selbst?
In diesem Akt ist alles gut ausein-
ander gesezt nur wünscht man mehr von
dem Auftrag der Rox. an Achmet zu
wißen, auch steht Must. Gefangen-
schaft so ohne Motiv und unwahrscheinlich
dar.
(geht ab)

Ende des 1st. Akts.
4
Zweiter Aufzug.
[2. AKT, 1. SZENE]
(Garten des Raschid.)
[...]

         Schahriar (klettert
über die Mauer des Gartens.)

Werd` ich denn hier nun end=
  lich etwas finden? –
Verderben dem, der sich mir
   widersezt! –
Ich bin allein. – (indem er
   sucht.
)
Nichts als verdorrte Blüthen;
Nicht eine ungereifte Frucht
   an diesen Bäumen: –
Ha! – endlich find’ ich hier noch
   eine Cokus nuß; Anannas;
Zwar ganz verwelkt, –
   doch schnell damit zurück.
[2. AKT, 2. SZENE]
Schahriar. Raschid.

         Raschid.
Wer bist du?

         Schahriar.
  Die Verzwei=
  flung! laß mich gehn
Mit dieser Frucht, ich irrte
   schon seit vielen Stunden
Durch Gärten, eh’ ich diese
   endlich fand, –
Laß mich, ich wage heut für
   einen dürren Zweig
Der Hungrige für einen dürren Zweig? –
Mein Leben! Zurück, beim
   Barte des Propheten
5
Du, oder ich!

         Raschid.
  Oh Bruder geh
   in Frieden,
Ich theile meinen Vorrath
   gern mit dir.

         Schahriar.
So will ich izt zu meinem
   Vater fliegen,
Er ist gerettet wenn ich
   ihn noch lebend finde.
(er steigt zurück über
die Mauer.
)
[2. AKT, 3. SZENE]

         Raschid.
Sein Vater? – O, der jam=
  mervollen Zeit!
O Solimann! Auf dein Haupt
   jeden Fluch
Des Himmels, über dich Ro=
  xane jedes Winseln
Der Sterbenden, das Angst=
  geschrei der Kinder,
Den stummen Schmerz
   der Mütter, über euch
Die Flüche aller die der
   Hunger mordet,
Indeß ihr schwelgend euren
   Gaumen kützelt,
Indeß euch Flötenton und
   Mädchenlieder chöre
In Schlummer wiegen, indeß
   sich mancher Unterthan
6
Auf seinem Lager lechzt nach
   einerm Frucht Bissen – –
Er bringt dem Vater eine
   dürre Frucht?,
Von Schnekken selbst ver=
  schmäht? – Wenn [...][...]
[2. AKT, 4. SZENE]
Raschid. Schahriar.
(Schahriar kömmt über
die Mauer zurück.)


         Raschid.

  Was ist dir? Sprich!
Du blickst so starr? – Ha!
   Du bist fürchterlich!
Es zittert deine Hand, Schweiß
   steht auf deiner Stirn,
Du wankst – ; sprich Freund,
   was ist dir? sprich?

         Schahriar.
Er war nicht mehr!

         Raschid.
  dein
   Vater?

         Schahriar (weinend)
  Ha! Er war schon tod.
Was wiegt das Leben ei=
  nes Menschen einem Sultan?
Was liegt dem Herrscher an
   den Einzigen ? –
O sieh, ich habe nie geweint,
   dies sind
Die ersten Thränen die aus
   meinen Augen fliessen,
O Solimann – –
7

         Raschid.
  O trockne diese Thränen.

         Schahriar.
Hier ist die Frucht nach der mein
   armer Vater lechzte;
(er wirft sie hin.)
Verflucht sei dessen Mund[...] der
   sie berührt: –
Du kanntest Amureth – –

         Scha Raschid.
  den tapfern
   Krieger der
In funfzehn Schlachten siegte,
   welcher funfzehn Narben
Auf seiner Stirn’ in seinem
   Nakken trägt.

         Schahriar.
Er war ein grosser Mann!
   Er blutete
Fürs Vaterland und seinen
   Herrscher, furchtlos stürzte
Er sich in jegliche Gefahr, sein
   Name ward genannt, –
Und dieser Amureth – und die=
  ser ist mein Vater[!]
Er ist? – Was sprech ich da? –
   Er war; er war
Mein Vater! – dieser undank=
  bare Solimann
Versezte ihm zu seiner Nahrung
   wenig Brod,
Statt alles Ruhms für seine
   viele Siege,
Statt alles Lohns für seine
   tiefe Narben
8
Starb er den Hunger[s]tod –
   so lohnen Könige!
O wie mein heisses Blut zu
   meinem Herzen strömet ,
Wie alle Adern schwellen,
   tausend Rachgedanken
Durch meine Seele fliegen –

         Raschid.
  Meine Freunde kommen!
[2. AKT, 5. SZENE]
Raschid, Schahriar.
Abubeker. Omru.Omar.


         Raschid.
Seid mir willkommen
   meine werthe Gäste. –

         Omar.
Wer ist der fremde Mann?

         Raschid.
  Ein neuer Freund.

         Abubeker.
Sei uns gegrüßt o Fremdling[!]

         Schahriar.
  Was beschließt ihr?

         Abubeker.
  Rache!

         Schahriar.
So seid ihr alle mir gegrüßt,
   ha! Rache! Rache! –
Wir wollen [vollgewogne]
   Rache nehmen,
An Solimann und seiner
   Gattinn. – Amureth
Das Blut von Tausenden soll
   auf dein Grabmahl fliessen!
9
Nein, länger wollen wir nicht
   tragen dieses Joch
Das uns entehrt; und sollen
   wir nun einmahl sterben,
So ist der Tod im Kampf vom
   Arme eines Manns
Willkomner mir, als dieses
   schändliche
Hinsterben, gleich den weit=
  verirrten Bienen
im Winter, und wenn
   Amureth so starb
Welch ander Schicksal kann
   dann jeder andre hoffen? –
Wezt euer Eisen, nur ein
   Mensch ist Euer Herrscher,
Er ist der Gottheit falscher
   Stempel, er vergißt
Er trägt den falschen Stempel
d. G.
Im Arme seiner Gattinn
   unser, – nieder
Mit diesem Schändlichen!
   stürzt ihn vom Thron herab!
Und lasset Mustapha die
   Stufen dann betreten,
Auf welche izt der Fuß des
   schwachen Vaters geht; –

         Raschid.
Es sind noch viele unsrer
   Freunde,
Die unsrer harren – werfet
   izt sogleich
Von euch, Gehorsam, Pflicht,
   und Königsliebe,
Wir waren seine treue
   Unterthanen, er
10
Zerriß zuerst den göttlichen
   Vertrag
Vom Blute seines Volckes un=
  terschrieben; –
– Mit dem
Jezt steht das heilge Recht auf
   unsrer Seite,
Laßt nicht “Empörung“ unser
   Bündnis schelten,
Das ganze Volk denkt so wie
   wir, wir stehen da
Im Namen dieses ganzen Vol=
  kes, Gott
Vertrauet unsrer Hand sein
   rächerisches Schwerd,
Wir kommen Solimann des
   Thrones zu entsetzen.
Izt wollen wir die Fesseln
   Mustaphas zerbrechen,
Dann in den Pallast stürzen.

         Schahriar.
  Und das Blut
Des Solimann soll auf m
   mein Schwerdt dann fliessen
Als Todtenopfer meinem
   Vater. – Kommt!
(sie gehn ab.)
[2. AKT, 6. SZENE]
(Pallast.)

Roxane. Achmet.

         Roxane.
…Nichts mehr! – Es kann, es
   wird, es soll so sein!
11
Es schickt zum Derwisch Ali
   dich der Sultan,
Von ihm die Zukunft zu er=
  forschen, du
Giebst ihm das Geld und schnell
   wird er
Er den Ausspruch geben den
   die Sultanin [verlegt].

         Achmet.
Wenn er sich weigerte –

         Roxane.
  das
   wird er nicht,
Wie stolz wird ihn schon der
   Gedanke machen,
Ein Freund zu sein, der
   Königinn, ein Freund
falsche Inversion
Dem sie vertrauet die ge=
  heimsten Plane,
Eben so.
O willst du einen Priester
   fangen, knüpfe nur
Ein Netz aus Geld und Stolz.
   – Ist dieser Plan vollbracht
Dann jauchze laut, dann wol=
  len wir uns freuen wie
Der Wandrer der sich in der
   Nacht im Wald
Verirret, wenn die Sonne
   durch die schwarzen
Gebüsche funkelt – Musta=
  pha muß fallen,
So lange er dasteht, darf
   ich noch nicht
Mein Haupt erheben, –
   aber ist er fort
12
Dann steh´ ich frei und grei=
  fe stark und groß
Zur Sonne, mich mit ihrem
   Glanz zu krönen:
ein ubergroßes Bild.
Dann sollst du neben mir
   in höchster Würde prangen,
Wenn Solimann in kühler
   Erde ruht – –
Gedenke deines Schwurs! –
   Er kömmt!
[2. AKT, 7. SZENE]
Vorige. Solimann.
Mustapha. Sadi.


         Solimann.
Jezt ist die Stunde abzurei=
  sen da,
Geh Achmet zu der Höle die=
  ses Derwisch
Er muß vor unsern Augen
   heben
Der Zukunft Vorhang, Sa=
  di geht zum Heer
Der Feinde, bietet ihnen Frie=
  den und Geschenke: ich
Entlasse Euch in Frieden, geht
   zum Werke.
(Achmet und Sadi verbeugen
sich und gehn ab.)
[2. AKT, 8. SZENE]
Solimann. Roxane.
Mustapha.

         Solimann.
Der heutge Tag, in Freu=
  den sei er hin gebracht,
Gezwungne Wendung
Ein prächtig Gastmahl wer=
  de zubereitet!
(er klatscht, eine Menge Skla=
ven erscheinen
.)
Ist das persische National-
Sitte?
13

         Solimann.
Die Tafel zubereitet! –
   Tänze und Gesang!
(Die Sklaven bereiten eine
kostbare Tafel.)


         Mustapha.
O Himmel! soll von neuem
   heut die Schwelgerei beginnen!
Der Feind droht stets die Mau=
  ern zu bestürmen,
Der Hunger tödtet die Bewohner
   dieser Stadt,
Und Solimann schwelgt fort
   auf seinem Throne,
Er achtet di nicht die Klagen
   der verlaßnen Waisen,
Die elternlos um wenig
   Nahrung wimmern.
(Zwölf Sklavinnen erscheinen,
zum Tanzen, zwölf andre mit Theorben
worauf sie spielen, und dazu singen.)
(Solimann sezt sich zur
Tafel, Roxane neben ihm.
)
(Sklaven stehn im Hin=
tergrunde zur Bedienung.)

         Mustapha.
Wenn mancher viele deiner Un=
  terthanen nur
Den zehnten Theil des Ue=
  berflusses hätten
Der hier auf deiner Tafel
   prangest.

         Solimann.
  Still!
Laßt die Theorben klingen!
   fangt die Tänze an!
Nur Freude stehe heut zu
   unsrer Seite,
Laß morgen uns von Unglück
   sprechen; doch
14
Warum willst du dich denn
   nicht zu uns setzen.

         Mustapha.
Verzeihe Sultan! Mir ist
   Ich bin heut sehr schlecht zur Freude
Gestimmet – –

         Roxane.
  Erlaube, wenn dein
   lieber theurer Sohn
  O laß ihn Solimann,
   da du
In seine Hände s deinen
   Scepter gabst,
Auch itzo seiner Freiheit
   sich bedienen.
(Die zwölf Sklavinnen
stellen sich auf die eine
Seite der Tafel und tanzen,
die andern übrigen spielen
auf der andern Seite auf den
Theorben und singen.
)
Die Sonne glänzt am Himmel
Geschmückt mit tausend Strahlen,
der Mond beglänzt den Himmel
Mit sanftem Silberscheine,
So glänzt der edle Sultan,
So seine schöne Gattinn.
Sie schlingt sich um den Starken
Wie Rosen um die Eiche,
Ein nicht nationales Bild.
Ihr schönes Auge gleichet
Der Luft Azurgewölbe,
Ihr Antlitz gleicht den Lilien
Auf welchem Purpurrosen
Sich spiegeln, ihre Zähne
Sind Perlen, von Rubinen
Umfaßt, die Augenbraunen
Sind Bogen, welche Pfeile
Ins Herz des Sultans schiessen;
Die Einfassung der Reize
Der Rahmen zum Portrait?
Ist holde Engelsanmuth. –
Dein Pallast Sultan gleichet
15
Der Pracht des Morgenhimmels.
Dieser Gesang müste in Rücksicht
auf die Ideen und ihren Gang
weit mehr nationales haben, und
dabey doch nicht ohne Bezug auf
die jetzigen Umstände seyn.
(ein Geräusch aus der Ferne.)

         Mustapha. (vor sich)
Welch ein Getöse gleich den
   fernen Meereswogen.

         Gesang.
Und tausend goldne Stimme Sterne – –

         (Stimmen (von aussen.)
  Nieder! Solimann! Roxane!

         Solimann.
Was ist das?

         Mustapha.
  Aufruhr!

         Solimann.
  Ha, wer
   wagt so frevelhaft – –

         Stimmen.
Gieb Brod, uns! Brodt!

         Solimann.
  Ha! lau=
  ter, lauter schlaget die
Theorben daß der Klang
   dies wilde Tosen
Betäube! – ihr gehorcht nicht!
   spielt befehl’ ich!
(die Sklavinnen und
Sklaven entfliehn.
)
[2. AKT, 9. SZENE]
(Man hört einige Thüren zer=
brechen; dann stürzen herein
:)
Raschid, Schahriar, Abu=
beker
, Omar, andre Tartarn.

         Schahriar.
Wo ist der feige Solimann?

         Solimann.
  Ha
   Sklaven!
Ihr wagts also es so in den Pallast
   zu dringen?
Wozu die Frage, da sie dasind.
16

         Schahriar.
Mein Schwerdt soll deine [Zunge]
   lähmen!

         Mustapha.
  Ha! Zurück!
Wer wagt es seine Hand zu
   strekken gegen
Den Sultan? Wollt ihr Gott
   durch diesen Frevel
Noch mehr erzürnen? – Ihr
   zieht Eure Schwerdter,
Und schämt Euch nicht dem Sul-
   tan selbst zu drohen?
Ihr Sklaven die ihr vordem
   kaum mit scheuem Blick
Ihn anzusehen wagtet, woher
   [euch] die Kühnheit
Daß ihr wie Sieger sprecht,
   vor denen Solimann
Sich beugen muß?

         Schahriar.
  du sprichst
   verwegen, aber nieder
Auch du, der diesem schwachen
   Sultan fröhnt!

         Raschid.
Unglü klicher! Zurück mit dei=
  ner Hand!
Du sprichst mit Mustapha.

         Mustapha.
  Was
   wollt ihr, was
Berechtigt Euch so frech hier
   aufzutreten?
Ihr fürchtet nicht den Fluch
   des Allerhöchsten,
Der seinen schwersten Don-
   ner dem bestimmte
Der seine Hand erhebet ge=
  gen seinen Herrscher.
17
Mein Vater hat sein gros=
  ses Amt auf mich gelegt
Ich stehe hier an Gottes statt
   und frage euch
Was ihr hier wollet?

         Omar.
  Brod! Die
   ganze Stadt ruft laut
Um Brod, am Wege sitzend
   weinend kleine Kinder
Und bitten Brod von dem Vor=
  übergehnden.

         Mustapha.
Ihr Sklaven traget einge
   dieser Schüsseln
Hinaus vertheilt sie den
   Verschmachtenden! –
Warum steht ihr so bleich ihr
   Sklaven,
Ihr tha sprachet anfangs,
   als wenn ihr mit eurer Hand
Das Reich [umfastet], jezt seid
   ihr so kleinlaut.

         Omar.
Verzeihe uns.

         Schahriar.
   Ihr Ich bitte nicht
   Verzeihung.
Kannst du den Amureth ins
   Leben rufen,
Kannst du mir meinen Va=
  ter wiedergeben?

         Mustapha.
Steckt Eure Schwerdter ein!
   beim Barte des Propheten
Der kehret nicht von hier,
   der noch mit Trotzen spricht.
18
Wenn ihr Verwegenheit zu
   dieser That besizt,
Wenn ihr noch Muth im Herzen
   tragt, und Kraft
In eurem Arm, warum wollt
   ihr die Kraft
Anwenden eure Stadt noch
   mehr durch innern Zwist
Zu stürzen, ihre Strafe noch zu
   mehren
Da schon der Höchste seine strenge
   Hand
Voll Strafen über sie dahin=
  streckt? Seid ihr muthig,
So stürzt mit mir ins Heer
   der Feinde, die
Die Stadt belagert halten, plün=
  dert ihre Läger,
Die überflüssig alles haben
   was ihr wünscht.
Da lenket hin die Wuth –
   seid ihr entschlossen?

         Alle.
  Ja. –

         Mustapha.
Es ist izt Abend, zum Gebeth
   die Zeit,
Geht zur Moschee, und flehet
   Sieg vom Himmel,
Wenn dann die Sonne aus
   dem Meere steigt,
Dann Erwart' ich euch zum
   Kampf. Ihr wagtet euer Leben
Schon hier, auf wagt es dort,
   zum Nutzen eurer Stadt
19
Und Eurer selbst – izt
   geht.
(sie gehn ab, Mustapha folgt
ihnen.
)
Diese Scene veranlaßt folgende
Fragen: Was spielt Soliman̄ für eine
unwürdge Rolle? Was sollen Mu
staphas Rodomontaden? Warum
droht der muthige mit der Strafe
der Goetter? Die muß er in seinem
[Arme] fühlen. Eine [schoenre] Wen-
dung wäre es gewesen, wen̄ Mu
stapha gleich anfangs seinen
Entschlus mit den [Aufruhrern] ins
feindliche Heer zu dringen, ihrem
Entschluße untergeschoben hatte. –
Warum verstum̄t Roxane so ganz
und – läuft doch nicht davon?
[2. AKT, 10. SZENE]
Solimann. Roxane.

         Solimann.
Bei Gott! mit solchem Feu=
  er sah‘ ich ihn
Noch nimmer sprechen, alle
   diese Frevler traten
Mit Ehrfurcht schnell zurück,
   die meiner Stimm Rede
Und meines grauen Bartes
   spotteten.
Der Himmel seegne ihn und
   laß ihn lange herrschen.

         Roxane.
Sehr gut, daß du das Dia=
  dem freiwillig
Ihm gabst, vielleicht – ihn
   ehrt der niedre Pöbel,
Hätt’ er es sonst mit eigen=
  mächtiger Gewalt
Sich auf das Haupt gesezt,
   sahst du wie freudig er
Das Ruder heut aus deinen
   Händen nahm,
Wie eigenmächtig ließ er
   unsre Speisen uns
Vom Tische nehmen, er aß
   nicht mit dir,
Er ließ läßt dich hier, und folgt
   den Sklaven.
20

         Solimann.
   Nein,
Roxane nein, die Worte
   kamen nicht
Aus deinem Herzen. Musta=
  pha ist edel,
Schwang er seinen Schwerdt
   nicht gegen jenen wilden Tartar
Der schon mein Haupt zu
   spalten drohte? – Nein,
Er liebt mich, wende meine
   Schwäche,
Nicht so an, daß ich Mustapha
   einst hassen,
dunkel.
Beim Himmel, ja, ich liebe
   dich so sehr
Daß du mich alles glauben machen
   könntest,
Doch dieser Argwohn kam
   aus deinem Herzen nicht.
[2. AKT, 11. SZENE]
Vorige. Mustapha.

         Mustapha.
Die ganze Stadt ist nun
   beruhigt, alle
Sind wieder zu der Pflicht
   zurückgekehrt;
[2. AKT, 12. SZENE]
Vorige. Sadi.

         Mustapha.
Nun hat der Feind den
   Frieden angenommen?

         Sadi.
Er schickte mich mit Hohn
   zurück.
21

         Mustapha.
Nun wohl, so soll mein
   Schwerdt, wenn morgen
Die Sonne sich erhebt, be=
  strafen
Idem per idem.
Den Hohn: – und wenn ich
   sterbe will
Ich wenigstens rühmlich ster=
  ben.
ist Nichts gesagt.
(sie gehn ab.)
[2. AKT, 13. SZENE]
4
(Die Höle des alten Der=
wisch Ali, es ist Nacht, eine
kleine Lampe erhellt die
Finsterniß; man hört dern Sturm
brausen.
)

         Ali, ein Greis von
neunzig Jahren, sizt in seiner

Kommentare

4 Am Blattrand befindet sich eine rötliche Markierung, vermutlich von A. Hauffen, der Teile des folgenden Monologs transkribiert hat, vgl. Hauffen 1887, S. 319f.


          Höle, sein Bart reicht
fast bis auf die Knie.
)
Wie furchtbar saußt der
   Sturmwind durch den Wald,
Ein Donner rollt ihm nach,
   als wollt er ihn ereilen. –
Heut Die Zeit schließt heute
   schon mein neunzigstes
Jahr, morgen fängt ein 5
   neues Lebensjahr
Das hunderte schon an. –
   Wie schnell bin ich
Die Zeit durchflaufen, wie
   flög mir
Die goldne Knabenzeit vor=
  über, wie
So schnell das ros’ge Jüng=
  lingsalter,

Kommentare

5 Markierung Wackenroders am Blattrand, wahrscheinlich ein Hinweis auf die metrische Unstimmigkeit im Dramentext, der an dieser Stelle nicht jambisch ist.

22
Ich ward ein Mann und Greis,
   und immer ist mir noch
Als hätt‘ ich gestern erst auf
   dieser Flur gespielt.
Mein ganzes langes Leben
   steht vor meinem
Gedächtniß wie ein Traum;
   wie waren alle
Die Freuden denn nicht wirk=
  lich, all die Leiden?
Wie konnte ich mich freuen?
   Warum trauern?
Was hat so wichtigen Gehalt
   in dieser Sterblichkeit,
Verdiente etwas wohl des
   Lächelns, einer Thräne?
Ich sehe auf mein ganzes
   Leben jezt hinab
So wie der Pilger an
   dem Grabe des Propheten
Den Weg hinunterblickt, den
   er vollendet hat. –
Mir ist als spräche eine inn=
  re Stimme,
Der heutge Tag ist mdeines
   Lebens Grenze. –
Wie? Waren nun die Freu=
  den dieses Lebens
Die wie ich ein Rauch ver=
  schwanden meines Daseins Zweck?
Hätt ich mein Leben an der die
   Zeit verspielt,
Was heist das?
Empfänd’ ich heut zum lezten=
  mahle den
Gedanken, daß ich bin? –
   Wozu der hohen Kräfte
23
Wozu der heissen unbegränz=
  ten Wünsche?
Warum gab er, aus dessen
   Hand wir gingen,
Nur unserm Geiste so viel
   Feuerkraft
Die Räthsel zu bemerken die
   er nicht mit allmächtgem Finger
und zu lösen. Hat den̄ der Derwisch
nicht die [Cunst] sie zu loesen?
Warum schikt man̄ den zu ihm.
In seine Werke schrieb? Wa=
  rum nicht auch die Macht
Sie zu errathen, wir stehn da
   und brennen
Den tiefen Sinn zu forschen
   der in ihnen liegt,
Und ewig bleibt doch alles
   nur ein Räthsel;
Wozu den Funken dieser
   Göttlichkeit,
Wenn er v erlöschen soll
   und nicht zur Flamme werden?
Freundschaft und Liebe ist
   das Band der Welt,
Ich lebe fern von Menschen,
   aber liebe jeden Baum
Der um mich grünt, und jede
   Blume die
DeIm Thale sprießt, die Liebe
   ist das grosse Rad
Das alle Räder dieser Welt
   in Thätigkeit
Versezt, die grosse mächtge Schwung=
  kraft, die gewaltig der
Sehr abstrakt im
Bilde.
Natur verborgne Kräfte
   durcheinander treibt,
24
Und er, der Ewige stünde
   da durch Ewigkeiten,
Er [sich] allein, in ewger
   Einsamkeit,
Von nichts geliebt, er selber
   nichts mit Liebe
Umfangend? – Nein, auch
   er wird darinn Wonne fühlen,
Im Glükke andrer, ja, er liebt,
   er wird geliebt –
Wohl mir! ich daure fort!
   Entzükkender Gedanke
Dahinzuwandeln über tau=
  send Welten,
Den Einklang dieser grossen
   Harmonie zu fühlen;
Die Räthsel werden sich vor
   meinen Augen lösen
Die hier mir unerrathbar
   scheinen. – Mag
Nun kommen was da will,
   wmich wird nichts mehr erfreuen
Und nichts mit Schmerzen fol=
  tern, – wie der Regen Hagel gegen
Die Seiten meiner Höle
   rasselt, wie der Sturm
Am Felsen murrt, mit fürch=
  terlichem Pfeifen
Den Fittig ausgespannt zum
   Walde rennt –
Dieser ganze Monolog hat viele
einzeln schoene Stellen, nur fehlt
ihm eine nothwendige Eigenschaft, die
Zweckmäßigkeit
. Wozu alle die
Philosoph[...] über Leben, Todt
und [Fortdauer]? Hier ließen sich
zweckmäßigere aus der Gan ganzen
Absicht warum der Derwisch besucht wird
hergenommene Ideen substituieren.
Wie? wen̄ in seiner Hoele mit
ihm ein Unterthan Solimans lebte
(es pocht)
Was pocht so grausig in
   der schwarzen Stunde
25
der dem Hunger zu entfliehen hier
her sich rettete und der dem Der
wisch durch seine Erzählung Un
heil sagte. Die Ideen uber den
Todt [haetten] sich doch anbringen
lassen und – waren nicht so lang
gesponnen.

Der Mitternacht? –
(es pocht)
  Vielleicht
   der Todesengel!
Sehr gut
Der mit dem diamantnen
   Schwerdt das Band
S. ob.
Zerschneiden will, daß mich
   noch fesselt an
Die Sterblichkeit – sei mir
   gegrüßt, ich öffne.
(er öffnet die Thür der Höle,
Achmet tritt herein, der ehr=
würdige Anblick des Greises
macht daß er einige Augen=
blikke zurückstarrt, dann
tritt er näher.
)
[2. AKT, 14. SZENE]
Ali. Achmet.

         Ali.
Du bist ein Sterblicher?

         Achmet.
   Ehr=
  würdger Derwisch,
Vergönnst du mir zu ruhen
   diese Nacht
In deine Höle?

         Ali.
   Dein sei sie bis
   der Sturm
Sich legt und du mit neuer
   Kraft
Das Ziel der Reise kannst
   erreichen.
Setz dich hieher, hier hast du
   süsse Milch,
26
Hier Datteln, iß, dann will
   ich dir
Ein Lager zubereitetn , stür=
  misch ist die Nacht,
Wie ich sie nicht in dreissig
   Jahren sah,
Eine sehr gute Schilderung, ist die
aber am rechten Orte? Achmet
hat das ja alles besser gefuhlt
als er es ihm sagen kan̄.
Der Himmel donnert und
   die Erde bebt,
Im Kampfe scheinen alle Ele=
  mente,
Das Feuer zischet durch die
   nassen Wolken,
Das Wasser geisselt laut
   die Erde, aus der Ferne
Das Murrt dumpf das Meer,
   es stürmt der Wind
Und schleudert Wetterwolken
   gegen Felsen.
Wenn diese Nacht nur nicht
   ein Unglücksbothe ist.

         Achmet.
Die Würde die dich kleidet,
   dieser Ernst
Auf deiner Stirn und meine
   Ehrfurcht sagten mir
Beim Eintritt schon daß du
   der Derwisch Ali seist.

         Ali.
Dies ist mein Nahme.

         Achmet.
   Wie glük=
  lich bin ich izt
Den Mann zu sehen, dessen
   Anblick ich
So lange wünschte, welchen den
   jeglicher mit Ehrfurcht nennst.
27

         Ali.
O still, in meine ruhge Höle
   darf
Die Schmeichelei nicht mit dem
   Fremdling kommen
Der mir willkommen ist.

         Achmet.
   Du bist der weisteste,
So spricht das ganze Land, die
   Zukunft die vor jedem
Wie schwarze Mitternacht in
   tiefer Ferne liegt,
Umgekehrt, wie weite Ferne
in schwarzer Mitternacht
Steht vor dir da, ein nahge=
  legner Hügel
Vom Strahl der Mittagssonne
   hell. Du kannst
Du kannst es les Die Feuerschrift
   am Himmel lesen, wo
Der Allmacht Hand von Ewig=
  keiten her
Auf tausend künftge Ewigkeiten
   schrieb
Des Schicksals unzuwandeln=
  den Entschluß.

         Ali.
Ich weiß nicht mehr als jeder
   andre Mensch,
Die Zukunft zieht vor meinen
   Augen sich zurück
Wie vor die Augen jedes
   Sterblichen,
Ich gab zuweilen guten Rath
   so wie
Er mir der beste schien, ich
   ahndete
Aus dem Zusammenhang der
   Dinge oft
28
Was kommen würde: –
   durch mein ganzes Leben
Sucht ich die Spur der Weisheit
   zu entdekken,
Ich wanderte schon sechzig Jahre
   auf und ab,
Ging durch verschlungne Wege,
   und kam oft zurück
Wo ich schon einmal war, nach
   sechzig mühevollen Jahren
Entdeckten ich den einzigen
   Gedanken,
Der schon im Vorgrund lag
   der Wanderschaft,
Daß ich, der viel zu wissen glaubte,
   gahr nichts wisse.
Zu bescheiden.

         Achmet.
So spricht aus deinem Munde
   die Bescheidenheit.

         Ali.
Die Wissenschaft der Sterb=
  lichen ist Nichts,
Besteht sie nicht aus Zweifeln,
   dunkeln Ahndungen,
O nenne mir nur eine
   Wahrheit die ein Mensch
Ersann, die fest und un=
  umstößlich ist.

         Achmet.
Du weist das Ziel von mei=
  ner Reise,
Ein zu rascher Uebergang.
Die Königinn, die schöne
   Sultaninn
Roxane sendet dir durch mich hier
   tausend
Zechinen –

         Ali.
   Mir? Wozu?
29

         Achmet.
   Um – wohl=
  zuthun,
Und bittet dich um deine
   Freundschaft.

         Ali.
   Was
Kann ihr die Freundschaft
   eines Greises helfen der
Vielleicht nicht mehr die Son=
  ne auf gehn sieht.

         Achmet.
Die Pest verzehrt das Land,
   der Krieg und Hunger
Die Stadt, der König schickt
   mich zu dir
Zu forschen wie dies Unglück
   sei zu enden; –
Der Sohn des Königs – höre
   meinen ohne Zürnen,
Er wird das Land einst in
   Verderben stürzen.

         Ali.
Er? – Solimann? Mustapha? – der
   Sohn des Solimann?

         Achmet.
Ja denn Roxane hat ge=
  schworen bei
Dem Grabe des Propheten,
   daß Zeangir nur
besser als beym Bart.
Ihr eigner Sohn den Thron
   besteigen soll;
Er wird dies nimmer dulden
   dieser stolze
Mustapha, den das Volk ver=
  achtet, und Zeangir
Geliebt vom Vater und vom
   Volke angebetet
30
Wird sterben; – darum schiccte
   mich die Königinn,
Du solltest sage daß der Him=
  mel fordre
Den Tod des Mustapha – –

         Ali.
   Halt ein!
   Unglücklicher!
Den Tod des Mustapha? Den
   ich so innig liebe,
Den ich als Knabe auf den
   Armen wiegte,
Der sollte sterben und durch
   mich? – O Frevler!
Wär’s Sünde nicht die Gast=
  freiheit zu brechen,
So duldete ich dich nicht länger
   hier,
Ich stiesse dich hinaus in
   Sturm und Wildniß
Dich möchte dann der umge=
  rißne Wald zerschmettern,
Du möchtest dann die Beute
   werden wildem Thiere – –
Doch Gastfreiheit befahl durch
   unsern grossen
Propheten Gott, sie ist
   mir unverlezlich
Darum vergeb’ ich dir.

         Achmet.
   Du wil=
  ligst nicht
In meinen Vorschlag?

         Ali.
   Bö=
  sewicht,
Ich wandelte bis jezt den
   Weg der Tugend,
31
Nun an [dem] Grenzstein die=
  ses irrdschen Lebens
Am Rand’ der Ewigkeit
   sollt’ ich zurükkeh kehren,
Und auf den Pfad des La=
  sters gehen? – Nein!
Und könnt’ ich auch noch vie=
  le Jahre hoffen
Und würde durch dies Bu=
  benstück mein Leben
Verjüngt, und trügest du in
   deiner Hand
Die Schätze Indiens, ich würde
   mit Verachtung
Dich von mir weisen.

         Achmet.
   Trotze
   nicht so sehr!
Wozu des nichtigen Orakel=
  spruchs
Aus deinem Munde? – Ich
   besitze das
Vertrauen Solimanns,
   wie leicht
Ist es, daß ich den Ausspruch
   selbst erfinde
Den du mir hättest geben
   sollen.
Ali (greift schnell nach
seinem Stabe und steht
auf.
)

         Achmet.
   Was
Beginnst du?

         Achmet. Ali.
   Schnell will
   ich durch Sturm und Nacht
32
Zum Ruhelager Solimanns
   hinstürzen
Und meinen Achmet Mu=
  stapha vom Tode retten.
(er öffnet die Thür)

         Achmet.
Zurück!

         Ali.
  Du bist zu kraftloß
   mich zurück zu halten,
Ich fühle Jünglingskraft in
   meinen Armen.

         Achmet.
Zurück damit ich nicht ver=
  gesse wer
Du bist – –

         Ali.
   Ich bin ein Mensch,
   der bist du nicht.
Sehr schön, wenn die folgenden
Zeilen gestrichen werden.
Dich hat bei der Geburt schon
   die Natur
Verwahrlost, sie gab dir ein
   eisern Herz
Und überstrich es mit dem
   Gift der Bosheit; –
Zurück da von der Thür! –

         Achmet.
   Bei Gott! Du kömmst
Hier nicht von hinnen –

         Ali.
   Ha! ich muß!

         Achmet (zieht einen
Dolch hervor
)
  Greis! Zittre!

         Ali.
Ich zittre nicht, hier ist
   mein Bus Herz,
33
Stoß tief den Dolch hinein!
   Du hältst mich nicht zurück!
Beim Hoffen meiner See=
  ligkeit ich muß hindurch!

         Achmet (in wilder Wuth)
Ist hier ein andrer Weg? –
   Wo ist er? –
Er sterbe, dieser Lebenss sat=
  te Greis!
(er ersticht )ihn)

         Ali, (fällt)
Ich muß zu Mustapha!
Jezt noch? E[...]twa als Geist?
(er stirbt)

         Achmet.
Welch ein Gefühl schwellt
   auf zu meinem Herzen?
in.
Wie? Ist dies Reue? –
   Welche blutge That
Hab ich begangen? – Wie
   er daliegt! –
Er lächelt, – mir? – den
   Hoffnungen
Der Seeligkeit! – Wie? –
   Ist der Tod so sanft?
Werd’ ich auch einst so süß
   entschlummern? – Nein!
Auf meinem Todbett’ wird
   die Hölle mir
Entgegenstrecken ihre dür=
  ren Arme –
Wie gräßlich krächzt die Eu=
  le aus dem Walde,
34
Wie winselt um die Felsen=
  kluft der Wind – –
Der todte Körper regt sich!
   er steht auf – –
Hinweg! Hinweg! – O weh
   mir Unglückseelgen!
(Er stürzt hinaus.)
Ende des 2ten Akts.

6

Kommentare

6 Hier findet sich eine rötliche Markierung, vermutlich von Adolf Hauffen, der Teile des obigen Monologs transkribiert hat, vgl. Hauffen 1887, S. 319f.

D r i t t e r A u f z u g.
[3. AKT, 1. SZENE]
(Platz vor dem P
in der Stadt.)

         Schahriar (geht auf
und ab.
)
Die träge Sonne kömmt
   noch nicht hervor!
Reiß sie herauf du stürme=
  rischer
Ostwind!
Ein neues Adjectiv.
O könnt’ ich doch den Stunden
   Flügel leihn!
Wie schleicht die Zeit, wenn
   man auf etwas hofft
Das man sich wünscht, wie
   stürzet sie vorüber
Wenn man ein Unglück
   fürchtet. – Immer noch
35
Liegt Stille auf die Stadt und 7
   graue Dämmerung; –
Die Stürme sind entflohn, die
   Donner hinter
Den Bergen in das Thal gerollt,
   die diese Nacht
Die Welt aus ihren Angeln 8
   heben wollten. –
Der erste rothe Streif! –
   herauf o Sonne!
Führ uns zur Schlacht! im Blut
   der Feinde will
Ich mich berauschen, meines Va=
  ters Tod vergessen.
vergeßen?
[3. AKT, 2. SZENE]
Schahriar. Raschid.

         Raschid.
Ich treffe schon den wilden
   Schahriar?

Kommentare

7 Markierung Wackenroders am Blattrand als Hinweis auf den grammatikalischen Fehler („Liegt Stille auf die Stadt“).

8 Markierung Wackenroders am Blattrand, vermutlich als Hinweis auf eine inhaltliche Kritik an der verwendeten Metapher („Die Welt aus ihren Angeln heben“).


         Schahriar.
Ich war schon hier als noch
   der Morgenstern
Im Schoß des Meers ruhte,
   ach, ich konnte
Nicht schlafen, immer war’s
   als hört’ ich noch
Das Winseln meines Vaters,
   über den
Sich Tod und Leben stritten.
   Wo bleibt Mustapha?

         Raschid.
Dort kommen unsre
   Freudennde, allen strahlet Muth
Aus ihren Augen – Seid
   uns hier willkommen!
[3. AKT, 3. SZENE]
Vorige. Omar. Abube=
ker.
Viele andre Tartarn.
36

         Abubeker.
Wo ist Mustapha? –

         Raschid.
   Dort seh’
   ich ihn kommen
Im Glanz des Morgenroths.

         Alle.
   Zur Schlacht! Zur Schlacht!
[3. AKT, 4. SZENE]
Vorige. Mustapha.

         Mustapha.
Seid ihr schon hier Gefährten?
   – Seid ihr alle
Bewaffnet?

         Raschid.
  Alle!

         Mustapha.
   Auf! stürzt
   furchtlos in den Feind!
Zu Eurer Seite [gehet] die
   Verzweiflung. –
Gut, wozu aber dann die Ermah-
nung zum Mut?
Bestehet muthig diesen Kampf
   wer fällt
Der stirbt den Tod fürs Va=
  terland, er fällt
Fürs Wohl der Brüder, mit dem
   schönsten Kranz
Wird ihm der Houris schönste
   dann entgegentreten;
Und wer aus diesem Kampfe
   lebend kehrt,
Dem folget Ruhm und Ehre
   durch sein Leben.
Die spätsten Enkel werden
   noch erzählen
Von diesem Kampf, die
   Kinder werden
37
Mit Fingern auf ihn zeigen,
   hinter ihn
Herrufen: Dieser focht mit
   Mustapha!
Ein jeder wird ihn gern er=
  zählen hören
Von dieser Schlacht, mit ehrfurchts=
  vollem Schweigen
Wird jeder stehn und hören
   wie ihr siegtet
Als Pest und Hungersnoth dies
   Land verwüsteten. –
Auf! auf! Die Ehre winkt!
   folgt ihrem Ruf!
Wer naht sich dort?
[3. AKT, 5. SZENE]
Vorige. Sadi.

         Mustapha.
   Auch du kömmst alter
   Freund,
Beneidest unsern Ruhm
   und willst ihn mit uns theilen?
O Freund, es ziemt nicht dei=
  ner alten Hand
Das Schwerdt, o wirf es weg,
   wir wollen für dich fechten.

         Zadi.
Ich kämpfte oft schon für das
   Vaterland,
Auch heute will ich, diese
   Waffen führen.
Sterb’ ich, so sterb ich doch den
   Tod fürs Vaterland,
Mein Nahme wird genannt,
   man rühmt
38
Den Sadi, der als Greis zum
   Wohl des Staats
Noch seinen Säbel schwang.

         Mustapha.
   So kommt!
Seht ihr die Ehre dort am
   Morgenhimmel
Mit ihrem Palmenzeige unter
   goldnen Wolken
Stehn? – Ha sie zeigt [uns]
   ihren schönen Kranz
Gewebt aus Sonnenstrahlen!
   Zaudert nicht!
Tod oder Sieg! – Nichts
   anders, keine Flucht,
Reißt aus des Feindes Hand
   den Zweig des Ruhms
Erringt ihn oder fa[...] auf
   väterlichem Boden.
Hinaus! hinaus! es win=
  ket euch der Feinde Lager,
Die Pracht und köstlich [zube=
  reitt'te]
Speisen!
Wer flieht dem treffe Fluch
   und ewige Verdamniß. 9
(Sie gehn ab.)
[3. AKT, 6. SZENE]
(Saal im Pallast mit gros=
sen Flügelthüren, die auf
das Meer hinausgehn, von
wo man die ganze um lie=
gende Gegend übersehen kann.
)

Roxane. Zeangir.

         Roxane.
O bleibe! bleibe Sohn! Laß
   dich von deiner Mutter

Kommentare

9 Markierung Wackenroders am Blattrand zur Anzeige eines Streichungsvorschlags bzw. einer Kritik am Ausdruck („ewige Verdamniß“).

39
Zurükke halten!

         Zeangir.
   Nein! – Horch!
   wie die Kriegstrompete
Vom Felde hallt! – horch! wie
   die Pauken donnern!
O nein! ich bleibe nicht zurück.
   der Schande!
Mein Bruder geht zum Kampfe
   indessen ich
Elender noch zum K auf
   weichen Polstern ruhe!

         Roxane.
Doch wenn er fällt –

         Zeangir.
   So räche
   seinen Tod
Mein Schwerd!

         Roxane.
   Doch wenn auch du dann
   sinkest.

         Zeangir.
   Dann
Theil’ ich mit meinem gros=
  sen Bruder doch
Ein gleiches Schicksal.

         Roxane.
   Wer soll
   dann den Thron
Besteigen?

         Zeangir.
   Wer da will!
   Was kümmert mich
Der Thron; ich eile fort, o
   könnte doch
Mein schwacher Arm den
   goldnen Ruhm herunter
40
Vom Himmel reissen!

         Roxane.
   Aber,
   lieber Sohn – –

         Zeangir.
Ich darf nicht länger weilen,
   lebet wohl!
Ich nehme izt mein schnellstes
   Roß und dann
Hinein in’s dichteste Gewühl
   der Feinde – lebe wohl!
(er geht ab.)
[3. AKT, 7. SZENE]

         Roxane.
Unglüklicher! – Du eilst hin=
  weg! In wenig Augenblikken
Zischt schon vielleicht der To=
  despfeil durch deine Brust!
Du sinkst, und alle meine
   hohen, schönen
Entwürfe scheitern hier
   an dieser Klippe. – Könnte ich,
Den Tod bestehchen! – Alle sei=
  ne Streiche
Auf Mustapha zu richten, hielte
   über Zeangir
Zeangir doch das Leben seinen
   nimmer zu=
Durchbohrnden Schild! – Da
   stürzt er hin –
O könnte ich dem Geisterreich
   gebieten
Daß Tausende sich um ihn
   sammelten,
Daß keiner diesen schönsten
   Diamant
41
Des Lebens mir aus meiner
   Krone breche! –
Wie laut das Feld vom Stam=
  pfen wilder Rosse!
Wie hallet durch die Lüfte hin
   das Schmettern
Der Kriegstrommeln! –
Roxane wird so reden, nicht
einen erfahrnen tapfern Freund
Zeangirn zum Schutz nachschicken?
[3. AKT, 8. SZENE]
Roxane. Solimann.

         Solimann.
   Ha! Die Schlacht beginnt!
Geliebte Gattinn du in die=
  sem Saale? –
Laß mich allein! – Ich bitte dich,
   laß izt
Mich nur allein, kehrt er
   mit Sieg zurück
Dann sollst Du Theil an
   meiner Freude nehmen.
Warum soll sie gehn?
(Roxane geht ab.)
[3. AKT, 9. SZENE]

         Solimann.
Dort tobet nun das Gewitter die Schlacht!
   das die jezt f wie ein
Gewitter meinen Staat
   befruchten soll. –
O läge jezt in meinem Arm
   die Kraft des Siegs,
Wie sie einst lag in Moses
   Armen, ha ich wollte
Empor zum Himmel diese
   Hände halten bis
Zum Sonnenuntergang! –
   Dort schwebet izt
42
Die grosse Wage die die
   Allmacht hält!
O lege Sieg in unsre Scha=
  le, daß die andre
Hoch auf zum Himmel fliege!
   Tausend Leben
Bekämpfen izt den Tod, das
   Feld des Unglücks wird
Mit Blut gedüngt. – O schont
   ihr Pfeile, schont
Ihr Schwerdter meines Soh=
  nes Leben, fliegtet [ihm]
Vorüber;[t] tauchet euch in An=
  drer Blut!
Sie stürzen izt zusammen,
   und wie die Sonne
Auf Von ihren Schwerdtern blizt!
   Wie Donner rollt
Das Schlatchtgetöse auf und
   ab! – Es reißt
Ein Reuter sich vom Schwarm! Herer!
   Er stürzt zurück!
Wohin? Wohin? – Er nähert
   sich der Stadt.
Ihm öffnet sich das Thor –
   was mag er wollen –
Er steigt vom Pferde –
   er kömmt hier herauf! –
[3. AKT, 10. SZENE]
Solimann. Zeangir.

         Solimann.
Ha, du mein Sohn? – Was
   bringst du mir für Bothschaft?
43

         Zeangir (ausser Athem.)
Verlohren! – Alles – ach verlohren!
   – Mustapha
Gefangen – alle fliehen –

         Solimann.
   Mustapha
Gefangen, sagtest du? –
   H Gefangen? – Sklaven!
Das soll er nicht! – (zum
   Sklaven der erscheint
)
Ich
   selbst will in die Schlacht! –
Mein Schwerdt! Den Bogen,
   meine Pfeile! –
Er muß befreiet werden,
   oder ich
Will sterben – meine Lan=
  ze und ein Roß!
(der Sklave [bringt] die Waffen.)
Ich will den Tod des Soh=
  nes rächen, – ich will sterben,
Tod! Tod! – Nicht schimpf=
  liche Gefangenschaft!

         Zeangir.
O bleibe, lieber Vater, deine
   Hände zittern,
Das Schwerdt wird deinem
   schwachen Arm entsinken.

         Solimann.
Nein! nein[!] ich bleibe nicht,
   mag immer zittern
Mein Arm, ich stürze ins
   Gefecht! – Man soll mich nicht
Hier finden und Gespötte
   treiben mit dem Greis. –
44

         Zeangir.
O rette dich durch Flucht.

         Solimann.
   Ich suche
   meinen Sohn!
Und finde ich ihn nicht mehr
   hier, such’ ich ihn dort!
Horch! – welch Getöse? –
   Welch Geschrei? – Sie sinds!
Die Feinde sind schon in die
   Stadt gedrungen! –
Hinunter! Ich will meinen
   Sohn von ihnen fodern!

[3. AKT, 11. SZENE]
(Er will abgehn und Musta=
pha tritt ihm entgegen.
)

Vorige. Mustapha. Raschid.
Omar. Sadi.

         Solimann.
Mein Sohn? Mein Sohn? –
   O komm’ in meine Arme!

         Mustapha.
Wie, lieber Vater, du in
   Waffen?

         Solimann.
   Izt
Werf’ ich sie weg, du bist
   mein Schild
Du meine Lanze! – Ach, an
   deiner Brust
Such’ ich nur Sicherheit! –
   Du warst gefangen? –

         Mustapha.
Ja, aber dieser Mann, –
   komm Raschid, –
Sieh dieser rettete mich aus
   der Hand der Feinde,
45
Ihm danke ich mein Leben
   und den heutgen Sieg.
[3. AKT, 12. SZENE]
Vorige. Roxane.

         Mustapha.
Auch dir Zeangir, dank’ ich
   izt; du rettetest
Mich vor den Streichen eines
   wilden Feindes,
Des Schwerdt mein Haupt zu
   spalten drohte.

         Roxane.
   (O
Des Thoren! Hättest du dem
   Schwerdte doch
Den Lauf gelassen, Achmet
   komm!)
Unzweckmäßig.

         Solimann.
   Heut werde
Ein grosses Fest bis durch die
   Nacht gefeiert;
Bis aus dem Meere sich die
   Sonne wieder hebt,
Tautol.
Der Ueberfluß ist in der die
   Stadt zurückgekehrt,
Die Feinde sind entflohn –

         Sadi.
   Doch liegt ringsum
Dein Staat noch von der
   Pest verwüstet; –
Wie? Sterben täglich nicht noch
   Tausende? –

         Solimann.
Unglüklicher? Warum mahnst
   du mich daran? –
Ist Achmet nicht zurück?

         Roxane.
   Noch nicht!
46

         Mustapha.
   Sobald er kömmt
Komm er sogleich hieher!

         Roxane.
(Wie eilst du deinem Tod
   entgegen.)

         Solimann.
   Dennoch bin
Ich glüklich! Denn ich habe
   meinen Sohn!
Die Stadt ist frei! Die Hun=
  gersnoth vorbei! entflohn! verjagt, geflohn!
Das Unglück ist entflohn dahin
   gleich einem schwarzen Traum!
[3. AKT, 13. SZENE]
Vorige. Achmet.

         Roxane.
(Es naht das schadenfrohe
   Nachtgespenst,
Das boshaft Eure Freude
   wird in Trauer wandeln)

         Mustapha.
Sprich schnell: – Was sagt
   dir der Derwisch
Der ehrwürdige Ali? – Wa=
  rum bist
Du den so stumm und bleich?
   Welch eine Schrekkensbothschaft?,
Hängt denn an deiner Zunge?
   Sprich sie aus!

         Solimann.
Sprich Achmet!

         Roxane.
   Rede!

         Achmet.
   Unter
   grausgen Stürmen
47
Und Klaggeschrei der Eule
   schrecklichen Vorboten
Kam ich zur Höle Alis, er
   saß da
Ein Bild der Ewigkeit, ein
   weisser Bart
Floß bis auf seine Knie
   herab, auf seiner Stirn
Saß hohe Weisheit – als ich
   in der Nacht
In seine Höle schlief, da hört
   ich Geister um
Mich rauschen, und ein ban=
  ges Wimmern durch
Die Lüfte zittern. – Schauder
   faßte mich –
Der Morgen kam, er gab
   mir seinen Ausspruch – –

         Mustapha.
Warum schweigst du? – –

         Achmet.
   O lasset
   mich verstummen,
Laßt ewig meine Zunge
   schweigen, nein –
Die Bothschaft sollen mei=
  ne Lippen nimmer sprechen!
Ihr würdet mich verfluchen
   um der Nachricht willen –

         Mustapha.
Sprich Unglücksbothe, sprich
   sie aus, die Bothschaft –

         Achmet.
Nun dann, so will ich euch des
   Schicksals Schluß eröffnen
48
Das Schicksal fordert – (auf
   Mustapha zustürzend, ihn um=
  armend
)
dich, mein Mustapha!

         Mustapha, (erstaunt, faßt
sich aber gleich
)
Wie? Mich? – Und weiter nichts?
Nur mich?
(Alle stehn erstarrt, Ro=
xane sucht ihre Freude zu
verbergen.
)

         Achmet.
   Du sollst ein Opfer sein
Dem Staat! – Du sollst dich
   von dem Felsen stürzen u
Dein Land wird glüklich sein.

         Solimann (umarmt ihn
heftig
)
Nein! – Das kann das Schick=
  sal nicht verlangen!
Reiß ihn aus meinen Armen
   wer es kann!
Wer fühlt sich stark genug
   die diamantnen Fesseln 10
Zu trennen welche Sohn und
   Vater binden?
Wer wagt es in die allge=
  waltgen Arme der
falscher Ausdruck
Natur zu fallen? – Mag
   nun doch um mich her
Mein Volck aus sterben,
   ach, ich finde unter ihnen
Ja keinen Sohn – zu lange hat
   die Vaterliebe
Geschlummert, aber nun
   erwacht sie um so stärker,
Du bist mein Sohn! Ich laß dich
   nicht aus meinen Armen!

Kommentare

10 Markierung Wackenroders am Blattrand zur Anzeige eines Streichungsvorschlags bzw. einer Kritik am Ausdruck („die diamantnen Fesseln“).

49
Wer kann den Sohn vom
   Busen seines Vaters reissen?

         Achmet. Mustapha.
Das Schicksal! – Laß mich
   lieber Vater, –
Sieh deine Unterthanen,
   jeder dieser
Ist auch dein Sohn, das Opfer
   dieses Sohns (auf sich zeigend)
Kann sie beglükken? – Du woll=
test diesen nicht
Der Wohlfarth von Millionen
   opfern? – Du
Hast schon die schwersten Pflich=
  ten eines Fürsten
Erfüllt und über an diese leichtre
   sollte stossen
Dein Fuß? – Wenn mich des
   Feinde Schwerdt
Gemordet hätte[!], – Wenn ich
   schon als Knabe
Gestorben wäre, oder wäre
   schändlich als Gefangner
Gemordet – und jezt sterb’ ich
   einen edlen Tod; –
Es war von jeher einer
   meiner kühnsten Wünschen,
Zu leben wie die Sonne, See=
  gen um mich her
Verbreitend, dann zu sinken
   so wie sie
Und Thau noch der Fruchtbar=
  keit noch auf die Flur
Gut.
Zu streuen, der Gedanke trieb
   mich in die Schaar
50
Der Feinde, izt wird dieser
   Wunsch erfüllt!
O laß mich Vater, mich dem Heil
   von Tausenden
Zu opfern.

         Solimann.
   Achmet, ist es wirk nein du lügst! Dies ist nicht der
lich der Dies es s dies fodr Beschluß des Schicksals!
Beschluß des Schicksals?
Sollte Must. Mut und Entschlos
senheit den Soliman̄ nicht vielmehr
bestärken im Glauben an die Aechtheit
des Ausspruchs?

         Achmet.
   Ja, er
   ist’s, ich schwörs
Beim Barte des Propheten, 11
   bei dem Derwisch Ali!
(Er wendet sich, der Geist
des Ali steht hinter ihm)
den hab’ ich erwartet. 12

         Ali.
Verräther! Mörder!

Kommentare

11 Markierung Wackenroders am Blattrand zur Anzeige einer Kritik am Ausdruck („Beim Barte des Propheten“). Vgl. den Kommentar auf S. 60 / Bl. 29v.

12 Vgl. S. 67 / Bl. 33r.


         Achmet.
Ha! Schauder! Schauder und
   Entsetzen!
Wer ihn fühlt sagt es ge-
woehnlich nicht.

         Mustapha.
   Achmet!
Was ist dir?

         Achmet.
   Seht ihr nicht [dor[...]]
   den blutgen Geist?
Da steht die Wahrheit! se=
  het! seht! – die Lüge flieht
Vor ihrem Anblick – ha,
   du drohst! (er stürzt nieder)
   Nehmt das Bekenntniß
Von meinen Lippen, eine
   Lüge sprach
51
Mein Mund! [am Rande: ƒ]

         Alle.
  Wie? Eine Lüge?

         Roxane. (stürzt mit
einem Dolch auf Achmet
)
   Rasender! – –
Wozu verleitete mich mei=
  ne rasche Wuth?
(ihr entsinkt der Dolch)

         Achmet.
Roxane, nimm zurück dein
   Geld, das mich
Verführte, nimm und theile
   mit mir der
Verdamniß Quaalen – . ƒ ƒ Ha! Wie braußt es
   hinter mir? –
Es brüllen hinter mir
   die Schrekken der Verdammniß!
Du bleicher Geist [entwichst]
   von meiner Seite nicht? –
Du zeigst auf deine Wun=
  den? – fort von hier!
(er stürzt hinaus)

         Solimann.
Ha, der
   Nebel fällt!
Ich schaue izt durch das [Gewebe]
   Eurers Bosheit! Frevels?
(er zieht sein Schwerd)
Stirb Schändliche! – doch [nein]
   Ich liebte dich! –
Lieber nicht gethan als so schnell
bereut.
Wie? Hat in einer Weiber=
  seele so
Viel Bosheit Platz Raum ? – Betrü=
  gerinn Natur!
Wie konntest du auf diese
   schlechte Waare
Den schönsten Stempel drükke[...]
   In deine Hände
Geb’ ich sie izt mein Sohn
   bestrafe sie!
Kommt meine Freunde! –
   kommt hin weg!
(alle gehn ab)
[3. AKT, 14. SZENE]
52
Mustapha. Roxane.

Mustapha (steht und
überlegt.
)

         Roxane.
Warum hat alles sich so schnell
   geändert? –
Ich steh’ nun vor dem stren=
  gen Richterstuhl, –
Soll ich mein Knie zur Erde
   beugen? – um
Vergebung winseln? – Soll
   ich nun der Strafe willig
Hinhalten meinen Nakken? –
   Nein! Ich dulde nicht Verachtung! –
Ha! [Omru] deinen Trank
   will ich jetzt selber trinken
Den ich für den Verhaßten
   mischen ließ! –
(sie trinkt den Giftrank)

         Mustapha.
Unedler Mustapha! – Wie
   kannst du noch so lange
Mit Rachsucht kampfen[?]
   O Roxane, ich
Vergebe dir! sei meine
   Freundinn! Meine Mutter!

         Roxane.
Vergebens! Nein! Ich nehme
   nicht Vergebung an. –
Schon ring’ ich mit der Hölle –
   ach zu spät – –
Des Lebens Thor wird hinter
   mir verschlossen,
Mir kommen schon entgegen
   alle Schrekken
53
Der Ewigkeit! – Durch mei=
  nen Körper steigt
Das Gift – – (sie sinkt)

         Mustapha.
   O Mutter! Mutter!
   Hülfe! Hülfe!
[3. AKT, 15. SZENE]
Vorige. Solimann. Ze=
angir
. Raschid.

         Solimann.
Was ist mein Sohn?

         Mustapha.
   O Gott!
   Sie stirbt!

         Solimann.
So laß sie sterben!
Zu platt.

         Roxane.
   Ach! Ver=
  zeihung! Solimann! (sie stirbt)

         Mustapha.
Ich hatte ihr verziehn, sie
   hat sich selbst gerichtet!
[3. AKT, 16. SZENE]
Vorige. Omar.

         Omar.
Es hat sich Achmet von
   des Felsens höchster Spitze
Gestürzt! –
Warum bringt Omar die
Nachricht?

         Raschid.
   Ihn jagte das Bewußt=
  seiner seiner That.
That.

         Zeangir.
O meine arme Mutter!

         Solimann.
   Ich verzeihe ihr!
54
Nun bist du ewig mein, o
   lieber Sohn!

         Zeangir (reicht dem
Mustapha die Hand
)
Wir wollen Freunde sein!

         Mustapha (einschlagend)
   Wir wollen Brüder! sein!
(Ende des 3ten Akts)

55
56
57
58
58*II
Tieck.

über das Erhabene
Roxane
Trauerspiel in 3 Akten
(Anfang fehlt)
Tiecks Hand.
1
Sie scheuchte jeden Sklavenwunsch aus meinem Herzen –
Bis auf den Grund will ich der Ehre Becher leeren;
Die Schönheit wird von meinen Wangen fliehen,
Die Liebe Solimanns wird einst erlöschen, –
Bezahlen soll die Ehre jede Freude
Der ich entbehren muste. – Ha, der königliche
Gedanke, da zu stehn, allein zu stehen auf
Der höchsten Spitze, wo den schwachen Solimann
Der Schwindel faßte, – wo tief unter mir

Kommentare

1 Die ersten Blätter des Manuskripts sind nicht erhalten. Der überlieferte Dramentext setzt in der drittletzten Szene des ersten Akts ein.

Am harten Felsen sich die Woge des
Gesetzes bricht, wo ich dastehe angebetet
Von tausenden, und wie die Sonne angestaunt;
Hinauf! hinauf zu dieser Höhe! – wer
Hält mich zurück am Saume meines Kleides? –
Der Knabe Mustapha? – Hinab mit dir vom Felsen!
Nun klimm ich froh und frei zur steilen Höh hinauf,
Berauschender Gedanke, wenn in meiner Hand
So Glück als Unglück, Tod und Leben liegt,
Wenn ich der Allmacht gleich mit einem Winck
Aus dürren Steppen Paradiese rufe,
Auf mein Geheiß sich Felsen nieder senken;
Wenn auf ein einzig Wort die Ketten schnell
Vom Arm des Sklaven fallen, und er, wie
Ein Stern sich aus der Tiefe hebt und bald
Hin an des Himmels Wölbung steigt; – wenn sich
Vor mir der Stolz im Staube krümmt; es ist
Beschlossen! – Ja, er sterbe!
[1. AKT, VORLETZTE SZENE]
Achmet. Roxane.

         Roxane.
Nun du Vollführer meiner Plane, gedenke unsrer Abrede.

         Achmet.
Ich gedenke ihrer,
die Knospen sind aufgebrochen, der Baum blüht, ehe die Sonne zwei mahl untergeht ist die Frucht gereift. –

         Roxane.
Ich muß zum Sultan, leis dahin schmiege dich noch in das Joch der Knechtschaft, dann sollst du dein Haupt über alle stolz empor heben.
(sie geht ab.)
[1. AKT, LETZTE SZENE]

         Achmet.
Geh, thörigtes Weib! – Noch bin ich dein Sklave, weil an deine Wün=
schen [Wünschen] sich die meinen ketten, du glaubst ich bin ein Verräther zu deinem Vortheil, ha, wie wirst du staunen, wenn die Zukunft die neue Sonne heraufführt, wie wirst du zurückstarren, wenn du den Thron schon von mir eingenommen siehst, den du besteigen willst. – O der Thoorheit! Ein Bösewicht vertraut dem andern!
(geht ab)
Ende des 1st. Akts.
Zweiter Aufzug.
[2. AKT, 1. SZENE]
(Garten des Raschid.)

         Schahriar (klettert über die Mauer des Gartens.)
Werd` ich denn hier nun endlich etwas finden? –
Verderben dem, der sich mir widersezt! –
Ich bin allein. – (indem er sucht.) Nichts als verdorrte Blüthen;
Nicht eine ungereifte Frucht an diesen Bäumen: –
Ha! – endlich find’ ich hier noch eine Anannas;
Zwar ganz verwelkt, – doch schnell damit zurück.
[2. AKT, 2. SZENE]
Schahriar. Raschid.

         Raschid.
Wer bist du?

         Schahriar.
  Die Verzweiflung! laß mich gehn
Mit dieser Frucht, ich irrte schon seit vielen Stunden
Durch Gärten, eh’ ich diese endlich fand, –
Laß mich, ich wage heut für einen dürren Zweig
Mein Leben! Zurück, beim Barte des Propheten
Du, oder ich!

         Raschid.
  Oh Bruder geh in Frieden,
Ich theile meinen Vorrath gern mit dir.

         Schahriar.
So will ich izt zu meinem Vater fliegen,
Er ist gerettet wenn ich ihn noch lebend finde.
(er steigt zurück über die Mauer.)
[2. AKT, 3. SZENE]

         Raschid.
Sein Vater? – O, der jammervollen Zeit!
O Solimann! Auf dein Haupt jeden Fluch
Des Himmels, über dich Roxane jedes Winseln
Der Sterbenden, das Angstgeschrei der Kinder,
Den stummen Schmerz der Mütter, über euch
Die Flüche aller die der Hunger mordet,
Indeß ihr schwelgend euren Gaumen kützelt,
Indeß euch Flötenton und Mädchen chöre
In Schlummer wiegen, indeß sich mancher Unterthan
Auf seinem Lager lechzt nach einem Bissen – –
Er bringt dem Vater eine dürre Frucht,
Von Schnekken selbst verschmäht? –
[2. AKT, 4. SZENE]
Raschid. Schahriar.
(Schahriar kömmt über die Mauer zurück.)

         Raschid.
  Was ist dir? Sprich!
Du blickst so starr? – Ha! Du bist fürchterlich!
Es zittert deine Hand, Schweiß steht auf deiner Stirn,
Du wankst – ; sprich Freund, was ist dir? sprich?

         Schahriar.
Er war nicht mehr!

         Raschid.
  dein Vater?

         Schahriar (weinend)
  Ha! Er war schon tod.
Was wiegt das Leben eines Menschen einem Sultan?
Was liegt dem Herrscher an den Einzigen ? –
O sieh, ich habe nie geweint, dies sind
Die ersten Thränen die aus meinen Augen fliessen,
O Solimann – –

         Raschid.
  O trockne diese Thränen.

         Schahriar.
Hier ist die Frucht nach der mein armer Vater lechzte;
(er wirft sie hin.)
Verflucht sei dessen Mund[...] der sie berührt: –
Du kanntest Amureth – –

          Raschid.
  den tapfern Krieger der
In funfzehn Schlachten siegte, welcher funfzehn Narben
Auf seiner Stirn’ in seinem Nakken trägt.

         Schahriar.
Er war ein grosser Mann! Er blutete
Fürs Vaterland und seinen Herrscher, furchtlos stürzte
Er sich in jegliche Gefahr, sein Name ward genannt, –
Und dieser Amureth – und dieser ist mein Vater[!]
Er ist? – Was sprech ich da? – Er war; er war
Mein Vater! – dieser undankbare Solimann
Versezte ihm zu seiner Nahrung wenig Brod,
Statt alles Ruhms für seine viele Siege,
Statt alles Lohns für seine tiefe Narben
Starb er den Hunger[s]tod – so lohnen Könige!
O wie mein heisses Blut zu meinem Herzen strömet ,
Wie alle Adern schwellen, tausend Rachgedanken
Durch meine Seele fliegen –

         Raschid.
  Meine Freunde kommen!
[2. AKT, 5. SZENE]
Raschid, Schahriar. Abubeker. Omar.

         Raschid.
Seid mir willkommen meine werthe Gäste. –

         Omar.
Wer ist der fremde Mann?

         Raschid.
  Ein neuer Freund.

         Abubeker.
Sei uns gegrüßt o Fremdling[!]

         Schahriar.
  Was beschließt ihr?

         Abubeker.
  Rache!

         Schahriar.
So seid ihr alle mir gegrüßt, ha! Rache! Rache! –
Wir wollen [vollgewogne] Rache nehmen,
An Solimann und seiner Gattinn. – Amureth
Das Blut von Tausenden soll auf dein Grabmahl fliessen!
Nein, länger wollen wir nicht tragen dieses Joch
Das uns entehrt; und sollen wir nun einmahl sterben,
So ist der Tod im Kampf vom Arme eines Manns
Willkomner mir, als dieses schändliche
Hinsterben, gleich den weitverirrten Bienen
im Winter, und wenn Amureth so starb
Welch ander Schicksal kann dann jeder andre hoffen? –
Wezt euer Eisen, nur ein Mensch ist Euer Herrscher,
Er ist der Gottheit falscher Stempel, er vergißt
Im Arme seiner Gattinn unser, – nieder
Mit diesem Schändlichen! stürzt ihn vom Thron herab!
Und lasset Mustapha die Stufen dann betreten,
Auf welche izt der Fuß des schwachen Vaters geht; –

         Raschid.
Es sind noch viele unsrer Freunde,
Die unsrer harren – werfet izt sogleich
Von euch, Gehorsam, Pflicht, und Königsliebe,
Wir waren seine treue Unterthanen, er
Zerriß zuerst den göttlichen Vertrag
Vom Blute seines Volckes unterschrieben; –
Jezt steht das heilge Recht auf unsrer Seite,
Laßt nicht “Empörung“ unser Bündnis schelten,
Das ganze Volk denkt so wie wir, wir stehen da
Im Namen dieses ganzen Volkes, Gott
Vertrauet unsrer Hand sein rächerisches Schwerd,
Wir kommen Solimann des Thrones zu entsetzen.
Izt wollen wir die Fesseln Mustaphas zerbrechen,
Dann in den Pallast stürzen.

         Schahriar.
  Und das Blut
Des Solimann soll auf mein Schwerdt dann fliessen
Als Todtenopfer meinem Vater. – Kommt!
(sie gehn ab.)
[2. AKT, 6. SZENE]
(Pallast.)
Roxane. Achmet.

         Roxane.
…Nichts mehr! – Es kann, es wird, es soll so sein!
Es schickt zum Derwisch Ali dich der Sultan,
Von ihm die Zukunft zu erforschen, du
Giebst ihm das Geld und schnell wird er
den Ausspruch geben den die Sultanin [verlegt].

         Achmet.
Wenn er sich weigerte –

         Roxane.
  das wird er nicht,
Wie stolz wird ihn schon der Gedanke machen,
Ein Freund zu sein, der Königinn, ein Freund
Dem sie vertrauet die geheimsten Plane,
O willst du einen Priester fangen, knüpfe nur
Ein Netz aus Geld und Stolz. – Ist dieser Plan vollbracht
Dann jauchze laut, dann wollen wir uns freuen wie
Der Wandrer der sich in der Nacht im Wald
Verirret, wenn die Sonne durch die schwarzen
Gebüsche funkelt – Mustapha muß fallen,
So lange er dasteht, darf ich noch nicht
Mein Haupt erheben, – aber ist er fort
Dann steh´ ich frei und greife stark und groß
Zur Sonne, mich mit ihrem Glanz zu krönen:
Dann sollst du neben mir in höchster Würde prangen,
Wenn Solimann in kühler Erde ruht – –
Gedenke deines Schwurs! – Er kömmt!
[2. AKT, 7. SZENE]
Vorige. Solimann. Mustapha. Sadi.

         Solimann.
Jezt ist die Stunde abzureisen da,
Geh Achmet zu der Höle dieses Derwisch
Er muß vor unsern Augen heben
Der Zukunft Vorhang, Sadi geht zum Heer
Der Feinde, bietet ihnen Frieden und Geschenke: ich
Entlasse Euch in Frieden, geht zum Werke.
(Achmet und Sadi verbeugen sich und gehn ab.)
[2. AKT, 8. SZENE]
Solimann. Roxane. Mustapha.

         Solimann.
Der heutge Tag, in Freuden sei er hin gebracht,
Ein prächtig Gastmahl werde zubereitet!
(er klatscht, eine Menge Sklaven erscheinen.)

         Solimann.
Die Tafel zubereitet! – Tänze und Gesang!
(Die Sklaven bereiten eine kostbare Tafel.)

         Mustapha.
O Himmel! soll von neuem heut die Schwelgerei beginnen!
Der Feind droht stets die Mauern zu bestürmen,
Der Hunger tödtet die Bewohner dieser Stadt,
Und Solimann schwelgt fort auf seinem Throne,
Er achtet nicht die Klagen der verlaßnen Waisen,
Die elternlos um wenig Nahrung wimmern.
(Zwölf Sklavinnen erscheinen, zum Tanzen, zwölf andre mit Theorben worauf sie spielen, und dazu singen.)
(Solimann sezt sich zur Tafel, Roxane neben ihm.)
(Sklaven stehn im Hintergrunde zur Bedienung.)

         Mustapha.
Wenn viele deiner Unterthanen nur
Den zehnten Theil des Ueberflusses hätten
Der hier auf deiner Tafel pranget.

         Solimann.
  Still!
Laßt die Theorben klingen! fangt die Tänze an!
Nur Freude stehe heut zu unsrer Seite,
Laß morgen uns von Unglück sprechen; doch
Warum willst du dich denn nicht zu uns setzen.

         Mustapha.
Verzeihe Sultan! Ich bin heut sehr schlecht zur Freude
Gestimmet – –

         Roxane.
  O laß ihn Solimann, da du
In seine Hände deinen Scepter gabst,
Auch itzo seiner Freiheit sich bedienen.
(Die zwölf Sklavinnen stellen sich auf die eine Seite der Tafel und tanzen, die übrigen spielen auf der andern Seite auf den Theorben und singen.)
Die Sonne glänzt am Himmel
Geschmückt mit tausend Strahlen,
der Mond beglänzt den Himmel
Mit sanftem Silberscheine,
So glänzt der edle Sultan,
So seine schöne Gattinn.
Sie schlingt sich um den Starken
Wie Rosen um die Eiche,
Ihr schönes Auge gleichet
Der Luft Azurgewölbe,
Ihr Antlitz gleicht den Lilien
Auf welchem Purpurrosen
Sich spiegeln, ihre Zähne
Sind Perlen, von Rubinen
Umfaßt, die Augenbraunen
Sind Bogen, welche Pfeile
Ins Herz des Sultans schiessen;
Die Einfassung der Reize
Ist holde Engelsanmuth. –
Dein Pallast Sultan gleichet
Der Pracht des Morgenhimmels.
(ein Geräusch aus der Ferne.)

         Mustapha. (vor sich)
Welch ein Getöse gleich den fernen Meereswogen.

         Gesang.
Und tausend goldne Sterne – –

         (Stimmen (von aussen.)
  Nieder! Solimann! Roxane!

         Solimann.
Was ist das?

         Mustapha.
  Aufruhr!

         Solimann.
  Ha, wer wagt so frevelhaft – –

         Stimmen.
Gieb Brod, uns! Brodt!

         Solimann.
  Ha! lauter, lauter schlaget die
Theorben daß der Klang dies wilde Tosen
Betäube! – ihr gehorcht nicht! spielt befehl’ ich!
(die Sklavinnen und Sklaven entfliehn.)
[2. AKT, 9. SZENE]
(Man hört einige Thüren zerbrechen; dann stürzen herein:) Raschid, Schahriar, Abubeker, Omar, andre Tartarn.

         Schahriar.
Wo ist der feige Solimann?

         Solimann.
  Ha Sklaven!
Ihr wagt es so in den Pallast zu dringen?

         Schahriar.
Mein Schwerdt soll deine [Zunge] lähmen!

         Mustapha.
  Ha! Zurück!
Wer wagt es seine Hand zu strekken gegen
Den Sultan? Wollt ihr Gott durch diesen Frevel
Noch mehr erzürnen? – Ihr zieht Eure Schwerdter,
Und schämt Euch nicht dem Sul- tan selbst zu drohen?
Ihr Sklaven die ihr vordem kaum mit scheuem Blick
Ihn anzusehen wagtet, woher [euch] die Kühnheit
Daß ihr wie Sieger sprecht, vor denen Solimann
Sich beugen muß?

         Schahriar.
  du sprichst verwegen, aber nieder
Auch du, der diesem schwachen Sultan fröhnt!

         Raschid.
Unglü klicher! Zurück mit deiner Hand!
Du sprichst mit Mustapha.

         Mustapha.
  Was wollt ihr, was
Berechtigt Euch so frech hier aufzutreten?
Ihr fürchtet nicht den Fluch des Allerhöchsten,
Der seinen schwersten Don- ner dem bestimmte
Der seine Hand erhebet gegen seinen Herrscher.
Mein Vater hat sein grosses Amt auf mich gelegt
Ich stehe hier an Gottes statt und frage euch
Was ihr hier wollet?

         Omar.
  Brod! Die ganze Stadt ruft laut
Um Brod, am Wege sitzen weinend kleine Kinder
Und bitten Brod von dem Vorübergehnden.

         Mustapha.
Ihr Sklaven traget einge dieser Schüsseln
Hinaus vertheilt sie den Verschmachtenden! –
Warum steht ihr so bleich ihr Sklaven,
Ihr sprachet anfangs, als wenn ihr mit eurer Hand
Das Reich [umfastet], jezt seid ihr so kleinlaut.

         Omar.
Verzeihe uns.

         Schahriar.
   Ich bitte nicht Verzeihung.
Kannst du den Amureth ins Leben rufen,
Kannst du mir meinen Vater wiedergeben?

         Mustapha.
Steckt Eure Schwerdter ein! beim Barte des Propheten
Der kehret nicht von hier, der noch mit Trotzen spricht.
Wenn ihr Verwegenheit zu dieser That besizt,
Wenn ihr noch Muth im Herzen tragt, und Kraft
In eurem Arm, warum wollt ihr die Kraft
Anwenden eure Stadt noch mehr durch innern Zwist
Zu stürzen, ihre Strafe noch zu mehren
Da schon der Höchste seine strenge Hand
Voll Strafen über sie dahinstreckt? Seid ihr muthig,
So stürzt mit mir ins Heer der Feinde, die
Die Stadt belagert halten, plündert ihre Läger,
Die überflüssig alles haben was ihr wünscht.
Da lenket hin die Wuth – seid ihr entschlossen?

         Alle.
  Ja. –

         Mustapha.
Es ist izt Abend, zum Gebeth die Zeit,
Geht zur Moschee, und flehet Sieg vom Himmel,
Wenn dann die Sonne aus dem Meere steigt,
Erwart' ich euch zum Kampf. Ihr wagtet euer Leben
Schon hier, auf wagt es dort, zum Nutzen eurer Stadt
Und Eurer selbst – izt geht.
(sie gehn ab, Mustapha folgt ihnen.)
[2. AKT, 10. SZENE]
Solimann. Roxane.

         Solimann.
Bei Gott! mit solchem Feuer sah‘ ich ihn
Noch nimmer sprechen, alle diese Frevler traten
Mit Ehrfurcht schnell zurück, die meiner Rede
Und meines grauen Bartes spotteten.
Der Himmel seegne ihn und laß ihn lange herrschen.

         Roxane.
Sehr gut, daß du das Diadem freiwillig
Ihm gabst, vielleicht – ihn ehrt der niedre Pöbel,
Hätt’ er es sonst mit eigenmächtiger Gewalt
Sich auf das Haupt gesezt, sahst du wie freudig er
Das Ruder heut aus deinen Händen nahm,
Wie eigenmächtig ließ er unsre Speisen uns
Vom Tische nehmen, er aß nicht mit dir,
Er läßt dich hier, und folgt den Sklaven.

         Solimann.
   Nein,
Roxane nein, die Worte kamen nicht
Aus deinem Herzen. Mustapha ist edel,
Schwang er sein Schwerdt nicht gegen jenen wilden Tartar
Der schon mein Haupt zu spalten drohte? – Nein,
Er liebt mich, wende meine Schwäche,
Nicht so an, daß ich Mustapha einst hassen,
Beim Himmel, ja, ich liebe dich so sehr
Daß du mich alles glauben machen könntest,
Doch dieser Argwohn kam aus deinem Herzen nicht.
[2. AKT, 11. SZENE]
Vorige. Mustapha.

         Mustapha.
Die ganze Stadt ist nun beruhigt, alle
Sind wieder zu der Pflicht zurückgekehrt;
[2. AKT, 12. SZENE]
Vorige. Sadi.

         Mustapha.
Nun hat der Feind den Frieden angenommen?

         Sadi.
Er schickte mich mit Hohn zurück.

         Mustapha.
Nun wohl, so soll mein Schwerdt, wenn morgen
Die Sonne sich erhebt, bestrafen
Den Hohn: – und wenn ich sterbe will
Ich rühmlich sterben.
(sie gehn ab.)
[2. AKT, 13. SZENE]
(Die Höle des alten Derwisch Ali, es ist Nacht, eine kleine Lampe erhellt die Finsterniß; man hört den Sturm brausen.)

         Ali, ein Greis von neunzig Jahren, sizt in seiner

          Höle, sein Bart reicht fast bis auf die Knie.)
Wie furchtbar saußt der Sturmwind durch den Wald,
Ein Donner rollt ihm nach, als wollt er ihn ereilen. –
Die Zeit schließt heute schon mein neunzigstes
Jahr, morgen fängt ein neues Lebensjahr
Das hunderte schon an. – Wie schnell bin ich
Die Zeit durchlaufen, wie flög mir
Die goldne Knabenzeit vorüber, wie
So schnell das ros’ge Jünglingsalter,
Ich ward ein Mann und Greis, und immer ist mir noch
Als hätt‘ ich gestern erst auf dieser Flur gespielt.
Mein ganzes langes Leben steht vor meinem
Gedächtniß wie ein Traum; wie waren alle
Die Freuden denn nicht wirklich, all die Leiden?
Wie konnte ich mich freuen? Warum trauern?
Was hat so wichtigen Gehalt in dieser Sterblichkeit,
Verdiente etwas wohl des Lächelns, einer Thräne?
Ich sehe auf mein ganzes Leben jezt hinab
So wie der Pilger an dem Grabe des Propheten
Den Weg hinunterblickt, den er vollendet hat. –
Mir ist als spräche eine innre Stimme,
Der heutge Tag ist deines Lebens Grenze. –
Wie? Waren nun die Freuden dieses Lebens
Die wie ein Rauch verschwanden meines Daseins Zweck?
Hätt ich mein Leben an der Zeit verspielt,
Empfänd’ ich heut zum leztenmahle den
Gedanken, daß ich bin? – Wozu der hohen Kräfte
Wozu der heissen unbegränzten Wünsche?
Warum gab er, aus dessen Hand wir gingen,
Nur unserm Geiste so viel Feuerkraft
Die Räthsel zu bemerken die er mit allmächtgem Finger
In seine Werke schrieb? Warum nicht auch die Macht
Sie zu errathen, wir stehn da und brennen
Den tiefen Sinn zu forschen der in ihnen liegt,
Und ewig bleibt doch alles nur ein Räthsel;
Wozu den Funken dieser Göttlichkeit,
Wenn er v erlöschen soll und nicht zur Flamme werden?
Freundschaft und Liebe ist das Band der Welt,
Ich lebe fern von Menschen, aber liebe jeden Baum
Der um mich grünt, und jede Blume die
Im Thale sprießt, die Liebe ist das grosse Rad
Das alle Räder dieser Welt in Thätigkeit
Versezt, die mächtge Schwungkraft, die gewaltig der
Natur verborgne Kräfte durcheinander treibt,
Und er, der Ewge stünde da durch Ewigkeiten,
Er [sich] allein, in ewger Einsamkeit,
Von nichts geliebt, er selber nichts mit Liebe
Umfangend? – Nein, auch er wird darinn Wonne fühlen,
Im Glükke andrer, ja, er liebt, er wird geliebt –
Wohl mir! ich daure fort! Entzükkender Gedanke
Dahinzuwandeln über tausend Welten,
Den Einklang dieser grossen Harmonie zu fühlen;
Die Räthsel werden sich vor meinen Augen lösen
Die hier mir unerrathbar scheinen. – Mag
Nun kommen was da will, mich wird nichts mehr erfreuen
Und nichts mit Schmerzen foltern, – wie der Hagel gegen
Die Seiten meiner Höle rasselt, wie der Sturm
Am Felsen murrt, mit fürchterlichem Pfeifen
Den Fittig ausgespannt zum Walde rennt –
(es pocht)
Was pocht so grausig in der schwarzen Stunde
Der Mitternacht? –
(es pocht)
  Vielleicht der Todesengel!
Der mit dem diamantnen Schwerdt das Band
Zerschneiden will, daß mich noch fesselt an
Die Sterblichkeit – sei mir gegrüßt, ich öffne.
(er öffnet die Thür der Höle, Achmet tritt herein, der ehrwürdige Anblick des Greises macht daß er einige Augenblikke zurückstarrt, dann tritt er näher.)
[2. AKT, 14. SZENE]
Ali. Achmet.

         Ali.
Du bist ein Sterblicher?

         Achmet.
   Ehrwürdger Derwisch,
Vergönnst du mir zu ruhen diese Nacht
In deiner Höle?

         Ali.
   Dein sei sie bis der Sturm
Sich legt und du mit neuer Kraft
Das Ziel der Reise kannst erreichen.
Setz dich hieher, hier hast du süsse Milch,
Hier Datteln, iß, dann will ich dir
Ein Lager zubereiten , stürmisch ist die Nacht,
Wie ich sie nicht in dreissig Jahren sah,
Der Himmel donnert und die Erde bebt,
Im Kampfe scheinen alle Elemente,
Das Feuer zischet durch die nassen Wolken,
Das Wasser geisselt laut die Erde, aus der Ferne
Murrt dumpf das Meer, es stürmt der Wind
Und schleudert Wetterwolken gegen Felsen.
Wenn diese Nacht nur nicht ein Unglücksbothe ist.

         Achmet.
Die Würde die dich kleidet, dieser Ernst
Auf deiner Stirn und meine Ehrfurcht sagten mir
Beim Eintritt schon daß du der Derwisch Ali seist.

         Ali.
Dies ist mein Nahme.

         Achmet.
   Wie glüklich bin ich izt
Den Mann zu sehen, dessen Anblick ich
So lange wünschte, den jeglicher mit Ehrfurcht nennt.

         Ali.
O still, in meine ruhge Höle darf
Die Schmeichelei nicht mit dem Fremdling kommen
Der mir willkommen ist.

         Achmet.
   Du bist der weisteste,
So spricht das ganze Land, die Zukunft die vor jedem
Wie schwarze Mitternacht in tiefer Ferne liegt,
Steht vor dir da, ein nahgelegner Hügel
Vom Strahl der Mittagssonne hell. Du kannst
Die Feuerschrift am Himmel lesen, wo
Der Allmacht Hand von Ewigkeiten her
Auf tausend künftge Ewigkeiten schrieb
Des Schicksals unzuwandelnden Entschluß.

         Ali.
Ich weiß nicht mehr als jeder andre Mensch,
Die Zukunft zieht vor meinen Augen sich zurück
Wie vor den Augen jedes Sterblichen,
Ich gab zuweilen guten Rath so wie
Er mir der beste schien, ich ahndete
Aus dem Zusammenhang der Dinge oft
Was kommen würde: – durch mein ganzes Leben
Sucht ich die Spur der Weisheit zu entdekken,
Ich wanderte schon sechzig Jahre auf und ab,
Ging durch verschlungne Wege, und kam oft zurück
Wo ich schon einmal war, nach sechzig mühevollen Jahren
Entdeckte ich den einzigen Gedanken,
Der schon im Vorgrund lag der Wanderschaft,
Daß ich, der viel zu wissen glaubte, gahr nichts wisse.

         Achmet.
So spricht aus deinem Munde die Bescheidenheit.

         Ali.
Die Wissenschaft der Sterblichen ist Nichts,
Besteht sie nicht aus Zweifeln, dunkeln Ahndungen,
O nenne mir nur eine Wahrheit die ein Mensch
Ersann, die fest und unumstößlich ist.

         Achmet.
Du weist das Ziel von meiner Reise,
Die Königinn, die schöne Sultaninn
Roxane sendet dir durch mich hier tausend
Zechinen –

         Ali.
   Mir? Wozu?

         Achmet.
   Um – wohlzuthun,
Und bittet dich um deine Freundschaft.

         Ali.
   Was
Kann ihr die Freundschaft eines Greises helfen der
Vielleicht nicht mehr die Sonne auf gehn sieht.

         Achmet.
Die Pest verzehrt das Land, der Krieg und Hunger
Die Stadt, der König schickt mich zu dir
Zu forschen wie dies Unglück sei zu enden; –
Der Sohn des Königs – höre ohne Zürnen,
Er wird das Land einst in Verderben stürzen.

         Ali.
Er? – Mustapha? – der Sohn des Solimann?

         Achmet.
Ja denn Roxane hat geschworen bei
Dem Grabe des Propheten, daß Zeangir nur
Ihr eigner Sohn den Thron besteigen soll;
Er wird dies nimmer dulden dieser stolze
Mustapha, den das Volk verachtet, und Zeangir
Geliebt vom Vater und vom Volke angebetet
Wird sterben; – darum schiccte mich die Königinn,
Du solltest sagen daß der Himmel fordre
Den Tod des Mustapha – –

         Ali.
   Halt ein! Unglücklicher!
Den Tod des Mustapha? Den ich so innig liebe,
Den ich als Knabe auf den Armen wiegte,
Der sollte sterben und durch mich? – O Frevler!
Wär’s Sünde nicht die Gastfreiheit zu brechen,
So duldete ich dich nicht länger hier,
Ich stiesse dich hinaus in Sturm und Wildniß
Dich möchte dann der umgerißne Wald zerschmettern,
Du möchtest dann die Beute werden wildem Thiere – –
Doch Gastfreiheit befahl durch unsern grossen
Propheten Gott, sie ist mir unverlezlich
Darum vergeb’ ich dir.

         Achmet.
   Du willigst nicht
In meinen Vorschlag?

         Ali.
   Bösewicht,
Ich wandelte bis jezt den Weg der Tugend,
Nun an [dem] Grenzstein dieses irrdschen Lebens
Am Rand’ der Ewigkeit sollt’ ich zurükk kehren,
Und auf den Pfad des Lasters gehen? – Nein!
Und könnt’ ich auch noch viele Jahre hoffen
Und würde durch dies Bubenstück mein Leben
Verjüngt, und trügest du in deiner Hand
Die Schätze Indiens, ich würde mit Verachtung
Dich von mir weisen.

         Achmet.
   Trotze nicht so sehr!
Wozu des nichtigen Orakelspruchs
Aus deinem Munde? – Ich besitze das
Vertrauen Solimanns, wie leicht
Ist es, daß ich den Ausspruch selbst erfinde
Den du mir hättest geben sollen.
Ali (greift schnell nach seinem Stabe und steht auf.)

         Achmet.
   Was
Beginnst du?

          Ali.
   Schnell will ich durch Sturm und Nacht
Zum Ruhelager Solimanns hinstürzen
Und meinen Mustapha vom Tode retten.
(er öffnet die Thür)

         Achmet.
Zurück!

         Ali.
  Du bist zu kraftloß mich zurück zu halten,
Ich fühle Jünglingskraft in meinen Armen.

         Achmet.
Zurück damit ich nicht vergesse wer
Du bist – –

         Ali.
   Ich bin ein Mensch, der bist du nicht.
Dich hat bei der Geburt schon die Natur
Verwahrlost, sie gab dir ein eisern Herz
Und überstrich es mit dem Gift der Bosheit; –
Zurück da von der Thür! –

         Achmet.
   Bei Gott! Du kömmst
Hier nicht von hinnen –

         Ali.
   Ha! ich muß!

         Achmet (zieht einen Dolch hervor)
  Greis! Zittre!

         Ali.
Ich zittre nicht, hier ist mein Herz,
Stoß tief den Dolch hinein! Du hältst mich nicht zurück!
Beim Hoffen meiner Seeligkeit ich muß hindurch!

         Achmet (in wilder Wuth)
Ist hier ein andrer Weg? – Wo ist er? –
Er sterbe, dieser Lebens satte Greis!
(er ersticht ihn)

         Ali, (fällt)
Ich muß zu Mustapha!
(er stirbt)

         Achmet.
Welch ein Gefühl schwellt auf zu meinem Herzen?
Wie? Ist dies Reue? – Welche blutge That
Hab ich begangen? – Wie er daliegt! –
Er lächelt, – mir? – den Hoffnungen
Der Seeligkeit! – Wie? – Ist der Tod so sanft?
Werd’ ich auch einst so süß entschlummern? – Nein!
Auf meinem Todbett’ wird die Hölle mir
Entgegenstrecken ihre dürren Arme –
Wie gräßlich krächzt die Eule aus dem Walde,
Wie winselt um die Felsenkluft der Wind – –
Der todte Körper regt sich! er steht auf – –
Hinweg! Hinweg! – O weh mir Unglückseelgen!
(Er stürzt hinaus.)
Ende des 2ten Akts.
D r i t t e r A u f z u g.
[3. AKT, 1. SZENE]
(Platz in der Stadt.)

         Schahriar (geht auf und ab.)
Die träge Sonne kömmt noch nicht hervor!
Reiß sie herauf du stürmerischer Ostwind!
O könnt’ ich doch den Stunden Flügel leihn!
Wie schleicht die Zeit, wenn man auf etwas hofft
Das man sich wünscht, wie stürzet sie vorüber
Wenn man ein Unglück fürchtet. – Immer noch
Liegt Stille auf der Stadt und graue Dämmerung; –
Die Stürme sind entflohn, die Donner hinter
Den Bergen in das Thal gerollt, die diese Nacht
Die Welt aus ihren Angeln heben wollten. –
Der erste rothe Streif! – herauf o Sonne!
Führ uns zur Schlacht! im Blut der Feinde will
Ich mich berauschen, meines Vaters Tod vergessen.
[3. AKT, 2. SZENE]
Schahriar. Raschid.

         Raschid.
Ich treffe schon den wilden Schahriar?

         Schahriar.
Ich war schon hier als noch der Morgenstern
Im Schoß des Meers ruhte, ach, ich konnte
Nicht schlafen, immer war’s als hört’ ich noch
Das Winseln meines Vaters, über den
Sich Tod und Leben stritten. Wo bleibt Mustapha?

         Raschid.
Dort kommen unsre Freunde, allen strahlet Muth
Aus ihren Augen – Seid uns hier willkommen!
[3. AKT, 3. SZENE]
Vorige. Omar. Abubeker. Viele andre Tartarn.

         Abubeker.
Wo ist Mustapha? –

         Raschid.
   Dort seh’ ich ihn kommen
Im Glanz des Morgenroths.

         Alle.
   Zur Schlacht! Zur Schlacht!
[3. AKT, 4. SZENE]
Vorige. Mustapha.

         Mustapha.
Seid ihr schon hier Gefährten? – Seid ihr alle
Bewaffnet?

         Raschid.
  Alle!

         Mustapha.
   Auf! stürzt furchtlos in den Feind!
Zu Eurer Seite [geht] Verzweiflung. –
Bestehet muthig diesen Kampf wer fällt
Der stirbt den Tod fürs Vaterland, er fällt
Fürs Wohl der Brüder, mit dem schönsten Kranz
Wird ihm der Houris schönste dann entgegentreten;
Und wer aus diesem Kampfe lebend kehrt,
Dem folget Ruhm und Ehre durch sein Leben.
Die spätsten Enkel werden noch erzählen
Von diesem Kampf, die Kinder werden
Mit Fingern auf ihn zeigen, hinter ihn
Herrufen: Dieser focht mit Mustapha!
Ein jeder wird ihn gern erzählen hören
Von dieser Schlacht, mit ehrfurchtsvollem Schweigen
Wird jeder stehn und hören wie ihr siegtet
Als Pest und Hungersnoth dies Land verwüsteten. –
Auf! auf! Die Ehre winkt! folgt ihrem Ruf!
Wer naht sich dort?
[3. AKT, 5. SZENE]
Vorige. Sadi.

         Mustapha.
   Auch du kömmst alter Freund,
Beneidest unsern Ruhm und willst ihn mit uns theilen?
O Freund, es ziemt nicht deiner alten Hand
Das Schwerdt, o wirf es weg, wir wollen für dich fechten.

         Zadi.
Ich kämpfte oft schon für das Vaterland,
Auch heute will ich, diese Waffen führen.
Sterb’ ich, so sterb ich doch den Tod fürs Vaterland,
Mein Nahme wird genannt, man rühmt
Den Sadi, der als Greis zum Wohl des Staats
Noch seinen Säbel schwang.

         Mustapha.
   So kommt!
Seht ihr die Ehre dort am Morgenhimmel
Mit ihrem Palmenzeige unter goldnen Wolken
Stehn? – Ha sie zeigt [uns] ihren schönen Kranz
Gewebt aus Sonnenstrahlen! Zaudert nicht!
Tod oder Sieg! – Nichts anders, keine Flucht,
Reißt aus des Feindes Hand den Zweig des Ruhms
Erringt ihn oder fa[llt] auf väterlichem Boden.
Wer flieht den treffe Fluch und ewige Verdamniß.
(Sie gehn ab.)
[3. AKT, 6. SZENE]
(Saal im Pallast mit grossen Flügelthüren, die auf das Meer hinausgehn, von wo man die ganze um liegende Gegend übersehen kann.)
Roxane. Zeangir.

         Roxane.
O bleibe! bleibe Sohn! Laß dich von deiner Mutter
Zurükke halten!

         Zeangir.
   Nein! – Horch! wie die Kriegstrompete
Vom Felde hallt! – horch! wie die Pauken donnern!
O nein! ich bleibe nicht zurück. der Schande!
Mein Bruder geht zum Kampfe indessen ich
Elender noch auf weichen Polstern ruhe!

         Roxane.
Doch wenn er fällt –

         Zeangir.
   So räche seinen Tod
Mein Schwerd!

         Roxane.
   Doch wenn auch du dann sinkest.

         Zeangir.
   Dann
Theil’ ich mit meinem grossen Bruder doch
Ein gleiches Schicksal.

         Roxane.
   Wer soll dann den Thron
Besteigen?

         Zeangir.
   Wer da will! Was kümmert mich
Der Thron; ich eile fort, o könnte doch
Mein schwacher Arm den goldnen Ruhm herunter
Vom Himmel reissen!

         Roxane.
   Aber, lieber Sohn – –

         Zeangir.
Ich darf nicht länger weilen, lebe wohl!
Ich nehme izt mein schnellstes Roß und dann
Hinein in’s dichteste Gewühl der Feinde – lebe wohl!
(er geht ab.)
[3. AKT, 7. SZENE]

         Roxane.
Unglüklicher! – Du eilst hinweg! In wenig Augenblikken
Zischt schon vielleicht der Todespfeil durch deine Brust!
Du sinkst, und alle meine hohen, schönen
Entwürfe scheitern hier an dieser Klippe. – Könnte ich,
Den Tod bestechen! – Alle seine Streiche
Auf Mustapha zu richten, hielte über
Zeangir doch das Leben seinen nimmer zu
Durchbohrnden Schild! – Da stürzt er hin –
O könnte ich dem Geisterreich gebieten
Daß Tausende sich um ihn sammelten,
Daß keiner diesen schönsten Diamant
Des Lebens mir aus meiner Krone breche! –
Wie laut das Feld vom Stampfen wilder Rosse!
Wie hallet durch die Lüfte hin das Schmettern
Der Kriegstrommeln! –
[3. AKT, 8. SZENE]
Roxane. Solimann.

         Solimann.
   Ha! Die Schlacht beginnt!
Geliebte Gattinn du in diesem Saale? –
Laß mich allein! – Ich bitte dich, laß izt
Mich nur allein, kehrt er mit Sieg zurück
Dann sollst Du Theil an meiner Freude nehmen.
(Roxane geht ab.)
[3. AKT, 9. SZENE]

         Solimann.
Dort tobet nun die Schlacht! die jezt wie ein
Gewitter meinen Staat befruchten soll. –
O läge jezt in meinem Arm die Kraft des Siegs,
Wie sie einst lag in Moses Armen, ha ich wollte
Empor zum Himmel diese Hände halten bis
Zum Sonnenuntergang! – Dort schwebet izt
Die grosse Wage die die Allmacht hält!
O lege Sieg in unsre Schale, daß die andre
Hoch auf zum Himmel fliege! Tausend Leben
Bekämpfen izt den Tod, das Feld des Unglücks wird
Mit Blut gedüngt. – O schont ihr Pfeile, schont
Ihr Schwerdter meines Sohnes Leben, flieget [ihm]
Vorüber;[] tauchet euch in Andrer Blut!
Sie stürzen izt zusammen, wie die Sonne
Von ihren Schwerdtern blizt! Wie Donner rollt
Das Schlachtgetöse auf und ab! – Es reißt
Ein Reuter sich vom Heer! Er stürzt zurück!
Wohin? Wohin? – Er nähert sich der Stadt.
Ihm öffnet sich das Thor – was mag er wollen –
Er steigt vom Pferde – er kömmt hier herauf! –
[3. AKT, 10. SZENE]
Solimann. Zeangir.

         Solimann.
Ha, du mein Sohn? – Was bringst du mir für Bothschaft?

         Zeangir (ausser Athem.)
Verlohren! – Alles – ach verlohren! – Mustapha
Gefangen – alle fliehen –

         Solimann.
   Mustapha
Gefangen, sagtest du? – Gefangen? – Sklaven!
Das soll er nicht! – (zum Sklaven der erscheint) Ich selbst will in die Schlacht! –
Mein Schwerdt! Den Bogen, meine Pfeile! –
Er muß befreiet werden, oder ich
Will sterben – meine Lanze und ein Roß!
(der Sklave [bringt] die Waffen.)
Ich will den Tod des Sohnes rächen, – ich will sterben,
Tod! Tod! – Nicht schimpfliche Gefangenschaft!

         Zeangir.
O bleibe, lieber Vater, deine Hände zittern,
Das Schwerdt wird deinem schwachen Arm entsinken.

         Solimann.
Nein! nein[!] ich bleibe nicht, mag immer zittern
Mein Arm, ich stürze ins Gefecht! – Man soll mich nicht
Hier finden und Gespötte treiben mit dem Greis. –

         Zeangir.
O rette dich durch Flucht.

         Solimann.
   Ich suche meinen Sohn!
Und finde ich ihn nicht mehr hier, such’ ich ihn dort!
Horch! – welch Getöse? – Welch Geschrei? – Sie sinds!
Die Feinde sind schon in die Stadt gedrungen! –
Hinunter! Ich will meinen Sohn von ihnen fodern!
[3. AKT, 11. SZENE]
(Er will abgehn und Mustapha tritt ihm entgegen.)
Vorige. Mustapha. Raschid. Omar. Sadi.

         Solimann.
Mein Sohn? Mein Sohn? – O komm’ in meine Arme!

         Mustapha.
Wie, lieber Vater, du in Waffen?

         Solimann.
   Izt
Werf’ ich sie weg, du bist mein Schild
Du meine Lanze! – Ach, an deiner Brust
Such’ ich nur Sicherheit! – Du warst gefangen? –

         Mustapha.
Ja, aber dieser Mann, – komm Raschid, –
Sieh dieser rettete mich aus der Hand der Feinde,
Ihm danke ich mein Leben und den heutgen Sieg.
[3. AKT, 12. SZENE]
Vorige. Roxane.

         Mustapha.
Auch dir Zeangir, dank’ ich izt; du rettetest
Mich vor den Streichen eines wilden Feindes,
Des Schwerdt mein Haupt zu spalten drohte.

         Roxane.
   (O
Des Thoren! Hättest du dem Schwerdte doch
Den Lauf gelassen, Achmet komm!)

         Solimann.
   Heut werde
Ein grosses Fest bis durch die Nacht gefeiert;
Bis aus dem Meere sich die Sonne wieder hebt,
Der Ueberfluß ist in die Stadt zurückgekehrt,
Die Feinde sind entflohn –

         Sadi.
   Doch liegt ringsum
Dein Staat noch von der Pest verwüstet; –
Wie? Sterben täglich nicht noch Tausende? –

         Solimann.
Unglüklicher? Warum mahnst du mich daran? –
Ist Achmet nicht zurück?

         Roxane.
   Noch nicht!

         Mustapha.
   Sobald er kömmt
Komm er sogleich hieher!

         Roxane.
(Wie eilst du deinem Tod entgegen.)

         Solimann.
   Dennoch bin
Ich glüklich! Denn ich habe meinen Sohn!
Die Stadt ist frei! Die Hungersnoth geflohn!
Das Unglück ist dahin gleich einem schwarzen Traum!
[3. AKT, 13. SZENE]
Vorige. Achmet.

         Roxane.
(Es naht das schadenfrohe Nachtgespenst,
Das boshaft Eure Freude wird in Trauer wandeln)

         Mustapha.
Sprich schnell: – Was sagt dir der Derwisch
Der ehrwürdige Ali? – Warum bist
Du den so stumm und bleich? Welch eine Schrekkensbothschaft,
Hängt denn an deiner Zunge? Sprich sie aus!

         Solimann.
Sprich Achmet!

         Roxane.
   Rede!

         Achmet.
   Unter grausen Stürmen
Und Klaggeschrei der Eule schrecklichen Vorboten
Kam ich zur Höle Alis, er saß da
Ein Bild der Ewigkeit, ein weisser Bart
Floß bis auf seine Knie herab, auf seiner Stirn
Saß hohe Weisheit – als ich in der Nacht
In seiner Höle schlief, da hört ich Geister um
Mich rauschen, und ein banges Wimmern durch
Die Lüfte zittern. – Schauder faßte mich –
Der Morgen kam, er gab mir seinen Ausspruch – –

         Mustapha.
Warum schweigst du? – –

         Achmet.
   O lasset mich verstummen,
Laßt ewig meine Zunge schweigen, nein –
Die Bothschaft sollen meine Lippen nimmer sprechen!
Ihr würdet mich verfluchen um der Nachricht willen –

         Mustapha.
Sprich Unglücksbothe, sprich sie aus, die Bothschaft –

         Achmet.
Nun dann, so will ich euch des Schicksals Schluß eröffnen
Das Schicksal fordert – (auf Mustapha zustürzend, ihn umarmend) dich, mein Mustapha!

         Mustapha, (erstaunt, faßt sich aber gleich)
Wie? Mich? – Und weiter nichts?
(Alle stehn erstarrt, Roxane sucht ihre Freude zu verbergen.)

         Achmet.
   Du sollst ein Opfer sein
Dem Staat! – Du sollst dich von dem Felsen stürzen und
Dein Land wird glüklich sein.

         Solimann (umarmt ihn heftig)
Nein! – Das kann das Schicksal nicht verlangen!
Reiß ihn aus meinen Armen wer es kann!
Wer fühlt sich stark genug die diamantnen Fesseln
Zu trennen welche Sohn und Vater binden?
Wer wagt es in die allgewaltgen Arme der
Natur zu fallen? – Mag nun doch um mich her
Mein Volck aus sterben, ach, ich finde unter ihnen
Ja keinen Sohn – zu lange hat die Vaterliebe
Geschlummert, aber nun erwacht sie um so stärker,
Du bist mein Sohn! Ich laß dich nicht aus meinen Armen!
Wer kann den Sohn vom Busen seines Vaters reissen?

          Mustapha.
Das Schicksal! – Laß mich lieber Vater, –
Sieh deine Unterthanen, jeder dieser
Ist auch dein Sohn, das Opfer dieses Sohns (auf sich zeigend)
Kann sie beglükken? – Du wolltest diesen nicht
Der Wohlfarth von Millionen opfern? – Du
Hast schon die schwersten Pflichten eines Fürsten
Erfüllt an diese leichtre sollte stossen
Dein Fuß? – Wenn mich des Feindes Schwerdt
Gemordet hätte, – Wenn ich schon als Knabe
Gestorben wäre, oder wäre schändlich als Gefangner
Gemordet – und jezt sterb’ ich einen edlen Tod; –
Es war von jeher einer meiner kühnsten Wünsche,
Zu leben wie die Sonne, Seegen um mich her
Verbreitend, dann zu sinken so wie sie
Und Thau der Fruchtbarkeit noch auf die Flur
Zu streuen, der Gedanke trieb mich in die Schaar
Der Feinde, izt wird dieser Wunsch erfüllt!
O laß mich Vater, mich dem Heil von Tausenden
Zu opfern.

         Solimann.
   Achmet, nein du lügst! Dies ist nicht der
Beschluß des Schicksals!

         Achmet.
   Ja, er ist’s, ich schwörs
Beim Barte des Propheten, bei dem Derwisch Ali!
(Er wendet sich, der Geist des Ali steht hinter ihm)

         Ali.
Verräther! Mörder!

         Achmet.
Ha! Schauder! Schauder und Entsetzen!

         Mustapha.
   Achmet!
Was ist dir?

         Achmet.
   Seht ihr nicht [dor[t]] den blutgen Geist?
Da steht die Wahrheit! sehet! seht! – die Lüge flieht
Vor ihrem Anblick – ha, du drohst! (er stürzt nieder) Nehmt das Bekenntniß
Von meinen Lippen, eine Lüge sprach
Mein Mund!

         Alle.
  Wie? Eine Lüge?

         Roxane. (stürzt mit einem Dolch auf Achmet)
   Rasender! – –
Wozu verleitete mich meine rasche Wuth?
(ihr entsinkt der Dolch)

         Achmet.
Roxane, nimm zurück dein Geld, das mich
Verführte, nimm und theile mit mir der
Verdamniß Quaalen – . Ha! Wie braußt es hinter mir? –
Es brüllen hinter mir die Schrekken der Verdammniß!
Du bleicher Geist [entwichst] von meiner Seite nicht? –
Du zeigst auf deine Wunden? – fort von hier!
(er stürzt hinaus)

         Solimann.
Ha, der Nebel fällt!
Ich schaue izt durch das [Gewebe] Eures Frevels?
(er zieht sein Schwerd)
Stirb Schändliche! – doch [nein] Ich liebte dich! –
Wie? Hat in einer Weiberseele so
Viel Bosheit Platz ? – Betrügerinn Natur!
Wie konntest du auf diese schlechte Waare
Den schönsten Stempel drükke[n?] In deine Hände
Geb’ ich sie izt mein Sohn bestrafe sie!
Kommt meine Freunde! – kommt hin weg!
(alle gehn ab)
[3. AKT, 14. SZENE]
Mustapha. Roxane.
Mustapha (steht und überlegt.)

         Roxane.
Warum hat alles sich so schnell geändert? –
Ich steh’ nun vor dem strengen Richterstuhl, –
Soll ich mein Knie zur Erde beugen? – um
Vergebung winseln? – Soll ich nun der Strafe willig
Hinhalten meinen Nakken? – Nein! Ich dulde nicht Verachtung! –
Ha! [Omru] deinen Trank will ich jetzt selber trinken
Den ich für den Verhaßten mischen ließ! –
(sie trinkt den Giftrank)

         Mustapha.
Unedler Mustapha! – Wie kannst du noch so lange
Mit Rachsucht kampfen[?] – O Roxane, ich
Vergebe dir! sei meine Freundinn! Meine Mutter!

         Roxane.
Vergebens! Nein! Ich nehme nicht Vergebung an. –
Schon ring’ ich mit der Hölle – ach zu spät – –
Des Lebens Thor wird hinter mir verschlossen,
Mir kommen schon entgegen alle Schrekken
Der Ewigkeit! –
(sie sinkt)

         Mustapha.
   O Mutter! Mutter! Hülfe! Hülfe!
[3. AKT, 15. SZENE]
Vorige. Solimann. Zeangir. Raschid.

         Solimann.
Was ist mein Sohn?

         Mustapha.
   O Gott! Sie stirbt!

         Solimann.
So laß sie sterben!

         Roxane.
   Ach! Verzeihung! Solimann! (sie stirbt)

         Mustapha.
Ich hatte ihr verziehn, sie hat sich selbst gerichtet!
[3. AKT, 16. SZENE]
Vorige. Omar.

         Omar.
Es hat sich Achmet von des Felsens höchster Spitze
Gestürzt! –

         Raschid.
   Ihn jagte das Bewußtsein seiner That.

         Zeangir.
O meine arme Mutter!

         Solimann.
   Ich verzeihe ihr!
Nun bist du ewig mein, o lieber Sohn!

         Zeangir (reicht dem Mustapha die Hand)
Wir wollen Freunde sein!

         Mustapha (einschlagend)
   Brüder!
(Ende des 3ten Akts)
Tieck.
über das Erhabene