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          Stiftung Stadtmuseum Berlin / Hitzig-Nachlass
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          XV 532
          (Hier findet sich der braune Stempel des Märkischen Museums.)
          Nachtstücke.

          Herausgegeb
          vom Verfaßer dr Fantasiestücke in
          Callotts Manir

          Der Sandmann


          (Märkisches Museum)

          Der Mutter Antwort befriedigte mich nicht, ja in meinem kindischen Gemüthe
          entfaltete sich deutlich der Gedanke, daß die Mutter den Sandmann nur
          verlaügne, damit wir uns nicht vor ihmhrchten sollten; ich hörte ihn ja im̄er die Treppe
          heraufkom̄en. Voll Neugierde über diesen Sandmann und seine Beziehung
          auf uns Kinder zu erfahren frug ich endlich die alte Frau, die meine jüngste
          Schwester wartete, was denn das für ein Mann sey, der Sandmann. "Ey, Tha=
          nelchen, erwiederte diese, [am Rande: weißt du das noch
          nicht?
          ]
          das ist ein böser Mann; der komt zu den
          Kindern, wenn sie nicht zu Bett' gehen wollen und wirft ihnen Händevoll
          Sand in die Augen, daß sie zum Kopfe blutig herausscharrenspringen, und [am Rande: die]
          [am Rande: nimt er] dann wirft er die Auge n sie in den Sack und trägt sie in den Halbmond, da sitzen
          seine Kinder zur Atzung für seine Kinderchen die sitzen dort im Nest, und haben
          krum̄e Schnäbel wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschen=
          Kindlein Augen auf. – Gräßlich mahlte sich nun mir im Innern das Bild
          des grausamen MondSandmanns aus, so wie ich es Abends auf der Treppe
          hinaufpoltern hörte zitterte ich vor Angst und Entsetzen. Nichts, als den
          unter Thränen hergestotterten Ruf: der Sandmann, der Sandmann
          konte die Mutter haus mir herausbringen, ich lief vorauf in das Schlaf=
          zim̄er, und wälzte mich oft noch lange von der fürchterlichen Erscheinung
          des Sandmanns gequält schlaflos auf dem Lager umher. – Schon alt
          genug war ich worden um einzusehen, daß das mit dem Sandmann und
          seinem KinderNest im Halbmonde so wie es die Kinde Wartefrau mir
          erzählt hatte wohl nicht ganz seine Richtigkeit haben könne; indeßen
          blieb der Sandmann mir ein fürchterliches Gespen̄st, und Grauen und Ent=
          setzen erfüllten mich ganz und gar, wenn ich ihn nicht allein die Treppe
          heraufkom̄en sondern auch später meines Vaters Stubenthüre aufmachen
          und hineintreten hörte. Manchmahl blieb er lange fort, dann kam er
          öfter hintereinander, Jahre lang dauerte das, und nicht gewöhnen konte
          ich mich an den unheimlichen Spuk, nicht bleicher wurde in mir das Bild
          des grausigen Sandmanns. – Sein Umgang mit dem Vater fing an
          mehr und mehr meine Fantasie zu beschäfftigen, den Vater darum zu
          befragen hielt mich eine unüberwindliche Scheu zurück, aber selbst – selbst
          das Geheimniß zu erforschen – den fabelhaften Sandmann zu sehen, dazu

          keimte

          keimte mit den Jahren im̄er mehr die Lust in mir empor. – Der Sandmann
          hatte mich auf die Bahn des Wunderbaren, Abentheuerlichen gebracht,
          das so schon leicht im kindlichen Gemüth sich einnistet. Nichts war mir lieber
          als schauerliche Geschichten von Kobolten, Hexen, Daumlingen pp aber
          oben an stand imer der Sandman, den ich in den seltsamsten abscheu=
          ligsten Gestalten überall auf Tische und Wände mit Kreide–Kohlen
          hinzeichnete. – Im zehnten Jahre wies mich die Mutter aus der
          Kinderstube in ein Kämmerchen, das auf dem Corridor unfern
          von dem meines Vaters Zim̄er lag. – Noch im̄er mußten wir uns, wenn jener
          Unbekante auf den Schlag Neun Uhr sich auf dr Trepe hören ließ schnell entfernen.
          – In meinem Käm̄erchen hörte ich, wie er bey dem Vater hineintrat
          und bald darauf war es mir denn, als verbreite sich im Hause ein feiner
          seltsamer riechender Dampf. – Im̄er höher wuchs mit der Neugierde, der Muth
          auf irgend eine Weise des Sandmanns Bekantschaft zu machen. Ich
          öff schlich mich schlich mich oft schnell aus dem Kämnerchen ausf den
          Corridor, wenn Mutter vorbeigegangen, aber nichts konte ich erlauschen,
          denn im̄er war der Sandmann schon zur Thüre hinein, wenn ich den
          Platz erreicht hatte, wo er mir sichtbar werden konte. Endlich beschloß ich
          [am Rande: wie] von unwiderstehlicherm Gewalt Drange getrieben mich im Zim̄er des Vaters selbst zu
          verbergen und dort den Sandmann zu erwarten. An des Vaters ech Still=
          schweigen, an der Mutter Traurigkeit merkte ich eines Abends, daß der
          Sandmann kom̄en werde, ich schützte daher große Müdigkeit vor, und
          ging schon vor Neun Uhr aus dem Zim̄er., verbarg mich indeßen ticht neben
          der Thüre in einen Schlupfwinkel. Dasr Hausthüre knarrte, es fing an auf
          im Fl durch den Flur ging es schweren – langsamen drschweren dröhnenden
          Schrittes nach der Treppe, die Mütter eilte mit meinn Geschwister mir
          vorüber. Leise – leise öffnete ich des Vaters Stube – Der Vater saß wie
          gewöhnlich stum̄ und starr mit dem Rücken nach der Thüre hin., schn er
          bemerkte mich nicht, schnell war ich hinein und hinter der Gardiene, die
          nebe [am Rande: einem] gleich nebn der Thüre über stehenden offnen Schrank, worin̄ min Vaters
          Kleider hingen vorgezogen hin war. Näher und näher dröhnten die Tritte –
          es hustete und scharrte und brumte draußen – das Herz bebte mir vor Angst
          und Erwartung – Heftig wurde die Thüre aufgerißen, mich mit Gewalt er=

          mannend a kukte ich behutsam hervor, der Sandmann stand mitten in
          der Stube vor meinem Vater – es war der mir wohlbek dr helle Schein
          der Lichter fiel bran̄te ihm ins Gesicht – der Sandmann – der fürchterliche Sand=
          mann war der alte Advokat Coppelius, der manchmahl bey uns
          zu Mittag zu eßen pflegte! – Aber die gräßlichste Gestalt hätte
          in mir nicht das tiefe tieferes Entsetzen erregen können, als eben dieser Coppelius.
          Denke dir einen großen breitschultrigen Mann mit einem unförmlich großen
          Kopf, erdgelbem Gesicht, buschigten graun Augenbraunen, unter denen ein paar schwarze
          kleine Augen Katzenar grünliche KatzenAugen hervorfunkeln, großen großer dicker
          übr de Oberlippe hergezogen Nase – der Mund verz das schiefe Maul verzieht sich oft zum
          hämischen Lächeln, dann werden auf den Backen ein paar dunkelrothe Flecke sichtbar
          und es zischt ein seltsam zischender Ton fährt durch die zusam̄engekniffenen Zähne.
          Coppelius erschien im̄er in einem altmodisch zugeschnittenen Rock gr gaschgrau=
          en Rocke, sebensolcher Weste und Bgleichen Beinkleidern, aber dazu schwarze Strümpfe
          und Schue mit kleinen Steinschnallen. Die kleine Perücke bedekte kaum den Ko reichte
          kaum über den Kopfwirbel heraus, die Kleblocken standen, hoch über den großen rothen
          Ohren hinweg, und ein großer breitr verschoßener Harbeutel starrte von dem Nacken weg
          so daß man die Steinschnalle silberne Schnalle sah, die die gefaltelte Halsbinde
          schloß. [am Rande: Im Zur Winterszeit pflegte er ganz weiß zu gehen – selbst Hut, Rock
          und Uhrband waren von weißer Farbe – Ich glaube, er hätte weiße Schue tragen
          mögen wär' das nur irgend Sitte gewesen – Noch entsetzlictr starrte dann war
          dann sein haßlich' Gesicht anzuschauen. – Uns Kindr war er dann wie ein scheußlicher
          Schneemann, dem man das Gesicht mit Ziegel gefärbt und Kohlen statt der
          Augen engesezt.
          ]
          Die ganze Figur war überhaupt widrig und abscheulig, aber vor allem waren uns
          Kindern die großen knotig Coppelius große knotige haarigte Faüste
          zuwider, so daß wir, was er damit berührt, nicht mehr anfaßen mochten.
          Das hatte er bemerkt, und nun war esseine Freude irg irgend eine Stückchen
          Kuchen, oder eine süße Frucht, die uns die gute Mutter heimlich auf den
          Teller gelegt unter diesem, jenem Vorwande zu berühren, daß wir, helle
          Thränen in den Augen, die Näscherey, womit uns die der wir uns erfreuen sollten, nicht
          mehr genießen mochten vor Ekel und Abscheu. Eben so machte er es, wenn uns
          an Feyertagen der Vater ein Gklein Gläschen süßen Wein eingeschenkt hatte, dann
          fuhr er schnell mit dr Faust herübe odr kostete wohl gar davon das Glas an
          die blauen Lippen bringen, und lachte recht teuflisch, wenn wir unsern Aerger
          nur leise schluchzend außern durften – Er pflegte uns nur im̄er, die kleinen
          Bestien zu nennen, wir durften, war er da, keinen Laut von uns geben, und
          verwünschten den häßlichen Mann feindlichen Mann, dr uns recht mit Bedacht
          und Absicht auch die kleinste Freude verdarb. – Die gute liebe Mutter schien unsern

          a (Eigenschaft als Advokat)

          eben so wie wir den widerwartigen Coppelius zu haßen, denn so wie er
          sich zeigte, war ihr Frohsinn, ihr uheiteres unb fangnes Wesen hin. Der Vater
          betrug sich gegen ihn, wie als sey ers ein höheres Wesen, deßen Unarten man
          dulden, müße und d en as man auf jede Weise bey guter Laune erhalten müße.
          Er durfte nur leise andeuten und LieblingsGerichte wurden gekocht und
          seltene Weine credenzt. Als ich nun diesen Coppelius sah, da war es mir
          ging es grausig und entsetzlich in mein Seele auf, daß ja nie mand als er
          ja der Sandmann seyn könne, aber der Sandmann war mir nicht mehr
          jener Popanz aus dem Am̄enmährchen, der dem EulenNest im Halbmonde
          KinderAugen zur Atzung holt, nein – ein häßlicher gespenstischer Unhold
          der überall wo er einschreitet Jam̄er und Noth bringt! und zeitliches– ewiges
          Verderben bringt – Ich war wie festgezaubert, auf die Gefahr entdeckt
          und wie ich deutlich dachte hart gestraft zu werden blieb ich stehen den Kopf
          durch die Gardiene lauschend hervorgestreckt – Mein Vater empfing ihn
          feyerlich – Zum Werk zum Werk, rief Coppelius mit heiserer schnarrendr
          Stim̄e und warf den Rock ab. Der Vater zog still und finster seinen Schlafrock
          aus, und beide kleideten sich in schwarze Kittel, wo sie die hernahmen hatte ich
          übersehen. Nun öffnete dDer Vater öffnete die Flügelthüren eines Wandschranks,
          aber nun wurde ich wohl gewahr ich sah, daß das, was ich so lange dafür gehalten
          keinsweges ein Wandschrank, sondern vielmehr dr Eingang ein schwarze Hölung
          war in der ein kleiner Heerd stand. Coppelius trat hinzu, und ein blaue
          Flam̄e loderte hoch auf dem Heerde auf – Allerley seltsame Geräthzschaften
          erlickte ich nun – Ach Gott! – wie sich nur mein alter Vater zum Feuer
          bückte, da sah er ganz anders aus – ein gräßlichr Schmerz schien sei Zu sanften
          ehrlichn Züge zum häßlichn widrwärtigen Teufelsbilde vrzogen zu haben –
          Er rührte schwang Coppelius schwang die glühende Zange und fuhr hin und her
          damit in den dicken Qualm[...] – mein Vater ächzte laut – mir war es als
          würden MenschenGesichter rings umher sichtbar aber ohne Augen – scheußliche
          AugenHöhlen tiefe schwarze Höhlen statt ihrer, und Coppelius schrie mit dumpfer
          entsetzlicher [am Rande: dröhnender] Stim̄e: Augen her – Augen her! – Da vergingen mir die Sinne Ich kreischte auf von wildem Entsetzen gepeckt, und stürzte heraus auf dn Boden

          Da ergriff mich Coppelius – klein Bestie – kleine Bestie meckerte er zähn
          fletschend und riß mich herauf und legte mich warf mich auf den Heerd, daß
          die Flamme mein Haar zu sengen begann. "Nun haben wir Augen –
          Augen – ein schön Paar Kinder Augen – So flüsterte Coppelius und zog ein
          griff mit den Faüsten in die Flam̄e und griff glutsrothe Körnr heraus und
          wollt es mir die Augen streuen, da hob mein Vatr flehend die Hände empor
          ud rief: Meister – Meister! laß meinem Nathanael die Augen – laß sie
          ihm! – Coppelius lachte gellend auf und rief: Mag dr Junge denn Augen haben
          und sein Pensum flennen und was weiß ich sonst, aber nun wollen wir
          doch den Mechanismus dr Hände und Füße recht observiren – Und damit
          a faßte er mich gewaltig, und schrob mir die Aerme ab und die Füße, und sezte
          sie bald hier – bald dort wieder ein – 's'steht doch überall nicht fein – 's gut
          so wie es war – Der Alte hat's verstanden – So zischte und lispelte Coppelius
          aber Alles wurde schwarz und finster – ein jäher Krampf durchzukte Nerv
          ud Gebein – ich fühlte nichts mehr. AEin sanftr warmer Hauch glitt über
          mi Gesicht, ich erwachte wie aus den TodesSchlaf, die Mutter hatte sich
          übr mich hingebeugt: Nathanael – mi Nathanael – so schluchzte sie –
          "Ist der Sandmann noch da? – stam̄elte ich. Nein, mein liebes Kind! Der ist
          lange f lange fort – der thut dir kein Schaden! – So sprach ie Muter, und
          küßte und herzte mich, den wiedrgewonnenen Liebling! – Was soll ich
          dich ermüden, mein herzlieb Lothar! – was soll ich so weitläuftig einzelnes
          hererzählen, da noch so vieles zu sagen mir übrig ist – Ich war bey Genug
          sey es – ich war bey dr Lauschereyi entdeckt und von Coppelius gemißhandelt
          worden, Angst und Schreck hatten mir ein hitziges Fieber zugezogen, an dem
          ich drey Wochen krank lag – Ist der Sandan noch da? – Das war mein erstes
          gesunds Wort und ds Zeichn mi Genesung – mein Rettung. Coppelius ließ
          sich nicht mehr sehen – bis – Doch ich greife nur zwy ein Hauptmomente mi. Jugendjahre heraus b
          die denn nur die sind nöthig was dich anreg diesen darfst du wißen, daß es nicht
          mi b mir Augen Blödigkeit ist, wenn mir nun alles farblos erscheint, sondern
          daß ein dunkles Vrhängniß wirklich ein trüben Wolkenschleyer übr min Leben
          gehängt hat, den ich vielleicht nur sterbend zerreiße. – Wie gesagt, Coppelius

          a (Unbekante Sprache)

          b es hieß er habe de
          Stat,

          ließ sich nicht mehr sehen, a mi Vater schien hunbefangen ud heiter, nicht mit
          ein Sylbe wurde ds Vorfalls g[...]s[...] minr Neugierde, die ich so schwer büßen
          mußte erwähnt. – Ich war [...]vierziehn Jahr alt worden, mei kl ein jugste Schwester, der
          Mutr treus Ebenbild, sanf anmuthig, sanft ud gut wie sie, sechs Jahr als wordn,
          ich liebte sie sehr, ud so geschah es, daß ich oft mir spielte. So saß ich einst
          mit ihr in unserer ziemlich einsamen Straße vor der Hausthür, und ließ ihre
          Puppen mit einander sprechen, so daß sie in kindischer Lust lachte ud jauchzte
          da stand mit eine Mahl der verhaßte Coppelius vor uns – Was wollen Sie
          hier? – Sie haben hier nichts zu suchen – Gehen Sie – gleich gehen sie – So fuhr
          ich den Menschen an, und stellte mich wie kampflustig vor ihn hin – Hoho hoho
          klei Bestie – lachte er hämisch, aber er schien nicht ohne Scheu vor mei kleinen Prson.
          Doch schnell, ehe ich mir's vrsah, ergriff er m klein Schwester – und fuhr ihr mit den Fausten
          nach dn Gesicht – da schlug ich ihn mit geballter Faust nch dem Gesicht – er hatte sich
          gebückt – ich traf ihn schmezlich – mit wüthenden Blick fuhr er auf mich loß – ich
          schrie Hülfe – Hülfe, des Nachbars Brauers Knecht, sprang v die thür, Hey
          hey – hey – der tolle Advokat – der tolle Coppelius – macht euch über ihn her
          macht euch über ihn her – so rief es ud stürmte vn allen Seiten auf ihn ein – er
          gfloh gehezt übr die Straße – Abr nicht lange dauerte es, so fingen meine
          Schwestrlein die Augen an zu schweren zu schmzn, Geschwüre, unheilbr seztn sich dran –
          in dry Wochen war sie blind – dry Wochen darauf vm Nervnschlag getroffen todt –
          "Die hat dr teuflische Sandmann ermordet – so schrie Vatr – Vater – gebt ihn gieb ihn by
          dr Obrigkeit an, den verruchn Morder! – so schrie ich unafhörlich. Der Vater
          schalt mich heftig ud bwis mir, daß ich was unsinniges behaupte, aber in dem
          Jam̄erblicke dr trostlosen Muttr las ich nur zu deutlich, daß ein sie deselbe Ahnung in
          [am Rande: in̄r trage] ihr wohne. – Ein J Es hieß, dCoppelius habe die Stadt vrlaßen. – NEin Jahr
          mochte vergangn seyn, als wir der alten unveränderten Sitte gemäß Abends
          an dem rundn Tische saßen,. Der Vatr war dn Abed sehr heitr und erzählte viel
          b ergötzliches vn dr Reise nach Neapel, die er in sei Jugend gemht. Da hörtn wir
          plotzlich die Hausthüre in dn Angeln knarren, und langsame, eisenschwere – dtritte
          dröhntn durch dn Hausflur die Treppe herauf! – Das ist Coppelius, sagte
          mi Mutter erblaßend – Ja es ist Coppelius, [...]drhole dr Vater mit matter gebrochn Stim̄e.

          a Es lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ob Hoffmann an dieser Stelle zuerst ein Komma oder einen Gedankenstrich gesetzt hat. Beide Zeichen erscheinen in der Handschrift übereinander. Das in der Transkription erscheinende Komma kann also ebenso gut als Gedankenstrich gelesen werden.

          b Es muß n so sy)

          Die Thränen stürzten der Mutter aus den Augen: aber Vater Vater! rief sie:
          Es muß es nun so seyn, erwiederte dieser: zum lezten mahle komt er zu mir, ich
          verspreche es dir; geh nur geh' mit den Kindern, geht zu Bette! – Gute Nacht.
          Es war mir, als sey ich in kalten schweren kalten Stein eingepreßt – mein Athem stockte,
          die Mutter ergriff mich beym Arm, als ich unbeweglich stehen blieb: kom̄ Nathanael
          kom̄ nur. Ich ließ mich fortführen, ich trat in meine Kam̄er! – Sey ruhig – sey ruhig,
          lege dich ins Bette, schlafe, schlafe, rief mir die Mutter nach, aber vll von innerer
          Angst und Unruhe gequält konte ich kein Auge zuthun. Der verhaßte abscheulige
          Coppelius stand vor mir mit funkelnden Augen und lachte mich hämisch an, vergebens
          trachtete ich sein Bild los zu werden. Es mochte wohl schon Mitternacht seyn, als
          ein entsetzlichr Knal l Schlag geschah; als würde ein daß das ganze Hause zitterte und dröhnte,
          es raßelte und rauschte bey meinr Thüre vorüber – "Das ist Coppelius! rief ich entsezt,
          als die Hausthüre heftig zugeschlagenworfen wurde; ich sprang aus dem Bette, da kreischte
          es auf in entse schneidendem trostlosen Jam̄er – fortstürzte ich nach des Vaters
          Zim̄er – die Thür war offen ein erstickender Dampf quoll heraus – das Dienstmdhen
          schrie: Ach der Herr – der Herr – Auf dem Boden boden vor dem Vor dem dampfenden Heerde
          auf dem Boden lag mein Vater todt mit schwarz verbran̄tem gräßlich verzerrten
          Gesichte – um ihn herum heulten u: winselten die Schwestern, die Mutter ohnmächtig daneben ihnen
          "Coppelius – verruchter Satan – du hast die Schwester – den Vater ermordet! — So
          schrie ich auf – mir vrgingen die Sinne! – Als man zwey Tage darauf mein Vater
          in den Sarg legte, waren seine Züge wieder mild und sanft worden wie sie im
          Leben waren, und [...]tröstend ging es in meiner Seele auf, daß sein Bund mit dem
          teuflischen Coppelius ihn nicht nur ins Verderben gestürzt haben könne.  
          Nein, mein herzlieber Freund Die Explosion hatte die Nachbaren geweckt – die
          Geschichte wurde ruchtbar und kam vor die Obrigkeit, welche den Coppelius zur
          Vrantwortung vorfordern wollte. Der war aber spurlos vom Orte vrschwunden.
          – Wenn ich Dir nun sage, mein herzlieber Freund, daß jener Wetterglashändler
          eben der verruchte Coppelius war, so wirst du mir es gnicht verargen, wenn
          ich die Ers feindliche Erscheinung nur als unheilbringend schweres Unheil bringend
          deuten kan. – Er war anders gekleidet, aber Coppelius Figur und Gesicht
          sind zu tief in mein Innerstes eingeprägt als daß hier ein Irrthum möglich
          seyn sollte. Zudem hat Coppelius nicht einmahl seinen Nahmen geändert.
          Er giebt sich hier, wie ich höre, für einen piemontesischen Mechanikus aus und

          nennt sich Giuseppe Coppola. – Ich bin entschloßen es mit ihm aufzu=
          nehmen; mag es denn nun gehen wie es will:
          Der Mutter erzähle nichts von dem Erscheinen des grausigten Unholds –
          Grüße meine liebe holde Clara, ich schreibe ihr b ey in ruhigerer Gemüthsstim̄ng
          recht viel. Lebe wohl pp

          Clara an Nah Nathanael.
          Wahr ist es, daß Du recht lange mir nicht geschrieben hast, aber gewißdennoch
          ich glaube iches dir, daß Du mich dennoch in Sinn und Gedanken trägst , denn sonstdenn
          hättest du meiner gedachtest Du wohl mit recht lebhaft, als Du neulich deinen lezten
          Bruder an Lothar absenden wolltest, und die Aufschrift statt an ihn an mich richtetest.
          Freudig erbrach ich den Brief, und wurde den Irrthum erst bey den Worten
          inne: Ach mein herzlieber Lothar! – Nun hätte ich nicht weiter lesen, sondern
          den Brief dem Bruder geben sollen – aber, hast du mir auch sonst wohl manchmahl in
          kindischer Neckerey vorgeworfen, ich hätte solch ruhiges weiblich besonnenes Ge=
          müth, daß ich wie jene Frau, drohe das Haus einzustürzenden Einsturz, noch vor schneller
          Flucht ganz geswinde ein Fältchen in der FensterGardiene glattstreichen würde,
          so darf ich dich ich doch wohl kaum versichern, daß sagen wie deines Briefes Anfang mein Inneres [am Rande: mich]
          so aufregte, daß ich mich gar nicht entsinne tief erschütterte. – Ich konte kaum
          athmen – es flim̄erte mir vor den Augen – Ach mein lieber – lieberherzlieber
          Nathanael was konte so entsetzlich in dein Leben getreten seyn – Trennung
          von dir – Niemahls idich wiedersehen – der Gedanke durchfuhr meine Brust wie
          ein glühender Dolchstich – Ich las und las – Deine Schilderung des wider=
          wärtigen Coppelius ist gräßlich – Erst jezt erfuhr ich, wie dein guter alter
          Vater solch' entsetzlichen gewaltsamen Todes starb – Lothar Bruder Lothar
          dem ich sein Eigenthum zustellte, suchte mich zu beruhigen, aber es wollt
          ihm schlecht gelingen, der fatale Wetterglashändler Giuseppe Coppola
          vrfolgte mich auf Schritt und tritt, und beinahe schäme ich mich es zu gestehen
          daß er me selbst meinen sonst so gesunden ruhigen Schlaf durch in allerley
          wunderlichen Traumgebilden vrstörteverstören konte. – Doch bald, schon den andern Tag
          hatte sich alles anders in mir gestaltet, und sey mir nicht böse, mein Innigge=
          liebter, wenn Lothar dir sagen möchte, daß ich, trotz deiner wunderlichen

          Angst und Furcht, daß Coppelius dir was böses anthun werde, ganz heitern
          unbefangenen Sinns bin̄ wie im̄er. – Gerade heraus will ich es dir nur sagen,
          daß Alles Schreckliche und Entsetzliche wovon du sprichst nur in deinem Innern
          vorging, die Außenwelt aber daran wohl wenig Theil hatte. – Widerwärtig
          genug mag der alte Coppelius gewesen seyn, aber daß er Kinder haßte,
          und das machte ihn Euch Kindern unerträglich. [am Rande: Natürlichr vrknüpft] Nun verknüpfte sich nun in deinem
          kindischen Gemüth der Sschreckliche Sandmann aus dem Am̄enmährchen mit
          dem Coppelius, der dir, glaubtest du auch nicht mehr an den Sandmann, ein
          gespenstischer, vorzüglich Kindern gefährlicher Unhold blieb. Das unheimliche
          Treiben mit deinem Vater zur Nachtzeit war wohl nichts anders, als daß
          beide insgeheim s[...] Alchymistische Versuche machten. Weder dein Schwesterchen noch
          den Vater hat womit dein Mutter nicht zufrieden seyn kon̄te, da gewiß viel
          Geld unnützer Weise verschleudrt und obendrein wie es im̄er der Fall mit alchy=
          mistischen FLaboranten der Fall seyn soll, des Vaters Gemüth ganz von dem
          trügerischen Drange nach hoher Weisheit erfüllt, der Familie abwendig gemacht wurde.
          Weder an deines Schwesterchens noch an ders Co Vaterhs Tode ist wohl Coppelius im mindesten
          Schuld. – Schwesterchen litt ja, wie mir nur noch neulich Mutter erzählte von
          klein auf an bösen Augen und starb an der Abzehr Auszehrung, der Vater
          hat wohl aber gewiß [...] eigener Unvorsichtigkeit seinen Tod herbeygeführt. [am Rande: ud Copelis ist
          nht
          ]
          – Glaubst
          du es, daß ich den erfahrnen Nachbar Apotheker frug, ob wohl bey Chemischen
          Versuchen eine solche augenblicklich tödtende Explosion statt finden könne? Der
          sagte, Ey allerdings, und beschrieb mir nach seiner Art gar weitläuftig und
          umständlich, wie das zugehen kon̄te und nan̄te dabey so viel sonderbar klingende
          Nahmen, die ich gar nicht zu behalten vermochte. – Nun wirst Du wohl unwillig
          werden über deine Clara, du wirst sagen,: ich in dies kalte Gemüth dringt kein
          Strahl des Wunderbaren Geheimnißvollen hinein, das den Menschen oft mit unsichtbaren Armen
          umfaßt, und sie erschaut nur die bunte Oberfläche der Welt, und freut sich wie
          das harmlose Kind übr die glänzend gleißende Frucht in derem Innern tödtliches
          Gift verborgen! – Ach mein herzlieber Nathanael! glaubst du denn nicht,
          daß auch in heitern unbefangenen – sorglosen Gemüthern die Ahnung wohnen könne von einer
          dunklen Macht, wohnen kö die feindlich uns in unserm eignen Seyn zu vernich verderben
          strebt. – Aber, verzeih' es mir, wenn ich einfältig Mädchen es versuche mir
          auf irgend eine Weise anzudeuten, was ich eigentlich von solchem Kampfe im
          Inern glaube. – Mag es eine du wirklich eine dunk Ich finde wohl gar am Ende nicht die rechten Worte, und du

          lachst

          lachst mich aus, nicht wenil ich was dummes meine, sondern weil ich mich so unge
          schickt anstelle. [am Rande: es zu sagn.]Mag Giebt es eine Dunkle Macht geben, die so recht feindlich und
          verrätherisch einen Faden in unseres legt, woran̄ sie dann uns festhält und regirt
          festpackt und fortzieht auf einem [am Rande: gefahrvollen
          verderblichen
          ]
          solchen Wege, den wir sonst nicht betreten [am Rande: haben würden.]
          hätten. giebt es ein solche Macht, so muß sie sich um das zu vollbringen in Uns sch wie wir selbst gestalten, ja
          unser Selbst seyn, denn nur so glauben wir an sie und raümen ihr den Platz ein
          deßen sie bedarf um jenes geheime Werk zu vollbringen. Haben wir festen durch
          das heitre Leben gestärkten Sinn genug um je feindliches fremdes Einwirken
          als solches stets zu erkennen und den Weg [...] in den uns Neigung und Beruf
          geschoben, ruhigen Schrittes zu verfolgen, so zerfällt hört wohl geht wohl jene un=
          heimliche Macht unter in dem vergeblichen Ringen nach der Gestaltung, die unser
          eignes Fantom Spiegelbild seyn sollte. – Mir ist es auch so, als wenn wir uns einmahl durch
          uns selbst unheimlicher Gewalt hingeben aber diese dann fremdes, das uns die aüßere
          Welt in den Weg wirft, in uns selbst hineinziehet, und so und selbst Fantome
          bilden wir dann in wunderlicher Taüschung und Es ist auch gewiß, fügt Lothar
          hinzu, daß die unheimliche psychische Gewalt, haben wir uns durch uns Selbst
          ihr hingegeben, oft fremde Gestalten, die die Außenwelt uns in den
          Weg wirft, in unser Inneres hineinzieht, so daß wir selbst den Geist entzünden
          der, wie wir in wunderlicher Taüschung glauben, aus jener Gestalt spricht;
          es ist das Fantom unser eignen Ichs, deßen innige Verwandschafft und deßen
          tiefe Einwirkung auf uns wir bewundern. – Du merkst, mein herzlieber Natha=
          nael,
          daß ich mich mit wir, ich und Bruder Lothar uns recht über die Materie
          ausgesprochen haben, die mir nun, nachdem ich nicht ohne Mühe das hauptsächlich=
          ste aufgeschrieben ordentlich tiefsinnig vorkomt. Lothars lezte Worte verstehe
          ich nicht ganz, ich ahne nur was er meint, und doch ist es mir, als sey das
          sehr wahr! – Ich bitte dich, schlage dir den häßlichen Coppelius und den
          Wetterglasmacher Coppola ganz aus dem Sinn. Sey überzeugt, daß diese
          fremde Gestalten nichts über dich vermögen, mit nur der Glaube an ihre feindliche
          Gewalt kan sie dir in der That feindlich machen. – Hätte nicht sSpräche nicht aus
          jeder Zeile deines Briefes die tiefste Aufregung deines Gemüths, schmerzte
          mich nicht dein Zustand recht in innerster Seele, wahrheftiger ich könte über
          den Sand Advokaten-Sandmann und den Wetterglashändler Coppelius scherzen. —
          Sey heiter – heiter – Ich habe es mir vorgenom̄en dir bey dir wie dein Schutzgeist

          zu erscheinen, und dem häßlichen Wetterglashändler, sollte er es sich beykom̄en
          laßen dichr etwa im Traume beschwerlich zu fallen, mit lautem Lachen wegszu=
          scheuchen, denn ganz und gar nicht fürchte ich mich vor ihm und vor seinen knotigen haarigen Faüsten,
          Er soll mir weder als Advokat eine Näscherey noch die A als Sandmann die Augen verderben.
          noch als Ewig mein Herzinnig geliebter Nathanael pp

          Nathanael an Lothar.
          Sehr unlieb ist es mir, daß Clara neulich den Brief an dich aus Irrthum
          erbroachen und gelesen hatlas. Sie hat mir einen sehr tiefsinnigen philosophischen
          Brief geschrieben, worinn sie mir ausführlich beweiset, daß Coppelius
          und Coppola nur in meinem Innern existiren und Fantome meines Ichs
          sind, die augenblicklich zerstaüben wenn ich sie als solche erkenne. – Uebri=
          gens ist es wohl gewiß, daß der Wetterglashä In der That sollte man gar
          nicht glauben, daß der Geist, der aus so hellen hold lächelnden KindesAugen, oft wie ein
          liebliche süßer Traum hervor herausleuchtet so gar verständig, so magistermäßig
          distinguiren könne. – Sie beruft sich auf dich; Ihr habt über mich gesprochen. Du [am Rande: giebst ihr wohl]
          liesest ihr wohl Collegia philosophisch Unterricht [...] [am Rande: [...] logischen Unterricht
          damit sie alles fein
          sachhaft sondern lerne?
          ]
          ? – Laß das bleiben. – Uebrigens ist es wohl gewiß
          daß der Wetterglashändler Giuseppe Coppola keinesweges der alte Advo=
          kat Coppelius ist. Ich höre bey dem neugekom̄enen überaus geschickten
          Profeßor der Naturkunde, der wie jener berühmte Naturforscher Spalanzani
          heißt, Collegia der, ebenfallsund italiänischer Abkunft ist, Collegia. Der kennt
          den Coppola schon seit vielen Jahren, und überdem je hört man es ausch an dem Jargon
          den er gewöhnlich spricht, daß er wirklich Piemonteser ist; Coppelius war ein
          Deutscher aber wie mich dünckt kein ehrlicher. Ganz beruhigt bin ich nicht. Haltet
          Ihr, du und Clara, mich im̄erhin für einen düsteren Traümer, aber nicht los kan
          ich den Eindruck werden, den Coppola's verfluchtes Gesicht auf mich machte.
          Ich bin froh, daß er fort ist aus der Stadt wie mir Spalanzani sagt. – S Er dieser
          Profeßor ist ein wunderlicher Kauz. Ein kleiner rundlicher Mann mit schwarzen kleinen
          stechenden Augen das Gesicht mit starken Bakenknochen, feiner aufgestü Nasens
          aufgeworfenen Lippen, kleinen stechenden Augen., doch nicht beßer kan̄ ich ihn als jede in
          dir jeder beschreibung siehst du ihn, wenn du den Cagliostro wie er von Chodowiecki gezeichnet [am Rande: in irgend einem]
          in irgend ei berlinischen Taschenkalenr steht anschaust. – So sieht Spalanzani aus. –
          Neulich kom̄e steige ich die Treppe herauf zum Flur, und erblicke, daß die Gsonst vor eine Glasthüre
          dicht vorgezogene Gardine halb zur Seite ein kleine Oeff kleinen Spalt läßt. Selbst weiß ich nicht, wie

          dazu kam neugierig durchzublickn. Ein hohes sehr schlank im reinsten Ebenmaß
          gewachsenes herrlich gekleidetes Frauenzim̄er saß im Zim̄er vor einem
          klein Tisch, auf dem sie beide Aerme, die Hände zusam̄engefaltet gelegt hatte.
          Sie saß dr Thür gegenüber, so daß ich ihr volles engelschönes Gesicht erblickte.
          Sie schien mich nicht zu bemerken, und überhaupt hatten ihre Augen etwas
          starres – beinahe möcht ich sagen – keine Sehkraft; es war mir so, als schliefe sie
          mit offnen Augen. – Mir wurde ganz unheimlich und deshalb schlich ich
          leise fort ins Auditorium das danebengelegen. – Nachher erfuhr ich, daß
          die Gestalt, die ich gesehen, Spalanzanis Tochter Olimpia seywar, die er sondrbarer
          ud schlechtr Weise einsperret, so daß durchaus kein Mensch in ihre Nähe kommen
          [am Rande: darf] dürfe. – Am Ende hat es eine Bewandtniß mit ihr, sie ist vielleicht blödsinnig
          oder sonst – Weshalb schreibe ich dir aber das alles? – beßer und kurzr und
          ausführlicher hätte ich dir das mündlich erzählen können. Wiße nehmlich, daß
          ich über vierzehn Tage bey Euch bin. Ich muß mein sußes liebes Engelsbild,
          mei Clara, wiedersehem, weggehaucht wird dann die Verstim̄ung widr die holde Geliebte seyn, die
          sich, wie ich sgestehen muß, nach dem fatalen philosophischen Bri verständgen Briefe
          mei bemeistern wollte. Deshalb schreibe ich auch heute nicht an Sie.
          Tausend Grüße pp

           

          Seltsamer und wunderlicher kan nichts erfunden werden, als dasjenige ist
          was sich mit meinem armen unglücklichen Freunde [am Rande: dem Studenten
          jungen Studenten
          ]
          Nathanael begeben zugetragen
          und was ich dir, günstiger Leser! zu erzählen, unternom̄en. Hast du, günstiger[am Rande: LG[...]!]
          Leser wohl jemahls etwas erlebt, das Bdeine Brust, so ganz und gar erfüllt, daß
          das, d das Sinn und Gedanken ganz und gar erfüllte alles andere daras verdrängend?
          es gährte und kochte in dir, zu siedenden Gluth entzündet sprang das Blut duch de
          Ader und färbte höher deine Wangen, und dein Blick war so seltsam als faße er wolle
          er Gestalten keine andern Auge sichtbar [am Rande: im leern Raum], erfaßen, undud statt die Rede zerfloß in dunklein
          Seufzer, der Spracheud.dunkle in die Sprache dunklerder Wehmuth – in dunkle Seüfzern –
          Da frugen dich die Freunde: Wie ist Ihnen, Verehrter? – Was haben Sie Theurer? Und
          nun wolltest du das in̄ere Gebilde mit allen glühenden Farben und Schatten
          und Lichter aussprechen und mühtest dich ab Worte zu findn, um nu anzufangen; denn
          [am Rande: abr] es war dir als müßest du nun gleich im ersten Wort, alles Wunderbare, Herrliche,
          Entsetzliche, Lustige, grauenhafte, das sich zugetragen, recht zusam̄engreifen, so [am Rande: daß es]
          daß sichdas Erstaunen dein Gefühl sich wie im elektrischen Schlage alle ergreife

          und dir alles, abr jedes Wort, alles was Rede vermag, ist scheint schien dir farblos und todt! frostig und todt –
          Welche Quaal dDu suchst und suchst – und stotterst ud stam̄elst und die nüchternen
          Blicke Fragen dr Freunde schlagen wie eisige Windeshauche hinein in dein in̄ere
          Gluth – bis sie vrlöschen will! – Hattest du aber wie ein kecker Mahler erst leicht verwegen
          erst den Umriß hingeworfen dis inern, Bildes hingeworfen, so trugst die mit leicht Mühe
          imr glühendr ud gluhndr di Farben auf, und einds lebendigs Gewühl mannigfaher
          Gestalten riß die Freunde fort und sie sahen wie du, sich selbst mitten im Bilde das aus [am Rande: dim Gemüth]
          dem Inn hervorgegangen! – Mich hat eigentlich, wie ich es dir geneigtr Lesr! gestehen
          muß, [am Rande: eigentlich niemand]nimd nach der Geschichte des jungen Nathanael gefragt, du weißt es wohl ab,
          daß ich zu dem wundrlichn Geschlecht dr Autoren gehöre, denn es, tragen sie etws
          in sich, was ihr In̄ers so ganz, wie ich es eb vorhin beschriebn erfüllt, so zu Muthe wid,
          als frage jeder, dr nur in ihr Nähe komt, ja wohl auch sonst die ganze Welt: LWas
          ist es denn? – Erzählen Sie Liebster! – So trieb es mich dann gar gewaltig, von Natha=
          naels vrhängnisvollem Leben zu dir zu sprechen, von dem ich Gestalt, nicht weil sei denn ich mein Inneres[am Rande: war eben] das mich
          ganz davon erfüllt war, und mich so, daß undso daß keines der auf die seltsamste Weise zu
          sam̄engefügten Bilder weichen wollte wich aus mein Seele. Da wollte ich nun auch gleich recht
          bedeutend seyn dich ansprec Eben deshalb, (wegen dr seltsamn Zusam̄nfügug der
          Bilder ) und mein ich) und weil ich [am Rande: dich o mein
          Leser!
          ]
          gleich geneigt machn wollte mußte wundrliches zu ertragen,
          wollte welches wi ich wohl wß nichts geringes ist, mühte und quälte ich mich ab Nathanaels Geschichte
          – bedeutend – originell – ergreifend, packend anzufangen; ich wollte dich, wirklich, wie
          a du die Freunde gleich mit einem elektrischen Schlage treffen. Es wollte nicht gehn.
          "Es war einmahl – der schönste Anfang edr Erzählung, war mir zu nüchter! "In
          der kleinen ProvinzialStadt S. lebte – etwas beßer – wenigstens ausholend zum
          Climax – oder gleich medias in res "Scheer er sich zum Teufel, rief Wuth
          ud Entsetzen im wilden Blick dr Student Nathanael als der Wetterglashändler
          Giuseppe Coppola – das hatte ich in der That schon aufgeschrieben, als ich
          bin dem wilden Blick des Studenten Nathanael etws poßierliches zu verspüren
          c glaubte. Mir fiel nichts ei n. Mir kam nichts in de Mir kam kein Rede in den Sinn
          in die ich auch nur in midesten hätte etws von dem FarbenGlanz ds iner Bildes lette tragen
          sollen. Ich beschloß gar nicht anzufangen. Nim, günstiger Leser! die drey Briefe
          die du vorhin die ich mir von mei Freunde Lothar mitgetheilt, fü den Ker gewagten
          Umriß des Gebildes, in den ich nun erzählend im̄er mehr und mehr Farbe hinein-
          zutragen mich unterfangenbemühen werde Vielleicht gelingt es mir, daß ich wie ein guter Portät=
          mahler manches GAehnlichkeitGestahe so auffaße, daß du , die Aehnlichkeit anerkennstfindest, ohne
          das Original jemahls erblickt zu habenzu kennen, ja daß du sogar glaubst es di ist, alsdu müßtest hier odr

          a packend sagn
          Schauspelhafts
          Im Wegn[...]ste
          es gnz oft

          b das dn Ernst dr
          Geschicht Schadn thu mß [...]

          c die Geschiht ist abr
          ganz ernst, odr
          mhr als das

          dort die Person mit leibhaftign Augen gesehen haben. WilligrVielleiht wirst du einst o mei leser dann
          glauben, daß nichts wunderlichr ud toller sey, als daßs wirkliche leben, und
          daß die Fabel[am Rande: daß dr Dichter] es doch nur wie in einems matten geschliffnen Spiegels dunklerm An[am Rande: Reflex]
          deutung auffaßen und reflektiren könne.

          a Damit klarer alles werde, was gleich Anfangs zu wißen nöthig w, aufgehe, darf
          ich dem, was du lgeneigtr leser! durch jene drey Briefe erfahren, nur noch hinzufügen
          daß bald nach darauf, als Nathanaels Vater gestorben, Clara und Lothar,
          Kinder eines weitläuftigen Vrwandten der ebenfalls gestorbten ud sie verwaist
          nachgelaßen, ivon Nathanaels Mutr im Haus genom̄n wurden. Clara und
          Nathanael faßten b e in heftige Zuneigung zu einander wogegen kein Mensch
          auf Erden etwas hatte, sie waren daher Verlobte als Nathanael den ClOrt
          vrließ um seine Studien in G— fortzusetzen. Da ist er nun in seinem lezten
          Briefe und hört Collegia bey dem berühmtn Professor physicis Spelanzani.
          Nun könte ich getrost in der Erzehlug fortfehren, aber in dem Augenblick steht
          b Clara's Bild so lebendig mir vor Augen, daß ich nicht wegschauen kan!, so wie es im̄r
          geschah, wenn sie mich holdlächelnd anblickte. – Für schön konte Clara keinesweges
          c gelten.; war fiel ihre Gestalt auch gar das meinten alle, die sich von Amtswegen auf
          Schönheit verstehen. Doch lobten die Architekten die reinen Vrhältniße ihres
          Wuchses, die Mahlher fanden Nacken Schultern und Brust beinahe zu keusch geformt,
          vrliebten sich dagegen sämtlich in das wunderschöne MagdalenenHaar und
          faselten überhaupt viel von Battonischem I[...]Colorit. Einer von ihnen, ein wirklicher
          Fantast, vrglich aber Clara's höchst seltsamer Weise Clara's Augen mit einermdei[...]
          [am Rande: einem See von]Landschaft von Ruisdael in dem sich des wolkenlosen Him̄els reines Azur –
          [am Rande: Wald] Gebüsch und Blumenflor – das ganze bheitre bunte Leben der reichen Landschaft spiegelt. Dichter
          und Musiker gingen weiter und sprachen: könen wir denn nur übrhaupt das
          Mädchen anschauen, ohne daß uns aus ihrem Blick wunderbare heili Gesänge und
          Klänge entgegen strahlen, die in unser Inerstes dringen, dasß da alles wach und
          rege wird - ? Singen wir selbst denn nichts wahrhaft gescheutes, so ist überhaupt
          nicht viel an uns, und daß das sagt uns auch das feine ironische Lächeln, das um
          das um Claras Lippen schwebende feine Lächeln, wenn wir ihr uns unterfangen, ihr
          etwas vorzuquinkeliren, das nicht nur so thutn will als sey es Gesang wahrhafter Gesang
          unerachtet nur einzelne Töne verworren durcheinander springen. Sie hatten Recht,
          Es war dem so,. dClara hatte die hitre unv ges lebenskräftige gesunde Fantasie des
          heitern unbefangnen kindischn Kindes; abr [am Rande: ein tzartes tiefes
          weiblich zartes Gemüth
          abr
          ]
          dabey ein gar hellen scharf sichtenden Verstand; die

          a Nebler u

          b Clara

          c ud Clara

          die Nebler und Schwebler hatten bey ihr böses Spiel, denn ohne viel zu reden
          was übrhaupt in Clara's schweigsamer Natur nicht lag, sagte ihnen der helle Blick und jenes
          feine ironische Lächeln: Lieber Freunde! wie möget ihr mir denn zumuthen, daß
          ich [am Rande: mir] Eure verfließenden Schattengebilde für wie wahre Gestalten scerschein solten mit Leben und Regung
          und Leben? – Clara wurde deshalb von vielen, kalt, gefühllos, prosaisch ge=
          scholten, aber, heitre, lebendige andere, die das Leben in klarer Tiefe aufge=
          faßt, liebten ungemein, das heitre gemüthvolle vrständige kindliche Mädchen, doch keinr
          als Nathanael, als da er sich in Wischßenschriaft und Kunst kräftig ud heiter be[...]wegte. Clara
          hing an ihdem Geliebten mit ganzer Seele., und die ersten Wolkenschatten
          zogen durch ihr Leben, als er sich von ihr trennten mußte um Mit welchem Entzücken
          flog sie in seine Arme, als er nun, wie er es im lezten Briefe an Nathanael
          Lothar versprochen, wirklich in sein Vaterstadt ankam angekom̄en in das
          Zim̄er der Mutter eintrat. Es geschah so wie es Nathanael verm gedachtgeglaubt, denn
          in dem Augenblick, als er Clara wiedersah, dachte er weder an den Advokaten
          Coppelius noch an Clara's verständigen Brief, jede Verstim̄ung war verschwunden.
          Recht hatte aber Nathanael doch, als er seinem Freunde Lothar schrieb, daß
          Cdes widerwärtigen Wetterglashändlers Coppola recht feindlich in sein Leben ge=
          treten sey; Alle fühlten das bald, da Nathanael gleich in den ersten Tagen nicht
          [am Rande: Er vrsank nicht] nur in düstre Traümereien versank, sondern darauf trieb es bald darauf es so seltsam trieb,
          wie man es nie an ihm gewohnt gewesen. Alles, das ganze Leben war ihm
          Ahnung und Traum geworden Alles, das ganze Leben schien ihm Traum und
          Ahnung geworden im̄er sprach er davon, wie jaeder Mensch sich frey wähnend nur
          dunklen Mächten zum grausamen Spiel diene, und daß es man vergeblich sey sich da=
          es lehne [am Rande: man sich da]gegen aufzulehnen noh mhr [am Rande: man müße doch
          sich demas, ws vrhägt
          demüthig ergeben.
          ertragn
          ]
          Er ging so weit zu behaupten, daß es thörigt sey wenn man
          glaube in Kunst und Wißenschafft nach selbstthätiger Willkühr zu ber schaffen denn die
          Begeisterung, in der man nur schaffen könne, komme nicht aus dem Innern [am Rande: eignen Innern]
          sondern sey das Einwirken irgend eines außer uns selbst liegenden höheren
          Prinzips. Der verständigen Clara war diese mystische Schwärmerey im höchsten
          Grade zuwider, doch schien es vrgebens sich auf Widerlegung einzulaßen , . nNur
          dann, wenn Nathanael bewies, daß Coppelius das böse Prinzip sey, was ihn in
          dem Augenblick erfaßt habe als er hinter dem Vorhange lauschte, und daß dieser
          widerwärtige Dämon ihr Liebesglück auf entsetzliche Weise stören werde, wurde
          Clara sehr ernst und sprach: Ja! – Nathanael du hast Recht, Coppelius ist ein böses

          feindliches Prinzip, er kan entsetzliches wirken, wie eine teuflische Macht die
          sichtbarlich in das Leben trat, aber nur dann, wenn du ihn nicht aus Sinn und
          Gedanken verban̄st. Solange du an ihn glaubst, ist er auch und wirkt, nur
          dein Glaube ist auch seine Macht. Nathanael wollte dann recht tief eingehen
          im Ganz erzürnt daß Clara die Existenz des Dämons nur in seinem eignen
          Iner suche, wollte dan̄ hervorrücken mit der ganzen Geisterlehre, Clara
          brach aber gewöhnliche verdrüßlich ab, indem sie irgend etwas gleichgültiges da=
          zwischen schob, zu Nathanaels nicht geringem Verdruße , . der dann Der dachte,
          in seinem Innern kalten unempfänglichen Gemütern erschließen sich nicht die
          tiefen Geheimniße der Natur, ohne sich deutlich bewußt zu seyn, daß er Clara
          dazu zähle, eben zu jenen untergeordneten Wesen zähle, weshalb er nicht abließ
          mit Vrsuchen sie in jene Geheimniße einzuwegihen. Am frühen Morgen,
          wenn Clara das Frühstück bereiten half, stand er bey ihr und laßs ihr aus
          allerley mystischen Büchern vor, daß Clara bat: Aber lieber Nathanael, wenn [am Rande: ich]
          [am Rande: dich] du nun das böse Prinzip wärst, halten wollte, der feindlich auf meinen Kaffee wirkt?
          Denn wenn ich, wie du es willst, alles stehen und liegen laßen und dichr in
          die Augen schauen soll, wenn du liesest, so lauft mir der Kaffee ins Feuer
          und ihr bekom̄t alle kein Frühstück – Nathanael klappte den̄ unmuth ig heftig sein
          das Buch zu und lief voll Unmuth in sein Zim̄er. – Sonst hatte er eine
          besondere Stärke in anmuthigen, lebendigen Erzählungen, die er aufschrieb
          und die Clara mit dem innigsten Vergnügen anhörte; jezt war er mitwaren
          seinen Dichtungen düster, unverständlich, gestaltlos, so daß, wenn Clara
          schonend es auch nicht sagte, er doch wohl fühlte, wie wenig sie davon ange=
          sprochen wurde: – Nichts war für Clara tödtender, als das Langweilige, In
          Blick und Rede sprach sich dann die nicht zu besiegende Schläf geistige Schläfrig
          keit aus. Nathanaels Dichtungen waren in der That sehr langweilig.
          Ueberall erschien die grause Macht, we Sein Unmuth stieg höher Vrdruß übr Claras kaltes
          prosaisches Gemüth stieg höher, Clara konte ihren Unmuth über Nathanaels
          dunkle, düstre langweiliche Mystick nicht übrwinden, und so entfernten beide
          im Innern sich im̄r mehr von einander ohne es selbst zu bemerken. Die Gestalt des
          häßlichen Coppelius war, wie er selbst es sich zugestehen mußte, in Nathanaels
          Fantasie [...] erbleicht – und ers mußte sich in kostete ihm in dr That Mühe ihn in seinen

          Dichtungen wo er als Schicksalspopanz auftrat, so zu coloriren, daß grausig,
          entsetzlich, zu coloriren. – Es kam ihm ein, jene düstre Ahnung, daß Coppelus
          sein Liebesglück zu stören werde, als Dichtung zu behandeln. Er stellte sich
          und Clara dar in treuer Liebe verbunden, aber dann und wann war es
          als griffe eine schwarze Faust in ihr Leben und riße die irgend eine Freude
          heraus die ihnen aufgegangen – Endlich als sie schon am TrauAltar
          standen, erschien der entsetzliche Coppelius und berührte Clara's holde Augen,
          die sprangen wie blutige Funken heraus [am Rande: in Nathanaels Brust
          wie blutige Funkn
          sengend und
          brennend
          ]
          und sie fiel entseelt niederund in seine hinn
          Nathanael stürzte sich auf den hämisch lachendenNathanael und Coppelius der faßte ihn
          aber und warf ihn in einen glühenden Feuerkreis, der sich drehte mit des der
          Sturm Schnelligkeit des Sturmes und ihn bausend sausend und brausend fortriß.
          Aber Es war ein Tosen, als wenn der Orkan grim̄ig hineinschlägt in das Meer,
          deßen schaumde Wellen wie schwarze weißhauptige Riesen aich emporbaümen in wüthen=
          dem Kampf, aber durch dies wilde Tosen hörte er Claras Stim̄e: Kan̄st du mich
          denn nicht erschauen – Coppelius hat dich getaüscht – das waren ja nicht meine
          Augen die dir so in der Brust bran̄ten, das waren ja gluhende Tropfen deines eignen
          Herzbluts – ich habe ja meine Augen, sieh mich doch nur an! – Nathanael
          dachte: das ist Clara – und ich bin ihr eigen ewiglich! – Da war es, als faße der
          Gedanke gewaltig in den Feuerkreis hinein, daß er stehen blieb und das Getöse dumpf
          verrauschte im schwarzen Abgrund – Nathanael sah blickt in Clara's Augen – aber es
          war der Tod, der ihn mit Clara's Augen freundlich anschaute. —

          Während Nathanael dies dichtete, war er sehr ruhig und besonnen, er feilte
          und beßerte an jeder Zeile, und da er sich dem metrischen Zwange unterwor
          fen, ruhte er nicht, bis alles sich rein und wohlklingend fügte. Als er jedoch
          nun endlich fertig worden und es für sich las, da faßte ihn Grausen und
          wildes Entsetzen und er schrie auf: Wer hat das geschrieben? – Aber Clara
          soll es hören – muß es hören! – Bald schien ihm das Ganze doch aber wieder
          [am Rande: nichts] nur als eine sehr gelungene Dichtung, und es war ihm, als müße das Clara's
          kaltes Gemüth entzünden, wiewohl er sich nicht deutlich Bewußt war,
          wozu denn Clara's Gemtüth entzündet , und werden und wozu es denn nun
          eigentlich führen solle ihr sie mit den grauenvollen Bildern zu ängstigen
          die das ein entsetzliches, Ges ihre [...] Liebe zerstörendes Geschick weissagten.

          Sie, Nathanael und Clara, saßen in der Mutter kleinem Garten, Clara war

          sehr

          heiter, weil Nathanael sie seit zwey dry Tagen, in denen er an jener
          Dichtung schrieb, nicht mit sein Ahnungen und Traümen geplagt hatte.
          Auch Nathanael sprach flebhaft und froh von lustigen Dingen wie sonst,
          so daß Clara sagte: Nun erst habe ich dich ganz wieder; siehst du es wohl
          wie wir den häßlichen Coppelius vertrieben haben. Da fiel dem Nathanael
          es ein, daß er ja die Dichtung in der Tasche trage und sie habe vorlesen wollen.
          Er zog auch sogleich die Blätter hervor und fing an zu lesen. – Clara
          ertwas langweiliges wie gewöhnlich vermuthend und sich darein ergebend
          fing an ruhig zu stricken – aber so wie im̄er schwärzer und schwärzer das
          düstre Gewölk aufstieg – ließ sie den Strickstrumpf sinken – Sie starrte vor sich
          hin ihr Busen hob sich vor Angst und Entsetzen. "Ins Feuer – ins Feuer
          mit dem tollen, unsinnigen, wahnsinnigen Zeuge schrie sie auf indem
          helle Thränen ihr aus den Augen stürzten – und blickte starr dem Nathanael
          ins Auge. Dern riß seine Dichtung unaufhaltsam fort, er glühte, Thrane hochroth farbtn sich
          seine Wangen vor innrer Gluth – Thränen quollen ihm aus den Augen –
          endlich hatte er geschloßen, er stöhnte er faßte wie in tiefer Ermattung – er faßte
          Clara's Hand und seufzte wie aufgelö[...] in trostlosem Jam̄er: Ach Clara! – Clara!
          NClara drückte ihn an sanft an ihren Busen und sagte leise aber sehr langsam
          und ernst: Nathanael – mein Herzlieber Nathanael – wirf d ie as tolle
          unsinnige wahnsinnige Mährchen ins Zorn Feuer – Da sprang Nathanael
          entrüstet auf und rief Clara von sich stoßend: wie Du lebloses hölzernes
          vrdam̄tes Automat. Er ran̄te fort, bittre Thränen stürzten der tief vrlezten
          Clara aus den Augen: "Ach er hat mich niemahls geliebt, denn er versteht
          mich nicht, schluchzte sie laut! – Lothar trat in die Laube, Clara mußte
          ihm erzählen was vorgefallen, und er liebte seine Schwester mit ganzer Seele,
          jedes ihrer Worte, ihrer Klagen fiel wie ein Funke in sein Innres, so daß der
          Unmuth, den er widr den fantastischen traümerischen Nathanael im Herzen
          ge tragen sich entzündete zum heftigen wilden Zorn. Er lief zu Nathanael
          er warf ihm das unsinnige Betragen gegen die holde zarte Schwester in
          harten Worten vor, die der aufbrausende Nathanael eben so erwiederte.
          Ein "fantastischer wahnsinniger Geck, wurde durch einen "miserablen gemeinn

          Altagsmenschen erwiedert. Beide waren Studenten und so wurde daser
          Zweikampf unvermeidlich. Sie beschloßen sich am folgenden Morgen
          hinter dem Garten der Mutter nach dortigr Sitte mit sc har f spitz geschlirffnen
          Rappieren auf den Stoß zu schlagen. Stum̄ und finster schlichen sie
          Tag über umher, Clara hatte den heftigen Streit gehört und gesehen daß der Fechtneistr in der
          Dämmerung die Rappiere bringe brachte, sie ahnte was geschehen sollte.
          – Eben hatten Lothar und Nathanael schweigend die K leider Röck abgewo[r]rfen da, und standn
          mit den blinkendn Rappieren in der Hand Blutdürstige Kampflust im bren̄endn Auge
          gegen übr im Begriff mit dn blnkd Rappin gegen widr einander auszufallen, als [...]Clara lautrufend
          durch die Gartenthür herbeystürzte. Schluchzend rief sie laut: Ihr wilden ent=
          setzlichen Menschen! – stoßt mich nur gleich nieder, ehe ihr Euch mordet anfallt – denn wie
          soll ich denn leben längr auf dr Welt – wen der Geliebte den Brudr, odr wenn der
          Bruder den Geliebten mordet – Lothar ließ die Waffe sinken und sah schweigend
          zur Erde nieder, aber in Nathanaels In̄ern ging in herzzerreißender Wehmuth
          alle Liebe auf wie er sie jemahls in den schönsten Tagen der herrlichen Jugendzeit
          für die holde Clara empfunden. Das Mordgewehr entsank entfiel sein Hand – er fiel stürzte zu Claras Füßen, er drückte ihre Hände an seine Brust: Kanst du
          mir denn jemahls vrzeihen, du meine Einzige – mine herzgeliebte Clara! –
          Kanst du mir verzeihn – mein herzlieb Bruder! – Lothar war tiefgerührt,
          unter tausend Thränen umarmten sich die drey versöhnten Menschen und
          schwuren nicht von einander zu laßen in steter Liebe und Treue. Dem
          Nathanael war es zu Muthe als sey eine schwere Schuld Last, die ihn zu Boden gedrückt von von ihm abgewälzt,
          und ja als habe er Widerstand leistend der finstren Macht, die ihn befangen
          sein ganzes Seyn, dem Vernichtug drohte, gerettet. Noch drey heitre seelige
          Tage verlebte er bey den Lieben, dann kehrte er zurück nach G– wo er noch
          ein Jahr zu bleiben dann aber auf immer nach seiner Vaterstadt zurückzu
          kehren gedachte. Der Mutter war alles was sich auf Coppelius bezog ver=
          schwiegen worden, denn man wußte, daß sie ihm, wie Nathanael, den Tod ihres
          Töchterleins und ihres Mannes Schuld gab, und daß sie nicht ohne inner Entsetzen
          an ihn denken konte, so daß es auf ihre ohnehin schwächliche Gesundheit verderblich
          wirkte.  

          Wie erstaunte Nathanael als er in seine Wohnung wollte und sah, daß das
          ganze Haus niedergebrannt war, so daß aus dem raSchutthaufen nur die
          nackten FeuerMauern hervorragten. Unerachtet das Feuer in dem Laboratorium
          des Apothekers, der im untern Stocke wohnte ausgelaubrochen war, das Haus daher
          von unten auf herauf gebran̄t hatte, so war es doch den kühnen rüstigen Freunden
          gelungen, noch zu rechter Zeit in Nathanaels im obern Stock gelegenes Zim̄er
          zu dringen und Bücher und Manuskripte so und Instrumente zu retten. Alles
          hatten sie in ein andres Haus getragen und dort ein Zim̄er für Nathanael
          in Beschlag genom̄en das er nun sogleich bezog. Nicht sonderlich achtete er da=
          rauf daß er dem Profeßor Spalanzani gegen über wohne, und eben so wenig
          schien es ihm was besonderes, als er bemerkte, daß er aus seinem Zim̄ Fenster
          gerade hinein in das Zim̄er blickte, wo [...]oft Olimpia einsam saß, so daß er ihre
          ganze Figur deutlich erkennen konte, wie wohl die Züge des Gesichts undeutlich
          und verworren blieben. Wohl fiel es ihm endlich auf, daß Olimpia oft Stunden
          lang in derselben Stellung wie er sie einst durch die Glasthüre sahentdekt, ohne irgend
          eine Beschäftigung an einem kleinen Taische saß, und daß sie offenbar nach ihm
          unverwandt herüberschaute, er mußte sich auch selbst geschehen, daß er nie
          einen schöneren Wuchs gesehen, indeßen Clara im Herzen, blieb ihm die steife und
          starre Olimpia höchst gleichgültig, und nur zuweilen s chaute sah er flüchtig über sein
          Compendium herüber nach der schönen Bildsäul[e], das war alles. – Eben schrieb
          er an Clara, als es leise an die Thüre klopfte, sie öffnete sich auf seinem Zuruf
          und Coppola's widerwärtiges Gesicht sah hinein. Nathanael fühlte sich im
          Innersten erbeben, er schämte sich aber selbst eingedenk dem, was er eingedenk
          dem, was ihm Spalanzani über den Landsmann Coppola gesagt, und was er auch
          Rücksichts des gespenstischen Sandmanns Coppelius Claren so heilig versprochen, schämte er sich [am Rande: aber]
          selbst seinesr kindischen Gespensterfurcht, nahm sich mit aller Gewalt zusam̄en und
          sprach so sanft und gelaßen als möglich: Ich kaufe kein Wetterglas mein lieber
          Freund, gehen Sie nur! – Da trat aber Coppola vollends hinein, hatte und sprach mit
          heiserem Ton ud recht widerwärtig. In indem aus den grau funkelnden Augen indem sich das
          weite Maul zum widerwärtigen Lächeln verzog, und die Augen kleinen Augen untr den
          grauen langen Wimpern stechend hervorfunkelten: Ey – nix Wetterglas – nix Wetter
          glas! – hab auch sköne Ogke – sköne Ogke – da rief Nathanael entsezt: Toller
          Mensch – wie kanst du Augen haben? – Augen – Augen? Aber in dem Augenblick
          hatte Coppola seine Wettergläser bey Seite gesezt und griff in die weite Rocktaschen
          und holte Lorgnetten und Brillen heraus die er auf den Tisch legte: "Nu nu –

          Brill – Brill – Brill auf die Nas' zu setz – das seyn mein Ogke – sköne Ogke .
          Und damit holte er im̄er mehr – immr mehr Brillen heraus, so daß der ganze
          Tische es auf dem ganzen Tisch seltsam zu flim̄erten und zu funkelten began – Tausend Augen
          blickten und zuckten krampfhaft, so schien es dem und starrten auf zum Nathanael , abr er konte nicht
          wegschauen von dem Tisch, und imer mehr Brillen legte Coppola hin, und imer wilder
          und wil[...]der sprangen flam̄ende Blicke durchein[a]nder – Uebermannt von Grauen
          ud Entsetzen rief Natha und schoßen ihre Strahle blutrothe Strahlen in Nathanaels Brust,
          Uebermannt von tollem Entsetzen rief er la schrie er auf: Halt ein – halt ein
          fürchterlicher Mensch – Er hatte Coppola, der eben in die Tasche gefaßtfaßte, beyum
          [am Rande: noch] mehr Brillen herauszubringen, unerachtet schon hunderte auf dem Tische,da lagen beym Arm
          festgepakt. Coppola machte sich mit heiserem widrigen Lachen lod sanft los, und
          mit den Worten: Ah! – nix für Sie – nix für sie – aber hier – hier sköne Glas! – sköne
          Glas, hatte er alle Brillen zusam̄engerafft, weggepakt und aus der Seitentasche
          des Rocks eine Menge Opernkucker – Persp große und kleine Perspektive – Hand
          Tubusse hervorgeholt. ASo wie die Brillen nur fort waren, sah Na wurde Nathanael
          ganz ruhig, und an Clara denkend sah er wohl ein, daß der entsetzliche Spuck nur
          aus seinem Innern hervorgegangen, so wie daß Coppola ein höchst ehrlicher Mecha=
          nicus und Opticus, keineswegs aber Coppelii verfluchter Doppeltgänger und
          a Revenant seyn könne. Zudem lag waren hatten alle Gläser, die Coppola nun auf den
          Tisch gelegt , hatte gar nichts besonderes, am wenigsten so was gespenstisches wie
          die Brillen, und um alles wieder gut zu machen beschloß Nathanael nun wirkli dem Coppola
          [am Rande: jezt] nun wirklich etwas abzukaufen. Er ergriff ein kleines sehr saubres TaschenPer=
          spektiv und sah, um es zu prüfen, durch das Fenster. Noch im Leben war ihm kein
          Glas von der Reinheit Stärke und Deutlichkeit vorgekom̄en, das die Gegenstande
          so rein, scharf und deutlich dicht vor die Augen rückte. Unwillkührlich sah er hinein
          in Spalanzanis Zim̄er; Olimpia saß wie gewöhnlich vor dem kleinen Tisch, die
          Aerme darauf gelegt, die Hände gefaltet – daß sie herrlich vo im reinsten
          Ebenmaaß gewachsen sey, hatte Nathanael schon früher beobachtet, aber nie
          so wie jezt ihr ganz vollkom̄en schön geformtes Gesicht geschaut. Nur die Augen
          schienen ihm gar seltsam starr und todt. Doch so wie er im̄er schärfer und schärfer hin
          schaute war es als gingen feuchte Mondesstrahlesn in Olimpias Strahlen Blicken auf – Es schien als wenn nun erst die Sehkraft entzündet würde, im̄er lebendiger und
          lebendiger flamten wurdn die Augen – Nathanael konte nicht wegscha lag wie bezaubert von
          festgezaubert im Fenster im̄er fort ud fort nach der him̄lisch schöne Olimpia schauend.
          Ein Raüspern und Scharren hinter ihm weckte ihn wie aus der Betaü tiefem Traum.

          a u

          Coppola stand hintr ihm: Due ZechiniSzwey Dukat! – Nathanael hatte ganz
          vrgeßen, den Optikus rein vrgeßen, rasch zahlte er das Verlangte.

          Nik wahr? – sköne Glas sköne Glas? frug Coppola mit seinemrr widerwärtigen
          heisern Stim̄e und dem hämischen Lächeln. "Ja – ja – ja! erwiederte Nathanael
          vrdrießlich, Adieu – lieb Freund! – Coppola vrließ nicht ohne viele seltsame
          Seitenblicke das Zim̄er auf Nathanael zu werfen das Zim̄er, er hörte ihn auf
          dr Treppe laut lachen. "Nun ja, d achte meinte Nathanael, er lacht mich aus, weil ich
          ihm das glklein Perspecktiv gewiß viel zu theuer bezahlt – zu theuer bezahlt –
          indem er diese Worte sleise sprach, war es als ginge halle ein tiefer Todesseufzer grauenvoll
          duh das Zim̄er und es Nathanaels vor inner einer Athem stockte vor inner Angst –
          Er hatte ja aber selbst so aufgeseufzt – das merkte er wohl. Clara sprach er zu sich selber, hat wohl
          Recht, daß sie mich für einen närrischen abgeschmakten Geisterseher hält, aber närrisch – ist es
          doch – ach wohl närr mehr als närrisch, daß ich mich der dum̄e Gedanke,: ich hatte
          das Glas dem Coppolo zu theuer bezahlt, noch jezt so sonderbar ängstigt, den
          Grund davon sehe ich gar nicht ein  

          Jetzt sezte er sich hin um den Brief an Clara zu enden, aber ein Blick durhs
          Fenster überzeugte ihn, daß Olimpia noch da säße, und im Augenblik, wie von un=
          widerstehlicher Gewalt getrieben, sprang er auf, ergriff Coppola's Perspektiv, und
          konte nicht los von Olimpia's verführerischem Anblick, bis ihn Freund und Bruder
          Siegfried abrief ins Collegium zum Profeßor Spalanzani. Wie bebte er von
          seltsame sehnen Die vrhängnißvolle Glasthüre war dicht verhängt, er konte daher
          Olimpia nicht erblicken, eben so wenig hier und eben so wenig sah konte er die beiden folgendn Tage
          sie in ihrem Zim̄er erschauen, unerachtet er nicht als die beiden folgenden
          Tage hindurch in ihrem Zimmer erschauenentdeken, unerachtet er kaum das Fenster
          verließ und fortwährend durch sein Coppola's Perspecktiv herüberschaute. Am dritten
          Tage wurden sogar Spalanzani's Fenster verhängt und er lief ganz verzweifelt
          und getrieben von Sehnsucht und innerm glühenden Vrlangen nach dr hinaus vor's
          Thor, Olimpias Gestalt schwebte vor ihm her in den Lüften und trat heraus aus
          dem Gebüsch, und kuckte ihn m an mit großen strahlendn See aus dem hellen Bach.
          Er dachte nichts Olimpia Clara's Bild war ganz a us in seinem Innern vrwischt, er
          dachte nichts als Olimpia und klagte ganz laut und weinerlich: Ach du mein
          hoher herrlicher Liebesstern, bist du mir denn nur aufgegangen um gleich wieder
          auf zu verschwinden, und mich zu laßen in finstrer hoffnungsloser Nacht[?]

          Als er einmahl am vierten Tage hineingehen wollte in seine Wohnung, wurde er in Spalanzanis
          Hause ein geraüschvolles Treiben gewahr. Die Thüren standen offen, man trug
          allerley Geräthe hinein, die Fenster des ersten Stocks waren ausgehoben, und geschäffti=
          ge Mägde kehrten und staübten mit großen Haarbeesen und aus dem Innern [am Rande: sezten]
          schallte [...]hingen kühn sich über das Fensterholz beugend heraushangd, fdie frisch gewaschten Fenster ein;
          und inwendig klopften und häm̄erten die Tischler und Tapezierer. Nathanael, der
          das alles nicht zu deuten wußte, blieb gan in vollem Erstaunen auf dr Straße stehen,
          da trat Siegfried in vollem Co lachend zu ihm hin; sprechend: Weißt du wohl Bruder, was
          das alles bede Nun! – was sagst du zu unsem alten Spalanzani? – Nathanael ver=
          sicherte, daß er gar nichts sagen könne, weil er durchaus nichts vom Profeßor
          wiße sondern vielmehr mit großer Verwunderung wahrnehme, wie in dem stillen
          düstern Hause ein tolles Toben und Wirthschaften losgegangen, da erfuhr er denn von
          Siegfried, daß Spalanzani morgen ein großes Fest geben wolle, Conzert und Ball,
          und daß die halbe Universität eingeladen sey; allgemein verbreite man, daß
          Spalanzani seine Tochter Olimpia, die er so lange den Augen jedem menschlichn
          Auge recht ängstlich entzogen, zum erstenmahl erscheinen laßen werde. Nathanael
          fand eine Einladungskarte, und ging mit hochklopfendem Herzen zur bestimtn
          Stunde, als schon die Wagen rollten und die Lichter in den geschmückten Sälen
          bran̄ten schimmerten zum Profeßor. Die Gesellschaft war zahlreich und glänzend; Olimpia
          erschien sehr reich und geschmackvoll gekleidet – Man mußte ihr schön geformtes
          Gesicht, ihren hohen majestätischen Wuchs bewundern, [am Rande: wiewohl der ganz sondrbar eingebogne
          Rücken, die wespenartige Düne des Leibes schien
          von zu starkem Einschnüren bewirkt zu seyn
          ]
          inm Gänze hatte sie etwas
          Schritt und Stellung hatte sie etwas abgemeßenes und steifes, das manchem
          unangenehm auffiel, und daß das man demrdr es mit Recht dem Zwange der Gesellschafft, und
          den ihr die Gesellschafft , aufl in der sie sich frey zu bewegen noch nicht vrmochte, zuschrieb. [am Rande: Das Conzert]
          [am Rande: began] Sie OmpaOlimpia spielte den Flügel mit ungla den Flügel mit großer Fertigkeit und trug
          ebn so eine BravourArie mit heller beinahe schneidendr Glasglockenstim̄e vor.
          Nathanael war ganz entzückt – er stand in der hintersten Reihe und konte im
          blendenden Kerzenlicht Olimpias Züge nicht ganz erkennen. Da nahm er
          gGanz unvermerkt nahm er deshalb Coppola's Glas hervor und schaute hin nach dr schönen Olimpia.
          Ach! – da wurde er gewahr, wie sie voll Sehnsucht nach ihm herüber sah blickte – wie jeder Ton
          erst deutlich aufging in dem LiebesBlick, der zündend sein Innres durhdrang.
          – Die künstlichen Rouladen waren dem Nathanael das Him̄elsjauchzen des in
          Liebe vrklärten Gemüths, und als nun endlich nach der Cadenz der lange Trillo

          recht schmetternd durch den Saal gellte, konte er wie von glühenden Armen plotzlich
          erfaßt sich nicht mehr halten, er mußte wie vor Schmerz und Entzücken laut aufschrein:
          Olimpia! Alle sahen sich um nach ihm, manche lachten, der Domorganist
          schnitt aber noch ein finstreres Gesicht als vorher und sagte bloß: Nun nun! –
          Das Conzert war zu Ende, der Ball fing an. Mit ihr zu tanzen! – mit ihr! das
          war nun dem Nathanalel das Ziel aller Wünsche, alles Strebens – aber [wie] sich
          erheben zu dem Muth sie, die Königin des Festes aufzufordern? – doch, er selbst
          wußte nicht wie es geschah, daß er, als schon der Tanz angefangen, dicht neben
          Olimpia, die noch nicht aufgefordert worden, stand, und daß er kaum vrmögend einige
          Worte zu stam̄meln ihre Hand ergriff. – Eiskälte durchbeb Eiskalt war Olimpias
          Hand – und wie Todesfrost durchbebte ihn grauenvoll grausig durchbebten ihn die
          Schauer des Todesfrostes – Er starrte Olimpien ins Auge, das strahlte ihm aber
          voll Liebe und Sehnsucht entgegen und in dem Augenblick war es auch, als
          fingen in der kalten Hand Pulse zu schlagen, und des LebensBlutes Ströme zu
          glühen. Und auch in Nathanaels In̄erm fin glühte höher auf die Liebeslust, er
          umschlang d en ie schöne Olimpia und durchflog mit ihr die Reihen. – Er glaubte [am Rande: sonst]
          recht tacktmäßig getanzt zu haben, aber an der ganz eignen rythmischen
          Festigkeit, womit Olimpia tanzte, und die ihn oft ordentlicher Weise aus dr Haltung
          brachte, merkte er bald, wie sehr ihm sonst der Takt gemangelt. – Durch den
          Er wollte mit keinem andern Frauenzim̄er mehr tanzen, und hätte jeden
          der sich Olimpia näherte um sie aufzufordern ermord nur gleich ermorden mögen.
          Doch nur zweimahl wgeschah dies; zu seinem Erstaunen wurde Olimpia Nathanael er gewahr
          daß [am Rande: blieb] sie Olmpa bey jedem Tanzbeständig sitzen blieb, und er ermangelte daher nicht dann im̄er
          wieder sie zum Tanz aufzuziehn. Die Studenten Hätte Nathanael außer
          dr schönen Olimpia noch etwas anderes zu sehen vermocht, so wäre allerley
          fataler Zank und Streit unvermeidlich gewesen, denn offenbar ging das
          halbleise mühsam unterdrückte Gelächter, was sich unter in diesem, jenem Winkel
          unter den jungen Leuten erhob, auf die schöne Olimpia, die sie mit ganz
          kuriosen Blicken vrfolgten, man konte gar nicht errathen, warum. Duch
          den Tanz und den reichlich genoßenen Wein erhizt, hatte Nathanael alle
          ihm sonst eigne Scheu abgelegt. Er saß neben Olimpia, ihre Hand in dr seingen,

          und gestand ihr seine Liebe und sprachin hoch entflam̄ter Liebes u. begeistert von sein Lieb Begeisterung eine [am Rande: in Worten] [am Rande: in Worten]
          Sprache, die keiner verstand, weder er noch Olimpia. Doch diese vielleicht, den̄
          sie sah ihm unverrückt ins Auge, und seufzte ein mahl über das andere:
          Ach! – Ach! – worauf denn Nathanael sprach: O du herrliche him̄lischer Stern[am Rande: Frau!]
          Du Strahl aus dem verheißenen Jenseits der Liebe – du tiefes Gemüth
          in dem sich mein ganzes Seyn spiegelt, und noch mehr dergleichen, worauf
          denn Olimpia immer wieder seufzte: Ach! Ach! – Der Profeßor Spalanzani
          ging einige mahl bey den glücklichen vorüber, und lächelte sie ganz seltsam
          zufrieden an. Dem Nathanael schien es, unerachtet er sich in einer ganz andern
          Welt befand, als würd' es hienieden merklich finster, er schaute um sich, und wurde
          zu seinem nicht geringen Schreck gewahr, daß eben die zwey lezten Lichter in
          dem leeren Saal hernidrbrennen und ausgehen wollten. – Trenun Lengst hatten
          Musik und Tanz aufgehört. "Trenung – Trenung! – schrie er ganz wild und
          vrzweifelt, er küßte Olimpias Hand – er neigte sich zu ihrem Munde – eiskalte
          Lippen begegneten der Gluth der seinigen Gluth –[am Rande: So wie, als
          er Olimpias
          kalte Hand
          berührte, fühlte
          er sich wie von
          inerm Grausem
          erfaßt – die
          Legende von
          dr todten Braut
          ging ihm plotzl
          duh den Sin
          ]
          aber fest hatte ihn Olimpia an sich
          gedrückt, und in dem Kuß erglüh schien auch Lebenswärme die Lippn zum Leben zu erglühen.
          mit Entzücken fühlte er nun sei Kuß erwiedert. – Der Profeßor Spalanzani
          schritt nun langsamen Schrittes duch den leeren Saal, seine Tritte hallten
          wunderbar ganz seltsam hohl wieder, und sein Figur von flackernden Schlagschatten umspielt
          bekam ein grauliches gespenstisches Ansehen – "Ewig dein – dein Lieb[st] du mich, liebst du mich, – Olimpia – mein Liebes
          murmelte Nathanael – Nur ei dis Wot? – Liebst du mich?, so flusterte Nathanael,
          abr Olimpia s agt e seufzte aufstehend bloß: Ach Ach! – Ja Ja – du herrlicher Liebsstern bist
          mi aufgegangen, sagte Nathanael aufspringend. "Ach Ach! replizirte Olimpia
          fortschreitend – Nathanael folgte ihr, sie standen vor dem Profeßor: Sie haben sich
          außerordentlich lebhaft mit meiner Tochter unterhalten, sprach dieser lächelnd:
          Nun nun! Liebr H. Nathanael: findn Sie Geschmack daran mit dem blöden
          Mädchen zu conversiren, so sollen mir Ihre Besuche wilkom̄en seyn. – Einen
          ganzen hellen strahlenden Him̄el in der Brust schied Nathanael von dannen.
          Spalanzanis Fest war d as er Gespr Gegenstand des Gesprächs in den
          folgenden Tagen. Unerachtet der Profeßor alles gethan hatte recht splendid zu
          erscheinen, so wußten doch lustige Köpfe von allerley lustig uUnschicklichem und
          Sonderbarem zu erzählen das sich begeben, und vorzüglich wfiel man über
          die todtstarre, stei stum̄e Olimpia her, der man ihres schönen Aüßern

          unerachtet totalen Stumpfsinn andichten und darin die Ursache finden
          wollte, warum sie Spalanzani so lange vrborgen gehalten. Nathanael
          hörte das nicht ohne in̄ern Ingrimm, indeßen schwieg er,: denn, dachte er:
          würde es wohl lohnen diesen Burschen zu beweisen, daß eben ihr eigner Stumpfsinn
          es ist, der ihnen sie Olimpias tiefes herrliches Gemüth zu erkennen, hindert? –
          "Thu mir den Gefallen Bruder! sprach eines Tages Siegfried: thu mir den
          Gefallen und sage mir, wie es dir [am Rande: gescheuten
          muntren Kerl
          ]
          möglich war dich in das steinerne Watchs Gesicht
          und d en ie Puppenw Holzpuppe da drüben zu vergaffen. Nathanael wollte
          auffahren in wildem Zorn, schnell besann er sich und erwiederte: Sage du mir
          Siegfried wie deinem bsonst das Schöne so klar auffaßendn Blick, deinm regen
          Sinn Olimpias him̄lischer Liebreiz entgehen konte! – Doch eben deshalb habe
          ich Dank sey es Gdem Geschick sey es Dank, dich nicht zum Nebenbuhler habe, denn sonst mußte
          einr von uns beiden blutend fallend dem Siegfried merkte wohl wie es mit dem Freunde
          stand, lenkte geschickt ein, und fügte, nachdem er zugestandengeaüßert, daß dem in der
          Liebe niemahls über den Gegenstand zu rechten sey, hinzu: Wundrlich ist es
          doch, daß wir andern außer dir über Olimpia ziemlich gleich urtheilen.
          Sie ist uns – nim̄ es nicht übel Bruder! auf seltsame Weise starr und seelenlos
          erschienen. Ihr LWuchs ist regelmäßig sowie ihr Gesicht – sie könte für schön
          gelten, wenn ihr Blick nicht so ganz ohne Lebensstrahl – ich möchte sagen, ohne Sehkraft
          wäre. – Ihr Gang Schritt ist so sonderbar abgemeßen, als wie durch den Gang das Gehen
          a eines aufgezogenen Räderwerks bestimt. – Ihr Spiel, ihr Singen hat den
          unangenehm richtigen geistlosen Tackt der spielenden-singendn Maschiene, und eben
          so ist ihr Tanz. – Uns allen ist diese Olimpia ganz unheimlich worden – wir möchten
          nichts mit ihr zu schaffen haben, es war uns, als thue sie nur so wie ein lebendiges
          Wesen und doch habe es mit ihr eine eigne Bewandniß – Nathanael ließ gab sich dem
          bittren Gefühl keinen Rau das ihn bey diesen Worten Siegfrieds ergreifen wollte, durchaus
          nicht hin, er wurde Herr seines Unmuths und sagte bloß sehr ernst: Wohl mag Euch,
          ihr kalten prosaischen Menschen Olimpia unheimlich seyn. Nur dem poetischen tiefen
          Gemüth entfaltet sich das gleich organisirte! – Nur mir ging ihr Liebesblick auf und
          durchstrahlte Sinn und Gedanken, nun erst in Olimpias Liebe finde ich mich selbst wieder – SieEuch mag es nicht recht seyn, daß sie nicht in platter Conversation faselt wie die
          andern flachen Gemüthr – Sie spricht wenig Worte das ist wahr, aber diese wenign Worte er=
          scheinen als ächte Hieroglyphe desr innern Welt voll hoher Liebe und Erkentniß

          a jede Bewegug
          scheint vom daserGang
          Gefe
          eins aufgezogn Rad=
          wrkls zu seyn
          bedigt zu syn

          des geistigen Lebens in der Anschauung des Ewigen Jenseits. Doch für alles das
          habt ihr keinen Sinn und alles sind vrhlohrne Worte. "Behüte dich Gott Herr Bruder
          sagte Siegfried: [am Rande: leise und sehr sanft, beinahe
          wehmütig
          ]
          abr mir scheint es, du seyst auf bösem Wege – auf mich kanst
          du rechnen, wenn etwa – Nein ich mag nichts weiseter sagen. Dem Nathanael schien
          es war es plötzlich, als mein es dr kalte prosaische Siegfried sehr gut treu mit ihm,
          er schüttelte daher die ihm dargebotene Hand recht herzlich  

          a

          Nathanael hatte rein vergeßen, daß es eine Clara in der Welt gäbe die er
          sonst geliebt – die Mutter – Lothar – Alle waren aus seinem Gedächtniß ver=
          schwunden er lebte nur für Olimpia, bey der er Täglich stundenlang saß
          und von seiner Liebe, von zum Leben erglühter Simpathie, von Wahlverwandschafft
          psychischer Wahlverwandschafft fantasirte, welches alles Olimpia mit großer Andacht
          zuhörte. Aus dem tiefsten Grunde des Koffers holte Nathanael alles hervor
          was er jemahl geschrieben – Gedichte – Fantasien – Visionen – Romane,. und Das wurde täglich
          vermehrt mit allerley ins blaue flieg steigenden Sonetten und Stanzen ud
          andern Liedern, und das alles las er Olimpien vor stundenlang hinterenandr ohne
          zu ermüden. Aber auch nie hatt' er eine solche herrliche Zuhörerin gehahbt. Sie stickte
          und strikte nicht, sie sah nicht durch's Fenster, sie fütterte keinen Vogel, sie spielte mit
          keinem Schooßhündchen oder mit kein Lieblingskatze – [am Rande: sie drehte keine
          Papierschnitzchen
          oder sonst was in
          der Hand
          ]
          sie durfte kein Gähnen durch
          ein leises erzwungns Husten bezwingen – kurz stundenlang sah sie mit starrem Blick un=
          vrwandt dem Geliebten ins Auge ohne sich zu rücken und zu bewegen, und im̄er glühendr
          im̄r lebendiger wurde dieser Blick – Nur wenn Nathanael endlich aufstand und ihr
          ihr die Hand und wohl auch den Mund küßte sagte sie: "Ach – Ach – denn aber:
          Gute Nacht, mein Lieber! – O du herrliches – du tiefes Gemüth rief denn Nathanael
          auf seinr Stube, nur von dir – von dir werd' ich ganz vrstanden. Er erbebte vor in̄ern Ent=
          zücken, wenn er bedachte, welch' wunderbarer Zusam̄enklang sich in seinem und Olimpias
          Gemüth offenb sich täglich mehr offenbare, denn es schien ihn, als hätte Olimpia über
          sein Werke, übr sein Dichtergabe überhaupt recht tief aus seinem Inern gesprochen,
          ja als habe ihre Stim̄e selbst aus seinem Innern selbst herausgetönt. Das
          mußte denn auch wohl seyn, denn mehr Worte, als vorhin sprach nie Olimpia niemahls
          und erinnrte sich selbst abr auh Nathanael in hellern Anüchternern[...] Augenblike z.B. glei des
          Morgens gleich nach dem Erwachen, auch wirklich an Olimpias gänzliche Paßivität und
          b Wortkargheit, so sprach er doch: Was sind Worte – Worte – Ihrder Blick ihres himlischen Auges
          sagt mehr, als jede Sprache hienieden – Vermag den überhaupt ein Kind des Him̄els, sich
          einzuschichten in dn engn Kreis, den ein klägliches irrdisches Bedürfniß gezogen?

          a (neuer Abschnitt

          b Die Arie!

          Allen jungen Mänern, die Olimpia sahen, kam meintn übrigens einstimig, sie würde
          täglich schöner und lebendiger und selbst dr kalte Siegfried sagte: bey Gott, ich glaube
          Herr Brudr! du impfst ihr mit deine Liebe noch was wenigs Verstand ein! – O ihr
          [am Rande: erbärmlichn] Thoren! dachte Nathanael bey sich selbst, sagte es aber nicht laut, sondr schwieg stilll lieb still.

          Profeßor Spalanzani schien hoh erfreut über das Verhältniß seiner Tochter mit Natha
          nael, er gab diesem allerley unzweideutige Zeichen seines Wohlwollens, und als
          Nathanael e inma hl endlich es wagte von ferne auf eine Vrbindung mit Olimpia anzuspielen
          lächelte er mit dem ganzen Gesicht und meinte: Er werde Olimpia gänzlich freie Wahl
          laßen. – Ermuthigt durch diese Worte, brennenderes Sehnsucht und Verlangen im Herzen beschloß
          Nathanael gleich am folgenden Tage Olimpia anzuflehen daß nur unumwunden in
          deutlichen Worten auszusprechen, was längst ihm ihr holder Liebesblick gesagt –
          daß sie sein eigen im̄erdar seyn wolle. mit Er suchte nach dem Ringe, den ihm
          beym Abschiede seine Mutter geschenkt, um ihn Olimpien als Symbol sein Hingebung,
          seines Lebens mit ihr, in der aufkeimenden und blühenden Lebens darzureichen.
          Claras, Lothars Briefe fielen ihm dabey in die Hände, er warf sie gleichgültig bey Seite
          fand den Ring, steckte ihn ein, unsd rannte herüber zu Olimpia.

          Schon auf der Treppe, auf dem Flur, vernahm er ein wunderliches Getöse, das
          [am Rande: es schien] aus Spalanzanis StudirZim̄er herauszuschallen – ein Stampfen – ein Klirren –
          ein Schlagen gegen die Thüre – dazwischen Flüche und Vrwünschungen – "Laß los – Laß
          los – LInfamer – verruchter! – Darum Leib und Leben daran gesezt? Ha ha ha – so haben
          wir nicht gewettet – ich – ich hab die Augen gemacht! – dum̄er Ich das Räderwerk –
          dum̄r Teufel mit dein Räderwerk! – verfluchter Hund von einfältigem Uhrmaher –
          fort mit dir – Satan – laß los – laß los – mir gehört die Maschiene – ha ha ha – Puppen
          dreher – verzweifle – da da da da – mein sind die Augen – ich reiße sie aus! – V
          Es war Sp Es waren Spalanzanis, und des gräßlichen Coppelius Stim̄en, die so
          duheinandr schwirrten [am Rande: ud tobten] – Hinein stürzte von nahmenloser Angst ergriffen Nathanael.
          Der Profeßor hatte eine weibliche Figur bey den Schultern gepackt, der Italiäne Coppola
          bey dn Füßen – sie zerrten und zogen sie hin und her in vor toller Wuth schäumend. und
          streitend um den Besitz – NVoll tiefen Entsetzens prallte Nathanal zurük als er Olimpia
          erkannte – aber aufflam̄nd in wildem Zorn wollte er sie den Wuthendn die Geliebt
          entreißn, abr in dem Augenblik rißsie Coppola sich mit S R iesnkraft drehend sdie Figur
          dem Profeßor aus dn Händen, und versezte in demselbn Moment ihn mit derselben mit dr
          Figu selbst ein Schlag, daß er rücklings übr ein Tisch, auf dm Phioln, Retotrten ElektrisirMaschinn
          standn, taumelte, so daß allesud fiel so daß alls klir in tausnd Stücke zusam̄klirrte. – Nun warf Coppola

          die Figur übr die Schulter, daß dieund la rannte mit gellend fürchterlich gellendem
          Gelächter rasch fort di Treppe herab, so daß die heräßlich heruber herunter hängendn Füße hölzern
          klapperten und dröhnten! – Fest in dr Boden gewurzelt stand Nathanael – nur zu
          deutlich hatte er gesehen, Olimpias Wachsgesicht hatte kein Augen [am Rande: statt ihrer graßl
          schwarze todte Höhlen
          ]
          – sie war eine
          leblose Puppe – Spalanzani lag wälzte sich im Blute auf dr Erde [...]die Gläser zerbrochen Glas=
          scherbn hatten ihm Kopf – Brust und Arm zerschnittn, wie aus Springquellen strömte das
          Blut empor – abr er raffte sei Kraft zusam̄n – ihm nach – ihm nach, was zauderst du[!]
          Coppelius – Coppelius – mein bestes Automat hat er mir geraubt – zwanzig
          Jhr daran gearbeitet – Leib und Leben daran gesezt – die Augen – die Augen
          er hat sie ge abr das Rädrwerk – Gang – Sprache – Gesang – mein mein – die
          Augen die Augen – er – er – dir gestohlen – Vrdam̄tr – Vrdamter – ihm nach –
          hohl mi Olimpia – da hda hast du die Augen – Nun sah Nathanael, wie ein Paar [am Rande: blutige]
          Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrtn, die faßte Spalanzani, und [am Rande: mit dr unvrleztn Hand]
          warf sie nach ihm, daß sie seine Brust trafen. – Da packte ihn der Wahnsinn mit
          glühendn Krallen hineinfu und fuhr hinein ins Innre zerreißend Sinn ud Gedanke –
          – Huy – huy – huy – FeuerKreis – FeuerKreis – dreh' dich FeuerKreis – dreh dich – dreh
          dich Holzpüpchen – Damit warf er sich auf den Profeßor und drückte ihn di Kehle
          zu. Er hätte ihn getödtet, aber d er as wüthende Getöse hatte viele Menschen herbey=
          gelockt,
          die drangen ein, und rißen den wüthenden Nathanael auf und retteten
          so Spalanzani, der gleich verbunden wurde. ASiegfried, so so stark er war, vermochte [am Rande: nicht]
          den Nathanael dn Nathanael nicht zu bandgn, der schrie mit fürchterlichr Stim̄e im̄rfort: Holspüppchen
          dreh' dich – und schlug um sich mit geballten Faüsten. [am Rande: Endlich gelang es
          mehreren ihn zu
          überwältigen, ind
          sie ihn zu Boden
          warfn u bandn
          ]
          SMan war genöthigt ihn zu
          binden, sein Worte gingen untr in entsetzliche thierischen Gebrülle – So in vollr
          vlligr gräßlihe Raserey tobend wurde er nach dem Tollhause gebracht!  

          Ehe ich weiter dir, günstiger Leser! zu erzählen fortfahre, wie es was sich weiter
          mit dem unglücklichen Nathanael zugetragen, kan̄ ich dir, solltest du einigen
          Antheil an dem geschickten Mechanicus und AutomateFabrikanten CSpalanzani nehm,
          versichern, daß er von seinen Wunden völlig geheilt wurde. Er mußte indeßen die Univrsi=
          tät
          vrlaßen, weil Nathanaels Geschichte Aufsehn gemacht hatte, und es allgemi für gänzlih
          unerlaubten Betrug gehalten wurde vernünftigen Theezirkeln (Olimpia hatte sie mit
          Glück besucht) statt dr lebendigen Prson eine Holzpuppe aufzudringen. Juristen nanten
          es ein feine sogar eine feinen und daher stärk härter zu bestrafendn Betrug, weil kein Mensch
          (kluge Studenten ausgenom̄n) es gemerkt hatte, unerahtet jezt alle klug weise thaten, und
          sich auf allerley Thatsachen beriefen, die ihr ihrem fein Sinn, als vrdähtig aufgefalln. Sie brachten

          aber nichts gescheutes zu Tage, denn dafür war z. B. doch nicht zu achtetn, daß ein
          Elegant meinte, Olimpia habe gegen alle Sitte öfter genieset als gegähnt; ersters
          sey abr das Selbstaufziehen des innern Triebwerks gewesen; merklich habe es dabey
          geknarrt u. s. w. Der Profeßor dr Poesie ud Beredsamkeit nahm eine Prise, und
          sagte die Dose zuklappend: Hofyerlich: HochzuVrehrende Herrn! merken sie denn nicht wo
          der Hase im Pfeffer liegt? – Das ganze ist eine sattsam ausgeführte Allegorie
          eine fortgeführtes GleichnißMetapher. Sie verstehen mich! Sapienti sat! – Die Hochzuvreh Abr Vviele
          von den hochzuverehrenden Herrn beruhigten sich aber nicht dabey, die Geschichte mit
          dem Automat hatte tief in ihrer Seele Wurzel gefaßt, und es schlich sich ein in der
          That abscheuliges Mißtrauen gegen menschliche Figuren ein. Um nun ganz
          überzeugt zu seynwerden, daß man keine Holzpuppe liebe, wurde nun verlangt, daß die Ge=
          liebte
          machmahl etwas taktlos singe und tanze, daß sie beym lesen strike, stike usw
          Vor allen Dingen abr, daß sie nicht bloß höre, sondn auch manchmahl mehr spreche in
          dr Art spreche, daß dies Sprechen wirklich ein Denken und Sprechen Empfinden als unerläßlich
          voraussetze. Das Liebesbündniß vielr wurde fester und daby anmuthiger, andere
          gingen dagegn leise auseinander: – man kan̄ wahrhaftig nicht dafür stehen, sagte dies odr
          jenr. In den Thees wurde unglaublich gegähnt, und gen[...] auch niemahls geniest, um
          dem Vrdacht jens Elegants, dr sich vrbreitet, zu begegnen. – Spalanzani mußte allso
          fort um dr CriminalUntersuchug wegen, der Gesells menschlichen Gesellschaft einge
          schobenen Automats zu entgehen, auch Coppola ließ sich nicht mehr sehen. Am
          Ende war es doch wohl der gräßliche Sandmann Coppelius.  

          Als Nathanael erwachte wie aus schwerem fürchterlichen Traum, er schlug die
          Augen auf, und fühlte sich wie ein von unbeschreiblichems WonneGefühl mit sanft, abr himlisch
          [am Rande: Wärme ihn durchsströmte] erwärmt. – Clara hatte s Er lag in seinem Zim̄er in des Vaters Hause auf
          dem Bette, Clara hatte sich über ihn hingebeugt, und unfern standen Cldie
          Mutter und Lothar! – "Endlich, endlich! – o mein Hergeliebter Nathanael –
          nun bist du genesen von schwerer Krankheit, nun bist du wieder mein! – So
          sprach Clara recht aus tiefer Seele und faßte den Nathanael in ihre Arme, aber dem
          quollen vor lauter Wehmuth und Entzücken die hellen Thränen aus den Augen und er
          stohnte tief auf: Meine – o Meine Clara. – Siegfried, dr den Freund by dm Freunde ausgeharrt in großer Noth nicht
          vrlaßen trat hinein. – Nathanael reichte ihm die Hand: du treuer Bruder hast mich doh
          nicht vrlaßen! – Jede Spur des Wahnsinns war vrschwunden, bald erkräftigte sich

          Nathanael in der sorglichen Pflege der Mutter – der Geliebten – der Freunde.
          Das Glück war unterdeßen in das Haus eingekehrt, denn ein alter karger Oheim,
          war gestorben von dem niemand was gehofft war gestorben und hatte der Mutter ein
          ein nicht unbedeutends Vermögen und ein schuldenfreyes Gütchen vier Meilen von der
          Stadt hinterlaßen. Dort wollten sie hinziehen, die Nathanael Mutte, Nathanael
          mit seinr Clara, die er nun zu heyrathen gedachte und Lothar. Nathanael war
          milder, kindlichr geworden als er je gewesen, und erkante nun erst recht
          Claras him̄lisch reines herrliches Gemüth. Niemand erin̄erte ihn auch nur durch
          den leisesten Anklang an die Vrgangenheit, nur als Siegfried von ihm scheidend schied
          die Hand drückte, sprach Nathanael: bey Gott Bruder! – ich war auf schlim̄en Wege – abr
          zu rechter Zeit führ leitete mich ein Engel auf den lichten Pfad – ach – es war ja
          Clara! – Siegfried ließ ihn nicht weiter reden, aus Furcht, tief vrletzende Erinnerungen möchtn zu
          hell und flam̄end aufgehen – Es war an der Zeit, daß die vier glücklichn Menschen,
          didie Mutter, Nathanael Clara und BLothar nach dem Gütchen reisen wollten um
          sich umzusehen in der Wirthschafft. Zu Mittagsstunde gingen sie durh die Straßen, dr Stadt
          sie hatten manches eingekauft – der hohe Burgthurm warf seinen Riesen schatten
          dunkel übr den Markt. "Ey sagte Clara: steigen wir doch einmahl noch herauf und
          schauen in das ferne Gebürge hinein. Gesagt – gethan. Beyde, Nathanael und Clara
          stiegen herauf, die Muttr ging mit der Dienstmgd nach Hause, und Lothar, dem
          es nicht gemüthlich war die vielen Stufen zu erklelter wollte indeßn untn warten. –
          Da standn die beidn Liebenden Arm und Arm auf der Gallerie, ud schauten hinin in die [am Rande: duftigen]
          frn Waldungen, ud sahen vrfolgten mit senhsuhtigm Blick dn, wie der Strom[...] in silbernn Schlangen wWindungen sich duh di Blumen
          flure schlängelte "Was mag das für ein kleines weißes graues Häusch en Thurmchn seyn, was dort liegt –
          ach – es bewegt sich ja – schau doch hin Nathanael? – Nathanael faßte mehanisch nach
          dr Seitentasche – er fand Coppolas Perspektiv – er schaute seitwärts, er faßte Clara stand
          vor dem Glase. – Da glühte und zuckte es in sein Pulsen ud Adern – Feurströme glühten
          auf ud sprühten duch die rollenden Augen – gräßlich brüllte er auf wie ein geheztes
          Thier, abr dann sprang er hoch auf in di Lüfte und schrie in schneidendm Ton, entsettzlihentsettzlich dazwischen
          lachend: Holzpüpchen dreh' dich – Holzpühpchen dreh dich – Und mit gestwaltiger Kraft faßte
          er Clara und wollte sie hinübabschleudern übers Geländer, abr inClara krallte [...]sich in
          verzweifeltr TodesAngst fest an das Geländer – Lothar hörte ihr Geschrey,

          ein gräßliche Ahnug duhflog ihn – er ran̄te herauf Die Thüre dr zweiten Treppe war
          vrschloßen, Claras Jam̄rgeschrey hallte – stäker – ud stärker unsi Unsinnig vor Wuth
          Entsetzen ud Angst rant schlug er dagegen – sie wich seine k räftigen vrdoppelten Stoßen – Matter
          tönten Clara's Laute – herauf im̄r fort herauf – auch die Thür zur Gallrie war
          vrschloßen – Hülfe – Rettug – hülfe hülfe – So erstarb beinahe erstarben shn schon Claras TodesLaut
          Rufen – Sie ist hin – Sie ist hin – gemordet vom Rasendn – so schrie Lothar – die
          Vrzweiflung gab ihm Riesekraft – mit ganzemvoller LeibStärke gegen di Thür drängend riß
          er sie aus dn Angeln – Gott im Him̄el! – Nathanael hatte Claras rechte Hand losge=
          mcht vom Geländr ihr sie hing über dem Geländer mit l g er[...]dmem Leibe hras ins frye – das Kleid flatterte in den
          Luften – Abr in dem Augenblick faßte mit dr ein Hand Lothar die Schwester
          ud schlug mit geballter Faust dm Nathanael rasendn Nathanael ins Gesiht daß
          er zurückprallte – Mit dr Schnelligkeit des Blitzes rannte Lothar die ohnmehtge
          S chweste r [am Rande: Clara] in dn Armen hinuntrherab. Sie war gerettet –

          Nun raste Nathanael herum auf dr Gallerie, da rief ein widerwärtige Stime
          herauf. von untn herauf: Ey ey – Kleine Bestie – willst mir willst Augen machen
          lernen – wirf mir dein Holzpüpchen zu! – wirf mir dein Holzpüpchn zu –
          – es war das klein wegrau Thürmchen, was Clara geschaut – aber nicht ein Thürmchen –
          dr Advokat Coppelius stad untn am Thurm ud schaute ud rief so herauf und rief. – Nathanael
          erblickte dn Coppelius ud lachte: ha ha ha - Sköne Oke - Sköne Oke – Kauf sie dir
          ab – Kauf sie dir ab – kom̄' schon – Kom̄ schon! – Und damit sprang er über das
          Geländr! –

          Als er Nathanael mit zerschmettertem Gehirn unten auf dr Straße dem Steinpflaster lag, war Coppelius untr den
          Menschen, die sich um den Todten vrsam̄elten, verschwunden.

          Nach mehreren Jahren will man in einer entfernten Gegend Clara gesehen
          haben, wie sie mit eine freundlihe Manne Hand in Hand vor dr Thüre eines
          schönen Landhauses saß, und vor ihr her zwey muntre goldlockigte Knabn spielten.
          Es wäre daraus zu schließn, daß sie das ruhige hausliche Glück noch fand, das ihrm
          offnen heitr, lebenslustigen Sinn zusgte, ud das ihr dr im Innern zerrißene
          Nathanael niemahls gewähren kon̄te.

          (Hier findet sich der braune Stempel der Märkischen Museums.)
          Nachtstücke.
          Herausgegeb vom Verfaßer dr Fantasiestücke in Callotts Manir
          Der Sandmann

          Der Mutter Antwort befriedigte mich nicht, ja in meinem kindischen Gemüthe entfaltete sich deutlich der Gedanke, daß die Mutter den Sandmann nur verlaügne, damit wir uns nicht vor ihmrchten sollten; ich hörte ihn ja immer die Treppe heraufkommen. Voll Neugierde über diesen Sandmann und seine Beziehung auf uns Kinder zu erfahren frug ich endlich die alte Frau, die meine jüngste Schwester wartete, was denn das für ein Mann sey, der Sandmann. "Ey, Thanelchen, erwiederte diese, weißt du das noch nicht? das ist ein böser Mann; der komt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett' gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie zum Kopfe blutig herausspringen, die nimt er dann wirft sie in den Sack und trägt sie in den Halbmond, zur Atzung für seine Kinderchen die sitzen dort im Nest, und haben krumme Schnäbel wie die Eulen, damit picken sie der unartigen MenschenKindlein Augen auf. – Gräßlich mahlte sich nun mir im Innern das Bild des grausamen Sandmanns aus, so wie ich es Abends auf der Treppe hinaufpoltern hörte zitterte ich vor Angst und Entsetzen. Nichts, als den unter Thränen hergestotterten Ruf: der Sandmann, der Sandmann konte die Mutter aus mir herausbringen, ich lief vorauf in das Schlaf zimmer, und wälzte mich oft noch lange von der fürchterlichen Erscheinung des Sandmanns gequält schlaflos auf dem Lager umher. – Schon alt genug war ich worden um einzusehen, daß das mit dem Sandmann und seinem KinderNest im Halbmonde so wie es die Wartefrau mir erzählt hatte wohl nicht ganz seine Richtigkeit haben könne; indeßen blieb der Sandmann mir ein fürchterliches Gespennst, und Grauen und Entsetzen erfüllten mich ganz und gar, wenn ich ihn nicht allein die Treppe heraufkommen sondern auch meines Vaters Stubenthüre aufmachen und hineintreten hörte. Manchmahl blieb er lange fort, dann kam er öfter hintereinander, Jahre lang dauerte das, und nicht gewöhnen konte ich mich an den unheimlichen Spuk, nicht bleicher wurde in mir das Bild des grausigen Sandmanns. – Sein Umgang mit dem Vater fing an mehr und mehr meine Fantasie zu beschäfftigen, den Vater darum zu befragen hielt mich eine unüberwindliche Scheu zurück, aber selbst – selbst das Geheimniß zu erforschen – den fabelhaften Sandmann zu sehen, dazu

          keimte mit den Jahren immer mehr die Lust in mir empor. – Der Sandmann hatte mich auf die Bahn des Wunderbaren, Abentheuerlichen gebracht, das so schon leicht im kindlichen Gemüth sich einnistet. Nichts war mir lieber als schauerliche Geschichten von Kobolten, Hexen, Daumlingen pp aber oben an stand imer der Sandman, den ich in den seltsamsten abscheuligsten Gestalten überall auf Tische und Wände mit Kreide–Kohlen hinzeichnete. – Im zehnten Jahre wies mich die Mutter aus der Kinderstube in ein Kämmerchen, das auf dem Corridor unfern von meines Vaters Zimmer lag. – Noch immer mußten wir uns, wenn jener Unbekante auf den Schlag Neun Uhr sich auf der Trepe hören ließ schnell entfernen. – In meinem Kämmerchen hörte ich, wie er bey dem Vater hineintrat und bald darauf war es mir denn, als verbreite sich im Hause ein feiner seltsam riechender Dampf. – Immer höher wuchs mit der Neugierde, der Muth auf irgend eine Weise des Sandmanns Bekantschaft zu machen. Ich schlich mich oft schnell aus dem Kämnerchen auf den Corridor, wenn Mutter vorbeigegangen, aber nichts konte ich erlauschen, denn immer war der Sandmann schon zur Thüre hinein, wenn ich den Platz erreicht hatte, wo er mir sichtbar werden konte. Endlich beschloß ich von unwiderstehlichem Drange getrieben mich im Zimmer des Vaters selbst zu verbergen und dort den Sandmann zu erwarten. An des Vaters Stillschweigen, an der Mutter Traurigkeit merkte ich eines Abends, daß der Sandmann kommen werde, ich schützte daher große Müdigkeit vor, und ging schon vor Neun Uhr aus dem Zimmer, verbarg mich indeßen ticht neben der Thüre in einen Schlupfwinkel. Dar Hausthüre knarrte, durch den Flur ging es – langsamen schweren dröhnenden Schrittes nach der Treppe, die Mütter eilte mit meinem Geschwister mir vorüber. Leise – leise öffnete ich des Vaters Stube – Der Vater saß wie gewöhnlich stumm und starr mit dem Rücken nach der Thüre hin, er bemerkte mich nicht, schnell war ich hinein und hinter der Gardiene, die einem gleich neben der Thüre stehenden offnen Schrank, worinn meines Vaters Kleider hingen vorgezogen war. Näher und näher dröhnten die Tritte – es hustete und scharrte und brumte draußen – das Herz bebte mir vor Angst und Erwartung – Heftig wurde die Thüre aufgerißen, mich mit Gewalt er

          mannend a kukte ich behutsam hervor, der Sandmann stand mitten in der Stube vor meinem Vater – der helle Schein der Lichter brannte ihm ins Gesicht – der Sandmann – der fürchterliche Sand mann war der alte Advokat Coppelius, der manchmahl bey uns Mittag zu eßen pflegte! – Aber die gräßlichste Gestalt hätte in mir nicht tieferes Entsetzen erregen können, als eben dieser Coppelius. Denke dir einen großen breitschultrigen Mann mit einem unförmlich großen Kopf, erdgelbem Gesicht, buschigten graun Augenbraunen, unter denen ein paar kleine grünliche KatzenAugen hervorfunkeln, großer dicker über die Oberlippe gezogen Nase – das schiefe Maul verzieht sich oft zum hämischen Lächeln, dann werden auf Backen ein paar dunkelrothe Flecke sichtbar und ein seltsam zischender Ton fährt durch die zusammengekniffenen Zähne. Coppelius erschien immer in einem altmodisch zugeschnittenen aschgrauen Rocke, ebensolcher Weste und gleichen Beinkleidern, aber dazu schwarze Strümpfe und Schue mit kleinen Steinschnallen. Die kleine Perücke bedekte reichte kaum über den Kopfwirbel heraus, die Kleblocken standen, hoch über den großen rothen Ohren hinweg, und ein breiter verschoßener Harbeutel starrte von dem Nacken weg so daß man die silberne Schnalle sah, die die gefaltelte Halsbinde schloß. Die ganze Figur war überhaupt widrig und abscheulig, aber vor allem waren uns Kindern die Coppelius große knotige haarigte Faüste zuwider, so daß wir, was er damit berührt, nicht mehr anfaßen mochten. Das hatte er bemerkt, und nun war esseine Freude irgend ein Stückchen Kuchen, oder eine süße Frucht, die uns die gute Mutter heimlich auf den Teller gelegt unter diesem, jenem Vorwande zu berühren, daß wir, helle Thränen in den Augen, die Näscherey, der wir uns erfreuen sollten, nicht mehr genießen mochten vor Ekel und Abscheu. Eben so machte er es, wenn uns an Feyertagen der Vater ein klein Gläschen süßen Wein eingeschenkt hatte, dann fuhr er schnell mit der Faust herüber oder kostete wohl gar davon das Glas an die blauen Lippen bringen, und lachte recht teuflisch, wenn wir unsern Aerger nur leise schluchzend außern durften – Er pflegte uns nur immer, die kleinen Bestien zu nennen, wir durften, war er da, keinen Laut von uns geben, und verwünschten den häßlichen feindlichen Mann, der uns recht mit Bedacht und Absicht auch die kleinste Freude verdarb. – Die gute liebe Mutter schien

          a (Eigenschaft als Advokat)

          eben so wie wir den widerwartigen Coppelius zu haßen, denn so wie er sich zeigte, war ihr Frohsinn, ihr heiteres unb fangnes Wesen hin. Der Vater betrug sich gegen ihn, als sey es ein höheres Wesen, deßen Unarten man dulden, und as man auf jede Weise bey guter Laune erhalten müße. Er durfte nur leise andeuten und LieblingsGerichte wurden gekocht und seltene Weine credenzt. Als ich nun diesen Coppelius sah, da ging es grausig und entsetzlich in meiner Seele auf, daß ja nie mand als er der Sandmann seyn könne, aber der Sandmann war mir nicht mehr jener Popanz aus dem Ammenmährchen, der dem EulenNest im Halbmonde KinderAugen zur Atzung holt, nein – ein häßlicher gespenstischer Unhold der überall wo er einschreitet Jammer Noth ! zeitliches– ewiges Verderben bringt – Ich war wie festgezaubert, auf die Gefahr entdeckt und wie ich deutlich dachte hart gestraft zu werden blieb ich stehen den Kopf durch die Gardiene lauschend hervorgestreckt – Mein Vater empfing ihn feyerlich – Zum Werk zum Werk, rief Coppelius mit heiserer schnarrender Stimme und warf den Rock ab. Der Vater zog still und finster seinen Schlafrock aus, und beide kleideten sich in schwarze Kittel, wo sie die hernahmen hatte ich übersehen. Der Vater öffnete die Flügelthüren eines Wandschranks, aber ich sah, daß das, was ich so lange dafür gehalten keinsweges ein Wandschrank, sondern vielmehr eine schwarze Hölung war in der ein kleiner Heerd stand. Coppelius trat hinzu, und eine blaue Flamme loderte hoch auf dem Heerde auf – Allerley seltsame Geräthschaften erlickte ich nun – Ach Gott! – wie sich nur mein alter Vater zum Feuer bückte, da sah er ganz anders aus – ein gräßlicher Schmerz schien seine sanften ehrlichen Züge zum häßlichen widerwärtigen Teufelsbilde verzogen zu haben – Coppelius schwang die glühende Zange und fuhr hin und her damit in den dicken Qualm – mein Vater ächzte laut – mir war es als würden MenschenGesichter rings umher sichtbar aber ohne Augen – scheußliche tiefe schwarze Höhlen statt ihrer, und Coppelius schrie mit dumpf dröhnender Stimme: Augen her – Augen her! – Ich kreischte auf von wildem Entsetzen gepeckt, und stürzte heraus auf den Boden

          Da ergriff mich Coppelius – kleine Bestie – kleine Bestie meckerte er zähnfletschend und riß mich herauf und warf mich auf den Heerd, daß die Flamme mein Haar zu sengen begann. "Nun haben wir Augen – Augen – ein schön Paar Kinder Augen – So flüsterte Coppelius und griff mit den Faüsten in die Flamme und griff glutsrothe Körner heraus und wollt es mir die Augen streuen, da hob mein Vater flehend die Hände empor und rief: Meister – Meister! laß meinem Nathanael die Augen – laß sie ihm! – Coppelius lachte gellend auf und rief: Mag der Junge denn Augen haben und sein Pensum flennen und was weiß ich sonst, aber nun wollen wir doch den Mechanismus der Hände und Füße recht observiren – Und damit a faßte er mich gewaltig, und schrob mir die Aerme ab und die Füße, und sezte sie bald hier – bald dort wieder ein – 's'steht doch überall nicht fein – 's gut so wie es war – Der Alte hat's verstanden – So zischte und lispelte Coppelius aber Alles wurde schwarz und finster – ein jäher Krampf durchzukte Nerv und Gebein – ich fühlte nichts mehr. Ein sanfter warmer Hauch glitt über mein Gesicht, ich erwachte wie aus dem TodesSchlaf, die Mutter hatte sich über mich hingebeugt: Nathanael – mein Nathanael – so schluchzte sie – "Ist der Sandmann noch da? – stammelte ich. Nein, mein liebes Kind! Der ist lange f lange fort – der thut dir kein Schaden! – So sprach ie Muter, und küßte und herzte mich, den wiedergewonnenen Liebling! – Was soll ich dich ermüden, mein herzlieb Lothar! – was soll ich so weitläuftig einzelnes hererzählen, da noch so vieles zu sagen mir übrig ist – Genug sey es – ich war bey der Lauscherei entdeckt und von Coppelius gemißhandelt worden, Angst und Schreck hatten mir ein hitziges Fieber zugezogen, an dem ich drey Wochen krank lag – Ist der Sandan noch da? – Das war mein erstes gesunds Wort und das Zeichen meiner Genesung – meine Rettung. Coppelius ließ

          a (Unbekante Sprache)

          ließ sich nicht mehr sehen, a mein Vater schien unbefangen und heiter, nicht mit einer Sylbe wurde meiner Neugierde, die ich so schwer büßen mußte erwähnt. – Ich war vierzehn meine jüngste Schwester, der Muter treues Ebenbild, anmuthig, sanft und gut wie sie, sechs Jahr als worden, ich liebte sie sehr, und so geschah es, daß ich oft mir spielte. So saß ich einst mit ihr in unserer ziemlich einsamen Straße vor der Hausthür, und ließ ihre Puppen mit einander sprechen, so daß sie in kindischer Lust lachte und jauchzte da stand mit einem Mahl der verhaßte Coppelius vor uns – Was wollen Sie hier? – Sie haben hier nichts zu suchen – Gehen Sie – gleich gehen sie – So fuhr ich den Menschen an, und stellte mich wie kampflustig vor ihn hin – Hoho hoho kleine Bestie – lachte er hämisch, aber er schien nicht ohne Scheu vor meiner kleinen Person. Doch schnell, ehe ich mir's versah, ergriff er meine klein Schwester – – da schlug ich ihn mit nach dem Gesicht – er hatte sich gebückt – ich traf ihn schmezlich – mit wüthenden Blick fuhr er auf mich loß – ich schrie Hülfe – Hülfe, des Nachbars Brauers Knecht, sprang vor die thür, Hey hey – hey – der tolle Advokat – der tolle Coppelius – macht euch über ihn her macht euch über ihn her – so rief es und stürmte von allen Seiten auf ihn ein – er floh gehezt über die Straße – Aber nicht lange dauerte es, so fingen meinem Schwesterlein die Augen an zu schmerzen, Geschwüre, unheilbar sezten sich dran – in dry Wochen war sie blind – dry Wochen darauf vom Nervenschlag getroffen todt – "Die hat der teuflische Sandmann ermordet – Vater – Vater – gieb ihn bey der Obrigkeit an, den verruchten Morder! – so schrie ich unaufhörlich. Der Vater schalt mich heftig und bewies mir, daß ich was unsinniges behaupte, aber in dem Jammerblicke der trostlosen Mutter las ich nur zu deutlich, daß sie dieselbe Ahnung in innr trage ihr wohne. – Es hieß, Coppelius habe die Stadt verlaßen. – Ein Jahr mochte vergangen seyn, als wir der alten unveränderten Sitte gemäß Abends an dem runden Tische saßen. Der Vater war den Abend sehr heiter und erzählte viel b ergötzliches von der Reise nach Neapel, die er in seiner Jugend gemacht. Da hörten wir plotzlich die Hausthüre in den Angeln knarren, und langsame, eisenschwere – tritte dröhnten durch den Hausflur die Treppe herauf! – Das ist Coppelius, sagte meine Mutter erblaßend – Ja es ist Coppelius, [...]drhole der Vater mit matter gebrochner Stimme.

          a Es lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ob Hoffmann an dieser Stelle zuerst ein Komma oder einen Gedankenstrich gesetzt hat. Beide Zeichen erscheinen in der Handschrift übereinander. Das in der Transkription erscheinende Komma kann also ebenso gut als Gedankenstrich gelesen werden.

          b Es muß n so seyn)

          Die Thränen stürzten der Mutter aus den Augen: aber Vater Vater! rief sie: Es muß es nun so seyn, erwiederte dieser: zum lezten mahle komt er zu mir, ich verspreche es dir; geh nur geh' mit den Kindern, geht zu Bette! – Gute Nacht. Es war mir, als sey ich in schweren kalten Stein eingepreßt – mein Athem stockte, die Mutter ergriff mich beym Arm, als ich unbeweglich stehen blieb: komm Nathanael komm nur. Ich ließ mich fortführen, ich trat in meine Kammer! – Sey ruhig – sey ruhig, lege dich ins Bette, schlafe, schlafe, rief mir die Mutter nach, aber von innerer Angst und Unruhe gequält konte ich kein Auge zuthun. Der verhaßte abscheulige Coppelius stand vor mir mit funkelnden Augen und lachte mich hämisch an, vergebens trachtete ich sein Bild los zu werden. Es mochte wohl schon Mitternacht seyn, als ein entsetzlicher Schlag geschah; daß das ganze Hause zitterte und dröhnte, es raßelte und rauschte bey meiner Thüre vorüber – "Das ist Coppelius! rief ich entsezt, als die Hausthüre heftig zugeworfen wurde; ich sprang aus dem Bette, da kreischte es auf in schneidendem trostlosen Jammer – fortstürzte ich nach des Vaters Zimmer – die Thür war offen ein erstickender Dampf quoll heraus – das Dienstmädchen schrie: Ach der Herr – der Herr – Vor dem dampfenden Heerde auf dem Boden lag mein Vater todt mit schwarz verbranntem gräßlich verzerrten Gesichte – um ihn herum heulten und winselten die Schwestern, die Mutter ohnmächtig daneben "Coppelius – verruchter Satan – du hast die Schwester – den Vater ermordet! — So schrie ich auf – mir vergingen die Sinne! – Als man zwey Tage darauf meinen Vater in den Sarg legte, waren seine Züge wieder mild und sanft worden wie sie im Leben waren, und tröstend ging es in meiner Seele auf, daß sein Bund mit dem teuflischen Coppelius ihn nicht ins Verderben gestürzt haben könne.   Die Explosion hatte die Nachbaren geweckt – die Geschichte wurde ruchtbar und kam vor die Obrigkeit, welche den Coppelius zur Verantwortung vorfordern wollte. Der war aber spurlos vom Orte verschwunden. – Wenn ich Dir nun sage, mein herzlieber Freund, daß jener Wetterglashändler eben der verruchte Coppelius war, so wirst du mir es nicht verargen, wenn ich die feindliche Erscheinung nur als schweres Unheil bringend deuten kan. – Er war anders gekleidet, aber Coppelius Figur und Gesicht sind zu tief in mein Innerstes eingeprägt als daß hier ein Irrthum möglich seyn sollte. Zudem hat Coppelius nicht einmahl seinen Nahmen geändert. Er giebt sich hier, wie ich höre, für einen piemontesischen Mechanikus aus und

          nennt sich Giuseppe Coppola. – Ich bin entschloßen es mit ihm aufzunehmen; mag es denn nun gehen wie es will: Der Mutter erzähle nichts von dem Erscheinen des grausigten Unholds – Grüße meine liebe holde Clara, ich schreibe ihr in ruhigerer Gemüthsstimmung recht viel. Lebe wohl pp

          Clara an Nathanael. Wahr ist es, daß Du recht lange mir nicht geschrieben hast, aber dennoch glaube ich , daß Du mich in Sinn und Gedanken trägst , denn meiner gedachtest Du wohl mit recht lebhaft, als Du deinen lezten Bruder an Lothar absenden wolltest, und die Aufschrift statt an ihn an mich richtetest. Freudig erbrach ich den Brief, und wurde den Irrthum erst bey den Worten inne: Ach mein herzlieber Lothar! – Nun hätte ich nicht weiter lesen, sondern den Brief dem Bruder geben sollen – aber, hast du mir auch sonst manchmahl in kindischer Neckerey vorgeworfen, ich hätte solch ruhiges weiblich besonnenes Gemüth, daß ich wie jene Frau, drohe das Haus den Einsturz, noch vor schneller Flucht ganz geswinde ein Fältchen in der FensterGardiene glattstreichen würde, so darf ich doch wohl kaum , deines Briefes Anfang mich tief erschütterte. – Ich konte kaum athmen – es flimmerte mir vor den Augen – Ach mein lieber – herzlieber Nathanael was konte so entsetzlich in dein Leben getreten seyn – Trennung von dir – Niemahls dich wiedersehen – der Gedanke durchfuhr meine Brust wie ein glühender Dolchstich – Ich las und las – Deine Schilderung des widerwärtigen Coppelius ist gräßlich – Erst jezt erfuhr ich, wie dein guter alter Vater solch' entsetzlichen gewaltsamen Todes starb – Bruder Lothar dem ich sein Eigenthum zustellte, suchte mich zu beruhigen, aber es wollt ihm schlecht gelingen, der fatale Wetterglashändler Giuseppe Coppola verfolgte mich auf Schritt und tritt, und beinahe schäme ich mich es zu gestehen daß er selbst meinen sonst so gesunden ruhigen Schlaf in allerley wunderlichen Traumgebilden verstören konte. – Doch bald, schon den andern Tag hatte sich alles anders in mir gestaltet, und sey mir nicht böse, mein Inniggeliebter, wenn Lothar dir sagen möchte, daß ich, trotz deiner wunderlichen

          Angst und Furcht, daß Coppelius dir was böses anthun werde, ganz heitern unbefangenen Sinns binn wie immer. – Gerade heraus will ich es dir nur sagen, daß Alles Schreckliche und Entsetzliche wovon du sprichst nur in deinem Innern vorging, die Außenwelt aber daran wohl wenig Theil hatte. – Widerwärtig genug mag der alte Coppelius gewesen seyn, aber daß er Kinder haßte, das machte ihn Euch Kindern unerträglich. Natürlicher verknüpfte sich nun in deinem kindischen Gemüth der schreckliche Sandmann aus dem Ammenmährchen mit dem Coppelius, der dir, glaubtest du auch nicht mehr an den Sandmann, ein gespenstischer, vorzüglich Kindern gefährlicher Unhold blieb. Das unheimliche Treiben mit deinem Vater zur Nachtzeit war wohl nichts anders, als daß beide insgeheim s[...] Alchymistische Versuche machten. womit deine Mutter nicht zufrieden seyn konnte, da gewiß viel Geld unnützer Weise verschleudert und obendrein wie es immer mit alchymistischen Laboranten der Fall seyn soll, des Vater Gemüth ganz von dem trügerischen Drange nach hoher Weisheit erfüllt, der Familie abwendig gemacht wurde. der Vater hat wohl gewiß [...] eigene Unvorsichtigkeit seinen Tod herbeygeführt. und Coppelius ist nicht – Glaubst du , daß ich den erfahrnen Nachbar Apotheker frug, ob wohl bey Chemischen Versuchen eine solche augenblicklich tödtende Explosion statt finden könne? Der sagte, Ey allerdings, und beschrieb mir nach seiner Art gar weitläuftig und umständlich, wie das zugehen konne und nannte dabey so viel sonderbar klingende Nahmen, die ich gar nicht zu behalten vermochte. – Nun wirst Du wohl unwillig werden über deine Clara, du wirst sagen: in dies kalte Gemüth dringt kein Strahl des Geheimnißvollen hinein, das den Menschen oft mit unsichtbaren Armen umfaßt, sie erschaut nur die bunte Oberfläche der Welt, und freut sich wie das harmlose Kind über die glänzend gleißende Frucht in deren Innern tödtliches Gift verborgen! – Ach mein herzlieber Nathanael! glaubst du denn nicht, daß auch in heitern unbefangenen – sorglosen Gemüthern die Ahnung wohnen könne von einer dunklen Macht, die feindlich uns in unserm eignen Seyn zu verderben strebt. – Aber, verzeih' es mir, wenn ich einfältig Mädchen es versuche auf irgend eine Weise anzudeuten, was ich eigentlich von solchem Kampfe im Inern glaube. – Ich finde wohl gar am Ende nicht die rechten Worte, und du

          lachst mich aus, nicht weil ich was dummes meine, sondern weil ich mich so ungeschickt anstelle. es zu sagen.Giebt es eine Dunkle Macht , die so recht feindlich und verrätherisch einen Faden in unseres legt, worann sie dann uns festpackt und fortzieht auf einem gefahrvollen verderblichen Wege, den wir sonst nicht betreten haben würden. giebt es eine solche Macht, so muß sie in Uns sich wie wir selbst gestalten, ja unser Selbst seyn, denn nur so glauben wir an sie und raümen ihr den Platz ein deßen sie bedarf um jenes geheime Werk zu vollbringen. Haben wir festen durch das heitre Leben gestärkten Sinn genug um feindliches fremdes Einwirken als solches stets zu erkennen und den Weg in den uns Neigung und Beruf geschoben, ruhigen Schrittes zu verfolgen, so geht wohl jene unheimliche Macht unter in dem vergeblichen Ringen nach der Gestaltung, die unser eignes Spiegelbild seyn sollte. – Es ist auch gewiß, fügt Lothar hinzu, daß die unheimliche psychische Gewalt, haben wir uns durch uns Selbst ihr hingegeben, oft fremde Gestalten, die die Außenwelt uns in den Weg wirft, in unser Inneres hineinzieht, so daß wir selbst den Geist entzünden der, wie wir in wunderlicher Taüschung glauben, aus jener Gestalt spricht; es ist das Fantom unser eignen Ichs, deßen innige Verwandschafft und deßen tiefe Einwirkung auf uns wir bewundern. – Du merkst, mein herzlieber Nathanael, daß wir, ich und Bruder Lothar uns recht über die Materie ausgesprochen haben, die mir nun, nachdem ich nicht ohne Mühe das hauptsächlichste aufgeschrieben ordentlich tiefsinnig vorkomt. Lothars lezte Worte verstehe ich nicht ganz, ich ahne nur was er meint, und doch ist es mir, als sey das sehr wahr! – Ich bitte dich, schlage dir den häßlichen Coppelius und den Wetterglasmacher Coppola ganz aus dem Sinn. Sey überzeugt, daß diese fremde Gestalten nichts über dich vermögen, nur der Glaube an ihre feindliche Gewalt kan sie dir in der That feindlich machen. – Spräche nicht aus jeder Zeile deines Briefes die tiefste Aufregung deines Gemüths, schmerzte mich nicht dein Zustand recht in innerster Seele, wahrheftiger ich könte über den Advokaten-Sandmann und den Wetterglashändler Coppelius scherzen. — Sey heiter – heiter – Ich habe es mir vorgenommen bey dir wie dein Schutzgeist

          zu erscheinen, und dem häßlichen Wetterglashändler, sollte er es sich beykommen laßen dir etwa im Traume beschwerlich zu fallen, mit lautem Lachen wegzuscheuchen, denn ganz und gar nicht fürchte ich mich vor ihm und vor seinen knotigen haarigen Faüsten, Er soll mir weder als Advokat eine Näscherey noch als Sandmann die Augen verderben. Ewig mein Herzinnig geliebter Nathanael pp

          Nathanael an Lothar. Sehr unlieb ist es mir, daß Clara neulich den Brief an dich aus Irrthum erbrach und las. Sie hat mir einen sehr tiefsinnigen philosophischen Brief geschrieben, worinn sie ausführlich beweiset, daß Coppelius und Coppola nur in meinem Innern existiren und Fantome meines Ichs sind, die augenblicklich zerstaüben wenn ich sie als solche erkenne. – In der That sollte man gar nicht glauben, daß der Geist, der aus so hellen hold lächelnden KindesAugen, oft wie ein liebliche süßer Traum herausleuchtet so gar verständig, so magistermäßig distinguiren könne. – Sie beruft sich auf dich; Ihr habt über mich gesprochen. Du giebst ihr wohl [...] logischen Unterricht damit sie alles fein sachhaft sondern lerne?? – Laß das bleiben. – Uebrigens ist es wohl gewiß daß der Wetterglashändler Giuseppe Coppola keinesweges der alte Advokat Coppelius ist. Ich höre bey dem neukommenen überaus geschickten Profeßor der Naturkunde, der wie jener berühmte Naturforscher Spalanzani heißtund italiänischer Abkunft ist, Collegia. Der kennt den Coppola schon seit vielen Jahren, und überdem hört man es auch an dem Jargon den er gewöhnlich spricht, daß er wirklich Piemonteser ist; Coppelius war ein Deutscher aber wie mich dünckt kein ehrlicher. Ganz beruhigt bin ich nicht. Haltet Ihr, du und Clara, mich immerhin für einen düsteren Traümer, aber nicht los kan ich den Eindruck werden, den Coppola's verfluchtes Gesicht auf mich machte. Ich bin froh, daß er fort ist aus der Stadt wie mir Spalanzani sagt. – dieser Profeßor ist ein wunderlicher Kauz. Ein kleiner rundlicher Mann das Gesicht mit starken Bakenknochen, feiner Nasens aufgeworfenen Lippen, kleinen stechenden Augen, doch beßer als in jeder beschreibung siehst du ihn, wenn du den Cagliostro wie er von Chodowiecki in irgend einem in berlinischen Taschenkalender steht anschaust. – So sieht Spalanzani aus. – Neulich steige ich die Treppe herauf zum Flur, und erblicke, daß die sonst eine Glasthüre dicht vorgezogene Gardine zur Seite ein kleinen Spalt läßt. Selbst weiß ich nicht, wie

          dazu kam neugierig durchzublicken. Ein hohes sehr schlank im reinsten Ebenmaß gewachsenes herrlich gekleidetes Frauenzimmer saß im Zimmer vor einem kleinen Tisch, auf dem sie beide Aerme, die Hände zusammengefaltet gelegt hatte. Sie saß der Thür gegenüber, so daß ich ihr volles engelschönes Gesicht erblickte. Sie schien mich nicht zu bemerken, und überhaupt hatten ihre Augen etwas starres – beinahe möcht ich sagen – keine Sehkraft; es war mir so, als schliefe sie mit offnen Augen. – Mir wurde ganz unheimlich und deshalb schlich ich leise fort ins Auditorium das danebengelegen. – Nachher erfuhr ich, daß die Gestalt, die ich gesehen, Spalanzanis Tochter Olimpia war, die er sonderbarer nd schlechter Weise einsperrt, so daß durchaus kein Mensch in ihre Nähe kommen darf . – Am Ende hat es eine Bewandtniß mit ihr, sie ist vielleicht blödsinnig oder sonst – Weshalb schreibe ich dir aber das alles? – beßer und ausführlicher hätte ich dir das mündlich erzählen können. Wiße nehmlich, daß ich über vierzehn Tage bey Euch bin. Ich muß mein sußes liebes Engelsbild, meine Clara, wiedersehem, weggehaucht wird dann die Verstimmung wieder die holde Geliebte seyn, die sich, wie ich gestehen muß, nach dem fatalen verständgen Briefe mein bemeistern wollte. Deshalb schreibe ich auch heute nicht an Sie. Tausend Grüße pp

           

          Seltsamer und wunderlicher kan nichts erfunden werden, als dasjenige ist was sich mit meinem armen Freunde dem jungen Studenten Nathanael zugetragen und was ich dir, günstiger Leser! zu erzählen, unternommen. Hast du, G[...]! wohl jemahls etwas erlebt, das deine Brust, , Sinn und Gedanken ganz und gar erfüllte alles andere daraus verdrängend? es gährte und kochte in dir, zu siedenden Gluth entzündet sprang das Blut durch die Ader und färbte höher deine Wangen, dein Blick war so seltsam als wolle er Gestalten keinem andern Auge sichtbar im leeren Raum, erfaßen, und die Rede zerfloß in und in die Sprache der Wehmuth – in dunkle Seüfzern – Da frugen dich die Freunde: Wie ist Ihnen, Verehrter? – Was haben Sie Theurer? Und nun wolltest du das innere Gebilde mit allen glühenden Farben und Schatten und Lichtern aussprechen und mühtest dich ab Worte zu finden, um nur anzufangen; aber es war dir als müßest du nun gleich im ersten Wort, alles Wunderbare, Herrliche, Entsetzliche, Lustige, grauenhafte, das sich zugetragen, recht zusammengreifen, so daß es daß wie im elektrischen Schlage alle ergreife

          , aber jedes Wort, alles was Rede vermag, schien dir farblos und frostig und todt – Du suchst und suchst – und stotterst und stammelst und die nüchternen B Fragen der Freunde schlagen wie eisige Windeshauche hinein in deine innere Gluth – bis sie verlöschen will! – Hattest du aber wie ein kecker Mahler erst leicht verwegen den Umriß deines inern, Bildes hingeworfen, so trugst die mit leicht Mühe imer glühender und gluhender die Farben auf, und das lebendiges Gewühl mannigfacher Gestalten riß die Freunde fort und sie sahen wie du, sich selbst mitten im Bilde das aus deinem Gemüth hervorgegangen! – Mich hat eigentlich, wie ich es dir geneigter Leser! gestehen muß, eigentlich niemandniemand nach der Geschichte des jungen Nathanael gefragt, du weißt es wohl aber, daß ich zu dem wunderlichen Geschlecht der Autoren gehöre, denn , tragen sie etwas in sich, wie ich es vorhin beschrieben , so zu Muthe wird, als frage jeder, der nur in ihre Nähe komt, ja wohl auch sonst die ganze Welt: Was ist es denn? – Erzählen Sie Liebster! – So trieb es mich dann gar gewaltig, von Nathanaels verhängnißvollem Leben zu dir zu sprechen, ich das mich ganz erfüllt , so daß keines der auf die seltsamste Weise zusammengefügten Bilder weichen wollte aus meiner Seele. Eben deshalb, (wegen der seltsamen Zusammenfügung der Bilder mein ich) und weil ich dich o mein Leser! gleich geneigt machen mußte wunderliches zu ertragen, welches wie ich wohl weiß nichts geringes ist, mühte und quälte ich mich ab Nathanaels Geschichte – bedeutend – originell – ergreifend, anzufangen; ich wollte dich, wirklich, wie a gleich mit einem elektrischen Schlage treffen. "Es war einmahl – der schönste Anfang jeder Erzählung, zu nüchter! "In der kleinen ProvinzialStadt S. lebte – etwas beßer – wenigstens ausholend zum Climax – oder gleich medias in res "Scheer er sich zum Teufel, rief Wuth und Entsetzen im wilden Blick der Student Nathanael als der Wetterglashändler Giuseppe Coppola – das hatte ich in der That schon aufgeschrieben, als ich bin dem wilden Blick des Studenten Nathanael etwas poßierliches zu verspüren c glaubte. Mir kam keine Rede in den Sinn die ich auch nur im mindesten etwas von dem FarbenGlanz des inern Bildes tte tragen sollen. Ich beschloß gar nicht anzufangen. Nim, günstiger Leser! die drey Briefe die ich mir von meinem Freunde Lothar mitgetheilt, für den gewagten Umriß des Gebildes, in den ich nun erzählend immer mehr und mehr Farbe hineinzutragen mich bemühen werde Vielleicht gelingt es mir, daß ich wie ein guter Portätmahler manches Gestahe so auffaße, daß du , die Aehnlichkeit findest, ohne das Original zu kennen, ja daß es dir ist, als müßtest hier oder

          a packend sagen Schauspielhaftes Im Wegn[...]ste es ganz oft

          b das den Ernst der Geschicht Schaden thun muß [...]

          c die Geschichte ist aber ganz ernst, oder mehr als das

          dort die Person mit leibhaftigen Augen gesehen haben. Vielleicht wirst du o mein leser dann glauben, daß nichts wunderlicher und toller sey, als das wirkliche leben, und daß der Dichter es doch nur wie in eines matt geschliffnen Spiegels m Reflex auffaßen könne.

          a Damit klarer alles werde, was gleich Anfangs zu wißen nöthig w, , darf ich dem, was du geneigter leser! durch jene drey Briefe erfahren, nur noch hinzufügen daß bald darauf, als Nathanaels Vater gestorben, Clara und Lothar, Kinder eines weitläuftigen Verwandten der ebenfalls gestorben und sie verwaist nachgelaßen, von Nathanaels Mutter im Haus genommen wurden. Clara und Nathanael faßten e ine heftige Zuneigung zu einander wogegen kein Mensch auf Erden etwas hatte, sie waren daher Verlobte als Nathanael den Ort verließ um seine Studien in G— fortzusetzen. Da ist er nun in seinem lezten Briefe und hört Collegia bey dem berühmten Professor physicis Spelanzani. Nun könte ich getrost in der Erzehlung fortfehren, aber in dem Augenblick steht b Clara's Bild so lebendig mir vor Augen, daß ich nicht wegschauen kan, so wie es immer geschah, wenn sie mich holdlächelnd anblickte. – Für schön konte Clara keinesweges c gelten; das meinten alle, die sich von Amtswegen auf Schönheit verstehen. Doch lobten die Architekten die reinen Verhältniße ihres Wuchses, die Mahlher fanden Nacken Schultern und Brust beinahe zu keusch geformt, verliebten sich dagegen sämtlich in das wunderschöne MagdalenenHaar und faselten überhaupt viel von Battonischem Colorit. Einer von ihnen, ein wirklicher Fantast, verglich aber höchst seltsamer Weise Clara's Augen mit einem See von Ruisdael in dem sich des wolkenlosen Himmels reines Azur – Wald und Blumenflor – das ganze heitre bunte Leben der reichen Landschaft spiegelt. Dichter und Musiker gingen weiter und sprachen: könen wir denn nur überhaupt das Mädchen anschauen, ohne daß uns aus ihrem Blick wunderbare heili Gesänge und Klänge entgegen strahlen, die in unser Inerstes dringen, daß da alles wach und rege wird ? Singen wir selbst denn nichts wahrhaft gescheutes, so ist überhaupt nicht viel an uns, und das sagt uns auch das um Claras Lippen schwebende feine Lächeln, wenn wir uns unterfangen, ihr etwas vorzuquinkeliren, das so thun will als sey es wahrhafter Gesang unerachtet nur einzelne Töne verworren durcheinander springen. , Es war dem so. Clara hatte die lebenskräftige gesunde Fantasie des heitern unbefangnen kindischen Kindes; aber ein tiefes weiblich zartes Gemüth aber dabey einen gar hellen scharf sichtenden Verstand; die

          a Nebler u

          b Clara

          c und Clara

          die Nebler und Schwebler hatten bey ihr böses Spiel, denn ohne viel zu reden was überhaupt in Clara's schweigsamer Natur nicht lag, sagte ihnen der helle Blick und jenes feine ironische Lächeln: Lieber Freunde! wie möget ihr mir denn zumuthen, daß mir Eure verfließenden Schattengebilde wie wahre Gestalten erschein solten mit Regung und Leben? – Clara wurde deshalb von vielen, kalt, gefühllos, prosaisch gescholten, aber, andere, die das Leben in klarer Tiefe aufgefaßt, liebten ungemein, das gemüthvolle verständige kindliche Mädchen, doch keiner als Nathanael, da er sich in Wißenschaft und Kunst kräftig und heiter bewegte. Clara hing an dem Geliebten mit ganzer Seele, und die ersten Wolkenschatten zogen durch ihr Leben, als er sich von ihr trente Mit welchem Entzücken flog sie in seine Arme, als er nun, wie er es im lezten Briefe an Lothar versprochen, wirklich in seiner Vaterstadt angekommen in das Zimmer der Mutter eintrat. Es geschah so wie es Nathanael geglaubt, denn in dem Augenblick, als er Clara wiedersah, dachte er weder an den Advokaten Coppelius noch an Clara's verständigen Brief, jede Verstimmung war verschwunden. Recht hatte aber Nathanael doch, als er seinem Freunde Lothar schrieb, daß des widerwärtigen Wetterglashändlers Coppola recht feindlich in sein Leben getreten sey; Alle fühlten das bald, da Nathanael gleich in den ersten Tagen Er versank nicht nur in düstre Traümereien , sondern trieb es bald darauf so seltsam , wie man es nie an ihm gewohnt gewesen. Alles, das ganze Leben schien ihm Traum und Ahnung geworden immer sprach er davon, wie jeder Mensch sich frey wähnend nur dunklen Mächten zum grausamen Spiel diene, vergeblich lehne man sich dagegen auf man müße doch as, was verhängt demüthig . ertragen Er ging so weit zu behaupten, daß es thörigt sey wenn man glaube in Kunst und Wißenschafft nach selbstthätiger Willkühr zu schaffen denn die Begeisterung, in der man nur schaffe, komme nicht aus dem eignen Innern sondern sey das Einwirken irgend eines außer uns selbst liegenden höheren Prinzips. Der verständigen Clara war diese mystische Schwärmerey im höchsten Grade zuwider, doch schien es vergebens sich auf Widerlegung einzulaßen . Nur dann, wenn Nathanael bewies, daß Coppelius das böse Prinzip sey, was ihn in dem Augenblick erfaßt habe als er hinter dem Vorhange lauschte, und daß dieser widerwärtige Dämon ihr Liebesglück auf entsetzliche Weise stören werde, wurde Clara sehr ernst und sprach: Ja! – Nathanael du hast Recht, Coppelius ist ein böses

          feindliches Prinzip, er kan entsetzliches wirken, wie eine teuflische Macht die sichtbarlich in das Leben trat, aber nur dann, wenn du ihn nicht aus Sinn und Gedanken verbannst. Solange du an ihn glaubst, ist er auch und wirkt, nur dein Glaube ist seine Macht. Nathanael Ganz erzürnt daß Clara die Existenz des Dämons nur in seinem eignen Inern suche, wollte dann hervorrücken mit der ganzen Geisterlehre, Clara brach aber gewöhnliche verdrüßlich ab, indem sie irgend etwas gleichgültiges dazwischen schob, zu Nathanaels nicht geringem Verdruße . Der dachte, kalten unempfänglichen Gemütern erschließen sich nicht die tiefen Geheimniße der Natur, ohne sich deutlich bewußt zu seyn, daß er Clara , eben zu jenen untergeordneten Wesen zähle, weshalb er nicht abließ mit Versuchen sie in jene Geheimniße einzuweihen. Am frühen Morgen, wenn Clara das Frühstück bereiten half, stand er bey ihr und las ihr aus allerley mystischen Büchern vor, daß Clara bat: Aber lieber Nathanael, wenn ich dich nun das böse Prinzip , halten wollte, der feindlich auf meinen Kaffee wirkt? Denn wenn ich, wie du es willst, alles stehen und liegen laßen und dir in die Augen schauen soll, wenn du liesest, so lauft mir der Kaffee ins Feuer und ihr bekommt alle kein Frühstück – Nathanael klappte denn heftig das Buch zu und lief voll Unmuth in sein Zimmer. – Sonst hatte er eine besondere Stärke in anmuthigen, lebendigen Erzählungen, die er aufschrieb und die Clara mit dem innigsten Vergnügen anhörte; jezt waren seinen Dichtungen düster, unverständlich, gestaltlos, so daß, wenn Clara schonend es auch nicht sagte, er doch wohl fühlte, wie wenig sie davon angesprochen wurde: – Nichts war für Clara tödtender, als das Langweilige, In Blick und Rede sprach sich dann die nicht zu besiegende geistige Schläfrigkeit aus. Nathanaels Dichtungen waren in der That sehr langweilig. Sein Verdruß über Claras kaltes prosaisches Gemüth stieg höher, Clara konte ihren Unmuth über Nathanaels dunkle, düstre langweiliche Mystick nicht überwinden, und so entfernten beide im Innern sich immer mehr von einander ohne es selbst zu bemerken. Die Gestalt des häßlichen Coppelius war, wie er selbst es sich zugestehen mußte, in Nathanaels Fantasie [...] erbleicht – und es kostete ihm in der That Mühe ihn in seinen

          Dichtungen wo er als Schicksalspopanz auftrat, grausig, entsetzlich, zu coloriren. – Es kam ihm ein, jene düstre Ahnung, daß Coppelus sein Liebesglück stören werde, als Dichtung zu behandeln. Er stellte sich und Clara dar in treuer Liebe verbunden, aber dann und wann war es als griffe eine schwarze Faust in ihr Leben und riße irgend eine Freude heraus die ihnen aufgegangen – Endlich als sie schon am TrauAltar standen, erschien der entsetzliche Coppelius und berührte Clara's holde Augen, die sprangen in Nathanaels Brust wie blutige Funken sengend und brennend und Coppelius faßte ihn und warf ihn in einen glühenden Feuerkreis, der sich drehte mit der Schnelligkeit des Sturmes und ihn b sausend und brausend fortriß. Es war ein Tosen, als wenn der Orkan grimmig hineinschlägt in das Meer, deßen schaumende Wellen wie schwarze weißhauptige Riesen aich emporbaümen in wüthendem Kampf, aber durch dies wilde Tosen hörte er Claras Stimme: Kannst du mich denn nicht erschauen – Coppelius hat dich getaüscht – das waren ja nicht meine Augen die dir so in der Brust brannten, das waren ja gluhende Tropfen deines eignen Herzbluts – ich habe ja meine Augen, sieh mich doch nur an! – Nathanael dachte: das ist Clara – und ich bin ihr eigen ewiglich! – Da war es, als faße der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis hinein, daß er stehen blieb und das Getöse dumpf verrauschte im schwarzen Abgrund – Nathanael blickt in Clara's Augen – aber es war der Tod, der ihn mit Clara's Augen freundlich anschaute. —

          Während Nathanael dies dichtete, war er sehr ruhig und besonnen, er feilte und beßerte an jeder Zeile, und da er sich dem metrischen Zwange unterworfen, ruhte er nicht, bis alles sich rein und wohlklingend fügte. Als er jedoch nun endlich fertig worden und es für sich las, da faßte ihn Grausen und wildes Entsetzen und er schrie auf: Wer hat das geschrieben? – ! – Bald schien ihm das Ganze doch wieder nichts als eine sehr gelungene Dichtung, und es war ihm, als müße das Clara's kaltes Gemüth entzünden, wiewohl er sich nicht deutlich Bewußt war, wozu denn Clara's Gemüth entzündet werden und wozu es denn nun eigentlich führen solle sie mit den grauenvollen Bildern zu ängstigen die ein entsetzliches, ihre Liebe zerstörendes Geschick weissagten.

          Sie, Nathanael und Clara, saßen in der Mutter kleinem Garten, Clara war

          heiter, weil Nathanael sie seit drey Tagen, in denen er an jener Dichtung schrieb, nicht mit seinen Ahnungen und Traümen geplagt hatte. Auch Nathanael sprach lebhaft und froh von lustigen Dingen wie sonst, so daß Clara sagte: Nun erst habe ich dich ganz wieder; siehst du es wohl wie wir den häßlichen Coppelius vertrieben haben. Da fiel dem Nathanael es ein, daß er ja die Dichtung in der Tasche trage und sie habe vorlesen wollen. Er zog auch sogleich die Blätter hervor und fing an zu lesen. – Clara etwas langweiliges wie gewöhnlich vermuthend und sich darein ergebend fing an ruhig zu stricken – aber so wie immer schwärzer und schwärzer das düstre Gewölk aufstieg – ließ sie den Strickstrumpf sinken – – und blickte starr dem Nathanael ins Auge. Den riß seine Dichtung unaufhaltsam fort, hochroth farbten sich seine Wangen vor innrer Gluth – Thränen quollen ihm aus den Augen – endlich hatte er geschloßen, er stöhnte wie in tiefer Ermattung – er faßte Clara's Hand und seufzte wie aufgelö[...] in trostlosem Jammer: Ach Clara! – Clara! – Clara drückte ih sanft an ihren Busen und sagte leise aber sehr langsam und ernst: Nathanael – mein Herzlieber Nathanael – wirf as tolle unsinnige wahnsinnige Mährchen ins Feuer – Da sprang Nathanael entrüstet auf und rief Clara von sich stoßend: Du lebloses hölzernes verdammtes Automat. Er rannte fort, bittre Thränen stürzten der tief verlezten Clara aus den Augen: "Ach er hat mich niemahls geliebt, denn er versteht mich nicht, schluchzte sie laut! – Lothar trat in die Laube, Clara mußte ihm erzählen was vorgefallen, er liebte seine Schwester mit ganzer Seele, jedes ihrer Worte, ihrer Klagen fiel wie ein Funke in sein Innres, so daß der Unmuth, den er wider den fantastischen traümerischen Nathanael im Herzen ge tragen sich entzündete zum heftigen wilden Zorn. Er lief zu Nathanael er warf ihm das unsinnige Betragen gegen die holde zarte Schwester in harten Worten vor, die der aufbrausende Nathanael eben so erwiederte. Ein "fantastischer wahnsinniger Geck, wurde durch einen "miserablen gemeinen

          Altagsmenschen erwiedert. Beide waren Studenten und so wurde er Zweikampf unvermeidlich. Sie beschloßen sich am folgenden Morgen hinter dem Garten der Mutter nach dortiger Sitte mit spitz geschliffnen Rappieren auf den Stoß zu schlagen. Stumm und finster schlichen sie Tag über umher, Clara hatte den heftigen Streit gehört und gesehen daß der Fechtmeister in der Dämmerung die Rappiere brachte, sie ahnte was geschehen sollte. – Eben hatten Lothar und Nathanael schweigend die Röck abgewo[r]rfen , und standen Blutdürstige Kampflust im brennenden Auge gegen über im Begriff mit den blinkenden Rappieren wider einander auszufallen, als Clara durch die Gartenthür herbeystürzte. Schluchzend rief sie laut: Ihr wilden entsetzlichen Menschen! – stoßt mich nur gleich nieder, ehe ihr Euch anfallt – denn wie soll ich denn leben länger auf der Welt – wenn der Geliebte den Bruder, oder wenn der Bruder den Geliebten mordet – Lothar ließ die Waffe sinken und sah schweigend zur Erde nieder, aber in Nathanaels Innern ging in herzzerreißender Wehmuth alle Liebe auf wie er sie jemahls in den schönsten Tagen der herrlichen Jugendzeit für die holde Clara empfunden. Das Mordgewehr entfiel seiner Hand – er stürzte zu Claras Füßen, er drückte ihre Hände an seine Brust: Kanst du mir denn jemahls verzeihen, du meine Einzige – meine herzgeliebte Clara! – Kanst du mir verzeihn – mein herzlieber Bruder! – Lothar war tiefgerührt, unter tausend Thränen umarmten sich die drey versöhnten Menschen und schwuren nicht von einander zu laßen in steter Liebe und Treue. Dem Nathanael war es zu Muthe als sey eine schwere Last, die ihn zu Boden gedrückt von ihm abgewälzt, ja als habe er Widerstand leistend der finstren Macht, die ihn befangen sein ganzes Seyn, dem Vernichtung drohte, gerettet. Noch drey heitre seelige Tage verlebte er bey den Lieben, dann kehrte er zurück nach G– wo er noch ein Jahr zu bleiben dann aber auf immer nach seiner Vaterstadt zurückzukehren gedachte. Der Mutter war alles was sich auf Coppelius bezog verschwiegen worden, denn man wußte, daß sie ihm, wie Nathanael, den Tod ihres Mannes Schuld gab, und daß sie nicht ohne Entsetzen an ihn denken konte .  

          Wie erstaunte Nathanael als er in seine Wohnung wollte und sah, daß das ganze Haus niedergebrannt war, so daß aus dem Schutthaufen nur die nackten FeuerMauern hervorragten. Unerachtet das Feuer in dem Laboratorium des Apothekers, der im untern Stocke wohnte ausgebrochen war, das Haus daher von unten herauf gebrannt hatte, so war es doch den kühnen rüstigen Freunden gelungen, noch zu rechter Zeit in Nathanaels im obern Stock gelegenes Zimmer zu dringen und Bücher Manuskripte und Instrumente zu retten. Alles hatten sie in ein andres Haus getragen und dort ein Zimmer für Nathanael in Beschlag genommen das er nun sogleich bezog. Nicht sonderlich achtete er darauf daß er dem Profeßor Spalanzani gegen über wohne, und eben so wenig schien es ihm was besonderes, als er bemerkte, daß er aus seinem Fenster gerade hinein in das Zimmer blickte, wo oft Olimpia einsam saß, so daß er ihre ganze Figur deutlich erkennen konte, wie wohl die Züge des Gesichts undeutlich und verworren blieben. Wohl fiel es ihm endlich auf, daß Olimpia oft Stunden lang in derselben Stellung wie er sie einst durch die Glasthüre entdekt, ohne irgend eine Beschäftigung an einem kleinen Tische saß, und daß sie offenbar nach ihm unverwandt herüberschaute, er mußte sich auch selbst geschehen, daß er nie einen schöneren Wuchs gesehen, indeßen Clara im Herzen, blieb ihm die steife und starre Olimpia höchst gleichgültig, und nur zuweilen sah flüchtig über sein Compendium herüber nach der schönen Bildsäul[e], das war alles. – Eben schrieb er an Clara, als es leise an die Thüre klopfte, sie öffnete sich auf seinem Zuruf und Coppola's widerwärtiges Gesicht sah hinein. Nathanael fühlte sich im Innersten erbeben, eingedenk dem, was ihm Spalanzani über den Landsmann Coppola gesagt, und was er auch Rücksichts des Sandmanns Coppelius Claren so heilig versprochen, schämte er sich aber selbst seiner kindischen Gespensterfurcht, nahm sich mit aller Gewalt zusammen und sprach so sanft und gelaßen als möglich: Ich kaufe kein Wetterglas mein lieber Freund, gehen Sie nur! – Da trat aber Coppola vollends hinein, und sprach mit heiserem Ton indem sich das weite Maul zum widerwärtigen Lächeln verzog, und die kleinen Augen unter den grauen langen Wimpern stechend hervorfunkelten: Ey – nix Wetterglas – nix Wetterglas! – hab auch sköne Oke – sköne Oke – da rief Nathanael entsezt: Toller Mensch – wie kanst du Augen haben? – Augen – Augen? Aber in dem Augenblick hatte Coppola seine Wettergläser bey Seite gesezt und griff in die weite Rocktaschen und holte Lorgnetten und Brillen heraus die er auf den Tisch legte: "Nu nu –

          Brill – Brill – Brill auf die Nas' zu setz – das seyn mein Oke – sköne Oke . Und damit holte er immer mehr – immer mehr Brillen heraus, so daß es auf dem ganzen Tisch seltsam zu flimmern und zu funkeln began – Tausend Augen blickten und zuckten krampfhaft, und starrten auf zum Nathanael , aber er konte nicht wegschauen von dem Tisch, und imer mehr Brillen legte Coppola hin, und imer wilder und wilder sprangen flammende Blicke durchein[a]nder – und schoßen ihre blutrothe Strahlen in Nathanaels Brust, Uebermannt von tollem Entsetzen schrie er auf: Halt ein – halt ein fürchterlicher Mensch – Er hatte Coppola, der eben in die Tasche faßte, um noch mehr Brillen herauszubringen, unerachtet schon hunderte da lagen beym Arm festgepakt. Coppola machte sich mit heiserem widrigen Lachen sanft los, und mit den Worten: Ah! – nix für Sie – nix für sie – aber hier – hier sköne Glas! – sköne Glas, hatte er alle Brillen zusammengerafft, weggepakt und aus der Seitentasche des Rocks eine Menge Opernkucker – große und kleine Perspektive – Hand Tubusse hervorgeholt. So wie die Brillen nur fort waren, wurde Nathanael ganz ruhig, und an Clara denkend sah er wohl ein, daß der entsetzliche Spuck nur aus seinem Innern hervorgegangen, so wie daß Coppola ein höchst ehrlicher Mechanicus und Opticus, keineswegs aber Coppelii verfluchter Doppeltgänger und a Revenant seyn könne. Zudem hatten alle Gläser, die Coppola nun auf den Tisch gelegt , gar nichts besonderes, am wenigsten so was gespenstisches wie die Brillen, und alles wieder gut zu machen beschloß Nathanael dem Coppola jezt wirklich etwas abzukaufen. Er ergriff ein kleines sehr saubres TaschenPerspektiv und sah, um es zu prüfen, durch das Fenster. Noch im Leben war ihm kein Glas vorgekommen, das die Gegenstande so rein, scharf und deutlich dicht vor die Augen rückte. Unwillkührlich sah er hinein in Spalanzanis Zimmer; Olimpia saß wie gewöhnlich vor dem kleinen Tisch, die Aerme darauf gelegt, die Hände gefaltet – daß sie herrlich im reinsten Ebenmaaß gewachsen sey, hatte Nathanael schon früher beobachtet, aber nie so wie jezt ihr ganz vollkommen schön geformtes Gesicht geschaut. Nur die Augen schienen ihm gar seltsam starr und todt. Doch so wie er immer schärfer und schärfer hin schaute war es als gingen feuchte Mondesstrahlen in Olimpias Blicken auf – Es schien als wenn nun erst die Sehkraft entzündet würde, immer lebendiger und lebendiger flamten die Augen – Nathanael lag wie festgezaubert im Fenster immer fort und fort nach der himmlisch schöne Olimpia schauend. Ein Raüspern und Scharren hinter ihm weckte ihn wie aus tiefem Traum.

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          Coppola stand hinter ihm: Due ZechiniSwey Dukat! – Nathanael hatte , den Optikus rein vergeßen, rasch zahlte er das Verlangte.

          Nik wahr? – sköne Glas sköne Glas? frug Coppola mit seinerr widerwärtigen heisern Stimme und dem hämischen Lächeln. "Ja – ja – ja! erwiederte Nathanael verdrießlich, Adieu – lieb Freund! – Coppola verließ nicht ohne viele seltsame Seitenblicke auf Nathanael zu werfen das Zimmer, er hörte ihn auf der Treppe laut lachen. "Nun ja, meinte Nathanael, er lacht mich aus, weil ich ihm das kleine Perspecktiv gewiß viel zu theuer bezahlt – zu theuer bezahlt – indem er diese Worte leise sprach, war es als halle ein tiefer Todesseufzer grauenvoll durch das Zimmer Nathanaels Athem stockte vor inner Angst – Er hatte ja aber selbst so aufgeseufzt – das merkte er wohl. Clara sprach er zu sich selber, hat wohl Recht, daß sie mich für einen abgeschmakten Geisterseher hält, aber närrisch – ist es doch – ach wohl mehr als närrisch, daß mich der dumme Gedanke: ich hatte das Glas dem Coppolo zu theuer bezahlt, noch jezt so sonderbar ängstigt, den Grund davon sehe ich gar nicht ein  

          Jetzt sezte er sich hin um den Brief an Clara zu enden, aber ein Blick durchs Fenster überzeugte ihn, daß Olimpia noch da säße, und im Augenblik, wie von unwiderstehlicher Gewalt getrieben, sprang er auf, ergriff Coppola's Perspektiv, und konte nicht los von Olimpia's verführerischem Anblick, bis ihn Freund und Bruder Siegfried abrief ins Collegium zum Profeßor Spalanzani. Die verhängißvolle Glasthüre war dicht verhängt, er konte Olimpia eben so wenig hier als die beiden folgenden Tage hindurch in ihrem Zimmer entdeken, unerachtet er kaum das Fenster verließ und fortwährend durch Coppola's Perspecktiv herüberschaute. Am dritten Tage wurden sogar Spalanzani's Fenster verhängt und er lief ganz verzweifelt und getrieben von Sehnsucht und innerm glühenden Verlangen hinaus vor's Thor, Olimpias Gestalt schwebte vor ihm her in den Lüften und trat heraus aus dem Gebüsch, und kuckte ihn an mit großen strahlenden See aus dem hellen Bach. Clara's Bild war in seinem Innern verwischt, er dachte nichts als Olimpia und klagte laut und weinerlich: Ach du mein hoher herrlicher Liebesstern, bist du mir denn nur aufgegangen um gleich wieder zu verschwinden, und mich zu laßen in finstrer hoffnungsloser Nacht[?]

          Als er einmahl hineingehen wollte in seine Wohnung, wurde er in Spalanzanis Hause ein geraüschvolles Treiben gewahr. Die Thüren standen offen, man trug allerley Geräthe hinein, die Fenster des ersten Stocks waren ausgehoben, geschäfftige Mägde kehrten und staübten mit großen Haarbeesen und sezten kühn sich über heraushangend, die frisch gewaschen Fenster ein; inwendig klopften und hämmerten die Tischler und Tapezierer. Nathanael, der das alles nicht zu deuten wußte, blieb in vollem Erstaunen auf der Straße stehen, da trat Siegfried lachend zu ihm hin; sprechend: Nun! – was sagst du zu unserm alten Spalanzani? – Nathanael versicherte, daß er gar nichts sagen könne, weil er durchaus nichts vom Profeßor wiße vielmehr mit großer Verwunderung wahrnehme, wie in dem stillen düstern Hause ein tolles Toben und Wirthschaften losgegangen, da erfuhr er denn von Siegfried, daß Spalanzani morgen ein großes Fest geben wolle, Conzert und Ball, und daß die halbe Universität eingeladen sey; allgemein verbreite man, daß Spalanzani seine Tochter Olimpia, die er so lange jedem menschlichen Auge recht ängstlich entzogen, zum erstenmahl erscheinen laßen werde. Nathanael fand eine Einladungskarte, und ging mit hochklopfendem Herzen zur bestimten Stunde, als schon die Wagen rollten und die Lichter in den geschmückten Sälen schimmerten zum Profeßor. Die Gesellschaft war zahlreich und glänzend; Olimpia erschien sehr reich und geschmackvoll gekleidet – Man mußte ihr schön geformtes Gesicht, ihren hohen majestätischen Wuchs bewundern, der ganz sonderbar eingebogne Rücken, die wespenartige Düne des Leibes schien von zu starkem Einschnüren bewirkt zu seyn im Schritt und Stellung hatte sie etwas abgemeßenes und steifes, das manchem unangenehm auffiel, der es mit Recht dem Zwange den ihr die Gesellschafft , in der sie sich frey zu bewegen noch nicht vermochte, zuschrieb. Das Conzert began OmpaOlimpia spielte den Flügel mit großer Fertigkeit und trug eben so eine BravourArie mit heller beinahe schneidender Glasglockenstimme vor. Nathanael war ganz entzückt – er stand in der hintersten Reihe und konte im blendenden Kerzenlicht Olimpias Züge nicht ganz erkennen. Ganz unvermerkt nahm er deshalb Coppola's Glas hervor und schaute hin nach der schönen Olimpia. Ach! – da wurde er gewahr, wie sie voll Sehnsucht nach ihm herüber blickte – wie jeder Ton erst deutlich aufging in dem LiebesBlick, der zündend sein Innres durchdrang. – Die künstlichen Rouladen waren dem Nathanael das Himmelsjauchzen des in Liebe verklärten Gemüths, und als nun endlich nach der Cadenz der lange Trillo

          recht schmetternd durch den Saal gellte, konte er wie von glühenden Armen plotzlich erfaßt sich nicht mehr halten, er mußte vor Schmerz und Entzücken laut aufschrein: Olimpia! Alle sahen sich um nach ihm, manche lachten, der Domorganist schnitt aber noch ein finstreres Gesicht als vorher und sagte bloß: Nun nun! – Das Conzert war zu Ende, der Ball fing an. Mit ihr zu tanzen! – mit ihr! das war nun dem Nathanael das Ziel aller Wünsche, alles Strebens – aber [wie] sich erheben zu dem Muth sie, die Königin des Festes aufzufordern? – doch, er selbst wußte nicht wie es geschah, daß er, als schon der Tanz angefangen, dicht neben Olimpia, die noch nicht aufgefordert worden, stand, und daß er kaum vermögend einige Worte zu stammmeln ihre Hand ergriff. – Eiskalt war Olimpias Hand – und grausig durchbebten ihn die Schauer des Todesfrostes – Er starrte Olimpien ins Auge, das strahlte ihm aber voll Liebe und Sehnsucht entgegen und in dem Augenblick war es auch, als fingen in der kalten Hand Pulse zu schlagen, und des LebensBlutes Ströme zu glühen. Und auch in Nathanaels Innerm glühte höher auf die Liebeslust, er umschlang ie schöne Olimpia und durchflog mit ihr die Reihen. – Er glaubte sonst recht tacktmäßig getanzt zu haben, aber an der ganz eignen rythmischen Festigkeit, womit Olimpia tanzte, und die ihn oft ordentlicher Weise aus der Haltung brachte, merkte er bald, wie sehr ihm sonst der Takt gemangelt. – Er wollte mit keinem andern Frauenzimmer mehr tanzen, und hätte jeden der sich Olimpia näherte um sie aufzufordern nur gleich ermorden mögen. Doch nur zweimahl geschah dies; zu seinem Erstaunen er blieb Olimpia bey jedem Tanz sitzen , und er ermangelte daher nicht dann immer wieder sie aufzuziehn. Hätte Nathanael außer der schönen Olimpia noch etwas anderes zu sehen vermocht, so wäre allerley fataler Zank und Streit unvermeidlich gewesen, denn offenbar ging das halbleise mühsam unterdrückte Gelächter, was sich in diesem, jenem Winkel unter den jungen Leuten erhob, auf die schöne Olimpia, die sie mit ganz kuriosen Blicken verfolgten, man konte gar nicht errathen, warum. Durch den Tanz und den reichlich genoßenen Wein erhizt, hatte Nathanael alle ihm sonst eigne Scheu abgelegt. Er saß neben Olimpia, ihre Hand in der seinigen,

          Liebe und hoch entflammter und begeistert von seiner Liebe in Worten , die keiner verstand, weder er noch Olimpia. Doch diese vielleicht, denn sie sah ihm unverrückt ins Auge, und seufzte ein mahl über das andere: Ach! – Ach! – worauf denn Nathanael sprach: O du herrliche himmlische – Frau! Du Strahl aus dem verheißenen Jenseits der Liebe – du tiefes Gemüth in dem sich mein ganzes Seyn spiegelt, und noch mehr dergleichen, worauf denn Olimpia immer wieder seufzte: Ach! Ach! – Der Profeßor Spalanzani ging einige mahl bey den glücklichen vorüber, und lächelte sie ganz seltsam zufrieden an. Dem Nathanael schien es, unerachtet er sich in einer ganz andern Welt befand, als würd' es hienieden merklich finster, er schaute um sich, und wurde zu seinem nicht geringen Schreck gewahr, daß eben die zwey lezten Lichter in dem leeren Saal herniderbrennen und ausgehen wollten. Lengst hatten Musik und Tanz aufgehört. "Trenung – Trenung! – schrie er ganz wild und verzweifelt, er küßte Olimpias Hand – er neigte sich zu ihrem Munde – eiskalte Lippen begegneten der Gluth der seinigen Gluth –So wie, als er Olimpias kalte Hand berührte, fühlte er sich wie von inerm Grausem erfaßt – die Legende von der todten Braut ging ihm plotzlich durch den Sin aber fest hatte ihn Olimpia an sich gedrückt, und in dem Kuß schien die Lippn zum Leben zu erglühen. . – Der Profeßor Spalanzani schritt nun langsamen durch den leeren Saal, seine Tritte hallten hohl wieder, und seine Figur von flackernden Schlagschatten umspielt bekam ein grauliches gespenstisches Ansehen – " Lieb[st] du mich, liebst du mich, – Olimpia – – Nur dis Wort? – Liebst du mich?, so flusterte Nathanael, aber Olimpia seufzte aufstehend bloß: Ach Ach! – Ja Ja – du herrlicher Liebesstern bist mir aufgegangen, sagte Nathanael aufspringend. "Ach Ach! replizirte Olimpia fortschreitend – Nathanael folgte ihr, sie standen vor dem Profeßor: Sie haben sich außerordentlich lebhaft mit meiner Tochter unterhalten, sprach dieser lächelnd: Nun nun! Lieber H. Nathanael: finden Sie Geschmack daran mit dem blöden Mädchen zu conversiren, so sollen mir Ihre Besuche wilkommen seyn. – Einen ganzen hellen strahlenden Himmel in der Brust schied Nathanael von dannen. Spalanzanis Fest war er Gegenstand des Gesprächs in den folgenden Tagen. Unerachtet der Profeßor alles gethan hatte recht splendid zu erscheinen, so wußten doch lustige Köpfe von allerley Unschicklichem und Sonderbarem zu erzählen das sich begeben, und vorzüglich fiel man über die todtstarre, stumme Olimpia her, der man ihres schönen Aüßern

          unerachtet totalen Stumpfsinn andichten und darin die Ursache finden wollte, warum sie Spalanzani so lange verborgen gehalten. Nathanael hörte das nicht ohne innern Ingrimm, indeßen schwieg er,: denn, dachte er: würde es wohl lohnen diesen Burschen zu beweisen, daß eben ihr eigner Stumpfsinn es ist, der sie Olimpias tiefes herrliches Gemüth erkennen, hindert? – "Thu mir den Gefallen Bruder! sprach eines Tages Siegfried: thu mir den Gefallen und sage mir, wie es dir gescheuten muntren Kerl möglich war dich in das Wachs Gesicht und ie Holzpuppe da drüben zu vergaffen. Nathanael wollte auffahren in wildem Zorn, schnell besann er sich und erwiederte: Sage du mir Siegfried wie deinem sonst das Schöne so klar auffaßenden Blick, deinem regen Sinn Olimpias himmlischer Liebreiz entgehen konte! – Doch eben deshalb habe ich Dank sey es dem Geschick , dich nicht zum Nebenbuhler , denn sonst mußte einer von uns beiden blutend fallen Siegfried merkte wohl wie es mit dem Freunde stand, lenkte geschickt ein, und fügte, nachdem er geaüßert, daß in der Liebe niemahls über den Gegenstand zu rechten sey, hinzu: Wunderlich ist es doch, daß wir andern außer dir über Olimpia ziemlich gleich urtheilen. Sie ist uns – nimm es nicht übel Bruder! auf seltsame Weise starr und seelenlos erschienen. Ihr Wuchs ist regelmäßig sowie ihr Gesicht – sie könte für schön gelten, wenn ihr Blick nicht so ganz ohne Lebensstrahl – ich möchte sagen, ohne Sehkraft wäre. – Ihr Schritt ist so sonderbar abgemeßen, das Gehen a eines aufgezogenen Räderwerks bestimt. – Ihr Spiel, ihr Singen hat den unangenehm richtigen geistlosen Tackt der spielenden-singenden Maschiene, und eben so ist ihr Tanz. – Uns allen ist diese Olimpia ganz unheimlich worden – wir möchten nichts mit ihr zu schaffen haben, es war uns, als thue sie nur so wie ein lebendiges Wesen und doch habe es mit ihr eine eigne Bewandniß – Nathanael gab sich dem bittren Gefühl das ihn bey diesen Worten Siegfrieds ergreifen wollte, durchaus nicht hin, er wurde Herr seines Unmuths und sagte bloß sehr ernst: Wohl mag Euch, ihr kalten prosaischen Menschen Olimpia unheimlich seyn. Nur dem poetischen tiefen Gemüth entfaltet sich das gleich organisirte! – Nur mir ging ihr Liebesblick auf und durchstrahlte Sinn und Gedanken, nun erst in Olimpias Liebe finde ich mich selbst wieder – Euch mag es nicht recht seyn, daß sie nicht in platter Conversation faselt wie die andern flachen Gemüther – Sie spricht wenig Worte das ist wahr, aber diese wenigen Worte erscheinen als ächte Hieroglyphe der innern Welt voll hoher Liebe und Erkentniß

          a jede Bewegung scheint vom erGang eines aufgezognen Radwrkls bedingt zu seyn

          des geistigen Lebens in der Anschauung des Ewigen Jenseits. Doch für alles das habt ihr keinen Sinn und alles sind verlohrne Worte. "Behüte dich Gott Herr Bruder sagte Siegfried: sehr sanft, beinahe wehmütig aber mir scheint es, du seyst auf bösem Wege – auf mich kanst du rechnen, wenn etwa – Nein ich mag nichts weiter sagen. Dem Nathanael war es plötzlich, als meine es der kalte prosaische Siegfried sehr treu mit ihm, er schüttelte daher die ihm dargebotene Hand recht herzlich  

          a

          Nathanael hatte rein vergeßen, daß es eine Clara in der Welt gäbe die er sonst geliebt – die Mutter – Lothar – Alle waren aus seinem Gedächtniß verschwunden er lebte nur für Olimpia, bey der er Täglich stundenlang saß und von seiner Liebe, von zum Leben erglühter Simpathie, von psychischer Wahlverwandschafft fantasirte, welches alles Olimpia mit großer Andacht zuhörte. Aus dem tiefsten Grunde des Koffers holte Nathanael alles hervor was er jemahl geschrieben – Gedichte – Fantasien – Visionen – Romane. Das wurde täglich vermehrt mit allerley ins blaue steigenden Sonetten Stanzen und Liedern, und das alles las er Olimpien vor stundenlang hintereinander ohne zu ermüden. Aber auch nie hatt' er eine solche Zuhörerin gehahbt. Sie stickte und strikte nicht, sie sah nicht durch's Fenster, sie fütterte keinen Vogel, sie spielte mit keinem Schooßhündchen mit kein Lieblingskatze – sie drehte keine Papierschnitzchen oder sonst was in der Hand sie durfte kein Gähnen durch ein leises erzwungnes Husten bezwingen – kurz stundenlang sah sie mit starrem Blick unverwandt dem Geliebten ins Auge ohne sich zu rücken und zu bewegen, und immer glühender immer lebendiger wurde dieser Blick – Nur wenn Nathanael endlich aufstand und ihr die Hand und wohl auch den Mund küßte sagte sie: "Ach – Ach – denn aber: Gute Nacht, mein Lieber! – O du herrliches – du tiefes Gemüth rief denn Nathanael auf seiner Stube, nur von dir – von dir werd' ich ganz verstanden. Er erbebte vor innern Entzücken, wenn er bedachte, welch' wunderbarer Zusammenklang sich in seinem und Olimpias Gemüth täglich mehr offenbare, denn es schien ihn, als hätte Olimpia über seine Werke, über seine Dichtergabe überhaupt recht tief aus seinem Inern gesprochen, ja als habe ihre Stimme aus seinem Innern selbst herausgetönt. Das mußte denn auch wohl seyn, denn mehr Worte, als vorhin sprach Olimpia niemahls erinnerte sich aber auch Nathanael in hellern nüchternen[...] Augenblike z.B. des Morgens gleich nach dem Erwachen, auch wirklich an Olimpias gänzliche Paßivität und b Wortkargheit, so sprach er doch: Was sind Worte – Worte – der Blick ihres himlischen Auges sagt mehr, als jede Sprache hienieden – Vermag denn überhaupt ein Kind des Himmels, sich einzuschichten in den engen Kreis, den ein klägliches irrdisches Bedürfniß gezogen?

          a (neuer Abschnitt

          b Die Arie!

          Profeßor Spalanzani schien hoch erfreut über das Verhältniß seiner Tochter mit Nathanael, er gab diesem allerley unzweideutige Zeichen seines Wohlwollens, und als Nathanael endlich es wagte von ferne auf eine Verbindung mit Olimpia anzuspielen lächelte er mit dem ganzen Gesicht und meinte: Er werde Olimpia gänzlich freie Wahl laßen. – Ermuthigt durch diese Worte, brennendes Verlangen im Herzen beschloß Nathanael gleich am folgenden Tage Olimpia anzuflehen daß nur unumwunden in deutlichen Worten auszusprechen, was längst ihm ihr holder Liebesblick gesagt – daß sie sein eigen immerdar seyn wolle. Er suchte nach dem Ringe, den ihm beym Abschiede seine Mutter geschenkt, um ihn Olimpien als Symbol seiner Hingebung, seines mit ihr, aufkeimenden und blühenden Lebens darzureichen. Claras, Lothars Briefe fielen ihm dabey in die Hände, er warf sie gleichgültig bey Seite fand den Ring, steckte ihn ein, und rannte herüber zu Olimpia.

          Schon auf der Treppe, auf dem Flur, vernahm er ein wunderliches Getöse, es schien aus Spalanzanis StudirZimmer herauszuschallen – ein Stampfen – ein Klirren – ein Schlagen gegen die Thüre – dazwischen Flüche und Verwünschungen – "Laß los – Laß los – Infamer – verruchter! – Darum Leib und Leben daran gesezt? Ha ha ha – so haben wir nicht gewettet – ich – ich hab die Augen gemacht! – Ich das Räderwerk – dummer Teufel mit deinem Räderwerk! – verfluchter Hund von einfältigem Uhrmacher – fort mit dir – Satan – laß los – laß los – mir gehört die Maschiene – ha ha ha – Puppendreher – verzweifle – da da da – mein sind die Augen – ich reiße sie aus! – Es waren Spalanzanis, des gräßlichen Coppelius Stimmen, die so durcheinander schwirrten und tobten – Hinein stürzte von nahmenloser Angst ergriffen Nathanael. Der Profeßor hatte eine weibliche Figur bey den Schultern gepackt, der Italiäner Coppola bey den Füßen – sie zerrten und zogen sie hin und her in vor toller Wuth streitend um den Besitz – Voll tiefen Entsetzens prallte Nathanal zurük als er Olimpia erkannte – aufflammend in wildem Zorn wollte sie den Wuthenden die Geliebte entreißen, aber in dem Augenblik riß Coppola sich mit R iesenkraft drehend die Figur dem Profeßor aus den Händen, und versezte in demselben Moment ihn mit der Figur selbst einen Schlag, daß er rücklings über einen Tisch, auf dem Phiolen, Retorten ElektrisirMaschinen standen, taumelte, und fiel so daß alles in tausend Stücke zusammenklirrte. – Nun warf Coppola

          die Figur über die Schulter, und rannte mit fürchterlich gellendem Gelächter rasch fort die Treppe herab, so daß die häßlich herunter hängenden Füße hölzern klapperten und dröhnten! – Fest in der Boden gewurzelt stand Nathanael – nur zu deutlich hatte er gesehen, Olimpias Wachsgesicht hatte keine Augen statt ihrer schwarze todte Höhlen – sie war eine leblose Puppe – Spalanzani wälzte sich auf der Erde [...] Glasscherben hatten ihm Kopf – Brust und Arm zerschnitten, wie aus Springquellen strömte das Blut empor – aber er raffte seine Kraft zusammen – ihm nach – ihm nach, was zauderst du[!] Coppelius – Coppelius – mein bestes Automat hat er mir geraubt – zwanzig Jahr daran gearbeitet – Leib und Leben daran gesezt – aber das Räderwerk – Gang – Sprache – Gesang – mein mein – die Augen die Augen – er – er – dir gestohlen – Verdammter – Verdamter – ihm nach – hohl mir Olimpia – da da hast du die Augen – Nun sah Nathanael, wie ein Paar blutige Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrten, die faßte Spalanzani, mit der unverlezten Hand warf sie nach ihm, daß sie seine Brust trafen. – Da packte ihn der Wahnsinn mit glühenden Krallen und fuhr hinein ins Innre zerreißend Sinn und Gedanke – – Huy – huy – huy – FeuerKreis – FeuerKreis – dreh' dich FeuerKreis – dreh dich – dreh dich Holzpüpchen – Damit warf er sich auf den Profeßor und drückte ihn die Kehle zu. Er hätte ihn getödtet, aber as Getöse hatte viele Menschen herbeygelockt, die drangen ein, rißen den wüthenden Nathanael auf und retteten so Spalanzani, der gleich verbunden wurde. Siegfried, so stark er war, vermochte nicht den Nathanael nicht zu bandigen, der schrie mit fürchterlicher Stimme immerfort: Holspüppchen dreh' dich – und schlug um sich mit geballten Faüsten. Endlich gelang es mehreren ihn zu überwältigen, indem sie ihn zu Boden warfen und banden – , seine Worte gingen unter in entsetzlichem thierischen Gebrülle – So in gräßlicher Raserey tobend wurde er nach dem Tollhause gebracht!  

          Ehe ich , günstiger Leser! zu erzählen fortfahre, was sich weiter mit dem unglücklichen Nathanael zugetragen, kann ich dir, solltest du einigen Antheil an dem geschickten Mechanicus und AutomateFabrikanten Spalanzani nehmen, versichern, daß er von seinen Wunden völlig geheilt wurde. Er mußte indeßen die Universität verlaßen, weil Nathanaels Geschichte Aufsehn gemacht hatte, und es allgemein für gänzlich unerlaubten Betrug gehalten wurde vernünftigen Theezirkeln (Olimpia hatte sie mit Glück besucht) statt der lebendigen Person eine Holzpuppe aufzudringen. Juristen nanten es sogar einen feinen und daher härter zu bestrafenden Betrug, weil kein Mensch (kluge Studenten ausgenommen) es gemerkt hatte, unerachtet jezt alle weise thaten, und sich auf allerley Thatsachen beriefen, die ihrem feinen Sinn, als verdächtig aufgefallen. Sie brachten

          aber nichts gescheutes zu Tage, denn dafür war z. B. doch nicht zu achten, daß ein Elegant meinte, Olimpia habe gegen alle Sitte öfter genieset als gegähnt; ersteres sey aber das Selbstaufziehen des innern Triebwerks gewesen; merklich habe es dabey geknarrt u. s. w. Der Profeßor der Poesie und Beredsamkeit nahm eine Prise, und sagte die Dose zuklappend: fyerlich: HochzuVerehrende Herrn! merken sie denn nicht wo der Hase im Pfeffer liegt? – Das ganze ist eine Allegorie eine fortgeführte Metapher. Sie verstehen mich! Sapienti sat! – Aber viele von den hochzuverehrenden Herrn beruhigten sich nicht dabey, die Geschichte mit dem Automat hatte tief in ihrer Seele Wurzel gefaßt, und es schlich sich ein in der That abscheuliges Mißtrauen gegen menschliche Figuren ein. Um nun ganz überzeugt zu werden, daß man keine Holzpuppe liebe, wurde nun verlangt, daß die Geliebte manchmahl etwas taktlos singe und tanze, daß sie beym lesen strike, stike usw Vor allen Dingen aber, daß sie nicht bloß höre, sondern auch manchmahl in der Art spreche, daß dies Sprechen wirklich ein Denken und Empfinden als unerläßlich voraussetze. Das Liebesbündniß vieler wurde fester und daby anmuthiger, andere gingen dagegen leise auseinander: – man kann wahrhaftig nicht dafür stehen, sagte dieser oder jener. In den Thees wurde unglaublich gegähnt, und niemahls geniest, um dem Verdacht jenes Elegants, der sich verbreitet, zu begegnen. – Spalanzani mußte allso fort um der CriminalUntersuchung wegen, der menschlichen Gesellschaft eingeschobenen Automats zu entgehen, auch Coppola ließ sich nicht mehr sehen. Am Ende war es doch wohl der gräßliche Sandmann Coppelius.  

          Nathanael erwachte wie aus schwerem fürchterlichen Traum, er schlug die Augen auf, und fühlte wie ein unbeschreibliches WonneGefühl mit sanft, aber himlisch Wärme ihn durchsströmte . – Er lag in seinem Zimmer in des Vaters Hause auf dem Bette, Clara hatte sich über ihn hingebeugt, und unfern standen die Mutter und Lothar! – "Endlich, endlich! – o mein Hergeliebter Nathanael – nun bist du genesen von schwerer Krankheit, nun bist du wieder mein! – So sprach Clara recht aus tiefer Seele und faßte den Nathanael in ihre Arme, aber dem quollen vor lauter Wehmuth und Entzücken die hellen Thränen aus den Augen und er stohnte tief auf: Meine – o Meine Clara. – Siegfried, der bey dem Freunde ausgeharrt in großer Noth trat hinein. – Nathanael reichte ihm die Hand: du treuer Bruder hast mich doch nicht verlaßen! – Jede Spur des Wahnsinns war verschwunden, bald erkräftigte sich

          Nathanael in der sorglichen Pflege der Mutter – der Geliebten – der Freunde. Das Glück war unterdeßen in das Haus eingekehrt, denn ein alter karger Oheim, von dem niemand was gehofft war gestorben und hatte der Mutter ein ein nicht unbedeutendes Vermögen und ein schuldenfreyes Gütchen vier Meilen von der Stadt hinterlaßen. Dort wollten sie hinziehen, die Mutter, Nathanael mit seiner Clara, die er nun zu heyrathen gedachte und Lothar. Nathanael war milder, kindlicher geworden als er je gewesen, und erkante nun erst recht Claras himmlisch reines herrliches Gemüth. Niemand erinnerte ihn auch nur durch den leisesten Anklang an die Vergangenheit, nur als Siegfried von ihm schied , sprach Nathanael: bey Gott Bruder! – ich war auf schlimmen Wege – aber zu rechter Zeit leitete mich ein Engel auf den lichten Pfad – ach – es war ja Clara! – Siegfried ließ ihn nicht weiter reden, aus Furcht, tief verletzende Erinnerungen möchten zu hell und flammend aufgehen – Es war an der Zeit, daß die vier glücklichen Menschen, diedie Mutter, Nathanael Clara und Lothar nach dem Gütchen reisen wollten um sich umzusehen in der Wirthschafft. Zu Mittagsstunde gingen sie durch die Straßen der Stadt sie hatten manches eingekauft – der hohe Burgthurm warf seinen Riesen schatten über den Markt. "Ey sagte Clara: steigen wir doch einmahl noch herauf und schauen in das ferne Gebürge hinein. Gesagt – gethan. Beyde, Nathanael und Clara stiegen herauf, die Mutter ging mit der Dienstmagd nach Hause, und Lothar, dem es nicht gemüthlich war die vielen Stufen zu erkleltern wollte indeßen unten warten. – Da standen die beiden Liebenden Arm und Arm auf der Gallerie, und schauten hinein in die duftigen Waldungen, und verfolgten mit senhsuhtigm Blick den, wie der Strom[...] in silbernen Windungen sich durch die Blumenflure schlängelte "Was mag das für ein kleines graues Thurmchen seyn, was dort liegt – ach – es bewegt sich ja – schau doch hin Nathanael? – Nathanael faßte mechanisch nach der Seitentasche – er fand Coppolas Perspektiv – er schaute seitwärts, Clara stand vor dem Glase. – Da glühte und zuckte es in seinen Pulsen und Adern – Feuerströme glühten und sprühten durch die rollenden Augen – gräßlich brüllte er auf wie ein geheztes Thier, aber dann sprang er hoch in die Lüfte und schrie in schneidendem Ton, entsettzlichentsettzlich dazwischen lachend: Holzpüpchen dreh' dich – Holzpüpchen dreh dich – Und mit gewaltiger Kraft faßte er Clara und wollte sie hinabschleudern aber Clara krallte sich in verzweifelter TodesAngst fest an das Geländer – Lothar hörte ihr Geschrey,

          eine gräßliche Ahnung durchflog ihn – er rannte herauf Die Thüre der zweiten Treppe war verschloßen, Claras Jammergeschrey hallte – stärker – und stärker Unsinnig vor und Angst schlug er dagegen – sie wich seinem verdoppelten Stoßen – Matter tönten Clara's Laute – herauf immer fort herauf – auch die Thür zur Gallerie war verschloßen – Hülfe – Rettung – hülfe hülfe – So erstarb beinahe schon Claras Rufen – Sie ist hin – Sie ist hin – gemordet vom Rasenden – so schrie Lothar – die Verzweiflung gab ihm Riesenkraft – mit voller Stärke gegen die Thür drängend riß er sie aus den Angeln – Gott im Himmel! – Nathanael hatte Claras rechte Hand losgemacht vom Geländer sie hing mit g er[...]demem Leibe heraus ins freye – das Kleid flatterte in den Luften – Aber in dem Augenblick faßte mit der einen Hand Lothar die Schwester und schlug mit geballter Faust dem rasenden Nathanael ins Gesicht daß er zurückprallte – Mit der Schnelligkeit des Blitzes rannte Lothar die ohnmechtige Clara in den Armen herab. Sie war gerettet –

          Nun raste Nathanael herum auf der Gallerie, da rief eine widerwärtige Stime von unten herauf: Ey ey – Kleine Bestie – willst Augen machen lernen – wirf mir dein Holzpüpchen zu! – wirf mir dein Holzpüpchen zu – – es war das klein grau Thürmchen, was Clara geschaut – aber nicht ein Thürmchen – der Advokat Coppelius stand unten am Thurm und schaute und rief so herauf – Nathanael erblickte den Coppelius und lachte: ha ha ha - Sköne Oke - Sköne Oke – Kauf sie dir ab – Kauf sie dir ab – komm' schon – Komm schon! – Und damit sprang er über das Geländer! –

          Als Nathanael mit zerschmettertem Gehirn auf dem Steinpflaster lag, war Coppelius unter den Menschen, die sich um den Todten versammelten, verschwunden.

          Nach mehreren Jahren will man in einer entfernten Gegend Clara gesehen haben, wie sie mit einem freundlichen Manne Hand in Hand vor der Thüre eines schönen Landhauses saß, und vor ihr her zwey muntre goldlockigte Knaben spielten. Es wäre daraus zu schließen, daß sie das ruhige hausliche Glück noch fand, das ihrem heitern, lebenslustigen Sinn zusagte, und das ihr der im Innern zerrißene Nathanael niemahls gewähren konnte.